I. Die Beklagte wird verurteilt, aufgrund der stationären Behandlung der Versicherten der Beklagten S. B. vom 27.03.2016 bis zum 05.04.2016 einen weiteren Betrag in Höhe von 11.176,49 € nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.04.2016 an die Klägerin zu zahlen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 11.176,49 € festgesetzt.
T a t b e s t a n d :
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung eines Betrages in Höhe von 11.176,49 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.04.2016 aufgrund der stationären Krankenhausbehandlung der Versicherten S. B. (S.B.) vom 27.03.2016 bis 05.04.2016.
Die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Patientin S.B., geboren 1970, wurde in der Zeit vom 27.03.2016 bis 05.04.2016 bei der Klägerin stationär behandelt. Die Rechnung vom 12.04.2016 wies hierfür einen Rechnungsbetrag von 11.240,18 € aus, fällig am 29.04.2016. Im Zeitraum vom 05.12.2011 bis 23.03.2012 war der Versicherte M. C. (M.M.), geboren 2011, bei der Klägerin stationär behandelt worden. Der 4 Monate alte Säugling war zur operativen Versorgung eines komplexen Herzfehlers bei Trisomie 21 stationär aufgenommen worden. Der Korrektur-OP eines AV-Kanales mittels Doppel-Patch-Technik und Aortenbogenerweiterung am 06.12.2011 folgte bereits nach Beendigung der Herz-Lungen-Maschine eine Verschlechterung der Sauerstoff-Sättigung. Die intraoperativ begonnene druckkontrollierte Beatmung wurde im APRV Modus (APRV-Airway Pressure Release Ventilation) sowie SIMV (Synchronisierte intermittierende mandatorische Ventilation) auf der kinderkardiologischen Intensivstation fortgeführt. Statt der Entwöhnung mittels CPAP-Atemunterstützung wurde die HFNC-Atemunterstützung gewählt, wobei diese Methode sowohl zur Entwöhnung als auch als primäre Atemunterstützung Anwendung fand.
Die Beklagte zahlte die ursprüngliche Rechnung des Krankenhausaufenthaltes von M. M. und leitete ein Gutachterverfahren gemäß § 275 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ein, u.a. mit der Fragestellung der Berechnung der Beatmungsstunden. Der MDK Bayern kam in seinem Gutachten vom 05.07.2013 zu dem Schluss, dass die Beatmungsstunden nicht korrekt berechnet seien. Mit Schreiben vom 08.08.2013 legte die Klägerin Widerspruch gegen das MDK-Gutachten ein. Der MDK hielt jedoch an seiner Auffassung fest, dass die Beatmungsstunden nicht korrekt kodiert seien (MDK-Gutachten vom 09.10.2015). Mit Schreiben vom 18.04.2016 erklärte die Beklagte die Aufrechnung mit der Forderung für die Krankenhausbehandlung des Patienten M. M. gegen die Forderung der Klägerin für die Krankenhausbehandlung der Patientin S. B. Zwischen den Beteiligten geführte Vergleichsverhandlungen waren nicht erfolgreich.
Am 22.11.2016 hat die Klägerin zum Sozialgericht Nürnberg (SG) Klage erhoben und zur Begründung insbesondere vorgetragen (Schreiben vom 18.11.2016), dass sie gegen die Beklagte nach den Vorschriften des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) und des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) und der Pflegesatzvereinbarung von 2016 (§ 1) einen Anspruch auf Zahlung der Rechnung vom 12.04.2016 habe, da die Krankenhausbehandlung von M.M. zu Recht mit der DRG A07A (Beatmung > 999 und < 1800 h mit komplexer OR-Prozedur oder Polytrauma, mit hochkompl. Eingriff oder dreizeitigem komplexen Eingriff oder intensivmed. Komplexbeh. > 3680 Aufwandspunkte) abgerechnet worden sei. Damit seien die Voraussetzungen eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs nicht erfüllt, mit dem die Beklagte analog § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gegen die Restvergütungsforderung hätte wirksam aufrechnen können. Nach den Deutschen Kodierrichtlinien 2012 (DKR 2012), Seite 99 ff., werde die Methode der Entwöhnung von der künstlichen Beatmung (z. B. CPAP, SIMV, PSV) nicht kodiert. Die Dauer der Entwöhnung werde insgesamt (inklusive beatmungsfreier Intervalle während der jeweiligen Entwöhnung) bei der Berechnung der Beatmungsdauer eines Patienten hinzu gezählt. Beispielhaft werden die Verfahren CPAP, SIMV oder PSV erwähnt. Da hier nur eine beispielhafte Aufzählung der Entwöhnungsmethoden erfolge, die High-Flow-Methode aber mit den anderen Methoden, die beispielhaft erwähnt würden, vergleichbar sei und sich auch im OPS-Code-Verzeichnis unter der Überschrift "Maschinelle Beatmung über Maske oder Tubus", wo die anderen Verfahren zu finden seien, finde, sei die High-Flow-Beatmung als Beatmungsentwöhnung anzusehen. Mithin sei eine Beatmungsentwöhnung bis 09.03.2012 erfolgt. Es seien daher 1098 Beatmungsstunden angefallen, so dass die DRG A07A zu Recht abgerechnet worden sei. Der Zinsanspruch begründe sich aus § 22 der Muster-Pflegesatzvereinbarung 2016.
Hierauf erwiderte die Beklagte mit Schreiben vom 03.01.2017 insbesondere, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung weiterer 11.176,49 € habe, da der Vergütungsanspruch der Klägerin gemäß § 389 BGB durch die Aufrechnung der Beklagten erloschen sei. Nach dem Gutachten des MDK Bayern vom 26.02.2013 sei die DRG A07A nicht korrekt. Richtig wäre gewesen, die DRG A09A (Beatmung zwischen 499 - 1000 Stunden mit angeborener Fehlbildung oder Tumorerkrankung, Alter unter 3 Jahre oder mit komplexer OR-Prozedur oder Polytrauma oder intensivmedizinischer Komplexbehandlung mehr als 3220 Aufwandspunkte) anzusetzen. Die High-Flow-Anwendung vom 12.01.2012 bis 23.03.2012 könne nicht als Beatmung anerkannt werden. Die Prozedur 5 - 356.8 sei nicht korrekt kodiert, es läge kein Operationsbericht vor. Die Beklagte habe die Klägerin mit Schreiben vom 12.07.2013 zur Rechnungskorrektur aufgefordert. Die Klägerin habe mit Schreiben vom 08.08.2013 einer Rechnungskorrektur widersprochen. Im OPS-Katalog sei die nichtinvasive High-Flow-Beatmung unter 8.711.4 als maschinelle Beatmung und Atemunterstützung bei Neugeborenen aufgeführt. Die High-Flow-Beatmung entspreche dem klassischen CPAP-System und könne als besonders schonende Entwöhnung über längere Zeit angewendet werden. Wie bei der invasiven Beatmung erfolge eine laufende Überwachung inklusive Blutgasanalysen. Den Widerspruch der Klägerin habe die Beklagte am 13.08.2013 dem MDK Bayern zur erneuten Begutachtung vorgelegt, der in seinem Gutachten vom 09.10.2015 wieder zum Ergebnis gekommen sei, dass die DRG A07A nicht korrekt sei und zu viele Beatmungsstunden abgerechnet worden seien. Anstelle 1115 Beatmungsstunden seien nur 892 Beatmungsstunden im Zeitraum vom 06.12.2011 12:00 Uhr bis 12.01.2012 16:00 Uhr medizinisch notwendig gewesen. Die High-Flow-Anwendung entspreche nicht der Beatmungsdefinition der DKR 1001 h.
Anschließend hat im Auftrag des Gerichts der Facharzt für Kinderheilkunde Dr. D. am 12.08.2017 ein Gutachten nach Aktenlage erstattet, in dem er zum Ergebnis gelangt ist, dass die Klägerin zu Recht die DRG A07A abgerechnet hat.
Hierzu nimmt die Beklagte mit Schreiben vom 04.10.2017 dahingehend Stellung, dass die Auffassung, dass die HFNC weder bei der Beatmung noch bei der Entwöhnung zu berücksichtigen sei, sich mit der Einschätzung der SEG4 und der FoKA decke. Nach der Rechtsprechung des BSG sei strikt nach den geltenden Abrechnungs- und Kodierregeln vorzugehen. Unstimmigkeiten seien von den Vertragspartnern für die Zukunft zu klären. Es gebe derzeit keine Möglichkeit, diese Grundsätze zu umgehen. Vom Sachverständigen selbst werde nochmals darauf hingewiesen, dass die Kosten für die HFNC möglicherweise deutlich geringer seien (INEK) und bei HFNC als CPAP-Ersatz die Evidenz fehle. Die Punkte, die für den Sachverständigen für eine Anrechnung sprächen, seien durchgehend Aspekte, die von den Selbstverwaltungspartnern für die Zukunft zu klären seien. Diese Thematik sei bereits seit längerer Zeit den Selbstverwaltungspartnern bekannt. Aus welchem Grund in dieser Sache noch keine Klarstellung durch den Schlichtungsausschuss Bund initiiert worden sei, sei hier allerdings nicht bekannt.
Auf Veranlassung des Gerichts hat der gerichtliche Sachverständige Dr. D. am 16.10.2017 ergänzend Stellung genommen.
Zur Klagebegründung trägt die Klägerin weiterhin vor, dass weder die Einschätzung der SEG 4 noch die Einschätzung der FoKA konstitutiv seien. Auch die möglicherweise geringeren Kosten einer HFNC gegenüber einer nCPAP-Methode seien nicht konstitutiv für die Einordnung der HFNC als Entwöhnungsmethode, genauso wenig wie die fehlende Evidenz der HFNC-Anwendung als CPAP-Ersatz im späteren Kindes- und Erwachsenenalter. Bei dem hier eingeklagten Fall des Patienten M.M. handele es sich um einen vier Monate alten Säugling, so dass sich Diskussionen über die Evidenz im späteren Kindes- oder Erwachsenenalter schon von vorneherein verbieten. Für die Einordnung der HFNC als Entwöhnungsmethode sei allein der Wortlaut der Kodierregelungen maßgeblich. Neben den bereits durch den Sachverständigen aufgeführten Argumenten heiße es in den speziellen Kodierrichtlinien (DKR 2011) 1001 h Seite 101, dass die Methode der Entwöhnung (z.B. CPAP, SIMV, PSV) von der künstlichen Beatmung nicht kodiert werde. Ferner heiße es, dass die Dauer der Entwöhnung insgesamt bei der Berechnung der Beatmungsdauer hinzugezählt werde. Aus dieser beispielhaften Aufzählung folge, dass die Verwendung aller Entwöhnungsmethoden, die CPAP-, SIMV-, PSV- ähnlich seien, auch darunter fielen. Dazu habe der Sachverständige auf S. 19 seines Gutachtens festgestellt, dass die HFNC im Neugeborenen- und Säuglingsalter als besondere CPAP-Form zu bewerten sei. Der Sachverständige gehe sogar weiter, weil er die HFNC als alleinige Beatmungsform zähle.
Die Klägerin beantragt (Sitzungsniederschrift vom 23.10.2017),
"die Beklagte zu verurteilen, aufgrund der stationären Behandlung der Versicherten der Beklagten S. B. vom 27.03.2016 bis zum 05.04.2016 einen weiteren Betrag in Höhe von 11.176,49 € nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.04.2016 an die Klägerin zu zahlen."
Die Beklagte beantragt (Sitzungsniederschrift vom 23.10.2017),
"die Klage abzuweisen."
Das Gericht hat die Akte der Beklagten und die Patientenakte des Versicherten M.M. zum Verfahren beigezogen. Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Gerichtsakte verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die zulässige Klage ist auch begründet.
Die Klage ist zulässig. Der Rechtsweg zum Sozialgericht ist gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gegeben. Das SG Nürnberg ist gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG örtlich zuständig. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG statthaft. Die Durchführung eines Vorverfahrens gemäß §§ 78 ff. SG war nicht erforderlich, weil es sich hier um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis handelt, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (BSG, Urteil vom 13.05.2004, B 3 KR 18/93, Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 54 Rn. 41 m.w.N.).
Die Klage ist auch begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte nach den Vorschriften des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) und des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) sowie der Pflegesatzvereinbarung von 2016 (§ 1) ein Anspruch auf Zahlung der Rechnung vom 12.04.2016 zu. Denn die Beklagte rechnete die Krankenhausbehandlung von M.M. zu Recht mit der DRG A07A (Beatmung > 999 und < 1800 Stunden mit komplexer OR-Prozedur oder Polytrauma, mit hochkompl. Eingriff oder dreizeitigem komplexen Eingriff oder intensivmed. Komplexbeh. > 3680 Aufwandspunkte) ab. Somit hat die Beklagte keinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegen die Klägerin, mit dem sie analog § 387 BGB gegen die Restvergütungsforderung der Klägerin hätte aufrechnen können.
Die Zahlungsverpflichtung der Beklagten entstand nach ständiger Rechtsprechung des BSG unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den bei ihr versicherten Patienten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie vorliegend - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (ständige Rechtsprechung des BSG, Urteile vom 08.11.2011, B 1 KR 8/11 R, vom 18.07.2013, B 3 KR 25/12 R und vom 21.04.2015, B 1 KR 8/15 R - juris). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist.
Die Höhe der Vergütung für die Behandlung Versicherter bemisst sich bei DRG-Krankenhäusern nach § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 7 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG und § 17 b KHG. Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge, Fallpauschalenvereinbarungen) konkretisiert. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung vereinbaren nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG mit der deutschen Krankenhausgesellschaft als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in den Fallpauschalenvereinbarungen (FPV) auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KHEntgG.
Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich aus der Eingabe und Verarbeitung von Daten in einem automatischen Datenverarbeitungssystem, dass auf einem zertifizierten Programm basiert. Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind (z.B. die Zuordnung von ICD-10-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten Untergruppen im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum) oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zur letzteren gehören die Fallpauschalen selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) in der jeweiligen vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung sowie die Klassifikationen des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen Operationen - und Prozedurenschlüssels und die von den Vertragspartnern auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den DKR für das Jahr 2011.
Die Behandlung des Patienten M. M. führt im Grouper zur Fallpauschale (DRG) A07A (Beatmung > 999 und < 1800 h mit komplexer OR-Prozedur oder Polytrauma mit hochkompl. Eingriff oder dreizeitigem komplexen Eingriff oder intensivmed. Komplexbeh. > 3680 Aufwandspunkte).
Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass die Klägerin die Beatmungsstunden korrekt abgerechnet hat. Denn die Klägerin hat zu Recht die Stunden, in denen der Säugling M. M. in der Phase der Beatmungsentwöhnung eine High-Flow-Beatmung erhalten hat (im Zeitraum vom 12.01.2012 16:00 Uhr bis 05.02.2012 8:00 Uhr), zu den Beatmungsstunden hinzugerechnet.
Zunächst wurde der Säugling M. M. bis zum 12.01.2012 16:00 Uhr unstrittig maschinell beatmet. Danach erfolgte bis 05.02.2012 8.00 Uhr aufgrund der schon langen Beatmungsdauer das Umsteigen auf eine High-Flow-Beatmung (HFNC). High-Flow ist eine Form der nichtinvasiven nasalen Beatmung, bei der mit (angewärmten und befeuchteten) Abfluss > 2 L/min (High-flow) beatmet wird (Pschyrembel - klinisches Wörterbuch online, recherchiert am 07.12.2015, zu HFNC (Abk. für (engl.) High-Flow-Nasal cannulae - High-Flow-Nasenkanülen). Der Einsatz ermöglicht eine schonende Entwöhnung.
Die Klägerin durfte die HFNC-Therapie bei der Berechnung der Beatmungsstunden nach dem OPS-Kode 8-711.4 heranziehen.
Nach den DKR 2011 ist die Beatmung in den speziellen Kodierrichtlinien wie folgt definiert:
1001 h Maschinelle Beatmung
Definition
Maschinelle Beatmung ("künstliche Beatmung") ist ein Vorgang, bei dem Gase mittels einer mechanischen Vorrichtung in die Lunge bewegt werden. Die Atmung wird unterstützt durch das Verstärken oder Ersetzen der eigenen Atemleistung des Patienten. Bei der künstlichen Beatmung ist der Patient in der Regel intubiert oder tracheotomiert und wird fortlaufend beatmet. Bei intensivmedizinisch versorgten Patienten kann eine maschinelle Beatmung auch für Maskensysteme erfolgen, wenn diese anstelle der bisher üblichen Intubation oder Tracheotomie eingesetzt werden.
Kodierung
Wenn eine maschinelle Beatmung die obige Definition erfüllt, ist
1. zunächst die Dauer der künstlichen Beatmung zu erfassen. Hierfür steht ein separates Datenfeld im Datensatz nach § 301 SGB V (Sozialgesetzbuch Fünftes Buch) sowie § 21 KHEntgG (Krankenhausentgeltgesetz) zur Verfügung.
2. ...
3. Bei Neugeborenen und Säuglingen ist zusätzlich ein Kode aus
8-711 Maschinelle Beatmung bei Neugeborenen und Säuglingen
anzugeben.
Anmerkung: Bei Neugeborenen sind darüber hinaus auch andere atmungsunterstützende Maßnahmen wie z. B. Sauerstoffzufuhr (8-720) zu verschlüsseln, soweit nicht eine maschinelle Beatmung erfolgt. Hier ist die Beatmungsdauer nicht zu kodieren.
Bei dem OPS-Kode 8-711 (Maschinelle Beatmung bei Neugeborenen und Säuglingen) ist als Unterpunkt nach 8-711.0 (Atemunterstützung mit kontinuierlichem positivem Atemwegsdruck (CPAP)), 8-711.1 (Kontrollierte Beatmung bei Neugeborenen), 8-711.2 (Assistierte Beatmung bei Neugeborenen) und 8-711.3 (Beatmung mit Negativdrucksystem (CNP) ("Eiserne Lunge") bei Neugeborenen unter 8-711.4 die Atemunterstützung durch Anwendung von High-Flow-Nasenkanülen (HFNC-Systeme) aufgeführt.
Durch die ausdrückliche Klassifizierung bzw. Zuordnung der Atemunterstützung durch Anwendung von High-Flow-Nasenkanülen (HFNC-System) zur OPS-Klasse 8-711 (Maschinelle Beatmung bei Neugeborenen und Säuglingen) statt zur OPS-Klasse 8-720 (Sauerstoffzufuhr bei Neugeborenen) im Jahr 2011 muss eine Berücksichtigung des HFNC-Systems bei den Beatmungsstunden erfolgen. Zu Recht führt das Hessische Landessozialgericht in seiner Entscheidung vom 09.11.2017 (L 1 KR 166/15, Rn. 36) insoweit aus:
"Dass es sich u. U. bei dem HFNC-System streng medizinisch-physikalisch nicht um eine maschinelle Beatmung im engeren Sinne der Definition der DKR handelt oder die Methode noch als relativ jung anzusehen ist, ist nach der Auffassung des Senats durch die klare definitorische Zuordnung zu der maschinellen Beatmung nicht maßgeblich und würde bei ihrer Berücksichtigung im Rahmen der Auslegung nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine unzulässige Bewertung darstellen. Der Wortlaut der Regelungen ist nach der Auffassung des Senats insoweit eindeutig und durchgreifende systematische Erwägungen, die ein anderes Ergebnis rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich (so auch: Landgericht Dortmund, Urteil vom 03.03.2016, 2 O 400/14; zu den Grenzen der Auslegung bei eindeutigem Wortlaut von Regelungen vgl. auch Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 31.10.2016, 1 BvR 871/13, 1 BvR 1833/13, juris)."
Insoweit führt das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 21.04.2015 (B 1 KR 8/15 R) aus:
"Die Anwendung der Deutschen Kodierrichtlinien und der FPV Abrechnungsbestimmungen einschließlich des ICD-10-GM und des OPS ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Sie sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (vgl. allgemein bereits BSG SozR 4-2500 § 109 Nr. 19 Rn. 17 m.w.N.; BSG SozR 4-5562 § 9 Nr. 3 Rn. 17; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr. 2, Rn. 27; BSG SozR 4-2500 § 301 Nr. 1 Rn. 14; BSG Urteil vom 01.07.2014 - B 1 KR 29/13 R - juris Rn. 12 - für SozR vorgesehen; zur Auslegung von medizinischen Begriffen im OPS BSG SozR 4-1500 § 160a Nr. 32 Rn. 12 ff., stRspr.). Nur dann kann eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, ihren Zweck erfüllen. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes (§ 17b Abs. 2 S. 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz) und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (vgl. zum Ganzen BSGE 107, 140 = SozR 4-2500 § 109 Nr. 21, Rn. 18; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr. 11 Rn. 18; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr. 19 Rn. 18 m.w.N.; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr. 2, Rn. 27; zur Bundespflegesatzverordnung: BSG SozR 4-5565 § 14 Nr. 10 Rn. 14; BSG SozR 3-5565 § 14 Nr. 2 S. 15; BSG SozR 3-5565 § 15 Nr. 1 S. 6). Rechtsähnlich verfahren der erkennende 1. und der 6. Senat des BSG bei der Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsregelungen (vgl. BSG SozR 4-2500 § 28 Nr. 4 Rn. 13; BSG SozR 4-2500 § 106a Nr. 4 Rn. 12; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr. 10 Rn. 13)."
Zu Recht weist das Hessische Landessozialgericht (a.a.O., Rn. 40) ergänzend darauf hin, dass unter systematischen Gesichtspunkten auch die Atemunterstützung mit kontinuierlichem positivem Atemwegsdruck (CPAP) bei der maschinellen Beatmung bei Neugeborenen und Säuglingen eingeordnet ist und dadurch der Definition der maschinellen Beatmung unterfällt.
Aus dem maßgeblichen Wortlaut der Deutschen Kodierrichtlinien 2011 ergibt sich nämlich nicht, dass eine Maschine für die Bewegung der Gase in der Lunge notwendig ist. Zumindest bei Neugeborenen und Säuglingen ist eine Unterstützung der Atemleistung des Patienten durch die Anwendung von CPAP zur Kodierung der Beatmungsstunden ausreichend (so zu Recht LG Dortmund, Urteil vom 03.03.2016, 2 O 400/14, Rn. 27, juris; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.11.2015, L 1 KR 36/13; a. A. LSG Saarbrücken, Urteil vom 14.12.2011, L 2 KR 76/10). Andernfalls ergäbe Punkt 3 der Kodierrichtlinien keinen Sinn. Weiterhin führt das LG Dortmund (a.a.O., Rn. 28) zutreffend aus:
"Dagegen spricht nicht der Wortlaut der DKR 2013 "Klarstellung, dass die Dauer der Atemunterstützung mit kontinuierlichem positivem Atemwegsdruck (CPAP) bei Neugeborenen und Säuglingen bei der Ermittlung der Beatmungsdauer zu berücksichtigen ist." Denn dabei handelt es sich nicht um eine Neuregelung ab 2013, sondern um eine Klarstellung, verursacht durch das Urteil des Landessozialgerichts Saarbrücken vom 14.12.2011."
Bereits in der Kommentierung der DKR - Baden-Württemberg für 2008 (Kommentierung der DKR durch den MDK Baden-Württemberg im KU-Sonderheft "Deutsche Kodierrichtlinien 2008") findet sich folgender Passus:
"Entsprechend der Zuordnung im OPS (8-711 Maschinelle Beatmung bei Neugeborenen und Säuglingen) sind bei Einsatz von CPAP -ausgenommen bei der Behandlung einer Störung wie Schlafapnoe- die Beatmungsstunden zu zählen."
Soweit das SG Mainz in seiner Entscheidung vom 13.06.2017 (S 14 KR 475/16, Rn. 32) ausführt,
"Es ist ein Fehlschluss, dass durch die Zuordnung der Atemunterstützung durch Anwendung von High-Flow-Nasenkanülen zur OPS-Subkategorie 8-711 anstatt zur OPS Subkategorie 8-720 (Sauerstoffzufuhr bei Neugeborenen) die Regelungen der DKR 1001 zur Dokumentation von Beatmungsstunden Anwendung fänden. Dies müsste schon durch die dazu berufenen Vertragspartner in den Deutschen Kodierrichtlinien oder in der Subkategorie ausdrücklich geregelt werden, was nicht erfolgt ist",
vermag das Gericht dieser Auffassung nicht zu folgen. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, warum lediglich bei der OPS 8-711.4 eine Regelung der Vertragspartner der Deutschen Kodierrichtlinien oder der Subkategorie erforderlich sein und die Einführung dieser OPS durch das DIMDI nicht genügen solle.
Ebenso wenig ist die Kodierempfehlung 524 der SEG 4 und der FoKA, auf die sich die Beklagte beruht, überzeugend. Diese lautet:
"Für die Berechnung der Beatmungsdauer gilt als Ende der Entwöhnung das Ende der letzten maschinellen Unterstützung der Atmung. Bei Atemunterstützung durch Anwendung von High-Flow-Nasenkanülen (HFNC-System) handelt es sich nicht um eine maschinelle Unterstützung der Atmung. Die Anwendung ist deshalb bei der Berechnung der Beatmungsdauer im Rahmen der Entwöhnung nicht zu berücksichtigen."
Zu Unrecht beruft sich die Beklagte auf die Einschätzung der SEG 4 und der FoKA. Die SEG 4 und die FoKA sind sich darüber einig, dass die HFNC keine Beatmung ist, bei der aktiv und regelmäßig Gase in die Lunge transportiert werden (vergleiche Kodierempfehlung 317). Danach seien bei Neugeborenen auch atmungsunterstützende Maßnahmen mit den entsprechenden OP-Kodes zu verschlüsseln, soweit nicht eine maschinelle Beatmung erfolge (gemäß Anmerkung in DKR 1001 bis einschließlich 2012). Dies allein rechtfertige jedoch nicht das Kodieren der Beatmungsdauer, da es sich hierbei definitionsgemäß nicht um eine Beatmung im Sinne der DKR handele.
Die Auffassung, dass mit der HFNC keine maschinelle Atemunterstützung vorliege, ist schon deshalb unzutreffend, weil der offizielle OPS 8-711.4 lautet:
"Atemunterstützung durch Anwendung von High-Flow-Nasenkanülen (HFNC-Systeme)."
Die HFNC wird als Atemunterstützung immer anerkannt. Die Atemunterstützung befindet sich bereits im Text des ICD-Codes und auch das vorliegende MDK Gutachten sieht in der HFNC eine Atemunterstützung. Nur mittels einer Maschine ist ein derartiger Flow (10-15 L/Min - bei Erwachsenen bis 16 L/Min) möglich, wobei bei Säuglingen und Neugeborenen bereits ab mehr als 2 l/min von einem High-Flow ausgegangen wird und die zusätzliche Befeuchtung zwingend erforderlich ist, um Schäden in der Nase der Neugeborenen und Säuglinge zu vermeiden. Zu Recht vertritt Dr. D. in seinem Gutachten vom 12.08.2017 die Auffassung, dass es maßgeblich ist, ob ein therapierelevanter PEEP vorliegt bzw. erreicht wird.
Dass für die HFNC eine andere Technik als beim konventionellen CPAP verwendet wird, und deshalb die HFNC klassifikatorisch abgegrenzt werden kann, ist zwar zutreffend, für die hier streitentscheidenden Fragen jedoch nicht maßgeblich. Vielmehr ist in diesem Zusammenhang wesentlich zu berücksichtigen, dass dasselbe Therapieprinzip PEEP bei Neugeborenen und Säuglingen sowohl beim konventionellen CPAP als auch bei der HFNC Anwendung findet. Eine technische Festlegung, wie ein PEEP erzeugt werden muss, ist nicht bekannt.
Die Kodierempfehlung 524 ist für den vorliegenden Fall auch deshalb nicht anwendbar, weil eine Differenzierung zwischen Neu- und Frühgeborenen bzw. Säuglingen und Erwachsenen nicht vorgenommen wird. Zudem zeigt die Entwicklung des DRG Systems seit 2002, dass die Beatmungsstunden unter nCPAP bei Neugeborenen und Säuglingen immer zur Klassifikation genutzt wurden. Durch die Entwicklung neuer schonenderer Methoden kann sich der Kostensatz ändern, nicht aber die Methodik der Erfassung von Beatmungsstunden.
Auch spricht die fehlende Evidenz der HFNC Anwendung als CPAP-Ersatz im späteren Kindes- und Erwachsenenalter im vorliegenden Fall nicht gegen eine Summierung der Beatmungsstunden, weil es sich bei dem Patienten M. M. um einen 4 Monate alten Säugling gehandelt hat. Die wissenschaftliche Evidenz ist bei den Gruppen der Neugeborenen, Säuglingen, Kindern und Erwachsenen unterschiedlich. Zutreffend hat der gerichtliche Sachverständige Dr. D. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 16.10.2017 nochmals festgestellt, dass sowohl bei CPAP als auch bei HFNC das Therapieprinzip, einen ausreichend hohen PEEP zu erzeugen, dasselbe ist und bei beiden Verfahren im vergleichbaren Rahmen bei Säuglingen erreicht wird.
Für die Summierung der Beatmungsstunden spricht letztlich auch, dass die High-Flow-Methode auch im OPS-Code-Verzeichnis unter der Überschrift "Maschinelle Beatmung über Maske oder Tubus", wo die anderen Verfahren aufgeführt sind, zu finden ist.
Darüber hinaus verkennt die Beklagte, dass die Entwöhnungsbehandlungen in den Kodierrichtlinien 2011 (DKR 2011) (1001 h, S. 101) lediglich beispielhaft aufgeführt sind (z. B. CPAP, SIMV, PSV) mit der Folge, dass alle Entwöhnungsmethoden, die - wie hier die High-Flow-Beatmung - vom Therapieprinzip her den beispielhaft aufgeführten Entwöhnungsmethoden vergleichbar sind und die Umsetzung des Therapieprinzipes in vergleichbaren Rahmen bei Säuglingen erreicht wird, auch darunter fallen müssen.
In den DKR 2011 ist auf S. 101 nämlich festgehalten:
"Die Methode der Entwöhnung (z.B. CPAP, SIMV, PSV) von der künstlichen Beatmung wird nicht kodiert.
Die Dauer der Entwöhnung wird insgesamt (inklusive beatmungsfreier Intervalle während der jeweiligen Entwöhnung) bei der Berechnung der Beatmungsdauer eines Patienten hinzugezählt. ..."
Wenn CPAP bzw. Masken-CPAP als Entwöhnungsmethode von der Beatmung verwendet werden, sind Kodes aus 8-711.0 und 8-712.0 nicht zu verwenden; die Beatmungsdauer ist hingegen zu berücksichtigen (s.o.), d.h. zur gesamten Beatmungsdauer dazu zu rechnen (siehe: Definition der "Maschinellen Beatmung"; "Methode der Entwöhnung"; "Dauer der Entwöhnung", "Ende der Beatmung")".
Zu Recht vertritt der gerichtliche Sachverständige Dr. D. in seinem Gutachten vom 12.08.2017 die Auffassung, dass für die Summierung der Beatmungsstunden - neben der medizinischen Dokumentation, die hier zwingend eine Atemunterstützung erforderlich machte - maßgeblich spricht, dass die HFNC dem in den Kodierrichtlinien 2011 (DKR 2011) beispielhaft aufgeführten CPAP als Entwöhnungsbehandlung vergleichbar ist, weil es eine Mischung aus JET- und nCPAP ist. Eine Vergleichbarkeit der HFNC mit dem JET- und nCPAP ist sowohl aufgrund des Therapieprinzips als auch aufgrund der Funktionsweise gegeben. Das Therapieprinzip von CPAP ist ein ausreichender PEEP, um die Atemwege offen zu halten und die Atmung zu unterstützen. Dies erfüllt die HFNC ebenbürtig im Vergleich zu konventionellen CPAP-Systemen bei Neugeborenen und Säuglingen. Eine technische Festlegung, wie ein PEEP erzeugt werden muss, ist nicht bekannt. Eine sichere und monitorbare Drucküberwachung und Synchronisation der Atmung ist weder im konventionellen nCPAP-System noch unter HFNC-Bedingungen im Neugeborenen- und Säuglingsalter möglich. Neben diesen konventionellen CPAP Systemen gibt es auch noch den JET-CPAP. Bei diesen Geräten befinden sich konstruktionsabhängig ein oder zwei Düsen in dem Generator, der an der Nase des Kindes angebracht wird. Der oder die Jets treffen somit auf artifizielle Atemwege, die über Prongs (Nasenkanülen) mit den Atemwegen des Patienten druckdicht verbunden sind.
High-Flow-Nasal Cannula werden bei Neugeborenen und Säuglingen häufig als Alternative zum nCPAP (nasaler CPAP) eingesetzt. Bei ausreichendem Flow entspricht der Druck dem der nCPAP-Devices (siehe Willkinson DJ, Anderson CC, Smith K et al (2008) Pharyngeal pressure with high-flow-nasal cannulae in premature infants. J Perinatol 28:42-47). Der große Vorteil des HFNC besteht in der Fixierung. Es sind keine Haube und keine Zügel notwendig. Zur Fixierung genügen Klettverschlüsse oder Klebebänder, die die Nasenbrille an der Wange der Kinder fixieren. HFNC werden sowohl von der Pflege als auch von den Eltern als angenehmer für das Kind wahrgenommen. Der Druck auf das Mittelgesicht ist auf jeden Fall nicht notwendig, weshalb die Patienten HFNC auch sehr gut tolerieren (Klingenberg C, Pettersen M, Hansen EA et al (2014) Patient comfort during treatment with heated humidified high flow nasal cannulae versus nasal continuous positive airway pressure: a randomised cross-over trial. Arch Dis Child Fetal Neonatal Ed 99: F134 - F137).
Der Druck in den Atemwegen ist bei HFNC einerseits vom eingestellten Flow und andererseits vom Körpergewicht der Kinder abhängig (Kubicka ZJ, Limauro J, Darnall RA (2008) Heated, humidified high-flow nasal cannula therapy: yet another way to deliver continous positive airway pressure? Pädiatries: 121: 82-88). Der Einfluss des Flows lässt sich über die beiden Düsen erklären, über die der Atemgasstrom in Form von zwei Jets in die Atemwege des Kindes geleitet wird. Dies entspricht den Jet-CPAP-Systemen. Der Einfluss des Körpergewichts lässt sich über die gewichtsabhängige Änderung der anatomischen Verhältnisse der Kinder erklären. Schwerere und somit auch größere Kinder verfügen auch über größere Nasenlöcher. Dies definiert das Größenverhältnis zwischen Nasenlöchern und Außendurchmesser der Prongs und wahrscheinlich auch die Limitierung nach oben für große Kinder und Erwachsene. Durch diesen Zwischenraum muss überschüssiges Atemgas in die Umgebung entweichen. Ist die verbleibende Öffnung klein, stellt dies einen Strömungswiderstand dar, der den Druck innerhalb der Atemwege erhöht. So entsteht ein mechanisches Ausatemventil, das den starren Ventilen einiger konventioneller CPAP-Systeme gleicht. High Flow Nasal Cannula stellen somit eine Mischform zwischen Jet und konventionellem nCPAP dar.
Das Gericht folgt der Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. D. auch insoweit, als dieser die HFNC als ein besonderes CPAP einstuft, das für die Neugeborenen und Säuglinge einen ausreichend hohen und verlässlichen PEEP erzeugt. Das wesentliche Therapieprinzip des CPAP ist die Erzeugung eines PEEP. Wie dies technisch zu geschehen hat, ist den Kodierrichtlinien nicht zu entnehmen. Es gibt hierzu verschiedene Möglichkeiten. In der Regel geschieht dies durch ein Exspirationsventil, das konventionelle Beatmungsgeräte immer aufweisen, es ist aber nicht ausgeschlossen, dass dies auf eine andere Art und Weise wie oben beschrieben erzeugt wird. Ein weiteres Kriterium ist die Druckkonstanz und die Messbarkeit des PEEP. Auch hier gibt es seitens der Kodierrichtlinien oder des OPS keine Vorgaben. Aus Sicht der Patientensicherheit ist sicherlich eine möglichst optimale Druckkonstanz wünschenswert. Wie oben beschrieben ist diese im Neugeborenen- und Säuglingsalter durch das unterschiedliche Vorgehen (eher offenes vs geschlossenes Beatmungsregime) im Vergleich zur Erwachsenenmedizin sowohl beim konventionellen CPAP als auch bei der HFNC nicht gegeben. Alle Studien zeigen für Früh- und Neugeborene, aber auch für Säuglinge, dass das HFNC besser verträglich ist und einen vergleichbaren PEEP aufbaut. Somit sind bei der Anwendung der HFNC bei Neugeborenen und Säuglingen die Beatmungsstunden zu kodieren.
Auch in der Literatur wurde bisher kein Unterschied in Wirkung und Effektivität gefunden (vgl. Literaturhinweise auf Bl. 12/13 des Gutachtens (Fn. 9, 10, 11, 12, 13) des gerichtlichen Sachverständigen Dr. D.). Zuletzt wurde dies erneut bestätigt in einem Review der Cochrane Database (Willkinson D, Andersen C, O Donnell CPF et al (2016) High flow nasal cannula for respiratory support in preterm infants. Cochrane Database of Systematic Reviews, Issue 2. Art. No. CD006405). Die vom gerichtlichen Sachverständigen durchgeführte Literaturanalyse zum Einsatz der HFNC im Kindesalter aus 2016 zeigt eine ähnliche Tendenz:
Atemwegsarbeit, Intubationsraten, invasive Beatmung und die Entwöhnung von der Beatmung scheinen durch HFNC verbessert bzw. verringert zu werden. Immer ist es aber eine Form, bei der auch die Oxigenierung verbessert wird. Zu berücksichtigen ist auch, dass beim CPAP-System die Beatmungsstunden im Neugeborenen- und Säuglingsalter im streitigen Zeitraum immer zu erfassen waren.
Im vorliegenden Fall wurde die HFNC als Entwöhnung nach einer Beatmungsphase und zweimal als alleinige Behandlung eingesetzt. Da die HFNC als besondere CPAP-Form zu beurteilen ist, sind die Beatmungsstunden des Weanings (Entwöhnung) auch aus diesem Grund hinzu zu zählen. Auf die möglicherweise geringeren Kosten einer HFNC gegenüber einer nCPAP-Methode kommt es hingegen für die Frage der Einordnung der HFNC als Entwöhnungsmethode nicht an.
Bezüglich des Zeitraums vom 06.12.2011 10:00 Uhr bis zum 05.02.2012 8:00 Uhr sind somit in Summe aufgerundet 1048 Beatmungsstunden zugrunde zu legen.
Aus den dargelegten Gründen war die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen.
Der Zinsanspruch resultiert aus § 22 der Muster-Pflegesatzvereinbarung 2016.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197 a Abs. 1 i.V.m. §§ 63, 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).