S 21 KR 252/16

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
21
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 21 KR 252/16
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 KR 368/17
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

I. Der Bescheid der Beklagten vom 09.02.2016 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 14.07.2016 wird aufgehoben.

II. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine Liposuktionsbehandlung beider Arme und Beine als Sachleistung in einem Vertragskrankenhaus zu gewähren.

III. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten
des Verfahrens.

T a t b e s t a n d :

Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten für eine Liposuktionsbehandlung beider Arme und Beine.

Am 23.12.2015 beantragte die Klägerin die Kostenübernahme für eine ambulante Liposuktion beider Arme und Beine. Dem Antrag lag ein fachärztliches Gutachten der L. Dr.  H. und ein Kostenvoranschlag bei. Mit Schreiben vom 12.01.2016 wandte sich die Beklagte an den medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) und bat um Stellungnahme, ob es sich um die Behandlung einer Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung oder um eine kosmetische Operation handle. Mit Schreiben vom 12.01.2016 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass der MDK angehört werde.

Mit Gutachten vom 25.01.2016 empfahl der MDK keine Kostenübernahme. Es handle sich bei der Liposuktion um eine außervertragliche Behandlungsmethode. Es sei wissenschaftlich nicht in aussagekräftigen Studien nachgewiesen, dass es durch Liposuktionen zu einem Benefit hinsichtlich der Beschwerden komme. Es würden auch keine Vergleichsstudien zwischen konservativen und operativen Therapieverfahren existieren. Es sei daher nicht sicher nachgewiesen, ob durch eine operative Fettreduktion der Progredienz der Erkrankung auf Dauer entgegengewirkt werden könne. Darüber hinaus bedürften auch bei erfolgreicher Liposuktion 75 % der Behandelten weiterhin regelmäßig physikalischer Maßnahmen. Eine neue Untersuchung-und Behandlungsmethode dürfe in der vertragsärztlichen Versorgung nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss eine entsprechende Empfehlung abgegeben habe. Es sei vor dem gemeinsamen Bundesausschuss laut Bekanntmachung vom 22.05.2014 ein Beratungsverfahren zur Bewertung der Liposuktion gemäß §§ 135 Abs. 1 und 137 c SGB V eingeleitet worden. Das Ergebnis dieser Bewertung bleibe abzuwarten. Eine medizinische Notwendigkeit der beantragten Liposuktion könne nicht gesehen werden. Es sei vorrangig auf das regelmäßige Tragen von Kompressionsstrümpfen gegebenenfalls in Kombination mit manueller Lymphdrainage zu verweisen. Mit Bescheid vom 09.02.2016 lehnte die Beklagte daraufhin eine Kostenübernahme ab.

Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein mit Schreiben vom 06.03.2016. Bereits am 09.05.2016 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Nürnberg und bat um Verurteilung der Beklagten aufgrund von § 13 Abs. 3 a SGB V.

Die Beklagte holte dennoch eine weitere Stellungnahme durch den MDK ein, der mit Gutachten vom 11.04.2016 wiederholte, dass eine Notwendigkeit einer außervertraglichen Behandlung nicht gesehen werde. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.07.2016 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab.

Am 01.08.2016 erweiterte die Klägerin ihre Klage begehrt nunmehr auch die Aufhebung des Widerspruchsbescheids 14.07.2016.

Die Klägerin beantragt,

1. Den Bescheid der Beklagten vom 09.02.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.07.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine mehrschrittige Liposuktion beider Arme und Beine als Sachleistung in einem
Vertragskrankenhaus zu gewähren.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Beklagte beantragt,

 die Klage abzuweisen.


Die Beklagte beruft sich auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Es handle sich weiterhin bei der beantragten Liposuktionsbehandlung um eine Leistung, die offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liege. Es handle sich um eine vom gemeinsamen Bundesausschuss nicht anerkannte Behandlungsmethode. Es sei auch keine Genehmigungsfiktion eingetreten, da die begehrte Leistung offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liege.
In der mündlichen Verhandlung vom 31.03.2017 erklärte die Klägerin, dass sie sich bei der Suche nach einer Klinik, die eine Liposuktion durchführt, im Internet in verschiedenen Foren kundig gemacht habe. Dort sei die L. Dr.  H. empfohlen worden. Es sei ihr nicht klar gewesen, dass es sich um eine Privatklinik handle. Sie habe zunächst abklären wollen, welche OP-Schritte notwendig seien, um das Lipödem zu behandeln. Bei der Untersuchung habe Dr.  H. ihr mitgeteilt, dass manche Krankenkassen die Kosten der Liposuktionsbehandlung bezahlen würden. Sie habe es damals für möglich gehalten - und dies sei auch in den Foren so dargelegt worden -, dass auch eine Kostenübernahme in einer Privatklinik in Betracht komme. Sie habe nicht differenziert zwischen einer Privatklinik und einer zugelassenen Klinik. Mit ihrem Antrag habe die Klägerin geklärt haben wollen, ob die Kosten für eine Liposuktion übernommen würden. Sie habe sich keine Gedanken darüber gemacht, in welcher Klinik die Behandlung durchgeführt werden solle und sei ebenso bereit gewesen die Behandlung in einer zugelassenen Klinik durchzuführen. Das ärztliche Attest des Herrn Dr.  H. sollte vielmehr die Behandlungsnotwendigkeit unterstreichen.

Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen. Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten sowie auf die von den Beteiligten im Verfahren gewechselten aktenkundigen Schriftsätze verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die form- und fristgerecht erhobene Klage (§§ 87, 90 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist zulässig und begründet. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig. Mit der Leistungsklage kann eine Leistung begehrt werden, auf die ein Rechtsanspruch besteht, soweit ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Diese Prozesssituation ist vorliegend gegeben, da die Klägerin ihren Anspruch auf § 13 Abs. 3a Satz 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) stützen kann. Mit Eintritt der darin geregelten Fiktion besteht der Rechtsanspruch auf die beantragte Leistung, ohne dass hierüber noch ein Bescheid der Beklagten zu erteilen wäre (vgl. SG Gelsenkirchen, 02.10.2014, S 11 KR 180/14 m.w.N.). Mit der Anfechtungsklage verfolgt die Klägerin zulässigerweise das Ziel, einen Verwaltungsakt, zu dessen Erlass die Beklagte nicht (mehr) befugt war, zu beseitigen, um sich nicht mit dem Risiko zu belasten, dass dieser später in anderem Zusammenhang unzutreffend als bestandskräftiger Verwaltungsakt qualifiziert wird (vgl. SG Köln, 05.07.2016, S 34 KR 717/14).

Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Versorgung mit einer Liposuktionsbehandlung beider Arme und Beine aus § 13 Abs. 3 a SGB V. Der Bescheid vom 09.02.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 14.07.2016 ist aufzuheben, da die Beklagte sich mit diesen über die bereits eingetretene Genehmigungsfiktion gem. § 13 Abs. 3 a SGB V hinwegsetzt.


1.
Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit einer Liposuktionsbehandlung beider Arme und Beine ist § 13 Abs. 3a SGB V, der mit Wirkung zum 26.02.2013 durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20.02 2013 (BGBl I S 277) in das Gesetz eingefügt wurde. Hiernach hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden (Satz 1). Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (Satz 2). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (Satz 3). Kann die Krankenkasse die Frist nach Satz 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (Satz 5). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (Satz 6). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (Satz 7). Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm sind erfüllt.

a)
Die Klägerin ist als bei der Beklagten Versicherte leistungsberechtigt im Sinne der Regelung. "Leistungsberechtigter" ist derjenige, der berechtigt ist, Leistungen nach dem SGB V zu beanspruchen. Hierzu zählen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) Versicherte wie die Klägerin im Verhältnis zu ihrer jeweiligen Krankenkassen.

b)
Der Antrag der Klägerin vom 23.12.2015 war hinreichend bestimmt (vgl. dazu BayLSG, 07.09.2016, L 20 KR 597/15 unter Rn. 26; SG Köln, 05.07.2016, S 34 KR 717/14 unter Rn. 31) und fiktionsfähig. Der Antrag war vorliegend auf eine bestimmte konkret benannte Leistung, nämlich die Liposuktionsbehandlung beider Arme und Beine, konkretisiert. Die Klägerin hat neben ihrem ausführlichen Antrag ein fachärztliches Gutachten und einen Kostenvoranschlag der L. Dr.  H. beigelegt. Der Antrag ist damit hinreichend bestimmt und fiktionsfähig.

c)
Die Beklagte beschied den Antrag nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von drei bzw. fünf Wochen (§13 Abs. 3a Satz 1 SGB V). Vorliegend ist die Frist von fünf Wochen maßgeblich, weil die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 12.01.2016 über die Einholung einer Stellungnahme des MDK informierte. Die Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V SGB X i. V. m. §§187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB beginnt am auf den Antragseingang folgenden Tag und endet mit dem Ablauf des Tages, der nach seiner Benennung dem Tag des Antragseingangs entspricht. Der Antrag der Klägerin ist am 23.12.2015 bei der Beklagten eingegangen. Die Frist begann daher am 24.12.2015 und endete am 27.01.2016. Die Entscheidung der Beklagten über den Antrag der Klägerin erfolgte aber erst am 09.02.2015 und damit außerhalb der fünfwöchigen Frist.

d)
Der Antrag der Klägerin betraf eine Leistung, die sie für subjektiv für erforderlich halten durfte (vgl. zu der Voraussetzung der subjektiven Erforderlichkeit BSG, 08.03.2016, B 1 KR 25/15 R; vgl. zu der subjektiven Erforderlichkeit bei Liposuktionsbehandlungen: LSG Rheinland-Pfalz, 02.03.2017, L 5 KR 217/16; LSG Land Nordrhein-Westfalen, 06.12.2016, L 1 KR 680/15 , Rn. 30, juris; SG Frankfurt; 28.11.2016, S 34 KR 264/14; SG Duisburg, 25.11.2016, S 50 KR 48/16; SG Düsseldorf, 03.11.2016, S 27 KR 1190/15; SG Duisburg, 23.09.2016, S 39 KR 409/14; SG Braunschweig, 22.09.2016, S 37 KR 284/15; SG Mainz, 25.07.2016, S 12 KR 28/16; die subjektive Erforderlichkeit verneinend: LSG Baden-Württemberg, 15.11.2016, L 11 KR 5297/15, juris betreffend die ambulante Liposuktion in einer Privatklinik; LSG Baden-Württemberg, 13.09.2016, L 4 KR 320/16, juris betreffend ambulante und stationäre Liposuktionen). Die Begrenzung auf erforderliche Leistungen bewirkt eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) liegen. Einerseits soll die Regelung es dem Berechtigten erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen. Andererseits soll sie ihn nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des GKV-Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen (BSG, 08.03.2016, B 1 KR 25/15 R). Als offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs hat das Bayerische Landessozialgericht es beispielsweise angesehen, wenn die Krankenkasse unter keinem Gesichtspunkt sachlich zuständig, systemfremde Leistungen wie z.B. Erholungsurlaub zulasten der Krankenversicherung sowie willkürliche oder querulatorische Anträge gestellt werden (vgl. BayLSG, 23.02.2016, L 5 KR 351/14 unter Rn. 39 ff.).  

Dies vorausgesetzt durfte die Klägerin die Versorgung mit einer Liposuktionsbehandlung für subjektiv erforderlich halten. Sowohl bei der ambulanten als auch bei der stationären Liposuktion handelt es sich um Behandlungen, die (ausschließlich) von Ärzten erbracht werden (vgl. z.B. § 15 Abs. 1 SGB V) und grundsätzlich Leistungen der GKV darstellen können. Dafür, dass die Liposuktion dem Grunde nach eine Leistung der GKV darstellen kann und nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskataloges der GKV liegt, spricht insbesondere der Umstand, dass der GBA aktuell aufgrund eines Beschlusses vom 22.05.2014 (BAnz AT v. 01.04.2015 B4) im Hinblick auf diese Methode ein sektorenübergreifendes Bewertungsverfahren nach §§ 135, 137c SGB V durchführt.

Dies gilt im vorliegenden Fall auch vor dem Hintergrund, dass dem Antrag der Klägerin ein Kostenvoranschlag einer Privatklinik beilag. Hohe Anforderungen an die durch das BSG geforderte "subjektive Erforderlichkeit" der Leistungen dürfen nicht gestellt werden. Nach Überzeugung der Kammer kann von dieser subjektiven Erforderlichkeit jedenfalls grundsätzlich dann ausgegangen werden, wenn der Versicherte seinen Anspruch gestützt auf eine ärztliche Verordnung oder ein ärztliches Gutachten geltend macht. Bestätigt der behandelnde Mediziner die Erforderlichkeit der beantragten Leistung, so darf der Versicherte sich in der Regel darauf stützen und die Leistung auch subjektiv für erforderlich halten. Die Klägerin hat glaubhaft geschildert, dass es ihr bei der Antragstellung um die Genehmigung der Liposuktionsbehandlung an sich ging und nicht um die Behandlung in der Privatklinik. Die Klägerin hat in ihrer Antragstellung angegeben: "Antrag auf Kostenübernahme einer Liposuktion" und den Antrag nicht begrenzt auf eine Behandlung in einer Privatklinik. So hat die Beklagte im Übrigen den Antrag der Klägerin auch verstanden und ausgelegt. In dem ablehnenden Bescheid und dem Widerspruchsbescheid stützt die Beklagte sich ausschließlich darauf, dass es sich bei der Liposuktion nicht um eine anerkannte Behandlungsmethode handle und erwähnt nicht, dass Kosten einer Privatklinik bei bestehender vertragsärztlicher Alternative - wie dies bei Liposuktionen der Fall ist - generell nicht übernommen werden. Darüber hinaus ist hier ein subjektiver Maßstab anzulegen. Die Klägerin hat dargelegt, dass der untersuchende Arzt der L. ihr gegenüber angegeben hat dass manche Krankenkassen die Kosten der Behandlung in der L. übernehmen würden. Ihr selbst sei die Unterscheidung zwischen Privatklinik und vertragskrankenhaus auch nicht so bewusst gewesen. Ausgehend von ihrem subjektiven Kenntnisstand durfte die Klägerin die Behandlung subjektiv für erforderlich halten.

Ob hier tatsächlich die "medizinischen" Voraussetzungen für eine Versorgung mit einer Liposuktionsbehandlung vorliegen, ist für die Beurteilung im Rahmen des § 13 Abs. 3a SGB V nicht maßgeblich. Darauf kommt es im Rahmen des § 13 Abs. 3a SGB V nicht an, da die Genehmigungsfiktion nach dem Willen des Gesetzgebers nur dadurch eintreten soll, dass die Krankenkasse - wie im vorliegenden Fall - die Fristen und die Mitteilungspflichten des § 13 Abs. 3a SGB V nicht einhält. Dass bei dieser Gesetzeslage bzw. unter Anwendung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Versicherte aufgrund der Genehmigungsfiktion Leistungen erhalten, die sie möglicherweise ansonsten wegen des Wirtschaftlichkeitsgebotes oder des Qualitätsgebotes nicht zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung bekommen würden, ist der vom Gesetzgeber vorgesehen "Genehmigungsfiktion" des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V bzw. der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts immanent, und kann dem Eintritt der Genehmigungsfiktion nicht entgegen gehalten werden, solange nicht die Offensichtlichkeits- oder Missbrauchsschwelle überschritten wird (SG Darmstadt, 19.12.2016, S 8 KR 756/14 -, Rn. 79, juris).

e)
Soweit darauf hingewiesen wird, dass auch fiktive Verwaltungsakte grundsätzlich der Aufhebung (Rücknahme nach § 45 SGB X) zugänglich sind und unbillige Ergebnisse dadurch wieder beseitigt werden könnten (vgl. LSG NRW, 23.5.2014, L 5 KR 222/14 B ER), scheidet eine Umdeutung des Bescheids der Beklagten vom 09.02.2016 in eine Rücknahmeentscheidung nach § 45 SGB X schon deshalb aus, weil die Beklagte ein Rücknahmeermessen nicht ausgeübt hat.

f)
Die Regelung in § 13 Abs. 3 a SGB V gibt der Klägerin nach Ansicht des Gerichts auch einen Sachleistungsanspruch und nicht lediglich eine Kostenerstattungsanspruch (vgl. BayLSG, 03.02.2017, L 5 KR 471/15, Rn. 41, juris; SG München, Gerichtsbescheid vom 20.12.2016, S 17 KR 1485/15, Rn. 35, juris; a.A. BayLSG, 07.09.2016, L 20 KR 597/15). Diese Rechtsauffassung ist zwar mit guten Gründen vertretbar. Der Naturalleistungsanspruch kraft Genehmigungsfiktion ermöglicht aber auch mittellosen Versicherten, die nicht in der Lage sind, sich die begehrte Leistung selbst zu beschaffen, ihren Anspruch zu realisieren. Das Gericht ist des Weiteren davon überzeugt, dass das BSG sich in seiner Entscheidung vom 08.03.2016 bereits dazu geäußert hat, dass die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB V einen Anspruch auf Erhalt einer Sachleistung begründet, da es in der genannten Entscheidung unter Rn. 25 ausführt, dass die Genehmigungsfiktion zu Gunsten des Leistungsberechtigten einen Naturalleistungsanspruch begründet und weiter der Naturalleistungsanspruch kraft Genehmigungsfiktion auch mittellosen Versicherten ermöglicht, die nicht in der Lage sind, sich die begehrte Leistung selbst zu beschaffen, ihren Anspruch zu realisieren.

Etwas anderes lässt sich nach Ansicht des Gerichts aus der Regelung des § 13 Abs. 3 a SGB V nach seinem Wortlaut und seiner Struktur auch nicht entnehmen. So befasst sich § 13 Abs. 3 a Satz 1 SGB V ausdrücklich mit einem Antrag auf Leistungen und nicht mit einem Antrag auf Kostenerstattung. Im Weiteren regelt der Gesetzgeber dann in welchen Zeiträumen über diesen Antrag zu entscheiden ist. Sollten die gesetzlichen Fristen nicht eingehalten werden, so bestimmt § 13 Abs. 3 Satz 6 SGB V nach seinem Wortlaut, dass die Leistung als genehmigt gilt. Diese Genehmigungsfiktion bezieht sich somit allein auf den Sachleistungsanspruch des Versicherten und nicht auf eine Kostenerstattung. Erst in § 13 Abs. 3 a Satz 7 SGB V wird die Variante geregelt, in der sich der Leistungsberechtigte nach Eintritt der Genehmigungsfiktion, die die Bewilligung der Sachleistung darstellt, die Sachleistung auch tatsächlich selbst beschafft hat. Da somit nach Überzeugung des Gerichts in § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB V das Entstehen eines Anspruchs des Versicherten auf Erhalt einer beantragten Sachleistung aufgrund der gesetzlich eingetretenen Genehmigung geregelt ist, kann es diesem nicht verwehrt werden, diesen Rechtsanspruch in einem sozialgerichtlichen Verfahren auch einzuklagen. Er muss sich dagegen nicht darauf verweisen lassen, das Risiko einer Selbstbeschaffung auf eigene Kosten zunächst einzugehen, um dann anschließend auf Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 3 a Satz 7 SGB V zu klagen. Dies würde, wie auch das BSG in seiner Entscheidung vom 08.03.2016 ausgeführt hat, zu einer Benachteiligung mittelloser Versicherter führen.


2.
Mit dem angefochtenen Bescheid setzt sich die Beklagte über die fingierte Genehmigung der streitgegenständlichen ambulanten Krankenhausbehandlung hinweg. Dies verletzt die Klägerin in ihren Rechten mit der Folge, dass der Bescheid der Beklagten vom 09.02.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.07.2016 aufzuheben war.


3.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
 

 

Rechtskraft
Aus
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