I. Der Bescheid der Beklagten vom 03.08.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.11.2016 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
T a t b e s t a n d :
Die Beteiligten streiten über die Aufhebung einer fiktiven Genehmigung gem. § 13 Abs. 3 a SGB V.
Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 08.12.2015, eingegangen bei der Beklagten am 11.12.2015, unter Vorlage verschiedener ärztlicher Atteste, einer persönlichen Stellungnahme und von Ernährungsprotokollen die Übernahme der Kosten für eine bariatrische Operation in Form des laparoskopischen Gastric Sleeve bei morbider Adipositas Grad III. Der Antrag wurde von Prof. Dr. H. von der S. Klinik C-Stadt F. für den Kläger gestellt und ausführlich begründet. Der Kläger weise einen BMI von 56,4 kg/m² auf. Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 14.12.2015 mit, dass sie den medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) hinzuziehen werde. Mit Schreiben vom 14.12.2015 legte die Beklagte den Fall dem MDK vor, der mit Gutachten vom 29.01.2016 zu dem Ergebnis kam, dass der bariatrische Eingriff nicht empfohlen werde. Mit Bescheid vom 02.02.2016 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab.
Mit Schreiben vom 29.02.2016 legte der Kläger gegen die Ablehnung Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 17.05.2016 erfolgte eine weitere Begründung des Widerspruchs durch die behandelnde Klinik. Die Beklagte legte den Fall daher erneut dem MDK vor, der jedoch mit Gutachten vom 17.06.2016 bei der Einschätzung verblieb, dass der Eingriff nicht befürwortet werden können. Mit Schreiben vom 23.06.2016 teilte die Beklagte mit, dass sie den Fall nunmehr an die Widerspruchsstelle weiterleiten werde.
Mit weiterem Schreiben vom 12.07.2016 hörte die Beklagte den Kläger zur Aufhebung der fiktiven Genehmigung an. Nachdem der Kläger sich in der Sache nicht geäußert hatte, hob die Beklagte mit Bescheid vom 03.08.2016 die fingierte Genehmigung gemäß § 45 SGB X auf. Mit Schreiben vom 10.08.2016 erfolgte eine weitere Aufhebung in geänderter Fassung. Die Beklagte beruft sich darauf, dass die fiktive Genehmigung rechtswidrig sei, weil sie gegen materielles Recht verstoße. Mit dem fiktiven Bescheid werde zu Gunsten des Klägers eine Leistung als genehmigt fingiert, obwohl der Kläger auf diese Leistung keinen Anspruch habe, da es sich nicht um die ultima-ratio handle. Die Genehmigung verstoße gegen materielles Recht und werde von der Beklagten zurückgenommen. Das Vertrauen des Klägers in den Bestand des Verwaltungsaktes habe hinter dem öffentlichen Interesse an der Zurücknahme hintanzustehen.
Gegen den Bescheid vom 03.08.2016 legte der Kläger Widerspruch ein mit Schreiben vom 22.08.2016 ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2016 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 03.08.2016 in der Fassung des Bescheids vom 10.08.2016 zurück.
Dagegen wendet der Kläger sich mit seiner Klage vom 15.12.2016.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 03.08.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.11.2016 aufzuheben. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte beruft sich auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Der fiktive Genehmigungsbescheid werde als rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakt angesehen und deshalb gemäß § 45 SGB X zurückgenommen. Die fiktive Genehmigung sei rechtswidrig, weil sie gegen materielles Recht verstoße. Mit dem fiktiven Bescheid werde eine Leistung als genehmigt fingiert, obwohl der Kläger keinen Anspruch darauf habe. Der MDK haben in seinem Gutachten vom 29.01.2016 bestätigt, dass die medizinischen Voraussetzungen für eine bariatrische Operation vorliegen würden. Der Kläger habe die Operation noch nicht durchgeführt. Er könne sich deshalb nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen. Unter Abwägung seines Interesses an der Selbstbeschaffung der Operation einerseits und dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme des rechtswidrigen Bescheides andererseits, überwiege das öffentliche Interesse an der Rücknahme.
Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen. Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten sowie auf die von den Beteiligten im Verfahren gewechselten aktenkundigen Schriftsätze verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die form- und fristgerecht erhobene Klage (§§ 87, 90 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist zulässig und begründet. Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig. Der Bescheid der Beklagten vom 03.08.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.11.2016 ist aufzuheben, da er rechtswidrig ist. Die eingetretene Genehmigungsfiktion für die im Streit stehende Gastric Sleeve Operation ist nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt.
1.
Die Voraussetzungen für eine Rücknahme der Genehmigungsfiktion nach § 45 SGB X liegen nicht vor. Durch die Fiktion der Genehmigung ist die Leistungsberechtigung des Klägers wirksam verfügt und die Beklagte mit allen Einwendungen betreffend die medizinische Notwendigkeit der beantragten Behandlung ausgeschlossen (Bayerisches Landessozialgericht, 28.06.2016, L 5 KR 323/14; SG München, 08.11.2016, S 44 KR 218/16; SG Darmstadt, 15.11.2016, S 8 KR 732/14; SG München, 16.06.2016, S 7 KR 409/15; a.A. SG Speyer, 18.11.2016, S 19 KR 329/16).
§ 45 Abs. 1 SGB X sieht nämlich vor, dass ein Verwaltungsakt, soweit er ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt (begünstigenden Verwaltungsakt) und rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen des § 45 Abs. 2 bis 4 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden darf. § 45 Abs. 2 S. 1 SGB X sieht dabei als Einschränkung vor, dass ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden darf, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte die erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (vgl. § 45 Abs. 2 S. 2 SGB X). Die Voraussetzungen für eine Rücknahme der Genehmigungsfiktion nach § 45 Abs. 1 SGB X liegen hier jedoch nicht vor. Der fingierte Genehmigungsbescheid ist nicht rechtswidrig im Sinne von § 45 Abs. 1 S. 1 SGB X.
a)
Die Beklagte hat nicht rechtzeitig über den Antrag des Klägers entschieden, so dass die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 a SGB erfüllt sind.
Die Beklagte beschied den Antrag nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von drei bzw. fünf Wochen (§13 Abs. 3a Satz 1 SGB V). Vorliegend ist die Frist von fünf Wochen maßgeblich, weil die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 14.12.2016 über die Einholung einer Stellungnahme des MDK informierte. Die Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V SGB X i. V. m. §§187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB beginnt am auf den Antragseingang folgenden Tag und endet mit dem Ablauf des Tages, der nach seiner Benennung dem Tag des Antragseingangs entspricht. Der Antrag des Klägers ist am 11.12.2015 bei der Beklagten eingegangen. Die Frist begann daher am 12.12.2015 und endete am 15.01.2016. Die Entscheidung der Beklagten über den Antrag des Klägers erfolgte aber erst am 02.02.2015 und damit außerhalb der fünfwöchigen Frist.
Der Antrag des Klägers betraf eine Leistung, die er für subjektiv für erforderlich halten durfte (vgl. zu der Voraussetzung der subjektiven Erforderlichkeit BSG, 08.03.2016, B 1 KR 25/15 R). Die Begrenzung auf erforderliche Leistungen bewirkt eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) liegen. Dies vorausgesetzt durfte der Kläger die Behandlung für subjektiv erforderlich halten. Die beantragte bariatrische Operation unterfällt ihrer Art nach dem Leistungskatalog der GKV, auch wenn die medizinische Erforderlichkeit insbesondere im Hinblick auf das Vorliegen einer ultima ratio Situation individuell bei jedem Versicherten konkret zu überprüfen ist. Der Kläger durfte die Behandlung aufgrund der fachlichen Empfehlung durch Prof. Dr. H. von der S. Klinik C-Stadt F. und vor allem auch im Hinblick auf seinen BMI von 56,4 kg/m² subjektiv für geeignet und erforderlich halten.
Ob hier tatsächlich die "medizinischen" Voraussetzungen für eine Schlauchmagen-Operation vorliegen, ist für die Beurteilung im Rahmen des § 13 Abs. 3a SGB V nicht maßgeblich. Darauf kommt es im Rahmen des § 13 Abs. 3a SGB V nicht an, da die Genehmigungsfiktion nach dem Willen des Gesetzgebers nur dadurch eintreten soll, dass die Krankenkasse - wie im vorliegenden Fall - die Fristen und die Mitteilungspflichten des § 13 Abs. 3a SGB V nicht einhält. Anhaltspunkte für ein missbräuchliches Verhalten des Klägers liegen nicht vor. Dass bei dieser Gesetzeslage bzw. unter Anwendung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Versicherte aufgrund der Genehmigungsfiktion Leistungen erhalten, die sie möglicherweise ansonsten wegen des Wirtschaftlichkeitsgebotes oder des Qualitätsgebotes nicht zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung bekommen würden, ist der vom Gesetzgeber vorgesehen "Genehmigungsfiktion" des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V bzw. der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts immanent, und kann dem Eintritt der Genehmigungsfiktion nicht entgegen gehalten werden, solange nicht die Offensichtlichkeits- oder Missbrauchsschwelle überschritten wird (SG Darmstadt, Urteil vom 19. Dezember 2016 - S 8 KR 756/14 -, Rn. 79, juris). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.
b)
Die Genehmigungsfiktion kann die Beklagte auch nicht unter Berufung auf das Ergebnis eines MDK-Gutachtens aushebeln. Solange die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion vorliegen, kann sie nicht nach § 45 Abs. 1 SGB X zurückgenommen werden. Die Besonderheit gegenüber einer "regulären", von der Beklagten tatsächlich ausgesprochenen Bewilligung der entsprechenden Leistungen liegt hier eben gerade darin, dass der Gesetzgeber nach Ablauf der Fristen des § 13 Abs. 3a SGB V Rechtsklarheit zugunsten des Versicherten schaffen wollte und zwar auch zugunsten derjenigen Versicherten, die sich die Leistung mangels finanzieller Mittel gerade nicht selbst beschaffen können. Dieser gesetzgeberische Wille würde nach Auffassung des Gerichts unterlaufen und ad absurdum geführt, wenn die Krankenkasse nach Fristablauf und trotz Erfüllung sämtlicher Voraussetzungen des § 13 Abs. 3a SGB V die fingierte Genehmigung allein mit der Begründung, die genehmigten Leistungen seien nicht medizinisch erforderlich bzw. erfüllten nicht die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V, in allen Fällen, in denen die Leistung noch nicht vom Versicherten selbst beschafft wurde, mit Wirkung für die Zukunft wieder aufheben könnte. Der vorliegende Fall zeigt, dass dem Willen des Gesetzgebers nur dann Rechnung getragen werden kann, wenn es der Krankenversicherung verwehrt bleibt, über den Umweg des § 45 SGB X dann doch noch eine materielle Prüfung des Sachleistungsanspruches in den Rechtsstreit einzuführen.
Die Beklagte beruft sich auf das höherrangige Interesse der Solidargemeinschaft an der Wiederherstellung eines "gesetzmäßigen" Zustands, verkennt dabei aus Sicht des Gerichts aber, dass die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V zugunsten des Versicherten auch bei fehlender medizinischer Notwendigkeit der in Rede stehenden Leistungen einen gesetzmäßigen Zustand gerade fingiert (vgl. SG München, 16.06.2016, S 7 KR 409/15).
Es liegt daher bereits kein rechtswidriger Bescheid vor, so dass die Beklagte den Bescheid nicht gem. § 45 SGB X aufheben kann.
2.
Auch die Voraussetzungen es § 47 SGB X sind jedoch nicht erfüllt. Nach Ansicht des Gerichts handelt es sich um einen rechtmäßigen begünstigenden Bescheid, so dass grundsätzlich der Anwendungsbereich des § 47 SGB X eröffnet ist. Der Weg über § 47 SGB X anstelle § 45 SGB X trägt der gesetzgeberischen Intention Rechnung, dass die gesetzliche Krankenversicherung innerhalb enger Fristen über die Anträge zu entscheiden und ansonsten die beantragte Leistung als bewilligt zu gelten hat. Eine Anwendung von § 45 SGB X würde dazu führen, dass nur diejenigen Versicherten vor einer Rücknahme des fingierten Verwaltungsaktes geschützt wären, die die Leistung nach Eintritt der Fiktion bereits selbst beschafft haben. Dies war vom Gesetzgeber erkennbar gerade nicht gewollt.
Nach § 47 Abs. 1 SGB X darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, soweit der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist oder mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat. Da die Tatbestandsvoraussetzungen des § 47 SGB X offensichtlich nicht erfüllt sind, kann auch auf diesem Weg die Genehmigungsfiktion nicht beseitigt werden kann.
3.
Es ist auch kein Anhaltspunkt ersichtlich, dass die Genehmigungsfiktion anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (vgl § 39 Abs 2 SGB X). Insbesondere sind keine geänderten Umstände ersichtlich oder vorgetragen, die die Genehmigung im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts entfallen lassen könnten
4.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.