I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
T a t b e s t a n d :
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Beklagten dem Kläger eine Fusionsbiopsie mit Magnetresonanztomographie (MRT) der Prostata als Sachleistung zu gewähren.
Mit Schreiben vom 10.07.2019, eingegangen bei der Beklagten am 11.07.2019 beantragte der Kläger die Kostenübernahme für die Fusionsbiospie mit MRT. Im Jahr 2017 sei bei ihm ein Prostatakarzinom festgestellt worden. Seitdem befinde er sich in der Beobachtungstherapie "Active Surveillance", der aktiven Überwachung. Im Zuge dieser aktiven Überwachung müsse ein neues MRT der Prostata und eine neue Fusionsbiopsie gemacht werden.
Mit Bescheid vom 15.07.2019 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten der Fusionsbiopsie mit MRT ab. Die beantragte Leistung gehöre nicht zu den allgemein schulmedizinischen Behandlungsmethoden und sei nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung. Es lägen des Weiteren keine aussagekräftigen Studien zur therapeutischen Wirkung dieser Behandlung vor, die eine Überlegenheit gegenüber Standardtherapien belegen würden. Eine positive Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) sei daher nicht erfolgt. Eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode könne nur in speziellen Ausnahmefällen übernommen werden. Das ist dann der Fall, wenn es sich um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung handele, eine allgemein anerkannte medizinischem Standard entsprechende Behandlung aktuell nicht zur Verfügung stehe und eine nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehe. Regelmäßig setze dies eine schwerwiegende Grunderkrankung mit schwerem Krankheitsverlauf voraus.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 22.07.2019, eingegangen bei der Beklagten am 24.07.2019, Widerspruch ein. Er widerspreche dem Vorbringen, dass keine aussagekräftigen Studien vorliegen würden aufs Schärfste. Er bitte die Beklagte sich einmal im Internet die Unterschiede und die Vorteile der Fusionsbiopsie gegenüber Standardbiopsien zu informieren. Der Kläger nehme seit Jahren an dem Bonusprogramm teil, weil ihm seine Gesundheit sehr am Herzen liege. Dadurch wurde bei ihm ein Prostatakarzinom mittels MRT festgestellt. Die Standarduntersuchungen hätten das Karzinom nicht erkannt und es wäre unentdeckt geblieben. Umso wichtiger sei es für ihn, dass die Rebiopsie im Zuge der Beobachtungstherapie "Active Surveillance" wieder durch eine MRT-Fusionsbiopsie gemacht werde, um eine erneute präzise Diagnose zu bekommen. Des Weiteren wolle er anmerken, dass die Beklagte jedes Jahr viel Geld für Homöopathie und Naturheilkunde ausgebe, deren Nutzen auch nirgends belegt sei.
Die Beklagte hat nach Einholen diverser Befundberichte den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MdK) mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Der MdK kommt in seinem sozialmedizinischen Gutachten vom 07.10.2019 zu dem Ergebnis, dass für die beantragte Leistung keine Empfehlung ausgesprochen werden könne. Eine Fusionsbiopsie, werde mit dem MRT-Bild des Radiologen und den markierten Arealen übereinandergelegt, d.h. fusioniert, um die Treffsicherheit der Biopsie zu erhöhen. Maßgeblicher Anteil sei hier die multiparametrische MRT, die als solche nicht in EBM abgebildet und somit keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sei. Bei der Fusionsbiopsie handele es sich um eine neue Diagnostikmethode, für die keine positive Bewertung des G-BA vorliege. Damit lägen die formalen Voraussetzungen für eine Durchführung des Verfahrens zu Lasten der GKV nicht vor. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) seien nicht erfüllt. Als vertragsärztliche Leistung stehe die sonografisch gestützte Prostatastanzbiopsie zur Verfügung.
Mit Bescheid vom 16.12.2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie stützt sich dabei im Wesentlichen auf die Ausführungen des MdK in seinem Gutachten.
Mit anwaltlichen Schreiben vom 19.01.2020, eingegangen beim Sozialgericht am 20.01.2020, hat der Kläger gegen die ablehnende Entscheidung der Beklagten Klage erhoben. Im Rahmen einer bereits im Jahr 2017 durchgeführten Fusionsbiopsie mit MRT der Prostata sei bei dem Kläger ein Prostatakarzinom festgestellt worden. Das Prostatakarzinom habe ausschließlich aufgrund dieser speziellen Untersuchung festgestellt werden können. Mittels sonstigen, herkömmlichen Untersuchungsmethoden wie z.B. dem Abtasten der Prostata oder Ultraschall wäre das Karzinom bis heute unentdeckt geblieben und hätte nicht rechtzeitig behandelt werden können. Allein diese Tatsache belege bereits, dass ausschließlich die Untersuchungsmetode der Fusionsbiopsie für Erkrankung des Klägers geeignet sei und eine andere, allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung schlichtweg nicht zur Verfügung stehe. Bei der MRT-Fusionsbiopsie handele es sich um eine Technologie, die eine wesentlich präzisere Diagnostik beim Prostatakarzinom ermögliche und in vielen Fällen die Anzahl unnötiger Biopsien verringern könne. Der Kläger befinde sich derzeit in der sogenannten Beobachtungstherapie "aktive Surveillance", deren Kosten von der Beklagten auch übernommen würden. Die streitgegenständliche erneute MRT-Fusionsbiopsie sei in diesem Rahmen dringend indiziert, um eine erneute präzise Diagnose - auch im Abgleich mit der Fusionsbiopsie aus dem Jahr 2017 - erhalten zu können. Ansonsten könne die derzeitige Beobachtungstherapie nicht sinnvoll angewandt werden. Sinngemäß habe die Beklagte in ihrer ablehnenden Entscheidung erklärt, es liege keine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vor, ferner stehe eine anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung aktuell zur Verfügung und es sei auch keine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf gegeben. Tatsächlich lägen aber nach dem oben Gesagten alle drei Voraussetzungen kumulativ vor. Insbesondere handele sich beim Prostatakarzinom um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Krankheit und die Behandlung mittels der MRT-Fusionsbiopsie habe durch das rechtzeitige Entdecken des Prostata-Karzinoms bei dem Kläger eine positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bewirkt bzw. erst ermöglicht und eine gleichwertige Behandlungsmethode stehe aktuell nicht zur Verfügung.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 15.07.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2019 aufzuheben und sie Beklagte zu verurteilen, die Kosten für eine Fusionsbiopsie mit MRT der Prostata an den Kläger zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Schreiben vom 16.04.2020 hat das Gericht die Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört. Die Beklagte hat hierzu ihr Einverständnis erteilt. Der Kläger hat mit anwaltlichem Schreiben vom 18.04.2020 seine Klage ergänzend begründet. Aus seiner Sicht sei ein Anspruch jedenfalls nach § 2 Abs. 1a SGB V gegeben. Wie bereits ausgeführt handele sich bei dem Prostatakarzinom - wohl unstreitig - um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Krankheit und die Behandlung mittels der MRT-Fusionsbiopsie habe durch das rechtzeitige Entdecken des Prostata-Karzinoms bei dem Kläger eine positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bewirkt bzw. erst ermöglicht. Eine gleichwertige Behandlungsmethode stehe aktuell auch nicht zur Verfügung. Unzutreffend sei die medizinische Einschätzung, wonach die streitgegenständliche Behandlung der Fusionsbiopsie mit MRT lediglich dazu diesen soll, den Nutzen oder die Notwendigkeit einer weiteren Behandlung zu bewerten.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Sozialgerichtsakte sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
Eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG kann ergehen. Die Beteiligten wurden angehört, die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf und der Sachverhalt ist geklärt.
Streitgegenständlich ist der Bescheid vom 15.07.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2019. Das Begehren des Klägers ist entgegen dem Wortlaut des gestellten Antrages dahingehend auszulegen, dass er die Fusionsbiopsie mit MRT als Sachleistung begehrt.
Nach § 27 Absatz 1 S. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Zur ärztlichen Behandlung gehören auch notwendige Untersuchungen. Der Behandlungsanspruch unterliegt allerdings den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Die Krankenkassen sind daher nicht bereits dann leistungspflichtig, wenn die streitige Untersuchung/Therapie nach eigener Einschätzung der Versicherten oder der behandelnden Ärzte sinnvoll ist und befürwortet wird. Vielmehr muss die betreffende Untersuchung/Therapie rechtlich von der Leistungspflicht der GKV umfasst sein. Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung zu den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch diese Richtlinien wird nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zur Lasten der Krankenkasse erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (BSG, Urteil vom 07.11.2006, Az.: B 1 KR 24/06 R). Bei der begehrten Fusionsbiopsie mit MRT handelt es sich um eine neue Untersuchungsmethode im Sinne von §§ 92 Abs. 1, 135 SGB V; sie ist bisher nicht Bestandteil des vertragsärztlichen Leistungsspektrums. An einer positiven Empfehlung des G-BA für die begehrte Untersuchung fehlt es vorliegend. Die einschlägige "Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung" (Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung) enthält weder eine positive noch eine negative Empfehlung zu dieser neuen Untersuchungsmethode.
Ein Kostenübernahmeanspruch des Klägers ergibt sich auch nicht wegen des Vorliegens einer notstandsähnlichen Krankheitssituation unter Berücksichtigung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98) entschieden, dass es mit den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Ab. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar ist, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, generell von der Gewährung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Im Sinne dieser Rechtsprechung hat der Gesetzgeber in § 2 Abs. 1a SGB V eine entsprechende gesetzliche Regelung eingefügt. Eine Fallgestaltung, wie sie das BVerfG und die genannte Vorschrift beschreiben, liegt bei dem Kläger nicht vor. Sowohl das BVerfG als auch § 2 Abs. 1a SGB V fordern das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung oder eine zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht. Wie aber der MDK im Gutachten vom 07.10.2019 dargelegt hat, stehen dem Kläger als zugelassene GKV-Leistungen die sonografisch gestützte Prostatastanzbiopsie zur Verfügung. Auch die weitere Vorgabe des BVerfG und des § 2 Abs. 1a SGB V, wonach eine nicht anerkannte Methode als Leistung der GKV erbracht werden kann, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht, erfüllt die Fusionsbiopsie mit MRT nicht. Denn mit ihm ist weder eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung noch spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verbunden; er dient allein dazu, den Nutzen bzw. die Notwendigkeit einer weiteren Behandlung zu bewerten.
Ein Leistungsanspruch des Klägers ergibt und ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Systemmangels. Danach kann eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem G-BA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzung nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde (BSG, Urteil vom 04.04.2006, Az.: B 1 KR 12/05 R). Im Fall der Fusionsbiopsie mit MRT besteht ein Systemversagen deshalb nicht, weil sich der G-BA mit Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in Bezug auf Prostataerkrankungen laufend befasst.
Solange der G-BA keine positive Bewertung der Fusionsbiopsie mit MRT gegeben hat, ist dieser Test für Krankheitsbilder wie das des Klägers keine Leistung der GKV und es besteht kein Anspruch auf Übernahme der Kosten zu Lasten der GKV. Selbst wenn andere gesetzliche Krankenkassen im Rahmen besonderer gesetzlicher Ermächtigungen diese Leistung gewähren bzw. die Beklagte die Leistung in der Vergangenheit gewährt hat, begründet dies keinen Anspruch gegenüber der hier beklagten Krankenkasse.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis der Hauptsache.