1. Es bestehen ernstliche Zweifel daran, dass § 3 Abs. 3 S. 1 und § 8 der Bereitschaftsdienstordnung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen in der von der Vertreterversammlung am 25. Mai 2013 beschlossenen Fassung, zuletzt geändert am 30. März 2019, auf einer hinreichenden höherrangigen Ermächtigungsgrundlage beruhen, soweit damit Privatärzte, die nicht Mitglieder der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen sind, zu Beiträgen zur Finanzierung des Bereitschaftsdienstes der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen herangezogen werden sollen.
2. Zu den Anforderungen des Verfassungs-, Bundes- und Landesrechts an die Regelung der Teilnahme- und Beitragspflicht von Privatärzten an einem Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung.
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Marburg vom 20. Dezember 2021 aufgehoben und die aufschiebende Wirkung der Widersprüche vom 17. Oktober 2019, 27. März 2020 und 28. Oktober 2021 gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 18. September 2019, 9. März 2020 und 6. Oktober 2021 bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache angeordnet.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten beider Instanzen zu tragen.
Der Streitwert wird auf 1.875,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die aufschiebende Wirkung der Widersprüche gegen Beitragsfestsetzungen für den ärztlichen Bereitschaftsdienst der Antragsgegnerin (im Folgenden ÄBD) für die Jahre 2019 bis 2021 in Höhe von 1.500 €, 3.000 € und 3.000 € bzw. in Höhe von insgesamt 7.500 €.
Der Antragsteller ist als Arzt niedergelassen mit Praxissitz in A-Stadt. Er ist ausschließlich privatärztlich tätig und kein Mitglied der Antragsgegnerin.
Mit Bescheid vom 18. September 2019 setzte die Antragsgegnerin Beiträge zur Finanzierung des ÄBD für die Quartale III und IV/2019 in Höhe von insgesamt 1.500,00 € fest.
Hiergegen legte der Antragsteller unter Datum vom 16. Oktober 2019, bei der Antragsgegnerin eingegangen am 17. Oktober 2019, Widerspruch ein.
Mit Bescheid vom 9. März 2020 setzte die Antragsgegnerin Beiträge zur Finanzierung des ÄBD für die für die Quartale I bis IV/20 in Höhe von insgesamt 3.000,00 € fest.
Hiergegen legte der Antragsteller unter Datum vom 25. März 2020, bei der Antragsgegnerin eingegangen am 27. März 2020, Widerspruch ein.
Mit Bescheid vom 6. Oktober 2021 setzte die Antragsgegnerin Beiträge zur Finanzierung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes für die Quartale I bis IV/21 in Höhe von insgesamt 3.000,00 € fest.
Hiergegen legte der Kläger unter Datum vom 26. Oktober 2021, eingegangen bei der Antragsgegnerin am 28. Oktober 2021, Widerspruch ein.
Zur Begründung seiner Widersprüche trug der Kläger vor, dass sich aus dem Hessischen Heilberufsgesetz (HeilBG) keine Verpflichtung zur Teilnahme an dem ÄBD der Antragsgegnerin ergebe. Im Heilberufsgesetz sei geregelt, dass Privatärzte berufsrechtlich zum Notfalldienst verpflichtet seien. Das gesamte Satzungsrecht sei, sofern es für Privatärzte in Anspruch genommen werde, unwirksam. Dies betreffe insb. § 8 Abs. 3 der Bereitschaftsdienstordnung der Antragsgegnerin (BDO). Durch Satzungsrecht könne nicht die aufschiebende Wirkung der Widersprüche aufgehoben werden.
Den mit Schreiben vom 4. Dezember 2020 gestellten Antrag auf prozentuale Beitragsbemessung gem. § 8 Abs. 3 BDO lehnte die Antragsgegnerin mangels Erbringung eines Nachweises über das jeweilige Jahresbruttoeinkommen trotz mehrfacher Erinnerung mit Bescheiden vom 15. September 2021 ab. Hiergegen legte der Antragsteller keinen Widerspruch ein.
Die Antragsgegnerin sah zunächst von der Vollstreckung der Beitragsbescheide bis zum 31. Dezember 2020 ab. Die Antragsgegnerin erinnerte dann mit Schreiben vom 25. Oktober 2021 und 17. November 2021 an die Beiträge für die Jahre 2019 und 2020 in Höhe von insgesamt 4.500,00 €. Einen Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung der Beitragsbescheide für die Quartale III/19 bis IV/21 lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 18. November 2021 ab.
Der Antragsteller hat am 2. Dezember 2021 den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz bezüglich der Beitragsbescheide für die Jahre 2019 bis 2021 (Quartale III/19 bis IV/21) gestellt.
Vor dem Sozialgericht hat er vorgetragen, im Rahmen der Musterverfahren seien bereits umfassende rechtliche Hinweise erteilt worden, wonach erhebliche Bedenken bestünden, dass die Beitragsbemessung im Rahmen der reinen privatärztlichen Tätigkeit unterschiedlich erfolge als bei den Vertragsärzten, die neben der vertragsärztlichen Praxis eine privatärztliche Praxis betrieben. Es bestünden Bedenken, dass die umsatzbezogene Beitragsfestsetzung entsprechend den Bescheiden durch den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verboten sei.
Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, der Antrag sei unbegründet, da nach Abwägung des Vollzugsinteresses gegen das Suspensivinteresse des Antragstellers Ersteres überwiege. Maßgebend sei die Erfolgsaussicht in der Hauptsache. Die angegriffenen Bescheide seien nach summarischer Prüfung nicht offensichtlich rechtswidrig, sodass das Vollzugsinteresse überwiege. Es bestünden aus ihrer Sicht keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beitragsbescheide. Der Erfolg des Rechtsbehelfs in der Hauptsache sei bei summarischer Prüfung nicht wahrscheinlicher als sein Misserfolg. Wirksame Rechtsgrundlage für die streitgegenständlichen Bescheide sei § 23 Nr. 2 HeilBG i.V.m. § 8 Abs. 3 BDO. Das grundsätzliche Bestehen der Beitragspflicht für Privatärzte sei bereits mit Gerichtsbescheid des SG Marburg als rechtmäßig erachtet worden. Aufgrund der noch ungeklärten Rechtslage sei nicht von einer Interessenabwägung bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage im hiesigen Eilrechtsschutzverfahren abzusehen. Die Vollziehung der Beitragsbescheide hätte keine unbillige, nicht durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gebotene Härte zur Folge. Der Vortrag des Antragstellers enthalte insoweit keine Angaben. Eine Unzumutbarkeit sei weder vorgetragen, noch anderweitig ersichtlich.
Das Sozialgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche mit Beschluss vom 20. Dezember 2021 abgelehnt. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestünden nicht. Daran ändere auch der rechtliche Hinweis der Kammer im Hauptsacheverfahren in Bezug auf die dort geäußerten rechtlichen Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung nichts. Aus den lediglich vorläufigen Einschätzungen der Kammer lasse sich zwar schlussfolgern, dass der Rechtsbehelf in der Hauptsache nicht aussichtslos sei. Die für die Annahme ernstlicher Zweifel erforderliche Prognose, dass der Erfolg des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wahrscheinlicher sei als der Misserfolg, könne auf dieser Grundlage nicht getroffen werden. Es handele sich um eine vorläufige Einschätzung in einem laufenden Hauptsacheverfahren zu einer auch verfassungsrechtlich geprägten Fragestellung, auf die eine rechtskräftige Entscheidung bislang nicht ergangen sei. Der ärztliche Bereitschaftsdienst sei grundsätzlich Aufgabe aller Ärzte. Dies gelte auch für seine Finanzierung. Rechtsgrundlage für die Verpflichtung des Klägers zur Kostenbeteiligung am Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Beklagten sei § 23 Nr. 2 HeilBG i. V. m. § 8 Abs. 3 BDO. Nach der Entwurfsbegründung solle mit der Änderung die Möglichkeit eröffnet werden, dass auch ausschließlich privatärztlich niedergelassene Ärzte verpflichtend am Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen teilnähmen und sich auch an den dabei entstehenden Kosten zu beteiligen hätten (vgl. LTag-Drs. 19/3742, S. 5). Jedenfalls mit § 23 Nr. 2 HeilBG sei die Beitragspflicht und damit auch die Beitragsgestaltung auf die Kassenärztliche Vereinigung Hessen übertragen worden. Die Heranziehung auch von Privatärzten durch die genannte Vorschrift und die weitergehenden Konkretisierungen durch Berufsordnung und BDO sei mit dem Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar und deshalb verfassungsrechtlich unbedenklich. Es sei kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, die Privatärzte von der Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung außerhalb der regulären Praxiszeiten auszunehmen. Bei der Beitragsbemessung könne eine Ungleichbehandlung darin bestehen, dass die Umsätze der Vertragsärzte aus der privatärztlichen Tätigkeit nicht herangezogen würden. Gründe hierfür würden von der Antragsgegnerin nicht vorgetragen. Diese Frage betreffe aber die Beitragshöhe, nicht jedoch die grundsätzliche Beitragspflicht. Die Frage der Höhe des Beitrags und damit die Frage, ob eine Ungleichbehandlung vorliege und welche Folgerungen hieraus ggf. zu ziehen seien, müsse dem Hauptsachverfahren vorbehalten bleiben. Das Vorliegen einer unbilligen Härte durch den Vollzug der Zahlungspflicht sei nicht erkennbar, da der Antragsteller trotz ausdrücklichen gerichtlichen Hinweises auf die Notwendigkeit einer solchen Darlegung keine Einzelheiten zu den wirtschaftlichen Folgen der Belastung durch die Beitragszahlung vorgebracht habe. Ein anderes Ergebnis ergebe sich auch nicht aufgrund einer allgemeinen Interessenabwägung, das behördliche Vollzugsinteresse überwiege gegenüber dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers.
Gegen den dem Antragsteller am 21. Dezember 2021 zugestellten Beschluss hat dieser am 7. Januar 2022 Beschwerde zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
Der Antragsteller trägt vor, zwei Kammern des Sozialgerichts hätten im Rahmen der dort anhängigen Musterverfahren umfassende rechtliche Hinweise erteilt, wonach erhebliche Bedenken bestünden, dass die Beitragsbemessung im Rahmen der reinen privatärztlichen Tätigkeit unterschiedlich erfolge gegenüber den Vertragsärzten, die neben der vertragsärztlichen Praxis eine privatärztliche Praxis betreiben würden. Dort werde eine Verletzung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG gesehen. Vor diesem Hintergrund sei die Entscheidung des Sozialgerichts im Hinblick auf die Aussetzung der Bescheide nicht nachvollziehbar, weil die gesetzlichen Vorgaben in § 86a Abs. 3 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) insoweit klar und deutlich vorgeben würden, dass die Aussetzung bei Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes erfolge. Außerdem sei nicht nachvollziehbar, warum vor dem Hintergrund verfassungswidriger Bescheide eine Interessenabwägung noch durchgeführt werden solle.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Marburg vom 20. Dezember 2021 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Widersprüche vom 16. Oktober 2019, 25. März 2020 und 26. Oktober 2021 gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 18. September 2019, 9. März 2020 und 6. Oktober 2021 bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie weist darauf hin, der Antrag des Antragstellers sei unbegründet, weil nach Abwägung des Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin gegenüber dem Suspensivinteresse des Antragstellers Ersteres überwiege. Daran würden auch die rechtlichen Hinweise der verschiedenen Kammern des Sozialgerichts nichts ändern. Eine Interessensabwägung sei selbst bei vermeintlich verfassungswidrigen Bescheiden notwendig. Der Auffassung des Antragstellers, wonach die Vollstreckung aus rechtswidrigen Bescheiden immer unbillig sei, sei entgegen zu halten, dass nach dieser Rechtsauffassung dann jeder Beitragsbescheid mit der bloßen Behauptung, der Bescheid sei rechtswidrig, der Vollziehung entzogen werden könnte. Selbst wenn die Zugrundelegung von unterschiedlichen Bezugsgrößen im Rahmen der prozentualen Beitragsbemessung bei Vertrags- und Privatärzten gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen sollte, hätte das in der Umsetzung lediglich zur Folge, dass auch die Vertragsärzte zu weiteren Beitragszahlungen mit ihren Einnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit herangezogen werden müssten. Nach ihrer Auffassung handele es sich jedoch bei den unterschiedlichen BDO-Regelungen zur Erhebung von ÄBD-Beiträgen von Vertrags- und Privatärzten um eine sachgerechte Differenzierung der beiden Gruppen von Beitragspflichtigen. Sie habe den ihr zustehenden weiten Gestaltungsspielraum als Normgeberin der BDO nicht offensichtlich überschritten.
Nach derzeitigen Stand gehe es insgesamt bei den Privatärzten um offene Beitragsforderung i.H.v. 2,6 Millionen €, welche nicht zur Finanzierung des ÄBD herangezogen werden könnten. Aus diesem Umstand ergebe sich ein eindeutig überwiegendes öffentliches Interesse.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen sowie wegen der weiteren Einzelhei¬ten wird auf die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin sowie die Gerichtsakte, die bei der Entscheidung vorgelegen haben, Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Beitragsbescheide, denn ihnen fehlt nach summarischer Prüfung eine mit höherrangigem Recht vereinbare Rechtsgrundlage. Daher war der Beschluss des Sozialgerichts vom 20. Dezember 2021 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Widersprüche gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 18. September 2019, 9. März 2020 und 6. Oktober 2021 anzuordnen.
Nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Dabei ist, wie sich aus Abs. 3 der Vorschrift ergibt, ein derartiger Antrag schon vor Klageerhebung zulässig. Nach § 86a Abs. 1 S. 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt jedoch gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten.
Das Gericht entscheidet über den Antrag in diesen Fällen nach summarischer Prüfung unter Abwägung der widerstreitenden Interessen nach den Maßstäben des § 86a Abs. 3 S. 2 SGG. Danach soll die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung bestehen, wenn ein Erfolg des Rechtsbehelfes im Hauptsacheverfahren wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg. Dafür spricht, dass durch § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Abgabenbescheiden bewusst auf den Adressaten verlagert worden ist, um die notwendigen Einnahmen der öffentlichen Hand zur Erfüllung ihrer Aufgaben sicherzustellen. Diese gesetzliche Risikoverteilung würde unterlaufen, wenn die Vollziehung bereits dann ausgesetzt würde, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs ebenso wahrscheinlich ist wie der Misserfolg (Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 23. April 2012 – L 1 KR 95/12 B ER – juris Rn 17; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, 13. Auflage, § 86a Rn. 27a m.w.N.). Ist der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig und der Betroffene durch ihn in seinen subjektiven Rechten verletzt, hat eine Aussetzung zu erfolgen, weil dann ein öffentliches Interesse oder Interesse eines Dritten an der Vollziehung nicht bestehen kann (Keller, a.a.O., § 86b Rn. 12f m.w.N.). Eine unbillige Härte liegt vor, wenn dem Betroffenen durch die Vollziehung Nachteile entstehen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder nur schwer wieder gutgemacht werden können (Keller, a.a.O., § 86a Rn. 27b m.w.N.).
Zur Überzeugung des Senats sind die angefochtenen Beitragsbescheide nach summarischer Prüfung rechtswidrig, weil ihnen eine mit höherrangigem Recht vereinbare Rechtsgrundlage fehlt. Der Antragsgegnerin fehlt insoweit eine auf Bundesrecht fußende Ermächtigungsgrundlage, für Nichtmitglieder durch eine Satzung belastende Regelungen zu erlassen (dazu 1.). Selbst wenn durch berufsrechtliches Landesrecht eine Aufgabendelegation an die Antragsgegnerin möglich wäre, so enthielte auch das Landesrecht unter Beachtung der Anforderungen aus Bestimmtheitsgrundsatz und Wesentlichkeitstheorie, vor allem am Maßstab von Art. 12 Abs. 1 GG ausgerichtet (dazu 2), nicht die notwendige Legitimation. Ungeachtet dessen wahrt auch das aufeinander abgestimmte Vorgehen des Landesgesetzgebers, der Landesärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung nicht die Anforderungen der grundgesetzlichen Kompetenzordnung und des Demokratieprinzips im Rahmen der Aufgabenübertragung an die funktionale Selbstverwaltung (3.).
Die Bescheide der Antragsgegnerin werden auf §§ 3 Abs. 3 S. 1, 8 BDO in der von der Vertreterversammlung am 25. Mai 2013 beschlossenen Fassung gestützt, zuletzt geändert durch den Beschluss der Vertreterversammlung vom 30. März 2019.
§ 3 Abs. 3 S. 1 BDO (Überschrift: Teilnahme am Ärztlichen Bereitschaftsdienst) hat folgenden Wortlaut: „Am ÄBD nehmen grundsätzlich die privat niedergelassenen Ärzte (Privatärzte) am Ort ihres Praxissitzes entsprechend ihrer Verpflichtung aus dem hessischen Heilberufsgesetz teil.“
§ 8 BDO (Überschrift: Finanzierung des ÄBD) lautet:
Abs. 1: „Die Finanzierung des ÄBD erfolgt auf Grundlage der im ÄBD abgerechneten Leistungen nach § 7 Abs. 3, mit Ausnahme der Wegepauschalen im ÄBD. Im ÄBD und im gebietsärztlichen Bereitschaftsdienst, sofern diese in ÄBD-Zentralen durchgeführt wird, erhebt die KVH einen allgemeinen einheitlichen Abzug (Betriebskostenabzug) von 35 % des Anteils des ordnungsgemäß abgerechneten, anerkannten und geregelten Honorars, der in der Diensteinheit die Summe der Stundenpauschale gemäß § 7 Abs. 1 Buchstabe a. BDO übersteigt.“
Abs. 2: „Reichen die Erträge nach Abs. 1 nicht zur Deckung des Gesamtaufwandes nach Abs. 4 aus, wird zusätzlich ein jeweils einheitlicher ÄBD-Beitrag unter allen abgerechneten Ärzten und Psychotherapeuten sowie ermächtigten Krankenhausärzten nach folgender Regel erhoben:
Prozentualer, jeweils einheitlicher Abzug je Quartal vom Honorar jedes abrechnenden Arztes und Psychotherapeuten sowie jedes ermächtigten Krankenhausarztes mit einem festgelegten Höchstbeitrag. Die Höhe des Abzugssatz und des Höchstbetrages wird durch den Vorstand der KV H festgelegt.“
Abs. 3: „Bei Privatärzten wird grundsätzlich abweichend von Abs. 2 zur Deckung des Gesamtaufwandes nach Abs. 4 zusätzlich zu den Erträgen nach Abs. 1 als pauschaler ÄBD-Betrag die Hälfte des in Abs. 2 genannten Höchstbetrages je Quartal erhoben. Das Beitragsjahr beginnt jeweils zum 1. Januar eines Kalenderjahres. Näheres regelt der Vorstand.
Auf Antrag kann für das jeweilige Beitragsjahr abweichend von Satz 1 bei der Beitragserhebung der prozentuale Abzug nach Abs. 2 zugrunde gelegt werden. Als Bezugsgröße für die prozentuale Beitragsberechnung wird das Jahresbruttoeinkommen aus ärztlicher Tätigkeit aus dem Kalenderjahr herangezogen, das zum Zeitpunkt des aktuellen Beitragsjahres zwei Jahre zurückliegt (Vor-Vorjahr). Vom Antragsteller ist dem Antrag als Nachweis der entsprechende Einkommensteuerbescheid beizufügen.
In besonderen Fällen kann der Vorstand auf Antrag entscheiden, dass eine abweichende Bezugsgröße für den Einzelfall berücksichtigt wird.
Der Widerspruch und die Klage gegen die Beitragsbescheide haben keine aufschiebende Wirkung. Der Beitrag wird nach Möglichkeit mit den Ansprüchen des Privatarztes gegen die KVH verrechnet.“
Soweit § 3 Abs. 3 S. 1 auf das HeilBG Bezug nimmt, bestimmt zunächst § 2 Abs. 1 Nr. 1 HeilBG, dass den Kammern als Berufsangehörige alle Ärztinnen und Ärzte, die in Hessen ihren Beruf ausüben, angehören. Sodann heißt es in § 23 Nr. 2 HeilBG in der Fassung vom 19. Dezember 2016 (GVBl 2016, 329):
Die Kammerangehörigen, die ihren Beruf ausüben, haben insbesondere die Pflicht, (…)
2. soweit sie als Berufsangehörige im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 in eigener Praxis tätig sind, am Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen teilzunehmen und sich an den Kosten des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes der Kassenärztlichen Vereinigung zu beteiligen, (…).
§ 24 HeilBG bestimmt weiter, dass das Nähere zu § 23 die Berufsordnung regelt. Diese hat gemäß § 24 S. 2 HeilBG insbesondere zu § 23 Nr. 2 vorzusehen, dass die Teilnahmeverpflichtung nur für einen bestimmten regionalen Bereich gilt und von ihr aus wichtigem Grund, insbesondere wegen körperlicher Behinderung oder außergewöhnlicher familiärer Belastung sowie wegen Teilnahme an einem klinischen Bereitschaftsdienst mit Notfallversorgung, auf Antrag ganz, teilweise oder vorübergehend befreit werden kann.
Die hierzu als Satzung ergangene Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Hessen vom 26. März 2019 (HÄBL 6/2019, Seite 396) sieht zum Ärztlichen Bereitschaftsdienst in § 26 folgende Regelungen vor:
Abs. 1: „Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sind verpflichtet, am ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen teilzunehmen. Auf Antrag einer Ärztin oder eines Arztes kann aus schwerwiegenden Gründen eine Befreiung vom ärztlichen Bereitschaftsdienst ganz, teilweise oder vorübergehend erteilt werden. Die Befreiung wird, bei Vorliegen eines Befreiungsgrundes auch für die nicht vertragsärztlich tätigen Mitglieder der Landesärztekammer Hessen auf Antrag von der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen erteilt.“
Abs. 2: „Für die Einrichtung und Durchführung des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes im Einzelnen ist für alle nach § 23 des Heilberufsgesetzes verpflichteten Berufsangehörigen die Bereitschaftsdienstordnung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen in der von der Vertreterversammlung am 25. Mai 2013 beschlossenen Fassung, in Kraft getreten am 1. Oktober 2013, zuletzt geändert am 27. Oktober 2018, maßgebend. Die Verpflichtung zur Teilnahme am Ärztlichen Bereitschaftsdienst gilt für die von der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen festgelegten Bezirke des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes.“
Abs. 3 und 4 (…).
(1) Zunächst ist festzustellen, dass aufgrund von Bundesrecht bzw. auf alleiniger Grundlage vertragsärztlicher Bestimmungen und Satzungsermächtigungen zugunsten der Antragsgegnerin eine Beitragspflicht des Antragstellers nicht geregelt werden kann.
Bei der Einrichtung eines vertragsärztlichen Bereitschaftsdienstes handelt es sich um Berufsausübungsregelungen, die im Unterschied zum Berufszulassungsrecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG) grundsätzlich in die alleinige Zuständigkeit der Länder fallen. Allerdings wird aus der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Sozialversicherung nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG zu Recht abgeleitet, dass dem Bund die Kompetenz zur Regelung eines Bereitschaftsdienstes für den Bereich der Vertragsärzte als spezielle vertragsarztrechtliche Berufsausübungsregel eingeräumt ist (BSG, Urteil vom 9. April 2008 - B 6 KA 40/07 R – NZS 2009, 338, Rn. 27; Sachs/Degenhart, GG, 9. Aufl. 2021, Art 74 Rn. 58; Schnapp/Nolden, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 3. Aufl. 2017, § 4 Rn. 2; Rixen VSSR 2007, 213 (225); differenzierend Sodan, NZS 2001, 169 (171)). Das hat zur Folge, dass bezüglich der Einrichtung eines ärztlichen Bereitschaftsdienstes letztlich eine überwiegend deckungsgleiche Bundes- und Länderkompetenz besteht. Während sich die Kompetenz des Bundes aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 auf die Zuständigkeit der Kassenärztlichen Vereinigungen und damit auf diejenigen Ärzte beschränkt, die nach den §§ 95 ff SGB V zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind, erstreckt sich die Länderkompetenz auf alle niedergelassenen Ärzte und damit auch die von der Bundeskompetenz erfassten Vertragsärzte, die zahlenmäßig den weit überwiegenden Anteil der in Deutschland niedergelassenen Ärzte ausmachen. Dabei muss allerdings betont werden, dass trotz der weitflächigen Überschneidung es sich um zwei voneinander zu unterscheidende Materien handelt, einmal um den Bereitschaftsdienst als Teil der Sozialversicherung, für den der Bund die Gesetzeskompetenz hat, und zum anderen den Bereitschaftsdienst als Teil des ärztlichen Berufsrechts, der in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fällt (vgl. hierzu Rink, Die Pflicht zur Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst, 2020, S. 64 ff, 82, 83; vgl. auch BSG, Beschlüsse vom 5. Mai 2021 – B 6 SF 3/20 u.a. –, juris Rn. 38 f).
Die Ermächtigung zur Heranziehung zum Bereitschaftsdienst der Antragsgegnerin folgt aus satzungsrechtlicher oder sonst autonomer Grundlage § 75 Abs. 1b S. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V; früher § 75 Abs. 1 S. 2 SGB V). Teil des Sicherstellungsauftrags der kassenärztlichen Vereinigungen und der kassenärztlichen Bundesvereinigung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung ist die Versorgung auch zu den sprechstundenfreien Zeiten (Notdienst). Die Rechtssetzungsautonomie der Antragsgegnerin als Körperschaft des öffentlichen Rechts folgt aus §§ 77 Abs. 5, 81 SGB V. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts folgt die grundsätzliche Verpflichtung eines jeden Vertragsarztes zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst allerdings nicht aus der Satzungsgewalt der KÄV, sondern aus dem Zulassungsstatus des Arztes (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2018 – B 6 KA 50/17 R -, juris Rn. 29 m.w.N.) Die Zulassung ist ein statusbegründender Akt, der eine höchstpersönliche Rechtsposition des Vertragsarztes schafft. Mit der Zuteilung dieses Status ist die Berechtigung und Verpflichtung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung sowie die Teilnahme an der Honorarverteilung notwendig verbunden. Mit der Zulassung als Vertragsarzt hat sich der Arzt freiwillig eine Reihe von Einschränkungen seiner ärztlichen Berufsausübung unterworfen, die mit der Einbeziehung in ein öffentlich-rechtliches Versorgungssystem notwendig verbunden sind. Zu diesen der Berufsausübung im vertragsärztlichen Bereich immanenten Einschränkungen gehört auch die Pflicht zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst, ohne den eine ausreichende Versorgung der Versicherten nicht gewährleistet ist. Die Teilnahme am Bereitschaftsdienst hat der Gesetzgeber als Annex zur Niederlassung in freier Praxis ausgestaltet. Der auf Antrag verliehene Status der Zulassung bedingt grundsätzlich, in zeitlicher Hinsicht umfassend – d.h. auch in Zeiten außerhalb der Sprechstunden – für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zur Verfügung zu stehen. Durch den von der kassenärztlichen Vereinigung organisierten Bereitschaftsdienst wird der Arzt in die Lage versetzt, dieser Verpflichtung nachzukommen, ohne „rund um die Uhr“ persönlich verfügbar zu sein. Mit der Ausgestaltung und Organisation dieses Bereitschaftsdienstes wird die kassenärztliche Vereinigung ihrer Verpflichtung zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung auch zu den sprechstundenfreien Zeiten gerecht. Dem entspricht die Pflicht der in freier Praxis tätigen zugelassenen Ärzte und zugelassenen medizinischen Versorgungszentren zur Teilnahme an diesem Bereitschaftsdienst (BSG, Urteil vom 11. Dezember 2013 – B 6 KA 39/12 R – juris Rn. 14 mwN; BSG, Urteil vom 12. Dezember 2018 – B 6 KA 50/17 R – juris Rn. 29 mwN). Erst die Anknüpfung an den Status als Bündel von gesetzlich genau geregelten Verpflichtungen aus dem Sicherstellungsauftrag rechtfertigt es, aufgrund der sonst eher unbestimmten Regelungen zur Rechtssetzungskompetenz der Antragsgegnerin im Bereich der Regelung des Bereitschaftsdienstes, die Vertragsärzte (zu den Anforderungen an eine berufsrechtliche Regelung des Bereitschaftsdienstes siehe nachfolgend unter 2.) einer derart in die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG eingreifenden Pflicht zu unterwerfen (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2018 - B 6 KA 50/17 R -, juris Rn. 29-32; BVerwG, Urteil vom 9.6.1982 – 3 C 21/81 –, juris Rn. 25 f.; a.A.Rink, a.a.O: S. 116 ff.; ders. SGb 2020, 290 (291 f.) bezüg¬lich der Verpflichtung des Vertragsarztes). Infolge dieser Konstruktion ist die Satzungsgewalt oder Rechtssetzungskompetenz der Antragsgegnerin von vornherein auf die Konkretisierung der Rechte und Pflichten des Bereitschaftsdienstes bezüglich der Vertrags¬ärzte beschränkt (vgl. im Umkehrschluss BSG, Urteil vom 12. Dezember 2018 – B 6 KA 50/17 R -, juris Rn. 28 und 33).
Aufgrund dieses Bundesrechts ist eine kassenärztliche Vereinigung mithin nicht berechtigt, über Satzungsrecht den Kreis der zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst verpflichteten Ärzte zu erweitern, vielmehr bedürfte es hierfür einer bundesrechtlichen Öffnung auf sozialversicherungsrechtlicher Kompetenzgrundlage, um das in §§ 95, 75 SGB V angelegte Junktim mit dem Zulassungsstatus aufzulösen und gerade der Antragsgegnerin die Möglichkeit zu geben, Nichtvertragsärzte heranzuziehen (siehe auch unten unter 3.). Denn damit würde die Satzung Privatärzte und damit einen Personenkreis in den Bereitschaftsdienst einbeziehen, der gesetzlich nicht zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung verpflichtet ist. Damit würde die kassenärztliche Vereinigung den Rahmen einer zulässigen Ausgestaltung überschreiten (BSG, Urteil vom 11. Dezember 2013, Rn. 21, für den Bereich eines in einem medizinischen Versorgungszentrum angestellten Arztes). In diesem Zusammenhang hat das BSG auch einen intensiven Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit des Arztes sowie mit Art. 3 Abs. 1 GG diskutiert (BSG, a.a.O., juris Rn. 22, 23).
(2) Auch §§ 23, 24 HeilBG stellen keine taugliche Ermächtigungsgrundlage für die von der Antragsgegnerin erlassenen Regelungen in § 3 Abs. 3, 8 BDO dar. Der hessische Gesetzgeber hat mit § 23 Nr. 2 HeilBG eine eigenständige, über das allgemeine ärztliche Berufsrecht hinausgehende Regelung getroffen. Er hat die seit Jahrzehnten normierte generelle Verpflichtung aller in niedergelassener Praxis tätigen Ärzte zur Mitwirkung an der Notfallversorgung in dreifacher Hinsicht konkretisiert und erweitert. Zunächst dadurch, dass sich auch die niedergelassenen Ärzte, die nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, an dem von der Kassenärztlichen Vereinigung organisierten Bereitschaftsdienst beteiligen müssen. Weiter ist der Landesärztekammer in der Berufsordnung die Möglichkeit genommen worden, einen eigenen Dienst zu organisieren, mit der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Verabschiedung einer BDO zusammenzuwirken und auf die einzelfallbezogene Einteilung von Ärzten – etwa durch das Erfordernis eines Einvernehmens bei Privatärzten – Einfluss zu nehmen. Und schließlich ist die Berechtigung der Kassenärztlichen Vereinigung normiert worden, auch Nichtvertragsärzte im Rahmen einer Abgabe zur Finanzierung des Dienstes heranzuziehen (vgl. BSG, Beschlüsse vom 5. Mai 2021 – B 6 SF 3/20 R u.a. –, juris Rn 36).
Im Hinblick auf die am Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG zu messende Eingriffsintensität erfüllt die Regelung in § 23 HeilBG nicht die notwendigen Mindestanforderungen für eine Einbindung von Privatärzten in den Bereitschaftsdienst der Antragsgegnerin. Die Berufspflicht, an einem Notdienst teilzunehmen, stellt für den Arzt einen erheblichen Eingriff in seine berufliche Betätigung dar. Neben der eigentlichen Dienstzeit an den Abenden, an den Wochenenden und an Feiertagen wird dem Arzt auch die Verpflichtung auferlegt, sich laufend so fortzubilden, dass er auch den Dienst als Notarzt ausüben kann. Diese erhebliche Bedeutung der Notdienstpflicht erfordert es unter dem Gesichtspunkt des Gesetzesvorbehalts des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG, dass der Gesetzgeber selbst die Voraussetzungen für die Pflichtteilnahme sowie die Bedingungen, unter denen Befreiung zu erteilen ist, zumindest in den Grundzügen festlegt. Bezogen auf die notwendige Tiefe einer gesetzlichen Regelung hat das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 12. Dezember 1972 – I C 30.69 – NJW 1973, 576 <577>) zutreffend ausgeführt:
„Einer gesetzlichen Regelung bedarf zunächst die Bestimmung des teilnahmepflichtigen Personenkreises, also die Regelung darüber, welche Arztgruppen grundsätzlich heranzuziehen sind. Herkömmlicherweise wird der ambulante Notfalldienst nur von den niedergelassenen, freipraktizierenden Ärzten versehen, während die in den Krankenanstalten tätigen Ärzte im Rahmen der Notfallversorgung der Bevölkerung andere Aufgaben erfüllen.
Für die nähere Abgrenzung des dienstpflichtigen Personenkreises bieten sich verschiedene Kriterien an: Denkbar wäre z.B. eine Differenzierung nach bestimmten Facharztgruppen unter Berücksichtigung ihrer unterschiedlichen generellen Eignung für den Notfalldienst. Ärzte bestimmter Fachrichtungen, wie etwa Augenärzte, Hals-Nasen-Ohrenärzte, Hautärzte, Röntgenologen, sind schon nach den gegenwärtig bestehenden Regelungen vielfach generell ausgenommen (vgl. BVerwGE 27, 303 <308>). Ein weiteres Abgrenzungsmerkmal für die Heranziehung von Fachärzten zum allgemeinen Notfalldienst könnte etwa in der Dauer ihrer fachärztlichen Tätigkeit gefunden werden. Erfahrungsgemäß sind das allgemeine medizinische Grundwissen und die Praxis auf allgemein-medizinischem Gebiet nach längerer fachärztlicher Tätigkeit nicht mehr so nahe und gegenwärtig wie in den ersten Berufsjahren.
Diese oder andere Kriterien, von denen die Teilnahmepflichtigkeit von Fachärzten am allgemeinen Notfalldienst abhängig gemacht werden könnte, muß der Gesetzgeber selbst auswählen. Dabei kann er dem Satzungsgeber innerhalb hinreichend deutlich zu bestimmender Grenzen einen Ermessensbereich für eigene nähere Ausgestaltung überlassen, insbesondere auch um die jeweiligen örtlichen Gegebenheiten in dem gebotenen Umfange angemessen berücksichtigen zu können. Er kann es dem Regelungsermessen der Ärztekammer anheimgeben, ob Fachärzte am allgemeinen Notfalldienst zu beteiligen sind oder ob für sie, je nach den örtlichen Gegebenheiten, besondere Fachnotfalldienste eingerichtet werden sollen oder können.
Dem Regelungsauftrag des Gesetzgebers ist ferner die Bestimmung vorbehalten, unter welchen Voraussetzungen ein teilnahmepflichtiger Arzt ausnahmsweise Befreiung beanspruchen oder nach Ermessen der Ärztekammer erhalten kann. Auch insoweit ist es ausreichend, aber auch erforderlich, daß der Gesetzgeber selbst die Richtlinien für eine nähere Regelung des Satzungsgebers festlegt. Auf diese Weise wird dem Gesetzesvorbehalt Genüge getan, gleichzeitig bleibt aber die Flexibilität erhalten, ohne die eine sinnvolle, die sehr unterschiedlichen örtlichen Verhältnisse (etwa einer Großstadt gegenüber dem flachen Lande) berücksichtigende Organisation des Notfalldienstes nicht möglich wäre…“
Derartige Vorgaben hat der hessische Gesetzgeber vorliegend nicht beachtet. Er hat – in Bezug auf die hier im Streit stehende maßgebliche Finanzierung des ÄBD – keinerlei Regelungen getroffen. Dies wäre notwendig gewesen, denn dadurch wird der Personenkreis der Privatärzte ohne jegliche Rechtskontrolle den Regelungen einer Körperschaft ausgesetzt, auf die der hessische Gesetzgeber keinen rechtlichen Einfluss ausüben kann. Es wären beispielsweise Regelungen in Bezug auf das Verhältnis zwischen Höhe der Einkünfte aus privatärztlicher Tätigkeit und Höhe der Beiträge sinnvoll gewesen. Auch hätte der Gesetzgeber nach Auffassung des Senats Regelungen treffen müssen, wie die Einkünfte der Privatärzte berechnet werden, wie diese gegebenenfalls zu Einkünften der Vertragsärzte in ein Verhältnis gesetzt werden und ob bzw. ggf. warum eine differenzierte Berechnung möglich ist. Auch soweit der Gesetzgeber in § 24 S. 2 HeilBG Vorgaben macht, sind diese völlig unpräzise und lassen nahezu jeglichen Regelungswillen des Gesetzgebers in der Sache vermissen. Was etwa unter einem „bestimmten regionalen Bereich“ zu verstehen ist, lässt die Vorschrift offen. Nach dem Wortlaut könnte der regionale Bereich auch das gesamte Land Hessen sein. Auch die übrigen Vorgaben bezüglich einer Befreiung erschöpfen sich in einer Aneinanderreihung unbestimmter Rechtsbegrif¬fe, die im Ergebnis jede Regelung rechtfertigen könnten.
(3) Soweit das Regelungsgeflecht aus Berufs- und Vertragsarztrecht in der Gesamtschau gleichsam eine Delegation berufsrechtlicher Aufgaben der Landesärztekammer an die Antragsgegnerin darstellen soll, genügt dies weder der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung (3.a) noch den Anforderungen des Demokratieprinzips an die Verpflichtung von Nichtmitgliedern durch eine Körperschaft der funktionalen Selbstverwaltung (3.b).
(a) Für die funktionale Selbstverwaltung der freien Berufe als Form der mittelbaren Staatsverwaltung gelten uneingeschränkt Vorbehalt und Vorrang des Gesetzes. Die Aufgabenübertragung durch ein formelles Gesetz an eine Selbstverwaltungskörperschaft beruht nicht zuletzt darauf, „gesellschaftliche Kräfte zu aktivieren, den entsprechenden gesellschaftlichen Gruppen die Regelung solcher Angelegenheiten, die sie selbst betreffen und die sie in überschaubaren Bereichen am sachkundigsten beurteilen können, eigenverantwortlich zu überlassen und dadurch den Abstand zwischen Normgeber und Normadressat zu verringern. Zugleich wird der Gesetzgeber davon entlastet, sachliche und örtliche Verschiedenheiten berücksichtigen zu müssen, die für ihn oft schwer erkennbar sind und auf deren Veränderungen er nicht rasch genug reagieren könnte“ (BVerfG, Beschluss vom 9. Mai 1972 – 1 BvR 518/62 –, BVerfGE 33, 125-171, juris Rn. 103, sog. Facharzt-Beschluss). Sowohl die Auslegung der Kompetenztitel der Art. 70 ff. GG als auch der so formulierte Selbstverwaltungsgedanke verbieten daher die Delegation einer Aufgabe, für deren Verleihung wie auch zuständiger Körperschaft das Land die Kompetenz hat, nämlich der Bereitschaftsdienst der Ärztekammer, an eine andere Körperschaft, für die das Land keine Kompetenz hat, nämlich die Antragsgegnerin. Denn dies missachtete gerade den legitimen Zweck und den gesetzgeberischen Willen, weshalb dieser Körperschaft die öffentliche Aufgabe gerade zur Selbstverwaltung anvertraut wurde. Hiervon ging auch das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 9. Juni 1982 (3 C 21/81, juris Rn. 27) zur Gemeinsamen Notdienstordnung durch Ärztekammer und Kassenärztliche Vereinigung in Nordrhein-Westfalen aus: „An den Zuständigkeiten will und kann die gemeinsame Notfalldienstordnung nichts ändern, so daß rechtsstaatliche Bedenken auch unter diesem Gesichtspunkt nicht bestehen.“ Möglich wird eine solche Delegation allenfalls dann, wenn das Gesetz, das kompetenzgerecht die Aufgaben und Befugnisse der aufnehmenden Körperschaft, also der Kassenärztlichen Vereinigung regelt, eine entspre¬chende Öffnungsklausel vorsieht. So ermöglicht beispielsweise § 1 Abs. 4 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (IHKG) eine Übertragung von Aufgaben auf die Industrie- und Handelskammern durch Landesgesetz. Eine solche Regelung im Vertragsarztrecht fehlt hier. Bezüglich der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen ist hinreichend geklärt, dass das Vertragsarztrecht des SGB V sowie davon abgeleitetes Recht ihre Aufgaben und Befugnisse bundesrechtlich abschließend regelt; der Bereich möglicher landesrechtlicher Aufgabenzuweisungen verbleibt allein im Rahmen des Art. 4 § 1 Abs. 2 des Gesetzes über Kassenarztrecht (GKAR) vom 17. August 1955 (BGBl I 513) (BSG, Urteil vom 16. Juli 2008 – B 6 KA 38/07 R –, BSGE 101, 106-130, SozR 4-2500 § 85 Nr. 43, juris Rn. 35 zur Honorarverteilung; vgl. zuletzt Senatsurteil vom 30. Januar 2019 – L 4 KA 86/14 – juris, Rn. 58). Hiernach bleiben nur landesrechtliche Regelungen über die Altersversorgung der Kassenärzte unberührt. Dieser Bereich ist hier eindeutig nicht eröffnet.
Nach alledem ist der hessische Landesgesetzgeber jedenfalls nicht ohne korrespondierende bundesgesetzliche Regelungen berechtigt, Aufgaben, die der Ärztekammer oblie¬gen, vollständig an die Antragsgegnerin zu delegieren oder die Ärztekammer hierzu zu ermächtigen.
(b) Die Regelungen genügen auch nicht dem Demokratieprinzip. Außerhalb der unmittelbaren Staatsverwaltung und der sachlich-gegenständlich nicht beschränkten gemeindlichen Selbstverwaltung ist das Demokratiegebot aus Art. 20 Abs. 2 GG zwar grundsätzlich offen für andere, insbesondere vom Erfordernis lückenloser personeller demokratischer Legitimation aller Entscheidungsbefugten abweichenden Formen der Organisation und Ausübung von Staatsgewalt (zum Folgenden BVerfG, Beschluss vom 12. Juli 2017 – 1 BvR 2222/12 –, BVerfGE 146, 164-216, juris Rn. 114). Demokratisches Prinzip und Selbstverwaltung stehen unter dem Grundgesetz nicht im Gegensatz zueinander (BVerfGE 107, 59 <92> m.w.N.). Dementsprechend sind für den Bereich der funktionalen Selbstverwaltung von dem Erfordernis lückenloser personeller Legitimation abweichende Formen der Beteiligung von Betroffenen an der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben gebilligt worden, wenn dies ausgeglichen wurde durch eine stärkere Geltung der gleichfalls im Gedanken der Selbstbestimmung und damit im demokratischen Prinzip wurzelnden Grundsätze der Selbstverwaltung und der Autonomie (vgl. BVerfGE 135, 155 <222 f. Rn. 158>; 136, 194 <262 f. Rn. 169>).
Eine gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit dahingehend, einen Selbstverwaltungsträger zu verbindlichem Handeln mit Entscheidungscharakter gegenüber Nichtmitgliedern zu ermächtigen, besteht, ist aber nicht grenzenlos. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der der Senat folgt, ist bereits der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum am Maßstab des Demokratieprinzips begrenzt, wenn ein Selbstverwaltungsträger (hier: die Antragsgegnerin) zum Erlass belastende Satzungsregelungen und Verwaltungsakten gegenüber einem Nichtmitglied (hier: Privatarzt) ermächtigt werden soll. Das erfordert, dass die Aufgaben und Handlungsbefugnisse der Organe in einem von der Volksvertretung beschlossenen Gesetz ausreichend vorherbestimmt sind und ihre Wahrung der Aufsicht personell demokratisch legitimierte Amtswalter unterliegt (BVerfG, Beschluss vom 5. Oktober 2002, 2 BvL 5/98, 2 BvL 6/98, juris Rn. 148 mwN).
Gemessen an diesem Maßstab wäre wiederum zuvörderst der Bundesgesetzgeber berufen, Grund und Grenzen der Heranziehung von Nichtmitgliedern durch die Kassenärztliche Vereinigung gesetzlich zu regeln. Dies hat er nicht getan.
Ungeachtet dessen genügt die landesrechtliche Delegation nicht den gesteigerten Bestimmtheitsanforderungen und Wesentlichkeitsanforderungen, soweit in §§ 23, 24 HeilBG die mit einer Regelungskompetenz der Antragsgegnerin spiegelbildlich korrespondierende berufsrechtliche Verpflichtung zur Beitragszahlung für den Bereitschaftsdienst gesehen werden soll. Jegliche Vorgaben zur Finanzierung und bezüglich der Beiträge zum ärztlichen Bereitschaftsdienst fehlen. Es finden sich keinerlei Berichts-, Kontroll- oder Eingriffsmöglichkeiten des Landesgesetzgebers oder seiner Organe, die allerdings bei der Wahl eines solchen Organisationsmodells auch kaum vorstellbar sein würden. Vielmehr wird die Gruppe der Privatärzte den Vorgaben und Regeln der Antragsgegnerin „ausgesetzt“, auf die sie weder mittelbar noch unmittelbar irgendwelche Einflussmöglichkeiten haben und die – was die Kosten und Beitragsseite anbelangt – in irgendeiner Weise voraussehbar oder vorgegeben sind. Die Regelungen führen nicht dazu, dass sich die Ärztekammer nur eines Organs zur eigenen Aufgabenerfüllung bedienen würde, vielmehr muss die Ärztekammer jegliche Macht und die Möglichkeit eines Einflusses auf die Antragsgegnerin, die außerhalb seines Verwaltungsapparates steht, abgeben, wobei er noch nicht einmal gewisse Leitplanken setzt, sondern gewissermaßen eine Blankettermächtigung gibt und darüber hinaus der Landesärztekammer die Möglichkeit nimmt, einen eigenen oder zusammen mit der Antragsgegnerin einen gemeinsamen ärztlichen Notdienst zu errichten.
Im Übrigen kann auf die Ausführungen oben unter (2.) verwiesen werden.
Da sich die ernstlichen Zweifel, soweit sie im Ergebnis durchgreifen, allein auf das Fehlen einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage für §§ 3 Abs. 3, 8 BDO als untergesetzliches autonomes Recht der Antragsgegnerin zur Begründung einer Beitragspflicht beziehen, liegt die (hier inzidente) Normverwerfungskompetenz beim Senat. Eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG an das Bundesverfassungsgericht kommt daher nicht in Betracht.
Unter Beachtung der o.a. Voraussetzungen bedurfte es bei dieser Rechtslage keiner Interessenabwägung mehr.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 4, 52 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 Gerichtskostengesetz i.V.m. § 197a Abs. 1 S. 1 SGG. In Übereinstimmung mit der Festsetzung durch das Sozialgericht hat der Senat ¼ des Hauptsachestreitwerts zu Grunde gelegt (vgl. hierzu auch Nr. 10.2 des Streitwertkatalogs für die Sozialgerichtsbarkeit).
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.