L 19 AS 1236/21

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19.
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 2 AS 136/21
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 1236/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 22.07.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung eines Mehrbedarfs in Form von 20 FFP2-Masken wöchentlich, hilfsweise eines Betrages i.H.v. 129,00 € monatlich.

Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen führte mit Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 – Coronaschutzverordnung - vom 07.01.2021 mit Wirkung zum 25.01.2021 (GV.NRW. 2021 Nr. 1b vom 07.01.2021 S. 1b – 26b) die Verpflichtung zum Tragen einer medizinischen Maske (OP-Masken, Masken des Standards FFP2 oder diesen vergleichbare Masken KN95/N95) in geschlossenen Räumlichkeiten der in § 11 Absatz 1 bis 3 genannten Handelseinrichtungen sowie in Arztpraxen und vergleichbaren Einrichtungen zur Erbringung medizinischer Dienstleistungen, bei der Nutzung von Beförderungsleistungen des Personenverkehrs und seiner Einrichtungen sowie während Gottesdiensten und anderen Versammlungen zur Religionsausübung auch am Sitzplatz ein. Für alle anderen Bereiche reichten sog. Alltagsmasken (textile Mund-Nasen-Bedeckungen) aus. Die Pflicht zum Tragen von medizinischen Masken wurde mit den Coronaschutzverordnungen i.d.F vom 05.03.2021 vom 29.03.2021 und vom 07.04.2021 auf weitere Bereiche ausgedehnt. Mit Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 - Coronaschutzverordnung - vom 23.04.2021 (GV.NRW. 2021 Nr. 33b vom 23.04.2021 S. 415b – 448b) führte das Ministerium bei der Beförderung von Personen im öffentlichen Personennah- oder -fernverkehr einschließlich der entgeltlichen oder geschäftsmäßigen Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen samt Taxen und Schülerbeförderung für Fahrgäste sowohl während der Beförderung als auch während des Aufenthalts in einer zu dem jeweiligen Verkehr gehörenden Einrichtung die Pflicht zum Tragen einer Atemschutzmaske (Masken des Standards FFP2 und höheren Standards jeweils ohne Ausatemventil oder diesen vergleichbare Masken (insbesondere KN95/N95)) ein. Für zahlreiche weitere Bereiche galt die Verpflichtung zum Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske. Die Verpflichtung zum Tragen einer Atemschutzmaske im öffentlichen Personennah- oder -fernverkehr galt bis zum Erlass der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 –Coronaschutzverordnung - vom 24.06.2021 (GV.NRW. 2021 Nr. 44a vom 24.06.2021 S. 729a – 756a) fort. Ab diesem Zeitpunkt war das Tragen einer medizinischen Maske vorgeschrieben.

Der am 00.00.1980 geborene Kläger ist alleinstehend und bezieht laufend Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Die Kosten der Unterkunft und Heizung beliefen sich ab 01.10.2020 auf 416,35 € (227,35 € Grundmiete + 131,00 € Betriebskosten + 58,00 € Heizkosten) und ab 01.06.2021 auf 401,35 € (227,35 € Grundmiete + 43,00 € Heizkosten + 131,00 Betriebskosten). Die Warmwassererzeugung erfolgte dezentral.

Mit Bescheid vom 12.08.2020 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 04.09.2020 und 21.11.2020 bewilligte der Beklagte dem Kläger Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum vom 01.10.2020 bis 30.09.2021 i.H.v. 872,61 € ab 01.01.2020. Der Beklagte berücksichtigte im Jahr 2021 den Regelbedarf für Alleinstehende i.H.v. 446,00 €, einen Mehrbedarf für Warmwassererzeugung i.H.v. 10,26 € und Kosten der Unterkunft und Heizung i.H.v. 416,35 €.

Am 15.02.2021 meldete sich der Kläger per E-Mail beim Beklagten und stellte unter Bezugnahme auf den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe mit dem Aktenzeichen S 12 AS 213/21 ER "den gleichen Antrag". Das Sozialgericht Karlsruhe hatte in einem Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes den dortigen Antragsgegner anlässlich der Coronavirus SARS-CoV-2-Pandemie verschärften Pflicht zur Tragung bestimmter Arten von Mund-Nasen-Bedeckungen zur vorläufigen Gewährung einer Sachleistung von wöchentlich 20 FFP2-Masken (monatlich 86 FFP2-Masken) bzw. zur vorläufigen Gewährung eines monatlichen Zuschusses i.H.v. 129,00 € verpflichtet.

Der Beklagte lehnte den Antrag auf Übernahme der Kosten für medizinische Masken in Form eines Mehrbedarfes mit Bescheid vom 18.02.2021 ab. Im monatlichen Regelbedarf seien bereits 17,02 € für die Gesundheitspflege einberechnet, welche für den Erwerb der notwendigen Masken verwendet werden könnten. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Bund und das Land Nordrhein-Westfalen zeitnah Masken kostenlos zur Verfügung stellen werden. Ein zusätzlicher Mehrbedarf könne daher nicht gewährt werden.

Der Kläger legte hiergegen am 21.02.2020 Widerspruch ein. Der vom Beklagten genannte Betrag in Höhe von 17,02 € reiche nicht. Der Regelbedarf sei in einer Situation berechnet worden, in dem es noch kein Corona-Virus gegeben habe. Eine Zusicherung des Landes, das ihm kostenlos Masken zur Verfügung gestellt würden, habe er nicht. Zudem würde eine solche Zusicherung nicht dem Umfang entsprechen, wie es das Sozialgericht Karlsruhe (Az. S 12 AS 213/21 ER) ausgeurteilt habe.

Der Beklagte übersandte dem Kläger mit Schreiben vom 01.03.2021 zehn FFP2-Masken und wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 11.03.2021 als unbegründet zurück. Der Kläger habe nichts vorgetragen, was einen unabweisbaren laufenden sowie einmaligen Bedarf an medizinischen Masken bzw. FFP2-Masken rechtfertigen würde, der nicht bereits durch andere Leistungen gedeckt werde. Im Übrigen sei der Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe eine Einzelfallentscheidung. Er könne weder dem Grunde noch der Höhe nach nachvollzogen werden. Gemäß § 1 Abs. 1 und § 2 Schutzmaskenverordnung (SchutzmV) hätten alle Bezieher von Arbeitslosengeld II bis zum Ablauf des 06.03.2021 einen Anspruch auf einmalig zehn kostenlose FFP2-Masken. Sie erhielten die Masken gegen Vorlage eines Schreibens von ihrer Krankenversicherung in einer Apotheke. Darüber hinaus erhielten Leistungsberechtigte mit dem Sozialschutzpaket III, die für den Monat Mai 2021 Anspruch auf Arbeitslosengeld II haben, für den Zeitraum vom 01.01.2021 bis zum 30.06.2021 zum Ausgleich der mit der COVID-19- Pandemie in Zusammenhang stehenden Mehraufwendungen eine Einmalzahlung in Höhe von 150,00 €. Sofern ein weiterer akuter Bedarf an Schutzmasken bestehe, könnten sich Masken in den Geschäftsstellen der Jobcenter, beispielsweise in der H- Straße 0 in D, abgeholt werden. Im Übrigen gebe das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte an, dass die zur persönlichen Schutzausrüstung gehörenden FFP2-Masken in Deutschland verkehrsfähige Masken nach den im Hinblick auf den SARS-CoV-2 Infektionsschutz vergleichbaren Standards KN95/N95 auf Basis der für sie geltenden Normen auf ihre Filterleistung für Aerosole getestet würden. Einen Hinweis auf schlechtere Qualitäten oder geringere Filterleistung seien nicht angegeben. Der Widerspruchsbescheid enthielt am Ende den Hinweis, dass bei einem akuten Bedarf weitere Schutzmasken in den Geschäftsstellen abgeholt werden könnten.

Der Kläger hat am 18.03.2021 Klage erhoben.

Er hat vorgetragen, dass ein monatlicher Bedarf von 86 Masken bzw. 129,00 € für die Anschaffung von FFP2-Masken bestehe. Bis die zu erfüllende Maskenpflicht begonnen habe, habe er über das Internet für eine der billigsten Masken einen Stückpreis von 4,90 € bezahlt. Mittlerweile liege der Preis in Supermärkten bei 0,99 €. Da er sowohl zu Hause Masken trage, wenn er durch das Treppenhaus zu seinem Briefkasten, zu den Abfallcontainern oder in den Keller gehe, als auch beim Einkäufen, und bei Behördengängen, benötige er mindestens eine Maske pro Tag. An einigen Tagen seien auch zwei oder drei Masken erforderlich, bspw. durch Defekte der Maske oder wenn er länger unterwegs sei. Auch wolle er Masken an Personen verschenken, die bei Treffen keine Maske tragen würden. Zudem betrage laut der Gebrauchsanweisung einer FFP2-Maske die Nutzungsdauer 8 Stunden und sie sei auch nicht wiederverwendbar. Ein Schreiben von seiner Krankenversicherung für 10 kostenlose FFP-2-Masken habe er nicht erhalten. Von der Apotheke bzw. der Krankenversicherung habe er lediglich drei kostenlose FFP2-Masken bekommen. Die von dem Beklagten genannte Adresse zur Abholung von FFP2-Masken sei am Stadtrand. Er meide enge Verkehrsmittel und könne dann außerdem nicht frei zwischen Maskenmarken wählen. Von dem Angebot des Beklagten zur Abholung weiterer kostenloser Masken mache er nach wie vor keinen Gebrauch. Nach einer Berichterstattung im ZDF würden Testergebnisse zu Maskenmaterialqualitäten fehlen. Er ziehe es auch in Erwägung den Beklagten anzuschreiben, damit dieser die Masken in andere umtausche.

Das Sozialgericht hat mit Verfügung vom 12.04.2021 eine Broschüre der vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte herangezogenen Studien der Fachhochschule Münster und der Westfälischen Wilhelms Universität Münster an die Beteiligten zur Kenntnis und eventuellen Stellungnahme übersandt mit dem Hinweis, dass diese der Entscheidung zugrunde gelegt werde.

Mit Bescheid vom 07.05.2021 hat der Kläger eine Einmalzahlung in Höhe von 150,00 € zum Ausgleich der mit der COVID-19-Pandemie im Zusammenhang stehenden Mehraufwendungen erhalten.

Mit Urteil vom 22.07.2021 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Streitgegenstand des Verfahrens sei die Höhe der SGB II-Leistungen für den Zeitraum Oktober 2020 bis September 2021. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Gewährung eines Mehrbedarfes nach § 21 Abs. 6 SGB II für die Beschaffung von medizinischen Masken. Im Zeitraum 01.10.2020 bis 24.01.2021 sei lediglich das Tragen einer textilen Mund-Nase-Bedeckung in bestimmten Lebenslagen vorgeschrieben gewesen. Die Finanzierung derartiger Masken sei aus dem Regelbedarf möglich. Für den Zeitraum ab dem 25.01.2021, in dem eine Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske in bestimmten Lebenslagen erforderlich war, sei der Bedarf nicht unabweisbar, da unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten gedeckt werden könne und der vom Kläger geltend gemacht Maskenbedarf völlig überhöht sei. Auf die weiteren Gründe des Sozialgerichts wird Bezug genommen.

Gegen das am 04.08.2021 zugestellte Urteil hat der Kläger am 06.08.2021 Berufung eingelegt. Er verfolgt sein Begehren weiter.

Der Beklagte hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Ihm hätten von Februar bis Juni 2021 ausreichend FFP2-Schutzmasken zur Verfügung gestanden, um diese an Leistungsberechtigte zu verteilen. Eine Begrenzung auf eine einmalige Ausgabe sowie Erfassung der Ausgabe seien nicht vorgesehen gewesen. Er wies zudem darauf hin, dass dem Kläger mit Schreiben vom 01.03.2021 und 01.09.2021 bereits jeweils 10 FFP2-Schutzmasken übersandt worden seien, diese im Widerspruchsbescheid vom 11.03.2021 darauf hingewiesen worden sei, dass er bei einem akuten Bedarf in den Geschäftsstellen weitere Schutzmasken abholen könne, und mit E-Mail vom 01.09.2021 darauf hingewiesen worden sei, dass er bei weiterem Bedarf von FFP2-Schutzmasken eine Mail senden könne, um weitere Schutzmasken zu erhalten. Ein weiterer Bedarf sei vom Kläger jedoch nicht geltend gemacht worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalte Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat hat in Abwesenheit der Beteiligten aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden. Auf diese, sich aus dem Regelungsgehalt der §§ 110 Abs. 1 S. 2, 111 Abs. 1, 124 Abs. 2, 126, 153 Abs. 1 SGG ergebende Möglichkeit sind die Beteiligten mit den ordnungsgemäß zugestellten Ladungen hingewiesen worden.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.

A. Die Berufung ist zulässig

Die Berufung ist nach § 144 Abs. 1 S.1 Nr. 1 SGG statthaft. Denn die Beschwer der erhobenen Klage übersteigt den Betrag von 750,00 €. Der Wert des Beschwerdegegenstandes ist danach zu bestimmen, was das Sozialgericht dem Rechtsmittelkläger versagt hat und was vom von diesem mit seinem Berufungsantrag weiterverfolgt wird. Bei einer Geldleistung ist daher der Wert des Beschwerdegegenstandes für das Berufungsverfahren nach dem Geldbetrag zu berechnen, um den unmittelbar gestritten wird. Als maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung des Werts des Beschwerdegegenstandes ist auf die Einlegung der Berufung abzustellen.

Gegenstand des Verfahrens ist neben der vorinstanzlichen Entscheidung der Bescheid  vom 18.02.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2021, mit dem der Beklagte abgelehnt hat, die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen abzuändern und dem Kläger weitere Leistungen für die Anschaffung von FFP2-Masken in Form von Sachleistungen oder Geldleistungen zu bewilligen. Der Kläger begehrt im erstinstanzlichen Verfahren sowie in der Berufungsschrift die Verurteilung des Beklagten, ihm monatlich 86 FFP2-Masken zur Verfügung zu stellen, hilfsweise für die Selbstbeschaffung von 86 FFP2-Masken monatlich einen Betrag von 129,00 € zu zahlen, wobei er sein Begehren zeitlich nicht begrenzt hat. Das Sozialgericht hat dem Kläger für den Zeitraum 01.10.2020 bis 30.09.2021 einen Mehrbedarf sowohl als Sachleistung wie auch als Geldleistung gemäß § 21 Abs. 6 SGB II versagt.

Mit dem Hauptantrag begehrt der der Kläger die Verurteilung des Beklagten zur Erbringung einer Sachleistung (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 04.12.1997 – 7 RAr 24/96). Den Wert der Sachleistung hat er nicht konkret beziffert. Bei einem unbezifferten Antrag hat das Berufungsgericht den Beschwerdewert zu ermitteln. Dabei ist eine überschlägige Berechnung unter Berücksichtigung des klägerischen Vorbringens ausreichend (vgl. BSG, Beschluss vom 13.06.2013 – B 13 R 437/12 B und Urteil vom 14.08.2008 – B 5 R 39/07 R; siehe auch BSG, Beschluss vom 24.02.2011 – B 14 AS 143/10 B). Zur Bestimmung des Wertes des Beschwerdegegenstands kann daher auf den Hilfsantrag des Klägers abgestellt werden, in dem er die Kosten für die Beschaffung von 86 FFP2-Masken auf 129,00 € monatlich beziffert. Insoweit verfolgt der Kläger mit dem Haupt- und Hilfsantrag das gleiche wirtschaftliche  Interesse (zum Ausschluss der Addition bei wirtschaftlich identischen Haupt- und Hilfsanträgen: BSG, Urteil vom 10.10.2017 - B 12 KR 3/16 R). Damit übersteigt die Beschwer den Betrag von 750,00 €.

Es ist auch nicht erkennbar, dass die Bemessung des Bedarfs auf 129,00 € durch den Kläger rechtsmissbräuchlich erfolgt ist, um eine Berufungsfähigkeit zu erreichen (vgl. hierzu BSG, Beschluss vom 26.07.2016 – B 4 AS 12/16 B). Der Kläger bezieht sich zur Begründung seines Begehrens auf die bislang vereinzelt gebliebene Rechtsprechung einer Kammer eines Sozialgerichts (vgl. SG Karlsruhe, Beschluss vom 11.02.2021 - S 12 AS 213/21 ER, wonach nach Angeboten im Onlinehandel von einem Stückpreis von 1,50 € auszugehen sei, woraus sich bei 20 Masken und durchschnittlich 4,3 Wochen je Kalendermonat ein Betrag von 129,00 € monatlich ergebe), wobei diese Kammer in einer Entscheidung vom 11.03.2021 – S 12 AS 565/21 ER  schon von „erheblich gesunkene(n) Preise"  ausgegangen ist und den  Stückpreis auf 1,00 € geschätzt hat. Jedoch sind in diesem Verfahren keine konkreten Tatsachen für ein rechtsmissbräuchlich zu hoch aufrechterhaltenes Berufungsbegehren nachgewiesen, auch wenn der Kläger selbst im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen hat, dass der Stückpreis für eine FFP 2-Maske sich auf 0,99 € belaufe. Denn selbst wenn nur ein Bedarf in Höhe von 86,00 € für die Anschaffung von 86 FFP2-Masken monatlich angesetzt wird, beläuft sich die Beschwer im Hinblick auf den vom Sozialgericht ausgeurteilten Zeitraum – 01.10.2020 bis 30.09.2021 - auf über 750,00 €.

Die Berufung ist frist- und formgerecht erhoben worden.

B. Die Berufung ist unbegründet.

Streitgegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 18.02.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2021, mit dem der Beklagte den Antrag des Klägers vom 15.02.2020 auf Bewilligung eines Mehrbedarfs in Form von wöchentlich 20 FFP2-Schutzmasken bzw. 129,00 € monatlich entsprechend dem Tenor der Entscheidung des Sozialgerichts Karlsruhe im Verfahren S 12 AS 213/21, abgelehnt hat. Da es sich bei dem hier geltend gemachten Härtefallmehrbedarf (§ 21 Abs. 6 SGB II) nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht um einen vom Regelbedarf abtrennbaren Streitgegenstand handelt (BSG, Urteil vom 12.05.2021 – B 4 AS 88/20 R - m.w.N.), enthält der Bescheid vom 18.02.2021 der Sache nach die Regelung, eine Änderung des Bewilligungsbescheides vom 12.08.2020 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 04.09.2020 und vom 21.11.2020 auf der Grundlage von § 48 Abs. 1 SGB X hinsichtlich der Gewährung von Leistungen für den Zeitraum ab dem 25.01.2021 bis 30.09.2021 abzulehnen (vgl. zur Abgrenzung zu § 44 SGB X: BSG a.a.O. m.w.N.). § 48 Abs. 1 S.1 SGB X ist einschlägig, weil der Umstand, auf den sich der Kläger für sein Begehren stützt, – Antrag wie Sozialgericht Karlsruhe - am 25.01.2021- rechtliche Verpflichtung zum Tragen von Masken aufgrund der Coronaschutzverordnung vom 07.01.2021 - eingetreten ist und damit nach Erlass des letzten Änderungsbescheides vom 21.11.2020 liegt. Das Begehren des Klägers ist insoweit auszulegen, dass er die Ausgabe von 20 FFP2-Masken wöchentlich, hilfsweise die Gewährung eines monatlichen Mehrbedarfs i.H.v. 129,00 € ab dem 25.01.2021 bis zum Ende des Bewilligungsabschnittes, dem 30.09.2021, begehrt. Insoweit ist das Sozialgericht unzutreffend davon ausgegangen, dass sich der streitbefangenen Zeitraum auf den Zeitraum vom 01.10.2020 bis 30.09.2020 erstreckt. Kosten der Unterkunft und Heizung sind nicht Gegenstand des Verfahrens, da das Begehren des Klägers auf einen höheren Regelbedarf nebst Mehrbedarf beschränkt ist.

Der Kläger verfolgt sein Begehren zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1 1. Alt. SGG i.V.m. § 56 SGG.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 18.02.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2021 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höhere Grundsicherungsleistungen ab dem 25.01.2021.

Dem Kläger steht gegenüber dem Beklagten weder ein Anspruch auf Herausgabe von 86 FFP2-Masken monatlich nach § 21 Abs. 6 SGB II (I) noch auf Gewährung höhere Grundsicherungsleistungen unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs i.H.v. 129,00 € nach § 21 Abs. 6 SGB II (II) zu.

I. Der Beklagte hat zu Recht mit dem angefochtenen Bescheid eine Pflicht zur Bereitstellung von 86 FFP2-Masken monatlich nach § 21 Abs. 6 SGB II (i.d.F. des Gesetzes vom 09.12.2020, BGBl. I S. 2855) abgelehnt.

Soweit der Kläger die Gewährung eines Mehrbedarfs in Form einer Sachleistung - Bereitstellung von 20 FFP2-Masken pro Woche - begehrt, existiert hierfür schon keine Rechtsgrundlage. Leistungen nach dem SGB II werden grundsätzlich als Geldleistungen erbracht, nur in Ausnahmefällen ordnet das Gesetz die Gewährung von Leistungen in Form von Sachleistungen an (§ 24 Abs.1 und Abs. 3 SGB II, § 29 Abs. 2 SGB II, § 31a Abs. 3 SGB II). Die Gewährung eines Mehrbedarfs i.S.v. § 21 Abs. 6 SGB II in Form einer Sachleistung sieht das Gesetz nicht vor. Der Kläger hat auch nicht ansatzweise dargelegt, aus welchen Rechtsvorschriften er einen Sachleistungsanspruch gegenüber dem Beklagten ableitet. Im Übrigen hat der Beklagte dem Kläger FFP2-Schutzmasken am 01.03.2021 und 01.09.2021 tatsächlich zur Verfügung gestellte. Darüber hinaus hatte der Beklagte dem Kläger jederzeit die Möglichkeit eingeräumt, weitere Schutzmasken von ihm zu erhalten. Der Kläger hat von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht.

II. Der Hilfsantrag des Klägers, ihm höhere Grundsicherungsleistungen in Form des Regelbedarfs unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 6 SGB II i.H.v. 129,00 € monatlich zu gewähren, ist unbegründet

Der Bescheid vom 18.02.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2021 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höhere Grundsicherungsleistungen ab dem 25.01.2021.

Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides misst sich an § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 S. 1 SGB III und § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X. Nach § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, hier also der Bescheid 12.08.2020 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 04.09.2020 und vom 21.11.2020, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll gemäß § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt. Dabei sind bei der Frage, ob bzw. inwieweit eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse dazu führt, dass der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 12.08.2020 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 04.09.2020 und vom 21.11.2020 weitergehend zu Gunsten des Klägers abzuändern ist, grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (vgl. nur BSG, Urteil vom 24.11.2011 – B 14 AS 121/10 R).

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung der Bewilligung von Grundsicherungsleistungen mit Wirkung ab dem 25.01.2021. Denn eine wesentliche Änderung der Verhältnisse i.S.v. § 48 Abs. 1 S.1 SGB X zugunsten des Klägers ist nicht eingetreten.

Zwar ist eine Änderung der Verhältnisse ab dem 25.01.2021 insoweit eingetreten, als aufgrund der ab diesen Zeitpunkt in Nordrhein-Westfalen geltenden Coronaschutzverordnungen die Bürger verpflichtet waren, bei bestimmten Gelegenheiten medizinische Masken zu tragen. Diese Änderung ist aber nicht wesentlich für die Höhe des Leistungsanspruchs des Klägers.

1. Der Kläger hat in dem streitigen Zeitraum die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1, 2, 3 und 4 SGB II erfüllt. Er hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht gehabt (Nr. 1), ist erwerbsfähig gewesen (Nr. 2) und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gehabt (Nr. 4). Er ist hilfebedürftig i.S.v. §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 39 SGB II gewesen, da er seinen Bedarf weder durch Einkommen oder durch Vermögen decken konnte. Anhaltspunkte für das Vorliegen von Leistungsausschlüssen (§ 7 Abs. 1 S 2, Abs. 4, Abs. 4a und Abs. 5 SGB II) sind nicht ersichtlich.

2. Der Beklagte hat dem Kläger für den streitigen Zeitraum mit Bescheid 12.08.2020 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 04.09.2020 und vom 21.11.2020 zutreffend Grundsicherungsleistungen in Form des Regelbedarfs i.H.v. 446,00 nebst einem Mehrbedarf für Warmwassererzeugung i.H.v. 10,26 € nach § 21 Abs. 7 SGB II monatlich bewilligt.

a) Der Beklagte hat den monatlich zustehenden Regelbedarf zutreffend festgesetzt. Die Höhe des für den Kläger anzusetzenden Regelbedarfs ergibt sich aus § 20 Abs. 2 SGB II i.d.F. Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sowie weiterer Gesetze vom 09.12.2020 (BGBl. I 2855), wonach als Regelbedarf bei Personen, die alleinstehend sind, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt wird. Nach§ 8 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarf nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ab dem Jahr 2021 (RBEG 2021) beträgt der Regelbedarf für Alleinstehende in der Regelbedarfsstufe 1 gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 RBEG 2021 ab dem 01.01.2021 monatlich 446,00 €.

Die Bemessung der Regelbedarfe im Jahr 2021 folgt verfassungsrechtlichen Vorgaben. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits festgestellt, dass die Vorschriften über die Festsetzung der Höhe des Regelbedarfs sowie deren Fortschreibung nach § 20 Abs. 5 SGB II i.d.F. vom 24.03.20211 mit dem Grundgesetz vereinbar sind (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 – 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13). Dies gilt auch für die Bemessung der Regelbedarfe für das Jahr 2021. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 23.07.2014 festgestellt, dass die Regelung der Höhe der Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs einschließlich ihrer Fortschreibungen nach § 20 Abs. 2 S. 1 und 2 Nr. 1, Abs. 4, Abs. 5, § 23 Nr. 1, § 77 Abs. 4 Nr. 1 und 2 SGB II und § 8 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4 und 6, Abs. 2 Nr. 1 und 3 RBEG i.d.F. vom 24.03.2011 (BGBl. I, 453 – RBEG 2011) jeweils in Verbindung mit § 20 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB II und § 28a SGB XII, sowie der Anlage zu § 28 SGB XII sowie § 2 RBSFV 2012, § 2 RBSFV 2013 und § 2 RBSFV 2014 nach Maßgabe der Gründe mit Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG vereinbar ist. Die Regelbedarfsermittlung ab 2021 folgt denselben Grundsätzen, die dem RBEG 2011 zugrunde gelegen haben. Bis in die Detailebene hinein sind identische Wertentscheidungen getroffen worden (vgl. Saitzek in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5 Aufl. 2021, § 20 Rn. 16a).

Die Ermittlung des Regelbedarfs für das Jahr 2021 beruht auf dem Ergebnis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe aus dem Jahr 2018. Die Nichtberücksichtigung pauschalierter pandemiebedingter Bedarfe bei der Bemessung bedeutet nicht einen Verstoß gegen das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG (vgl. Knickrehm in: Gagel, SGB II, Stand August 2021, § 70 Rn. 6; Groth in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., Überarbeitung (Stand: 15.12.2021), § 70 Rn. 16; Blüggel in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5 Aufl. 2021, § 70 Rn. 5, 24 f.). Zwar sind in der COVID-19-Pandemie neue bisher unbekannte Bedarfe aufgetreten, die auch nicht prognostizierbar gewesen sind und folglich nicht in die Regelbedarfsbemessung auf Grundlage der Einkommens-und Verbrauchsstichprobe aus dem Jahr 2018 eingeflossen sind. Der Gesetzgeber ist aber nicht verfassungsrechtlich gezwungen gewesen, auf diese Pandemie bedingten finanziellen Mehrbelastungen mit einer kurzfristigen Sonderanpassung der Regelbedarfe zu reagieren, sondern er hat nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 23.07.2014, a.a.O.) bei einer "strukturell unzutreffenden" Erfassung des Regelbedarfs die Möglichkeit, den existenzsichernden Regelbedarf durch zusätzliche Leistungsansprüche zu sichern. Der Gesetzgeber hat den Leistungsempfängern zum Ausgleich der pandemiebedingten Sonder- und Mehrbedarfe für den Zeitraum vom 01.01.2021 bis zum 30.06.2021 einen zusätzlich pauschalierter einmaligen Leistungsanspruch nach § 70 SGB II (Gesetz vom 10.03.2021, BGBl I 335) i.H.v. 150,00 € gewährt. Gegen die Höhe des Mehrbedarfes nach § 70 SGB II bestehen keine verfassungsrechtlich Bedenken (vgl. Blüggel, a.a.O., § 70 Rn. 5; a.A. SG Karlsruhe, Beschluss vom 24.03.2021 – S 12 AS 711/21 ER), zumal weitere individuelle Bedarfe durch ergänzende Leistungen nach § 21 Abs. 6 SGB II gedeckt werden können (Blüggel, a.a.O., § 70 Rn. 5, 24; Knickrehm, a.a.O., Rn. 7, Groth, a.a.O., § 70 Rn. 15, a.A. SG Karlsruhe, Beschluss vom 24.03.2021 – S 12 AS 711/21 ER). Dem Kläger ist durch Bescheid vom 07.05.2021 die Einmalleistung nach § 70 SGB II ausgezahlt worden.

b) Zutreffend hat der Beklagte dem Kläger auch den Mehrbedarf für die dezentrale Warmwassererzeugung gemäß § 21 Abs. 7 SGB II i.H.v. 2,3 % des geltenden Regelbedarfs nach § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II i.H.v. 10,23 € gewährt.

c) Ein weiterer Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II i.H.v. 129,00 € monatlich zur Anschaffung von 86 FFP2-Masken monatlich steht dem Kläger nicht zu.

Nach § 21 Abs. 6 S. 1 SGB II wird bei Leistungsberechtigten nach seinem Satz 1 ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Abs. 1 SGB II ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist gemäß § 21 Abs. 6 Satz 2 SGB II unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Es handelt sich bei § 21 Abs. 6 SGB II um eine Ausnahmevorschrift für atypische Bedarfslagen, dessen Tatbestandsvoraussetzungen nach dem Willen des Gesetzgebers eng und strikt sind (Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses des Bundestages, BT-Drucks 17/1465, S. 8). Der Gesetzgeber hat damit die vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09) erlassene Regelungsanordnung kodifiziert. Auch das Bundesverfassungsgericht ging von "engen und strikten Tatbestandsvoraussetzungen" aus (BVerfG, a.a.O., Rn. 208). Diese Maßgabe ist bei der Auslegung des  § 21 Abs. 6 SGB II zu beachten. Die Härtefallklausel dient dazu, Bedarfe zu erfassen, die aufgrund ihres individuellen Charakters bei der pauschalierenden Regelbedarfsbemessung der Art oder der Höhe nach nicht erfasst werden können (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 204 ff.; BT-Drucks 17/1465, S 8). Sie hat nicht die Funktion, eine (vermeintlich oder tatsächlich) unzureichende Höhe des Regelbedarfs auszugleichen (Knickrehm in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Aufl 2021, § 21 Rn. 64 ff.).

Die Voraussetzungen für die Gewährung eines Mehrbedarfs i.S.v. § 21 Abs. 6 SGB II als Geldleistung liegen nicht vor. Zwar handelt es sich bei der Beschaffung von medizinischen Masken um einen besonderen Bedarf (dazu aa)), jedoch stellt dieser Bedarf keinen im Einzelfall unabweisbaren Bedarf dar (dazu bb )).

aa) Der Mehrbedarf für medizinische Masken ist ein besonderer Bedarf i.S.d.  § 21 Abs. 6 SGB II.

Der aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG) in das SGB II eingeführte Anspruch auf einen Härtefallmehrbedarf gemäß § 21 Abs. 6 SGB II soll unter anderem Sondersituationen Rechnung tragen, in denen ein seiner Art oder Höhe nach auftretender Bedarf von dem der Regelbedarfsermittlung zugrunde liegenden Verfahren nicht erfasst wird und sich der Regelbedarf als unzureichend erweist (BSG vom 26.11.2020 - B 14 AS 23/20 R, Rn. 19 m.w.N,; Knickrehm in: Eicher/Luik/Harich, a.a.O., § 21 Rn. 67; Knickrehm in: Gagel, a.a.O., §  70 Rn. 7).

Mit der Bezugnahme auf einen besonderen Bedarf will der Gesetzgeber - wie sich den Gesetzesmaterialien entnehmen lässt - einen in Sondersituationen auftretenden Bedarf nicht erfasster Art oder atypischen Ursprungs oder einen höheren, überdurchschnittlichen Bedarf einbeziehen, der nicht oder nicht aussagekräftig von der statistischen Durchschnittsbetrachtung in der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe erfasst wird (BT-Drs. 17/1465, S. 8.; Behrend in: Schlegel/Voelzke jurisPK-SGB II, Stand: 08.02.2021, § 21 Rn. 86). Da die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2018 zeitlich vor dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie erfolgte, konnten pandemiebedingte Bedarfe bei der Regelbedarfsermittlung (vgl. § 1 Abs. 1 RBEG) von vornherein nicht berücksichtigt werden (siehe oben). Der Mehrbedarf für medizinische Masken ist damit ein besonderer Bedarf.

bb) Der Mehrbedarf für medizinische Masken ist aber kein im Einzelfall unabweisbarer Bedarf i.S.d. § 21 Abs. 6 SGB II. Weder liegt ein Einzelfall vor (dazu (1)) noch ist der Bedarf unabweisbar (dazu (2)).

(1) Es liegt bereits kein Einzelfall i.S.d. § 21 Abs. 6 S. 1 Hs. 1 SGB II vor (vgl. LSG NRW, Beschlüsse vom 29.03.2021 - L 12 AS 377/21 B ER und vom 03.03.2021 - L 9 SO 18/21 B ER, LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom. 23.03.2021 - L 13 AS 125/21 B ER; a. A. SG Karlsruhe, Beschluss vom 24.03.2021 - S 12 AS 711/21 ER). Denn der sich aus den Coronaschutzverordnungen ergebende Bedarf an medizinischen Masken betrifft ausnahmslos sämtliche Personen und damit sämtliche Leistungsberechtigten nach dem SGB II. Denn die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in Form einer medizinischen Maske, die nach Auffassung des Klägers seinen Mehrbedarf begründet, gilt grundsätzlich für alle natürlichen Personen im Geltungsbereich der jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften (für Nordrhein-Westfalen: § 3 Abs. 2 Coronaschutzverordnung in den Fassungen ab dem 25.01.2021; zu Ausnahmen s. § 3 Abs. 4). Selbst wenn davon auszugehen ist, dass mit den in die Regelbedarfsbemessung eingeflossenen Verbrauchsausgaben für Gesundheitspflege (vgl. § 5 Abs. 1 RBEG 2021, dort Abt. 6) die durch die landesrechtlichen Vorschriften verursachten Ausgaben für Mund-Nasen-Bedeckungen "strukturell unzutreffend" erfasst sind (vgl. BSG, Urteil vom 08.05.2019 - B 14 AS 13/18 R) und damit ein "besonderer Bedarf" i.S.d. § 21 Abs. 6 S. 1 Hs.1 SGB II vorliegt (vgl. dazu LSG NRW, Beschluss vom 27.08.2021 – L 21 AS 1125/21 B; BSG, a.a.O; sowie Urteil vom 20.01.2016 - B 14 AS 8/15 R; zudem auch BT-Drs. 17/1465, S. 8, BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a., Rn. 207f.), weil die maßgebliche Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2018 noch vor dem Ausbruch der COVID 19-Pandemie erhoben wurde  (zur [Nicht-]Berücksichtigung pandemiebedingter Bedarfe bei der Regelbedarfsermittlung vgl. auch Groth, a.a.O., § 70 Rn. 16), fehlt es jedenfalls an einem Einzelfall i.S.d. § 21 Abs. 6 S. 1 Hs. 1 SGB II. Von einem ausnahmsweise überdurchschnittlichen Bedarf kann angesichts eines grundsätzlich alle Leistungsberechtigten gleichermaßen treffenden Bedarfs nach Mund-Nasen-Bedeckungen in Form einer medizinischen Maske jedenfalls ab dem 25.01.2021 nicht ausgegangen werden. Denn die Verpflichtung zur Benutzung von medizinischen Masken, insbesondere im Öffentlichen Personennahverkehr und in Geschäften, hat bundesweit bestanden (vgl. https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus/corona-diese-regeln-und-einschraenkung-gelten-1734724).

Soweit der Kläger sich auf die sich aus der COVID -19-Pandemie ergebenden Gefährdungslage für sich und andere beruft, besteht diese Gefährdungslage für alle Personen, die sich in der Bundesrepublik aufhalten. Der Anspruch aus § 21 Abs. 6 SGB II ist aber, soweit es strukturell unzureichend erfasste Bedarfe angeht, auf Fälle "eines ausnahmsweise höheren, überdurchschnittlichen Bedarfs" beschränkt (BT-Drs. 17/1465, S. 8 f.). Dagegen dient die Regelung nicht dazu, einen für unzureichend erachteten Regelbedarf aufzustocken (vgl. Knickrehm, a.a.O., § 21 Rn. 67). Aus dem Vortrag des Klägers ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass aufgrund seiner Situation ein atypischer, besonderer Bedarf an Mund-Nasen-Bedeckung in Form einer medizinischen Maske, insbesondere in Form von FFP2-Masken bestanden hat. Der Kläger ist alleinstehend und übt keine Erwerbstätigkeit aus. Nach eigenen Angaben meidet er die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln und erledigt seine Einkäufe zwei- bis dreimal die Woche frühmorgens. Das Tragen von medizinischen Masken ab dem Verlassen der Wohnung, insbesondere im Treppenhaus des Wohnhauses, ist in dem streitbefangenen Zeitraum nach der maßgebenden Coronaschutzverordnungen nicht vorgeschrieben. Der Wunsch, bei Treffen in Innenräumen Personen, die keine Masken bei sich hätten, eine Maske zur Verfügung zu stellen, begründet keinen atypischen Bedarf.

(2) Der Bedarf ist für den Kläger auch nicht unabweisbar gewesen.

Ein Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter (einschließlich der Leistungen anderer Sozialleistungsträger; vgl. BSG, Urteile vom 12.12.2013 - B 4 AS 06/13 R und vom 20.01.2016 - B 14 AS 08/15) sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht (§ 21 Abs. 6 S. 2 SGB II). Diese Definition ist nicht abschließend ("insbesondere"). Das Merkmal der Unabweisbarkeit betrifft sowohl den Aspekt des Bedarfs als solchen als auch die Frage der anderweitigen Bedarfsdeckung. Bereits auf der Bedarfsseite fehlt es an der Unabweisbarkeit, wenn der Bedarf ohne rechtliche Verpflichtung entstanden ist (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 12/13 R), es jenseits einer rechtlichen Verpflichtung eines triftigen Grundes für die Bedarfsverursachung entbehrte, der Bedarf - etwa durch Ausweichen auf eine andere Bedarfslage (Behrend, a.a.O., § 21 Rn.93) oder sonstige alternative Handlungen (BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 12/13 R) vermeidbar war oder es um einen Bedarf geht, dessen Deckung nicht der Sicherung des Existenzminimums dient (BSG, Urteil vom 26.11.2020 - B 14 AS 23/20 R). Die Höhe des Mehrbedarfes ergibt sich aus dem Betrag, der erforderlich ist, um diesen Bedarf abzudecken. Dabei ist eine möglichst kostengünstige als auch eine möglichst kostenbewusste Bedarfsdeckung zugrunde zu legen (BSG, Urteile vom 28.11.2018 – B 14 AS 48/17 R - und vom 18.11.2014 – B 4 AS 4/14 R.).

Der Kläger konnte seinen aus den Corornaschutzverordnungen ergebenden Maskenbedarf dabei auch mit geringeren Mitteln befriedigen, als er dies im Klageverfahren begehrt und für erforderlich hält. Dem Begehren des Klägers liegen ein weit überhöhter Maskenbedarf sowie ein zu hoher Maskenpreis zugrunde.

Es war landesrechtlich nur in der Zeit vom 23.04.2021 bis 24.06.2021 vorgeschrieben, eine Maske des FFP2-, KN95-, N95- oder eines vergleichbaren Standards im öffentlichen Personennah- oder -fernverkehr zu tragen, in den übrigen Zeiträumen bestand nur eine Pflicht, eine medizinische Maske, der Standard einer OP-Maske genügte, zu tragen. Von Gesetzes wegen bestand damit kein Bedarf gerade nach Masken des Standards FFP2 bzw. vergleichbaren Masken in den Zeiträumen vom 25.01.2021 bis 22.04.2021 und vom 24.06.2021 bis 30.09.2021 (zur Maßgeblichkeit der Coronaschutzverordnung vgl. auch LSG NRW Beschluss vom 30.04.2020 - L 7 AS 625/20 B ER). Dass der Kläger aufgrund einer bei ihm bestehenden gesundheitlichen Einschränkung gerade auf Masken des begehrten Standards angewiesen wäre, ist weder vorgetragen, noch anderweitig ersichtlich. Dies ist auch nicht wegen einer vermeintlich "verordneten Pflicht zum Schutz der Allgemeinheit" erforderlich. Mit Blick auf die insoweit interessierenden Fälle einer ggf. fahrlässigen Körperverletzung (§ 229 StGB) liegt es jedenfalls nicht auf der Hand liegen, dass das Tragen "nur" einer OP-Maske eine Sorgfaltspflicht verletzt und deshalb eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit begründen könnte (vgl. dazu BGH, Urteil vom 14.03.2003 - 2 StR 239/02, Rn. 18), nachdem die maßgebliche Coronaschutzverordnung auch OP-Masken grundsätzlich ausreichen lässt.

Auch die Schätzung eines Bedarfs von 20 FFP2-Masken durch den Kläger ist weit überhöht. Der Senat nimmt Bezug auf die erstinstanzlichen Ausführungen. Für den Senat ist nicht ersichtlich, dass generell und für den Kläger im Besonderen eine Unzumutbarkeit bestanden hat, Masken, die den FFP2-Standard erfüllen, mehrmals zu verwenden. Zwar haben die Hersteller diese nur als Einmal Produkte gekennzeichnet. Es ist aber weder durch den vom Kläger beschriebenen Gebrauch bzw. der von ihm dargestellten Nutzung noch aus grundsätzlichen Erwägungen heraus erkennbar, dass eine solche mehrfach Nutzung nach wissenschaftlichen  Maßstäben auszuschließen ist (siehe LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.05.2021- L 9 AS 534/21 ER-B). Mithin hat das Sozialgericht zutreffend einen monatlichen Bedarf des Klägers an Masken, die den FFP2-Standard erfüllen, von zehn Stück pro Monat angesetzt, wobei nur in der Zeit vom 23.04.2021 bis 24.06.2021 eine Pflicht zum Tragen solcher Masken in öffentlichen Verkehrsmitteln bestanden hat.

Diesen Bedarf konnte der Kläger überwiegend durch Zuwendungen Dritter decken. Mit der Erweiterung der Coronavirus-Schutzmasken-Verordnung im Februar 2021 vom 14.12.2020 (BAnz.. AT 15.12.2020 V1 i.d.F. der Änderungsverordnung vom 04.02.2021 BAnz. AT 5.2.2021 V1) hatten Empfängerinnen und Empfänger von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zudem einen Anspruch auf einmalig zehn kostenfreie FFP2-Masken oder vergleichbare Masken. Abgeholt werden konnten die Masken nach Auskunft des Bundesgesundheitsministeriums zwischen dem 16.02. und dem 06.03.2021 (Quelle: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/gesetze-und-verordnungen/guv-19-lp/schutzmv.html). Über diese Bezugsmöglichkeiten ist der Kläger noch während des Verwaltungsverfahrens vom Beklagten informiert worden.

Zudem hat der Beklagte dem Kläger im März 2021 und September 2021 jeweils 10 FFP2-Masken postalisch übersandt. Des Weiteren hat für den Kläger in der Zeit von Februar.2021 bis Juni 2021 die Möglichkeit bestanden weitere FFP2-Masken kostenlos über eine Ausgabestelle des Beklagten zu beziehen. Eine Begrenzung auf eine einmalige Ausgabe sowie Erfassung der Ausgabe waren nicht vorgesehen. Dem Beklagten standen nach eigenen Angaben 30.000 FFP2-Masken zur Ausgabe an Leistungsbezieher zur Verfügung. Der Kläger ist bereits im Widerspruchsbescheid vom 11.03.2021 darauf hingewiesen worden, dass er bei einem akuten Bedarf in den Geschäftsstellen weitere Schutzmasken abholen könne. Dieser Hinweis ist dem Kläger nochmals mit E-Mail vom 01.09.2021 erteilt worden, dass er bei weiterem Bedarf von FFP2-Schutzmasken eine Mail senden könne, um weitere Schutzmasken zu erhalten. Von dieser Möglichkeit der zumutbaren Selbsthilfe hat der Kläger keinen Gebrauch gemacht. Der Kläger hat nicht nachvollziehbar dargelegt, aus welchen Gründen die Zurücklegung des Weges zur Ausgabestelle des Beklagten unzumutbar gewesen ist.

Hinzu kommt, dass FFP2-Masken jedenfalls seit dem Jahr 2021 günstig erworben werden können. Zu Beginn der Pandemie im Jahr 2020 war dies noch anders. Insbesondere FFP2-Masken sind im Handel (insbesondere bei Discountern) jedenfalls für 1,00 € pro Stück, häufig aber auch für einen noch geringeren Betrag erhältlich. Der Kläger hat im Gerichtsverfahren selbst eingeräumt, dass sich die Kosten für eine FFP2-Maske auf 0,99 € pro Stück belaufen.

Vor diesem Hintergrund ist dem Kläger im streitigen Zeitraum durch die in den Coronaschutzverordnungen geregelte Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske kein erheblich vom durchschnittlichen Bedarf abweichender Bedarf entstanden. Es ist dem Kläger über das Angebot des Beklagten hinaus zumutbar gewesen, die Ausgaben für medizinische Masken von dem im Regelbedarf enthaltenen Anteil für Gesundheitspflege i.H.v. 16,60 € zu decken.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Anlass, die Revision nach § 160 SGG zuzulassen, besteht nicht.

 

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