L 7 R 474/21 ZV

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 26 R 570/18 ZV
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 R 474/21 ZV
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Der Zufluss von Jahresendprämien sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach kann im konkreten Einzelfall, beispielsweise durch Zeugenaussagen, glaubhaft gemacht werden.

     
   
 

 

  1. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 3. August 2021 aufgehoben. Die Beklagte wird, unter Aufhebung des Überprüfungsablehnungsbescheides vom 25. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2018, verurteilt, den Feststellungsbescheid vom 28. November 2002 in der Fassung der Feststellungsbescheide vom 12. Oktober 2010, vom 10. März 2011 und vom 7. April 2011 dahingehend abzuändern, dass für die Jahre 1978 bis 1990 weitere Arbeitsentgelte des Klägers wegen zu berücksichtigender Jahresendprämienzahlungen im Rahmen der bereits festgestellten Zusatzversorgungszeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betriebe wie folgt festzustellen sind:

Für das Jahr:             

1978

745,62 Mark

1979

957,47 Mark

1980

1.135,54 Mark

1981

951,07 Mark

1982

741,40 Mark

1983

970,02 Mark

1984

872,17 Mark

1985

870,77 Mark

1986

975,47 Mark

1987

944,77 Mark

1988

1.106,53 Mark

1989

1.021,49 Mark

1990

1.051,63 Mark

 

  1. Die Beklagte erstattet dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten für das gesamte Verfahren.

 

  1. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

 

Die Beteiligten streiten – im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens und im Berufungsverfahren nur noch – über die Verpflichtung der Beklagten weitere Entgelte des Klägers für Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz für die Jahre 1978 bis 1990 (= Zuflussjahre) in Form von Jahresendprämien festzustellen.

 

Der 1947 geborene Kläger war – nach Beendigung seiner Berufsausbildung – vom 1. Juli 1965 bis 31. Dezember 1975 als Betriebsschlosser im volkseigenen Betrieb (VEB) Braunkohlenwerk "Z.... " Y.... , VEB Braunkohlenkombinat "X.... " W....  und VEB Gaskombinat V....  beschäftigt. Nach erfolgreichem Abschluss eines im Zeitraum von September 1972 bis Dezember 1976 absolvierten berufsbegleitenden Fachschulfernstudiums in der Fachrichtung Technologie der metallverarbeitenden Industrie an der Ingenieurschule für Maschinenbau und Elektrotechnik U....  wurde ihm mit Urkunde vom 9. Dezember 1976 die Berechtigung verliehen, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen. Er war vom 1. Januar 1976 bis 8. Dezember 1976 zunächst als Schlosser und vom 9. Dezember 1976 bis 30. Juni 1990 (sowie darüber hinaus) als Technologe (jeweils) im VEB Braunkohlenwerk T....  (= Betrieb des volkseigenen [VE] Braunkohlenkombinats S.... ) beschäftigt. Er erhielt keine Versorgungszusage und war zu Zeiten der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) nicht in ein Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) einbezogen.

 

Am 16. Januar 2001 beantragte der Kläger die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften und legte eine Entgeltbescheinigung der LAUBAG vom 24. Oktober 2000 (für den Beschäftigungszeitraum von September 1962 bis Juni 1990) vor. Mit Bescheid vom 28. November 2002 stellte die Beklagte die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. Dezember 1976 bis 30. Juni 1990 als "nachgewiesene Zeiten" der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte, auf der Grundlage der vorgelegten Entgeltbescheinigung der LAUBAG vom 24. Oktober 2000, fest. Einen gegen diesen Feststellungsbescheid vom Kläger mit Schreiben vom 19. Dezember 2002 eingelegten Widerspruch, mit dem er die Berücksichtigung seiner geleisteten Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) der DDR geltend machte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. November 2004 zurück.

 

Mit Überprüfungsantrag vom 25. September 2007 begehrte der Kläger die rückwirkende Neufeststellung der Zusatzversorgungszeiten unter Einbeziehung von Prämien, insbesondere von Jahresendprämien. Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23. September 2008 ab und stellte zugleich die Rechtswidrigkeit des Feststellungsbescheids vom 28. November 2002 mit der Begründung fest, der Anwendungsbereich des AAÜG sei im Fall des Klägers nicht eröffnet, weil sein Beschäftigungsbetrieb am 30. Juni 1990 kein VEB mehr, sondern nur noch eine "leere Hülle" gewesen sei.

 

Mit Schreiben vom 12. Februar 2009 erinnerte der Kläger an seinen Überprüfungsantrag vom 25. September 2007 und teilte der Beklagten mit, sein Rentenversicherungsträger habe seine Rente, aufgrund eines Ablehnungsbescheides der Beklagten vom 23. September 2008, welchen er nicht erhalten habe, "eingefroren". Daraufhin übersandte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Juni 2009 den Ablehnungs- und Rechtswidrigkeitsfeststellungsbescheid (vom 23. September 2008) erneut. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 25. Juni 2009 Widerspruch ein. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens fragte die Beklagte mit Schreiben vom 26. Juli 2010 und 23. August 2010 nach Bezugsunterlagen für Jahresendprämien sowie für zusätzliche Belohnungen für Werktätige im Bergbau bei der Rhenus Office Systems GmbH sowie der Vattenfall Europe Mining AG an. Mit Schreiben vom 10. August 2010 sowie vom 22. September 2010 teilten die Rhenus Office Systems GmbH sowie die Vattenfall Europe Mining AG jeweils mit, über keinerlei Bezugsunterlagen über Jahresendprämien und zusätzliche Belohnungen für Werktätige im Bergbau zu verfügen. Mit Bescheid vom 12. Oktober 2010 hob die Beklagte den Ablehnungs- und Rechtswidrigkeitsfeststellungsbescheid vom 23. September 2008 in der Fassung des Ablehnungs- und Rechtswidrigkeitsfeststellungsbescheides vom 12. Juni 2009 auf, stellte die Anwendbarkeit von § 1 AAÜG fest und deklarierte den Feststellungsbescheid vom 28. November 2002 als rechtmäßig. Die Feststellung höherer Arbeitsentgelte wegen der begehrten Prämien lehnte sie hingegen mit der Begründung ab, der Kläger habe den Bezug höherer Verdienste weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 31. Oktober 2010 erneut Widerspruch ein und begehrte die Feststellung höherer Arbeitsentgelte wegen zu berücksichtigender Jahresendprämien sowie zusätzlicher Belohnungen für Werktätige im Bergbau. Die Beklagte fragte daraufhin mit Schreiben vom 10. November 2010 und vom 20. Januar 2011 erneut bei der Vattenfall Europe Mining AG nach Bezugsunterlagen für Jahresendprämien sowie für zusätzliche Belohnungen für Werktätige im Bergbau an. Mit Schreiben vom 21. Februar 2011 übersandte die Vattenfall Europe Mining AG eine Entgeltbescheinigung vom 21. Februar 2011, in der die zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau für die Jahre 1978 bis 1990 enthalten waren; zugleich führte sie aus, dass Unterlagen über den Bezug von Jahresendprämien nicht mehr vorhanden sind. Daraufhin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 10. März 2011 erneut die Anwendbarkeit von § 1 AAÜG, die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. Dezember 1976 bis 30. Juni 1990 als "nachgewiesene Zeiten" der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte fest. Dabei stellte sie für die Jahre 1978 bis 1990 höhere Arbeitsentgelte, unter Berücksichtigung der in der Entgeltbescheinigung der Vattenfall Europe Mining AG vom 21. Februar 2011 ausgewiesenen zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau, fest. Den bisherigen Bescheid (vom 28. November 2002 in der Fassung des Bescheides vom 12. Oktober 2010) hob sie, soweit er entgegenstand, auf. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 21. März 2011 abermals Widerspruch ein und begehrte die Berücksichtigung höherer Entgelte in den Jahren 1976 und 1977. Er legte dabei eine korrigierte Entgeltbescheinigung der Vattenfall Europe Mining AG vom 17. März 2011 vor, in der höhere Entgelte für die Jahre 1976 bis 1978 ausgewiesen waren; zugleich führte sie aus, dass Unterlagen über den Bezug von Jahresendprämien nicht mehr vorhanden sind und wies mit separatem Schreiben vom 15. März 2011 darauf hin, dass die Entgeltbescheinigung vom 21. Februar 2011 ungültig ist. Daraufhin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 7. April 2011 erneut die Anwendbarkeit von § 1 AAÜG, die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. Dezember 1976 bis 30. Juni 1990 als "nachgewiesene Zeiten" der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte fest. Dabei stellte sie für die Jahre 1976 bis 1978 höhere Arbeitsentgelte unter Berücksichtigung der in der Bescheinigung der Vattenfall Europe Mining AG vom 17. März 2011 ausgewiesenen höheren Arbeitsentgelte fest. Den bisherigen Bescheid (vom 28. November 2002 in der Fassung der Bescheide vom 12. Oktober 2010 und vom 10. März 2011) hob sie, soweit er entgegenstand, auf. Das Widerspruchsverfahren schloss die Beklagte aufgrund der aus ihrer Sicht erfolgten vollen Abhilfe (ohne einen Widerspruchsbescheid zu erlassen).

 

Mit Überprüfungsantrag vom 10. Januar 2017 (Eingang bei der Beklagten am 11. Januar 2017) begehrte der Kläger erneut die Berücksichtigung von Jahresendprämien bei den festgestellten Arbeitsentgelten in Höhe von 80 Prozent eines Bruttomonatsbetrages bzw. gemäß der Erklärungen der Kombinatsverantwortlichen. Er legte im Laufe des Antragsverfahrens die, gerichtsbekannte, schriftliche Erklärung der Zeugen R....  (Generaldirektor des VE Braunkohlenkombinats S.... ) und Dr. Q....  (Direktor für Sozialökonomie des VE Braunkohlenkombinats S.... ) vom 11. und 26. April 2010 sowie die, ebenfalls gerichtsbekannte, Zusatzerklärung des Zeugen R....  vom 13. Februar 2012 zu in den Kombinatsbetrieben gezahlten Jahresendprämien, vor. Mit Schreiben vom 27. März 2017 erweiterte der Kläger sein Überprüfungsbegehren und beantragte die Berücksichtigung seiner geleisteten FZR-Beiträge. Zudem legte er arbeitsvertragliche Unterlagen vor.

 

Den Überprüfungsantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25. Juli 2017 ab.

 

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 24. August 2017 Widerspruch ein, konkretisierte sein Begehren mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2017 (in Form einer tabellarisch eingereichten Übersicht) auf die Jahresendprämienplanjahre 1977 bis 1989 und legte im Laufe des Widerspruchsverfahrens zwei schriftliche Erklärungen des Zeugen P....  vom 29. August 2017 und vom 23. November 2017, vor. In letzterer ist ausgeführt, dass der Kläger jedes Jahr Jahresendprämien in der Zeit seiner Beschäftigung als Ingenieur erhalten habe.

 

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. März 2018 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus: Der Zufluss der begehrten weiteren Arbeitsentgelte in Form von Jahresendprämien sei weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden. Die Höhe der Jahresendprämien des Einzelnen sei von einer Vielzahl von Faktoren abhängig gewesen, die heute ohne entsprechende Unterlagen nicht mehr nachvollzogen werden könnten. Eine pauschale Berücksichtigung der Prämien könne daher nicht erfolgen. Für das weitere Begehren des Klägers bezüglich der Berücksichtigung seiner FZR-Beiträge sei sie nicht zuständig, da dies Aufgabe des Rentenversicherungs- und nicht des Zusatzversorgungsträgers sei.

 

Hiergegen erhob der Kläger am 17. April 2018 Klage zum Sozialgericht Dresden und begehrte die Berücksichtigung von Jahresendprämien auf der Grundlage der Erklärungen der Betriebsverantwortlichen R....  und Dr. Q....  bei den festgestellten Arbeitsentgelten als glaubhaft gemachte Entgelte sowie die "Anerkennung" der gezahlten Beiträge zur FZR.

 

Das Sozialgericht Dresden hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 3. August 2021 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Jahresendprämien seien kein berücksichtigungsfähiges Arbeitsentgelt, da diese Prämien nach DDR-Recht steuer- und betragsfrei gewesen seien. Der entgegenstehenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), das die Jahresendprämien als AAÜG-relevantes Entgelt anerkenne, sei nicht zu folgen. Hinsichtlich der vom Kläger begehrten Berücksichtigung der FZR-Beiträge hat das Sozialgericht auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 22. März 2018 Bezug genommen.

 

Gegen den am 9. August 2021 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 1. Oktober 2021 Berufung eingelegt, mit der er (nur) sein Begehren nach Feststellung von Jahresendprämien für die Planjahre 1977 bis 1989 und damit für die Zuflussjahre 1978 bis 1990 weiterverfolgt. Zur Begründung führte er aus: Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts sei fehlerhaft, weil er die Glaubhaftmachung des Erhalts und die Anerkennung der Prozente hinsichtlich der Jahresendprämie nicht genügend beachte. Die Jahresendprämienhöhe habe er auf der Grundlage der Erklärungen der Betriebsverantwortlichen R....  und Dr. Q....  glaubhaft gemacht. Diese rechtserheblichen Tatsachen seien weder vom Sozialgericht noch von der Beklagten gewürdigt worden.

 

Der Kläger beantragt – sinngemäß und sachdienlich gefasst –,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 3. August 2021 aufzuheben und die Beklagte, unter Aufhebung des Überprüfungsablehnungsbescheides vom 25. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2018, zu verurteilen, den Feststellungsbescheid vom 28. November 2002 in der Fassung der Feststellungsbescheide vom 12. Oktober 2010, vom 10. März 2011 und vom 7. April 2011 abzuändern und Jahresendprämien für die Planjahre 1977 bis 1989 und damit für die Zuflussjahre 1978 bis 1990 als zusätzliche Entgelte im Rahmen der nachgewiesenen Zusatzversorgungszeiten festzustellen.

 

Die Beklagte beantragt – sinngemäß und sachdienlich gefasst –,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid im Ergebnis für zutreffend und meint, der sogenannten "R.... -Erklärung" vom 26. April 2010 sei keinerlei Beweiswert beizumessen.

 

Der Senat hat dem Kläger mit Beschluss vom 2. November 2021 Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand in die versäumte Frist zur Einlegung der Berufung gewährt, arbeitsvertragliche Unterlagen vom Kläger angefordert sowie eine schriftliche Auskunft des Zeugen P....  vom 29. Dezember 2021 eingeholt.

 

Mit Schriftsätzen vom 12. Januar 2022 (Kläger) und vom 17. Januar 2022 (Beklagte) haben die Beteiligten jeweils ihr Einverständnis zur Entscheidung des Rechtsstreits durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

 

Dem Senat haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird hierauf insgesamt Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

 

I.

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

 

II.

Die statthafte und zulässige, insbesondere aufgrund des Wiedereinsetzungsbeschlusses des Senats vom 2. November 2021 auch fristgerechte, Berufung des Klägers ist begründet, weil das Sozialgericht Dresden die Klage zu Unrecht abgewiesen hat. Denn der Kläger hat in dem tenorierten Umfang Anspruch auf Feststellung zusätzlicher, ihm in den Jahren 1978 bis 1990 zugeflossener, weiterer Arbeitsentgelte wegen zu berücksichtigender Jahresendprämienzahlungen im Rahmen der bereits mit Bescheid vom 28. November 2002 in der Fassung der Bescheide vom 12. Oktober 2010, vom 10. März 2011 und vom 7. April 2011 festgestellten Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben. Darüberhinausgehende, noch höhere als die tenorierten Arbeitsentgelte begehrt der Kläger nicht, weil er ausdrücklich nur glaubhaft gemachte Arbeitsentgelte auf der Grundlage der Erklärungen der Betriebsverantwortlichen R....  und Dr. Q....  begehrt. Ausweislich seiner im Widerspruchsverfahren angefertigten und bei der Beklagten mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2017 eingereichten tabellarischen Übersicht bezieht sich sein Begehren auch lediglich auf die Jahresendprämienplanjahre 1977 bis 1989 und damit auf die Zuflussjahre 1978 bis 1990. Eine Berufungszurückweisung im Übrigen ist deshalb (auch aus Gründen der Klarstellung) unter keinem in die Gesamtbetrachtung einzustellenden Aspekt veranlasst.

 

Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 25. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2018 (§ 95 SGG) ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG), weil mit dem Feststellungsbescheid vom 28. November 2002 in der Fassung der Feststellungsbescheide vom 12. Oktober 2010, vom 10. März 2011 und vom 7. April 2011 das Recht unrichtig angewandt bzw. von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist (§ 44 des Zehntes Buches Sozialgesetzbuch [SGB X]). Deshalb waren der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 3. August 2021 sowie der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 25. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Feststellungsbescheid vom 28. November 2002 in der Fassung der Feststellungsbescheide vom 12. Oktober 2010, vom 10. März 2011 und vom 7. April 2011 dahingehend abzuändern, dass für die Jahre 1978 bis 1990 weitere Arbeitsentgelte wegen zu berücksichtigender Jahresendprämienzahlungen im Rahmen der bereits festgestellten Zusatzversorgungszeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben, wie tenoriert, festzustellen sind.

 

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGB X, der nach § 8 Abs. 3 Satz 2 AAÜG anwendbar ist, gilt: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Im Übrigen ist ein rechtswidriger, nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

 

Diese Voraussetzungen liegen vor, denn der Feststellungsbescheid vom 28. November 2002 in der Fassung der Feststellungsbescheide vom 12. Oktober 2010, vom 10. März 2011 und vom 7. April 2011 ist (teilweise) rechtswidrig.

 

Nach § 8 Abs. 1 AAÜG hat die Beklagte als der unter anderem für das Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben zuständige Versorgungsträger in einem dem Vormerkungsverfahren (§ 149 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch [SGB VI]) ähnlichen Verfahren durch jeweils einzelne Verwaltungsakte bestimmte Feststellungen zu treffen. Vorliegend hat die Beklagte mit dem Feststellungsbescheid vom 28. November 2002 in der Fassung der Feststellungsbescheide vom 12. Oktober 2010, vom 10. März 2011 und vom 7. April 2011 (unter anderem) Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG (vgl. § 5 AAÜG) sowie die während dieser Zeiten erzielten Arbeitsentgelte festgestellt (§ 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG). Jahresendprämien hat sie jedoch zu Unrecht nicht berücksichtigt.

 

Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz (vgl. § 5 AAÜG) für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a Abs. 2 SGB VI) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen. Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) und damit im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG stellen auch die in der DDR an Arbeitnehmer rechtmäßig gezahlten Jahresendprämien dar, da es sich um eine Gegenleistung des Betriebs für die vom Werktätigen im jeweiligen Planjahr erbrachte Arbeitsleistung handelte, wobei es nicht darauf ankommt, dass dieser Verdienst nach DDR-Recht nicht steuer- und sozialversicherungspflichtig war (so: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 21 ff.; dem folgend: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 13). Denn der Gesetzestext des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG besagt, dass den Pflichtbeitragszeiten im Sinne des § 5 AAÜG als Verdienst (§ 256a SGB VI) unter anderen das "erzielte Arbeitsentgelt" zugrunde zu legen ist. Aus dem Wort "erzielt" folgt im Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, dass es sich um Entgelt oder Einkommen handeln musste, das dem Berechtigten während der Zugehörigkeitszeiten zum Versorgungssystem "aufgrund" seiner Beschäftigung "zugeflossen", ihm also tatsächlich gezahlt worden ist. In der DDR konnten die Werktätigen unter bestimmten Voraussetzungen Prämien als Bestandteil ihres Arbeitseinkommens bzw. Arbeitsentgelts erhalten. Sie waren im Regelfall mit dem Betriebsergebnis verknüpft und sollten eine leistungsstimulierende Wirkung ausüben. Lohn und Prämien waren "Formen der Verteilung nach Arbeitsleistung" (vgl. Kunz/Thiel, „Arbeitsrecht [der DDR] – Lehrbuch“, 3. Auflage, 1986, Staatsverlag der DDR, S. 192f.). Die Prämien wurden aus einem zu bildenden Betriebsprämienfonds finanziert; die Voraussetzungen ihrer Gewährung mussten in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart werden. Über ihre Gewährung und Höhe entschied der Betriebsleiter mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung nach Beratung im Arbeitskollektiv. Diese allgemeinen Vorgaben galten für alle Prämienformen (§ 116 des Arbeitsgesetzbuches der DDR [nachfolgend: DDR-AGB] vom 16. Juni 1977 [DDR-GBl. I 1977, Nr. 18, S. 185]) und damit auch für die Jahresendprämie (§ 118 Abs. 1 und 2 DDR-AGB). Die Jahresendprämie diente als Anreiz zur Erfüllung und Übererfüllung der Planaufgaben; sie war auf das Planjahr bezogen und hatte den Charakter einer Erfüllungsprämie. Nach § 117 Abs. 1 DDR-AGB bestand ein „Anspruch“ auf Jahresendprämie, wenn

  • die Zahlung einer Jahresendprämie für das Arbeitskollektiv, dem der Werktätige angehörte, im Betriebskollektivvertrag vereinbart war, 
  • der Werktätige und sein Arbeitskollektiv die vorgesehenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatte und 
  • der Werktätige während des gesamten Planjahres Angehöriger des Betriebs war.

Die Feststellung von Beträgen, die als Jahresendprämien gezahlt wurden, hing davon ab, dass der Empfänger die Voraussetzungen der §§ 117, 118 DDR-AGB erfüllt hatte. Hierfür und für den Zufluss trägt er die objektive Beweislast (sog. Feststellungslast im sozialgerichtlichen Verfahren, vgl. insgesamt: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 21 ff.; dem folgend und diese Beweislast, unter Ablehnung einer Schätzungsmöglichkeit, betonend: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 14).

 

Daraus wird deutlich, dass die Zahlung von Jahresendprämien von mehreren Voraussetzungen abhing. Der Kläger hat, um eine Feststellung zusätzlicher Entgelte beanspruchen zu können, nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, dass alle diese Voraussetzungen in jedem einzelnen Jahr erfüllt gewesen sind und zusätzlich, dass ihm ein bestimmter, berücksichtigungsfähiger Betrag auch zugeflossen, also tatsächlich gezahlt, worden ist.

 

Gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG entscheidet das Gericht dabei nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Neben dem Vollbeweis, d.h. der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, ist auch die Möglichkeit der Glaubhaftmachung des Vorliegens weiterer Arbeitsentgelte aus Jahresendprämien gegeben. Dies kann aus der Vorschrift des § 6 Abs. 6 AAÜG abgeleitet werden. Danach wird, wenn ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht wird, der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt.

 

Im vorliegenden konkreten Einzelfall hat der Kläger den Zufluss von Jahresendprämien dem Grunde nach zwar nicht nachgewiesen, jedoch für die Zuflussjahre 1978 bis 1990 glaubhaft gemacht (dazu insgesamt nachfolgend unter 1.). Die konkrete Höhe der Jahresendprämien, die zur Auszahlung an ihn gelangten, hat er zwar nicht nachgewiesen, aber für die Zuflussjahre 1978 bis 1990 in einer bestimmten Höhe glaubhaft machen können; eine Schätzung hingegen – wie vom Kläger ursprünglich begehrt – ist jedoch nicht möglich (dazu insgesamt nachfolgend unter 2.).

 

1.

Der Zufluss von Jahresendprämien dem Grunde nach ist im vorliegenden Fall zwar nicht nachgewiesen (dazu nachfolgend unter a), jedoch für die Zuflussjahre 1978 bis 1990 glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter b):

 

a)

Nachweise etwa in Form von Begleitschreiben, Gewährungsunterlagen, Beurteilungsbögen, Quittungen oder sonstigen Lohnunterlagen für an den Kläger geflossene Prämienzahlungen konnte er nicht vorlegen. Er selbst verfügt auch über keine weiteren Unterlagen, mit denen er die Gewährung von Jahresendprämien belegen könnte, wie er selbst wiederholt ausführte.

 

Nachweise zu an den Kläger gezahlten Jahresendprämien konnten auch in entsprechenden Archiven nicht mehr beigezogen werden, wie sich aus den schriftlichen Auskünften der Rhenus Office Systems GmbH vom 10. August 2010 sowie den schriftlichen Auskünften der Vattenfall Europe Mining AG vom 22. September 2010, vom 21. Februar 2011 und vom 17. März 2011 ergibt. Lohnunterlagen liegen auch im Übrigen nicht mehr vor, da zwischenzeitlich die Aufbewahrungsfrist für die Entgeltunterlagen der ehemaligen Betriebe der DDR abgelaufen ist (31. Dezember 2011; vgl. § 28f Abs. 5 SGB IV), weshalb bereits die Beklagte im erneuten Verwaltungsüberprüfungsverfahren von einer entsprechenden Anfrage an die Rhenus Office Systems GmbH abgesehen hat.

 

b)

Der Zufluss von Prämienzahlungen dem Grunde nach konkret an den Kläger ist aber im vorliegenden Fall für die Zuflussjahre 1978 bis 1990 glaubhaft gemacht.

 

Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist eine Tatsache dann als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbare Beweismittel erstrecken sollen (vgl. dazu auch: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 14), überwiegend wahrscheinlich ist. Dies erfordert mehr als das Vorhandensein einer bloßen Möglichkeit, aber auch weniger als die an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Dieser Beweismaßstab ist zwar durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss also nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die "gute Möglichkeit" aus, das heißt es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den übrigen gegenüber aber einer das Übergewicht zukommen. Die bloße Möglichkeit einer Tatsache reicht deshalb nicht aus, die Beweisanforderungen zu erfüllen (vgl. dazu dezidiert: BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B - SozR 3-3900 § 15 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 5).

 

Dies zu Grunde gelegt, hat der Kläger im konkreten Einzelfall glaubhaft gemacht, dass die drei rechtlichen Voraussetzungen (§ 117 Abs. 1 DDR-AGB) für den Bezug einer Jahresendprämie für die Zuflussjahre 1978 bis 1990 vorlagen und er jeweils eine Jahresendprämie erhalten hat:

 

aa)

Der Kläger war in den Planjahren 1977 bis 1989 jeweils während des gesamten Planjahres Angehöriger des VEB Braunkohlenwerk T....  (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 3 DDR-AGB), wie sich aus den vorgelegten und in den Akten befindlichen arbeitsvertraglichen Unterlagen (Bl. 116-131 der Gerichtsakte) sowie aus den Eintragungen in seinen Ausweisen für Arbeit und Sozialversicherung (Bl. 134-139 der Gerichtsakte) ergibt.

 

bb)

Mindestens glaubhaft gemacht ist darüber hinaus auch, dass die Zahlung von Jahresendprämien für das Arbeitskollektiv, dem der Kläger angehörte, jeweils in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart war (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 1 DDR-AGB). Denn der Abschluss eines Betriebskollektivvertrages zwischen dem Betriebsleiter und der zuständigen Betriebsgewerkschaftsleitung war nach § 28 Abs. 1 DDR-AGB zwingend vorgeschrieben. Die Ausarbeitung des Betriebskollektivvertrages erfolgte jährlich, ausgehend vom Volkswirtschaftsplan; er war bis zum 31. Januar des jeweiligen Planjahres abzuschließen (vgl. Kunz/Thiel, „Arbeitsrecht [der DDR] – Lehrbuch“, 3. Auflage, 1986, Staatsverlag der DDR, S. 111). Ebenso zwingend waren nach § 118 Abs. 1 DDR-AGB in Verbindung mit § 28 Abs. 2 Satz 3 DDR-AGB die Voraussetzungen und die Höhe der Jahresendprämie in dem (jeweiligen) Betriebskollektivvertrag zu regeln. Konkretisiert wurde diese zwingende Festlegung der Voraussetzungen zur Gewährung von Jahresendprämien im Betriebskollektivvertrag in den staatlichen Prämienverordnungen: So legten die „Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe im Jahre 1972“ (nachfolgend: Prämienfond-VO 1972) vom 12. Januar 1972 (DDR-GBl. II 1972, Nr. 5, S. 49) in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. November 1972 (DDR-GBl. II 1972, Nr. 70, S. 810) sowie in der Fassung der „Zweiten Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe“ (nachfolgend: 2. Prämienfond-VO 1973) vom 21. Mai 1973 (DDR-GBl. I 1973, Nr. 30, S. 293), mit denen die Weitergeltung der Prämienfond-VO 1972 über das Jahr 1972 hinaus angeordnet wurden, sowie die „Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds für volkseigene Betriebe“ (nachfolgend: Prämienfond-VO 1982) vom 9. September 1982 (DDR-GBl. I 1982, Nr. 34, S. 595) jeweils staatlicherseits fest, dass die Verwendung des Prämienfonds, die in den Betrieben zur Anwendung kommenden Formen der Prämierung und die dafür vorgesehenen Mittel im Betriebskollektivvertrag festzulegen waren (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Prämienfond-VO 1972, § 8 Abs. 3 Satz 1 und 2 Prämienfond-VO 1982). Dabei war, ohne dass ein betrieblicher Ermessens- oder Beurteilungsspielraum bestand, in den Betriebskollektivverträgen zu vereinbaren bzw. festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Jahresendprämien als Form der materiellen Interessiertheit der Werktätigen an guten Wirtschaftsergebnissen des Betriebes im gesamten Planjahr angewendet wurden (§ 5 Abs. 2 Satz 2 Spiegelstrich 2 Prämienfond-VO 1972, § 8 Abs. 3 Satz 3 Spiegelstrich 4 Prämienfond-VO 1982).

 

Damit kann in der Regel für jeden Arbeitnehmer in der volkseigenen Wirtschaft, sofern nicht besondere gegenteilige Anhaltspunkte vorliegen sollten, davon ausgegangen werden, dass ein betriebskollektivvertraglich geregelter Jahresendprämienanspruch dem Grunde nach bestand (vgl. dazu auch: Lindner, „Die ‚leere Hülle‘ ist tot – wie geht es weiter?“, RV [= Die Rentenversicherung] 2011, 101, 104), auch wenn die Betriebskollektivverträge als solche nicht mehr vorgelegt oder anderweitig vom Gericht beigezogen werden können. Vor diesem Hintergrund ist der von der Beklagten in anderen Verfahren erhobene Einwand, die Betriebskollektivverträge seien anspruchsbegründend, zwar zutreffend, verhindert eine Glaubhaftmachung jedoch auch dann nicht, wenn diese im konkreten Einzelfall nicht eingesehen werden können.

 

cc)

Ausgehend von den Auskünften des Zeugen P....  sowie den sonstigen Hinweistatsachen ist zudem glaubhaft gemacht, dass der Kläger und das Arbeitskollektiv, dem er angehörte, die vorgegebenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatten (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 2 DDR-AGB).

 

Der Zeuge P.... , der den Kläger aus der betrieblichen Zusammenarbeit seit September 1973 kannte und mit ihm in der Hauptabteilung Instandhaltung des Tagebaus T.... bis Juni 1990 zusammenarbeitete, gab in seinen schriftlichen Zeugenauskünften vom 29. August 2017 (Bl. 46-47 der Verwaltungsakte) und vom 23. November 2017 (Bl. 57-59 der Verwaltungsakte) an, dass der Kläger im Zeitraum der gemeinsamen Zusammenarbeit jedes Jahr eine Jahresendprämie erhalten hat. Auf die gerichtliche Nachfrage des Berufungsgerichts mit Schreiben vom 2. Dezember 2021 (Bl. 110 der Gerichtsakte) bestätigte der Zeuge in seiner schriftlichen Auskunft vom 29. Dezember 2021 (Bl. 140-143 der Gerichtsakte) diese Angaben und führte weitergehend aus: Zur Auszahlung der Jahresendprämien war es Standard auf einer Unterschriftenliste den Empfang der Jahresendprämien zu bestätigen, welche in einer sog. Lohntüte enthalten war. Im Zeitraum der unmittelbaren Zusammenarbeit zwischen dem Kläger und dem Zeugen (ab September 1973) standen der Kläger und der Zeuge namentlich auf der gleichen Empfangsbestätigungsliste zur Auszahlung der Jahresendprämien. Die Auszahlung der Jahresendprämien erfolgte immer durch den unmittelbaren Vorgesetzten, einzeln oder auch im Zusammenhang mit anderen Arbeitskollegen. Im Betrieb erhielt jeder Beschäftigte Jahresendprämien. Die Auszahlung erfolgte in der Regel am Jahresanfang für das vorangegangene Jahresendprämienplanjahr. Die Jahresendprämienauszahlung wurde begleitet von Dankesworten des unmittelbaren Vorgesetzten, mit einem kurzen Rückblick auf die Planerfüllung des Vorjahres. Grundlage der Jahresendprämiengewährung war die Planerfüllung. An dieser Planerfüllung hatte der Kläger seinen Anteil, weil er mit der Vorbereitung der Generalreparaturen und deren Durchführung vor Ort unmittelbar betraut war und diese strengen Terminvorgaben unterlagen.

 

Unzulänglichkeiten des Klägers, die gegebenenfalls eine Kürzung oder Nichtzahlung der Jahresendprämie zur Folge hätten haben können, ergeben sich auch nicht aus anderweitigen Indizien oder Hinweistatsachen. Im Gegenteil: Die Angaben des Zeugen P....  sind vor dem Hintergrund der beigezogenen arbeitsvertraglichen Unterlagen plausibel und bestätigen die berechtigte Annahme, dass der Kläger die individuellen Leistungskennziffern konkret erfüllte.

 

Den betrieblichen Änderungsverträgen ist zu entnehmen, dass der Kläger kontinuierliche Lohnsteigerungen verzeichnete, die letztlich auf der Arbeitsleistung des Klägers und den erreichten Arbeitsergebnissen beruhten.

 

Zusammenfassend wird dem Kläger damit insgesamt bescheinigt, dass er die ihm übertragenen Aufgaben stets hervorragend erledigte, sodass sich keinerlei berechtigte Zweifel an der Erfüllung der vorgegebenen Leistungskriterien aufdrängen.

 

2.

Die konkrete Höhe der Jahresendprämien, die für die dem Grunde nach glaubhaft gemachten Planjahre (1977 bis 1989) in den Zuflussjahren 1978 bis 1990 zur Auszahlung an den Kläger gelangten, konnte er zwar nicht nachweisen (dazu nachfolgend unter a), jedoch für die Zuflussjahre 1978 bis 1990 in Form eines konkreten Betrages glaubhaft machen (dazu nachfolgend unter b). Die Höhe einer dem Grunde nach lediglich glaubhaft gemachten Jahresendprämie darf – entgegen der früheren Rechtsprechung des Sächsischen Landessozialgerichts – allerdings nicht geschätzt werden (dazu nachfolgend unter c).

 

a)

Die dem Kläger für die dem Grunde nach glaubhaft gemachten Planjahre (1977 bis 1989) in den Jahren 1978 bis 1990 zugeflossenen Jahresendprämienbeträge sind der Höhe nach nicht nachgewiesen:

 

Nachweise etwa in Form von Begleitschreiben, Gewährungsunterlagen, Beurteilungsbögen, Quittungen oder sonstigen Lohnunterlagen für an den Kläger geflossene Prämienzahlungen konnte er nicht vorlegen. Er selbst verfügt auch über keine weiteren Unterlagen, mit denen er die Gewährung von Jahresendprämien belegen könnte, wie er selbst wiederholt ausführte.

 

Auszahlungs- bzw. Quittierungslisten oder Anerkennungsschreiben der Abteilung des Betriebes konnte auch der Zeuge P....  nicht vorlegen.

 

Nachweise zu an den Kläger gezahlten Jahresendprämien konnten auch in entsprechenden Archiven nicht mehr beigezogen werden, wie sich aus den schriftlichen Auskünften der Rhenus Office Systems GmbH vom 10. August 2010 sowie den schriftlichen Auskünften der Vattenfall Europe Mining AG vom 22. September 2010, vom 21. Februar 2011 und vom 17. März 2011 ergibt. Lohnunterlagen liegen auch im Übrigen nicht mehr vor, da zwischenzeitlich die Aufbewahrungsfrist für die Entgeltunterlagen der ehemaligen Betriebe der DDR abgelaufen ist (31. Dezember 2011; vgl. § 28f Abs. 5 SGB IV), weshalb bereits die Beklagte im erneuten Verwaltungsüberprüfungsverfahren von einer entsprechenden Anfrage an die Rhenus Office Systems GmbH abgesehen hat. Von einer Anfrage an das Bundesarchiv wurde im vorliegenden Verfahren abgesehen, da dort – wie aus entsprechenden Anfragen in anderen Verfahren gerichtsbekannt wurde – lediglich statistische Durchschnittwerte der in den Kombinaten gezahlten durchschnittlichen Jahresendprämienbeträge pro Vollbeschäftigteneinheit aus verschiedenen Jahren vorhanden sind, die keinerlei Rückschluss auf die individuelle Höhe der an den Kläger in einem konkreten Kombinatsbetrieb gezahlten Jahresendprämienhöhe erlauben.

 

b)

Die konkrete Höhe der an den Kläger ausgezahlten Jahresendprämienbeträge für die in den Jahren 1978 bis 1990 zugeflossenen Jahresendprämien (für die Planjahre 1977 bis 1989) ist im vorliegenden Fall auf der Grundlage der gerichtsbekannten, schriftlichen Erklärung der Zeugen R....  (Generaldirektor des VE Braunkohlenkombinats S.... ) und Dr. Q....  (Direktor für Sozialökonomie des VE Braunkohlenkombinats S.... ) vom 11. und 26. April 2010 (Bl. 10-12 der Gerichtsakte) sowie der ebenfalls gerichtsbekannten, schriftlichen Zusatzerklärung des Zeugen R....  vom 13. Februar 2012 (Bl. 13-14 der Gerichtsakte) glaubhaft gemacht. Denn diese Zeugenerklärungen, die sich auf die Jahresendprämienplanjahre 1969 bis 1989 beziehen, gelten für alle Betriebe des ehemaligen VE Braunkohlenkombinats S.... . Der konkrete Beschäftigungsbetrieb des Klägers, der VEB Braunkohlewerk T.... , war Kombinatsbetrieb des VE Braunkohlenkombinat S....  und wird als solcher in der Erklärung der Kombinatsverantwortlichen vom 11. und 26. April 2010 auch ausdrücklich benannt und aufgeführt.

 

Mangels anderweitigen konkreten Tatsachen- oder Rechtsvortrags der Beklagten hält der Senat an der, auch der Beklagten hinreichend bekannten, einheitlichen Rechtsprechung des Sächsischen LSG zu den Jahresendprämienbegehren der Beschäftigten der technischen Intelligenz in Betrieben des VE Braunkohlenkombinats S....  fest. Was die Beklagte mit dem gelegentlichen Hinweis (in anderen Verfahren) auf eine "Judikatur [mit] Alleinstellungsmerkmal dieses Senats" bezweckt, erschließt sich dem Senat nicht, zumal sämtliche für das Recht der Zusatzversorgung zuständigen und zuständig gewesenen Senate des Sächsischen LSG (4. Senat, 5. Senat und 7. Senat) diesbezüglich einheitlich judiziert haben. Hingewiesen sei insofern auf folgende, nahezu vollständig jeweils in JURIS veröffentlichten, "Parallelentscheidungen":

  • Sächsisches LSG, Urteil vom 28. Mai 2015 im Verfahren L 5 RS 286/14,
  • Sächsisches LSG, Urteil vom 24. November 2015 im Verfahren L 5 RS 188/15,
  • Sächsisches LSG, Urteil vom 16. Februar 2016 im Verfahren L 5 RS 758/13,
  • Sächsisches LSG, Urteil vom 28. Februar 2017 im Verfahren L 5 RS 466/16,
  • Sächsisches LSG, Urteil vom 14. November 2017 im Verfahren L 4 RS 403/16,
  • Sächsisches LSG, Urteil vom 27. Februar 2018 im Verfahren L 5 RS 888/16,
  • Sächsisches LSG, Urteil vom 4. Dezember 2018 im Verfahren L 5 RS 656/17,
  • Sächsisches LSG, Urteil vom 4. Dezember 2018 im Verfahren L 5 RS 898/17,
  • Sächsisches LSG, Urteil vom 18. Dezember 2018 im Verfahren L 5 RS 850/17,
  • Sächsisches LSG, Urteil vom 15. Januar 2019 im Verfahren L 5 RS 952/17,
  • Sächsisches LSG, Urteil vom 12. Februar 2019 im Verfahren L 5 RS 840/17,
  • Sächsisches LSG, Urteil vom 12. Februar 2019 im Verfahren L 5 RS 942/17,
  • Sächsisches LSG, Urteil vom 12. März 2019 im Verfahren L 5 R 36/18 ZV,
  • Sächsisches LSG, Urteil vom 9. April 2019 im Verfahren L 5 R 15/18 ZV,
  • Sächsisches LSG, Urteil vom 23. April 2019 im Verfahren L 5 R 262/18 ZV,
  • Sächsisches LSG, Urteil vom 23. April 2020 im Verfahren L 7 R 525/19 ZV und
  • Sächsisches LSG, Urteil vom 4. November 2021 im Verfahren L 7 R 167/21 ZV.

Soweit die Beklagte im konkreten Verfahren mit Schriftsatz vom 17. Januar 2022 ergänzend auf ein Urteil des 3. Senats des LSG Berlin /Brandenburg vom 15. Dezember 2021 im Verfahren L 3 R 231/18 WA (nicht veröffentlicht) verweist und ausführt, sie sehe sich hierdurch in ihrer Rechtsauffassung bestätigt, führt auch dieser Vortrag zu keiner anderen Bewertung. Zwar werden in diesem Urteil vom dort zur Entscheidung berufenen Senat Zweifel an der Glaubhaftigkeit der sog. "R.... -Erklärung" dargelegt. Diese vermögen den erkennenden Senat jedoch nicht zu einer anderen Bewertung Veranlassung zu geben, weil es sich ausschließlich um eine Tatsachenwürdigung handelt. Im Übrigen setzt sich der 3. Senat des LSG Berlin /Brandenburg auch nicht mit den gegenteiligen Bewertungen der sog. "R.... -Erklärung" durch den 4., 5. und 7. Senat des Sächsischen LSG sowie den 27. Senat des LSG Berlin /Brandenburg (Urteil vom 19. Oktober 2017 im Verfahren L 27 R 124/15; Urteil vom 22. Februar 2017 im Verfahren L 27 R 540/15) auseinander, sondern geht aufgrund der Würdigung der Tatsachenebene lediglich vom Gegenteil aus.

 

Vor diesem Hintergrund beanspruchen in Bezug auf die Jahresendprämienbegehren der Beschäftigten der technischen Intelligenz in Betrieben des VE Braunkohlenkombinats S....  nach wie vor folgende Überlegungen Geltung:

 

Die Zeugen R....  und Dr. Q....  führten in ihrer (gerichtsbekannten) gemeinsamen schriftlichen Erklärung vom 11. und 26. April 2010 (Bl. 10-12 der Gerichtsakte) aus, dass im Rahmenkollektivvertrag die Zahlung einer Jahresendprämie an die Beschäftigten festgelegt war und ausgehend von den im jeweiligen Jahr erzielten Produktionsergebnissen des Kombinates (also des VE Braunkohlenkombinats S.... ) jeweils der zutreffende Prozentsatz zur Ermittlung der Jahresendprämie festgestellt wurde. Bezugsgröße dieses Prozentsatzes war dabei immer das durchschnittliche monatliche Bruttogehalt des Beschäftigten im Vorjahr, also ein Zwölftel des Jahresbruttoverdienstes des Vorjahres. Als verbindliche Prozentsätze wurden für die einzelnen Jahre festgelegt:

  • für das Jahr 1969                                          86,65 Prozent,
  • für das Jahr 1970:                                         87,80 Prozent,
  • für das Jahr 1971:                                         84,50 Prozent,
  • für das Jahr 1972:                                         79,10 Prozent,
  • für das Jahr 1973:                                         88,30 Prozent,
  • für das Jahr 1974:                                         87,75 Prozent,
  • für das Jahr 1975:                                         92,55 Prozent,
  • für das Jahr 1976:                                         89,15 Prozent,
  • für das Jahr 1977:                                         93,65 Prozent,
  • für das Jahr 1978:                                         94,30 Prozent,
  • für das Jahr 1979:                                         94,07 Prozent,
  • für das Jahr 1980:                                         87,03 Prozent,
  • für das Jahr 1981:                                         91,94 Prozent und
  • für die Jahre 1982 bis 1989 jeweils:              88,64 Prozent (anstatt 89,85 Prozent, gemäß Berichtigung durch den Zeugen R....  mit schriftlicher Zusatzerklärung vom 13. Februar 2012).

In seiner (gerichtsbekannten) schriftlichen Zusatzerklärung vom 13. Februar 2012 (Bl. 13-14 der Gerichtsakte) führte der Zeuge R....  zudem aus, dass diese verbindlichen Prozentsätze durch den ehemaligen Hauptbuchhalter des VE Braunkohlenkombinats S.... , O....  (bereits Anfang 2010 verstorben), akribisch aus den ehemaligen Betriebsunterlagen herausgearbeitet wurden und, dass die Jahresendprämien in den Kombinatsbetrieben wegen der jeweiligen Planerfüllung zugeführt wurden. Oberstes Gebot für diese Zuführung im Kombinat über die Mindestgrenze hinaus, die jedem Beschäftigten im Kombinat zustand, war dabei stets die Planerfüllung des Vorjahres durch den einzelnen Betrieb. Die Planerfüllung des Kombinats wurde grundsätzlich durch das übergeordnete Organ (bis 1971 die VVB Braunkohle N.... , seit 1972 bis 1990 das Ministerium für Kohle und Energie) bestätigt. Nach Bestätigung der Jahresendprämien durch das übergeordnete Organ erfolgte die Auszahlung derselben meist in den Monaten Februar oder März des Folgejahres. In Fällen geringerer Planerfüllung erfolgte auf Antrag der Kombinatsleitung beim übergeordneten Organ immer nachträglich eine sog. Plankorrektur, sodass das Ist-Ergebnis zum Soll-Ergebnis erhoben wurde. Da der Anteil jedes Einzelnen an der Planerfüllung des Kombinats nicht exakt mess- bzw. nachweisbar und damit nicht bewertbar war, wurde die Jahresendprämie quasi als 13. Monatsgehalt angesehen.

 

Soweit die Beklagte meint, die Glaubhaftigkeit der Aussagen des Zeugen R....  seien zu bezweifeln, sodass deren Beweiswert gegen Null tendiere, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Aus dem Umstand, dass der Zeuge R....  mittels eines immer wiederkehrenden – gerichtsbekannten – Standardschreibens seiner Rechtsanwältin auf massenhafte Anfragen von Sozialgerichten der Länder Sachsen, Brandenburg, Berlin  und Thüringen seit dem Jahr 2015 jeweils mitteilen lässt, er könne „zum Gegenstand seiner Vernehmung keinerlei Aussage treffen“, kann entgegen der Ansicht der Beklagten nicht geschlossen werden, er distanziere sich von seiner im Jahr 2010 abgegebenen Erklärung. Zum einen geht diese von der Beklagten „unterlegte“ Distanzierung aus dem Standardschreiben seiner Rechtsanwältin nicht hervor. Zum anderen übersieht die Beklagte, dass die Erklärung aus dem Jahr 2010 nicht allein von Herrn R.... , sondern auch von dem – zwischenzeitlich verstorbenen – Herrn Dr. Q....  abgegeben wurde. Zweifel an der Richtigkeit der Erklärung bestehen im Übrigen im vorliegenden Fall allein schon deshalb nicht, weil der Erklärungsinhalt konkret bezogen auf den Kläger auch von dem konkret im Verfahren schriftlich befragten Zeugen P....  bestätigt wurde. Zudem ergibt sich aus der – inzwischen ebenfalls gerichtsbekannten – schriftlichen Zusatzerklärung des Zeugen R....  vom 5. Juli 2017 zu dessen Erklärungen vom 11. und 26. April 2010 und vom 13. Februar 2012, dass sich der Zeuge R....  keineswegs von seinen Erklärungen distanziert, sondern nach wie vor hinter diesen steht. Er gab in der schriftlichen Zusatzerklärung vom 5. Juli 2017 an, dass seine Angaben aus dem Jahr 2010 auf den akribischen Arbeiten der Fachkollegen O....  und Dr. Q....  beruhten, die auf dem Sachgebiet der Jahresendprämie jeweils von Dezember meist bis März eines Jahres fachlich-inhaltlich umfassend tätig waren und diese Fachkollegen aus unterschiedlichen Quellen (zum Beispiel Arbeitsbücher, spezielle Protokolle, statistische Erhebungen und dergleichen mehr) die erforderlichen umfangreichen Informationen zur Fertigung der Erklärungen vom 11. und 26. April 2010 und vom 13. Februar 2012 zusammengetragen hatten. Dabei sind diese beiden Fachkollegen (ehemaliger Direktor für Sozialökonomie und Hauptbuchhalter des VE Braunkohlenkombinats S.... ) mit großer Umsicht und Gewissenhaftigkeit unter Berücksichtigung und umfassender Einbeziehung der spezifisch auf die Jahresendprämie zutreffenden gesetzlichen Bestimmungen und Verordnungen vorgegangen.

 

Vor diesem Hintergrund kann im vorliegenden konkreten Einzelfall davon ausgegangen werden, dass dem Kläger der konkrete Prozentanteil seines jeweiligen monatlichen Jahresdurchschnittsbruttolohnes als Jahresendprämie zugeflossen ist, weil gegenteilige Anhaltspunkte weder vorgetragen, noch ersichtlich sind und an der Glaubhaftigkeit der Aussagen der Zeugen keine Zweifel bestehen. Der Generaldirektor und der Direktor für Sozialökonomie des Kombinates, die sich – wie ergänzend erklärt wurde – des ehemaligen Hauptbuchhalters des Kombinates bedienten, sind sachkundige Personen, die über die Erfüllung der Planziele und die kombinatsseitigen Festlegungen Auskunft zu geben geeignet sind. Die Besonderheit der vorliegenden konkreten Sachverhaltskonstellation ist, wie aus den Angaben der Zeugen übereinstimmend und nachvollziehbar hervorgeht, dadurch gekennzeichnet, dass im Kombinat für alle Kombinatsbetriebe – ausgehend von der Planerfüllungsquote des Kombinates – ein konkreter Prozentsatz der Jahresendprämienzahlung festgelegt wurde. Insofern fehlt es im konkreten Sachverhalt bezüglich der streitgegenständlichen Planjahre 1977 bis 1989 nicht an einem geeigneten Maßstab, an dem die konkrete Höhe der dem Grunde nach bezogenen Jahresendprämie beurteilt werden kann. Plausibel ist dies im vorliegenden Fall auch deshalb, weil nicht pauschal der durchschnittliche Bruttomonatslohn eines (jeden) Beschäftigten als Maßstab der Jahresendprämienzahlung behauptet wird, der nach den rechtlichen Koordinaten des DDR-Rechts gerade nicht der Basis-, Ausgangs- oder Grundwert zur Berechnung einer Jahresendprämie war, sondern explizit die im jeweiligen Jahr erzielten Produktionsergebnisses des Kombinats als Berechnungsbasis der kombinatsseitigen Festlegung von den Kombinatsverantwortlichen deklariert wurden.

 

Die Kriterien, nach denen eine hinreichende Glaubhaftmachung erfolgt, sind demnach im konkreten Fall in Bezug auf die streitgegenständlichen Planjahre 1977 bis 1989 (mit Zufluss in den Jahren 1978 bis 1990) erfüllt, weil nicht lediglich ein allgemeiner Ablauf und eine allgemeine Verfahrensweise dargelegt wurden.

 

Somit ist im Fall des Klägers zunächst der monatliche Bruttodurchschnittsverdienst der Planjahre 1977 bis 1989, für den die Jahresendprämien in den darauffolgenden Jahren (1978 bis 1990) gezahlt wurden, zu Grunde zu legen. Dieser kann der Arbeitsentgeltbescheinigung der LAUBAG vom 24. Oktober 2000 (Bl. 133 der Gerichtsakte), die Grundlage der im Feststellungsbescheid vom 28. November 2002 enthaltenen Entgeltdaten ist, entnommen werden. Davon ist die von den Zeugen R....  und Dr. Q....  bekundete prozentuale Feststellungsquote der Planerfüllung der Jahre 1977 bis 1989 als glaubhaft gemachte Jahresendprämie festzusetzen. Von diesem Betrag ist ein Abzug in Höhe eines Sechstels vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelung des § 6 Abs. 6 AAÜG vorzunehmen.

 

Klarstellend ist darauf hinzuweisen, dass auf die Arbeitsentgeltbescheinigungen der Vattenfall Europe Mining AG vom 21. Februar 2011 und vom 17. März 2011, die neben den Bruttoentgelten auch die zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau enthalten, nicht als Grundlage der Glaubhaftmachung abgestellt werden kann. Denn zusätzliche Belohnungen gehörten nicht zum Durchschnittsentgelt, welches der Jahresendprämienberechnung zu Grunde lag (§ 5 Abs. 3 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972, § 3 Abs. 2 der 1. Durchschnittsentgelt-VO).

 

Dies zu Grunde gelegt, sind für den Kläger Jahresendprämienzahlungen für die Beschäftigungs- und Planjahre 1977 bis 1989 (und damit für das Zuflussjahre 1978 bis1990) wie folgt zu berücksichtigen:

 

 

 

JEP-An-spruchsjahr

Jahresarbeits-verdienst

Monatsdurch-schnittsverdienst

JEP in Höhe der Glaubhaftmachung zu Grunde gelegt

davon 5/6

(exakt)

JEP-Zuflussjahr

1977

11.465,08 M

955,42 M

93,65 %

894,75 M

745,62 M

1978

1978

14.620,96 M

1.218,41 M

94,30 %

1.148,96 M

957,47 M

1979

1979

17.382,65 M

1.448,55 M

94,07 %

1.362,65 M

1.135,54 M

1980

1980

15.736,34 M

1.311,36 M

87,03 %

1.141,28 M

951,07 M

1981

1981

11.612,02 M

967,67 M

91,94 %

889,68 M

741,40 M

1982

1982

15.758,40 M

1.313,20 M

88,64 %

1.164,02 M

970,02 M

1983

1983

14.168,75 M

1.180,73 M

88,64 %

1.046,60 M

872,17 M

1984

1984

14.146,21 M

1.178,85 M

88,64 %

1.044,93 M

870,77 M

1985

1985

15.847,04 M

1.320,59 M

88,64 %

1.170,57 M

975,47 M

1986

1986

15.348,37 M

1.279,03 M

88,64 %

1.133,73 M

944,77 M

1987

1987

17.975,99 M

1.498,00 M

88,64 %

1.327,83 M

1.106,53 M

1988

1988

16.594,73 M

1.382,89 M

88,64 %

1.225,79 M

1.021,49 M

1989

1989

17.084,25 M

1.423,69 M

88,64 %

1.261,96 M

1.051,63 M

1990

  

c)

Soweit der Kläger im Laufe des Verfahrens eine Schätzung der Höhe der begehrten Jahresendprämien begehrte, ist abschließend darauf hinzuweisen, dass eine Schätzung der Höhe des Prämienbetrages bei lediglich dem Grunde nach glaubhaft gemachtem Jahresendprämienbezug nicht in Betracht kommt (vgl. dazu ausführlich: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 16 ff.). Denn eine weitere Verminderung des Beweismaßstabes im Sinne einer Schätzungswahrscheinlichkeit sieht § 6 AAÜG nicht vor. Hätte der Gesetzgeber eine Schätzbefugnis schaffen wollen, so hätte er dies gesetzlich anordnen und Regelungen sowohl zu ihrer Reichweite (Schätzung des Gesamtverdienstes oder nur eines Teils davon) als auch zum Umfang der Anrechnung des geschätzten Verdienstes treffen müssen, nachdem er schon für den strengeren Beweismaßstab der Glaubhaftmachung nur die Möglichkeit einer begrenzten Berücksichtigung (zu fünf Sechsteln) ermöglicht hat. Auch aus § 6 Abs. 5 AAÜG in Verbindung mit § 256b Abs. 1 und § 256c Abs. 1 und 3 Satz 1 SGB VI ergibt sich keine materiell-rechtliche Schätzbefugnis. Rechtsfolge einer fehlenden Nachweismöglichkeit des Verdienstes ist hiernach stets die Ermittlung eines fiktiven Verdienstes nach Tabellenwerten, nicht jedoch die erleichterte Verdienstfeststellung im Wege der Schätzung im Sinne einer Überzeugung von der bloßen Wahrscheinlichkeit bestimmter Zahlenwerte. Die prozessuale Schätzbefugnis gemäß § 287 ZPO, die nach § 202 Satz 1 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren lediglich subsidiär und „entsprechend“ anzuwenden ist, greift hier von vornherein nicht ein. Denn § 6 Abs. 6 AAÜG regelt als vorrangige und bereichsspezifische Spezialnorm die vorliegende Fallkonstellation (ein Verdienstteil ist nachgewiesen, ein anderer glaubhaft gemacht) abschließend und lässt für die allgemeine Schätzungsvorschrift des § 287 ZPO keinen Raum. Indem § 6 Abs. 6 AAÜG die Höhe des glaubhaft gemachten Verdienstteils selbst pauschal auf fünf Sechstel festlegt, bestimmt er gleichzeitig die mögliche Abweichung gegenüber dem Vollbeweis wie die Rechtsfolge der Glaubhaftmachung selbst und abschließend. Eine einzelfallbezogene Schätzung scheidet damit aus. Hätte der Gesetzgeber eine Schätzung zulassen wollen, so hätte er das Schätzverfahren weiter ausgestalten und festlegen müssen, ob und gegebenenfalls wie mit dem Abschlag im Rahmen der Schätzung umzugehen ist. Das Fehlen derartiger Bestimmungen belegt im Sinne eines beredten Schweigens zusätzlich den abschließenden Charakter der Ausnahmeregelung in § 6 Abs. 6 AAÜG als geschlossenes Regelungskonzept (BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 19). Eine Schätzung ist deshalb nur bei dem Grunde nach nachgewiesenen Zahlungen möglich (BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 21; BSG, Urteil vom 4. Mai 1999 - B 4 RA 6/99 R - SozR 3-8570 § 8 Nr. 3 = JURIS-Dokument, RdNr. 17).

 

3.

Die (in der konkreten Höhe für die Jahre 1978 bis 1990 glaubhaft gemachten) zugeflossenen Jahresendprämien als Arbeitsentgelt im Sinne der §§ 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG waren auch nicht nach der am 1. August 1991 maßgeblichen bundesrepublikanischen Rechtslage (Inkrafttreten des AAÜG) steuerfrei im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV in Verbindung mit § 1 ArEV (vgl. dazu ausführlich: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 33-41, ebenso nunmehr: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 13). Es handelt sich vielmehr um gemäß § 19 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt wurden).

 

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und berücksichtigt Anlass, Verlauf und Ergebnis des Verfahrens.

 

IV.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
Saved