Ein Facharzt für Humangenetik, der in vier aufeinanderfolgenden Quartalen (hier: Quartale IV/19 bis III/20) nach Zulassung lediglich ein bis zehn Fälle abrechnet und in den drei Folgequartalen keinen einzigen Fall, füllt von Anfang an seinen halben Versorgungsauftrag nicht aus, weshalb ihm die Zulassung wegen Nichtausübens der vertragsärztlichen Tätigkeit entzogen werden kann. Dabei ist es unerheblich, ob der Arzt nie beabsichtigt hat, den hälftigen Versorgungsauftrag tatsächlich auszufüllen, oder lediglich äußere Umstände wie die Coronakrise einen Praxisaufbau verhindert haben.
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Der Streitwert wird auf 30.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Entziehung der Zulassung des Klägers wegen Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit.
Der Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen ließ den Kläger als Facharzt für Humangenetik nach Entsperrung des Planungsbereichs für einen vollen Vertragsarztsitz mit Beschluss vom 24.09.2019 zur vertragsärztlichen Tätigkeit für den Vertragsarztsitz B-Straße, B-Stadt, mit Wirkung zum 01.10.2019, beschränkt auf die Hälfte des Versorgungsauftrages nach § 19a Abs. 1 Ärzte-ZV, zu. Der Kläger erklärte mit Datum vom 28.10.2020 den Verzicht auf seine Zulassung mit Wirkung zum 01.02.2021 unter dem Vorbehalt einer Nachfolgeregelung und beantragte die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens. Die Praxisübernahme sollte durch die MVZ C. GmbH erfolgen. Der Zulassungsausschuss lehnte mit Beschluss vom 26.01.2021, ausgefertigt am 15.02.2021, den Antrag wegen eines fehlendem Praxissubstrats als unzulässig ab. Die hiergegen am 15.03.2021 erhobene Klage wies die Kammer mit Gerichtsbescheid vom 08.10.2021 - S 12 KA 77/21 - ab. Hiergegen ist ein Berufungsverfahren zum Az.: L 4 KA 62/21 beim LSG Hessen anhängig.
Der Zulassungsausschuss teilte dem Kläger mit Schreiben vom 29.01.2021 mit, die im Rahmen des Nachbesetzungsverfahrens durchgeführte Versorgungsanalyse habe deutlich unterhalb des Fachgruppendurchschnitts liegende Fallzahlen ergeben. Deshalb sei die Entziehung der Zulassung von Amts wegen eingeleitet worden.
Der Kläger trug mit Schreiben vom 02.02.2021 vor, in B-Stadt (und ganz F-hessen) gebe es außer seiner Praxis weder in Niederlassung noch an Kliniken einen Facharzt für Humangenetik. Die nächste humangenetische Praxis/Beratungsstelle finde sich in den weit entfernten Städten D., E. oder G. Der Versorgungsanalyse der Beigeladenen zu 1) lägen falsche Zahlen zu Grunde. In den Quartalen I bis III/20 habe er insgesamt zehn Fälle, einen Fall und neun Fälle versorgt. Wegen der Coronapandemie verlaufe der Aufbau der Praxis schleppend. Er habe bereits mit einem potentiellen Nachfolger einen Vertrag zur Übernahme abgeschlossen.
Der Zulassungsausschuss entzog mit Beschluss vom 16.03.2021 die Zulassung des Klägers zur vertragsärztlichen Tätigkeit. Zur Begründung führte er aus, der Kläger rechne seit dem Quartal IV/19 nur in einem äußerst geringen Umfang ab, so im Quartal IV/19 drei Fälle, in den Quartalen I und II/19 keine Fälle und im Quartal III/20 einen Fall. Die Durchschnittfallzahlen der Humangenetiker betrügen 213 bis 244 Fälle. Das Abrechnungsvolumen des Klägers liege lediglich bei 0 bis 2,82 % der Fachgruppe. Eine Wiederaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit sei nicht zu erwarten, weshalb ein Ruhen als milderes Mittel nicht in Betracht komme.
Hiergegen legte der Kläger am 23.04.2021 Widerspruch ein. Er trug unter teilweiser Wiederholung seines bisherigen Vorbringens vor, im Quartal I/20 habe er ausweislich des Honorarbescheids zehn Fälle versorgt, im Quartal II/20 einen Fall, im Quartal III/20 neun Fälle. Er habe im Quartal II/20 36 Videosprechstunden durchgeführt, im Quartal III/20 121 Videosprechstunden sowie im Quartal IV/20 106 Videosprechstunden. Diese seien wegen der zu geringen Vergütung und dem zu hohen administrativen Aufwand noch nicht abgerechnet worden. Im Übrigen sei im KV-Bereich nunmehr ein halber humangenetischer Sitz ausgeschrieben worden. Deshalb sei der Bedarf für den KV-Bereich nachgewiesen. Der Entzug der Zulassung schränke ihn in seiner verfassungsrechtlich garantierten Berufsfreiheit in unzulässig harter Weise ein. Es wäre auch nicht das mildeste Mittel, nachdem auch Viertelzulassungen entzogen werden könnten.
Der Beklagte wies mit Beschluss vom 02.06.2021, ausgefertigt am 22.07.2021, den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, von der Beigeladenen zu 1) seien ihm folgende Zahlen mitgeteilt worden:
Quartal | Fallzahlen Kläger | Hessischer Fachgruppendurchschnitt |
IV/19 | 3 | 213 |
I/20 | 10 | 232 |
II/20 | 1 | 245 |
III/20 | 1 | 231 |
IV/20 | 0 | 260 |
I/21 | 0 | noch nicht ermittelt |
Im Falle einer hälftigen vertragsärztlichen Zulassung sei die Frage einer ausreichenden Ausübung unter Berücksichtigung des hälftigen durchschnittlichen Behandlungsumfangs der Fachgruppe zu beurteilen. Das Bundessozialgericht habe in einem obiter dictum ausgeführt, dass ein Arzt mit vollem Versorgungsauftrag, dessen Fallzahl den Durchschnitt der Fachgruppe um mehr als die Hälfte unterschreite - wenn keine besonderen Umstände vorlägen -, seine Verpflichtung, im Umfang seines Versorgungsauftrags an der vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen, regelmäßig nicht mehr erfülle. Das Hessische Landessozialgericht sowie das Bayerische Landessozialgericht gingen davon aus, dass bei einem Unterschreiten einer Grenze von 10 % des jeweiligen Fachgruppendurchschnitts nicht mehr davon ausgegangen werden könne, dass eine Ausübung der vertragsärztlichen Zulassung vorliege. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze könne mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass eine Ausübung der vertragsärztlichen Zulassung durch den Kläger im gesamten Zulassungszeitraum seit dem vierten Quartal 2019 nicht stattgefunden habe. Da der Kläger lediglich über einen hälftigen Versorgungsauftrag verfüge, sei als Vergleichsmaßstab nicht der Fachgruppendurchschnitt der Humangenetiker in Hessen heranzuziehen, sondern lediglich dessen hälftiger Wert. Auch unter Berücksichtigung dieser Tatsache sei festzustellen, dass der Kläger noch nicht einmal im Quartal I/20, in welchem er mit zehn Behandlungsfällen die höchste Anzahl von Behandlungsfällen im Quartal erreicht habe, die Grenze von 10 % des hälftigen Fachgruppendurchschnitts erreicht habe, sondern daruntergeblieben sei. In den weiteren Quartalen des gesamten Zulassungszeitraums vom vierten Quartal 2019 bis zum vierten Quartal 2020 habe entweder kein Behandlungsfall stattgefunden oder allenfalls ein bis drei Behandlungsfälle. Ärzte seien bereits berufsrechtlich verpflichtet, sämtliche Leistungen abzurechnen. Daher sei davon auszugehen, dass Leistungen, die nicht abgerechnet, auch nicht erbracht worden seien. Der Hinweis auf nicht abgerechnete Videosprechstunden sei somit irrelevant. Auch wenn man dem Kläger zugutehalten wollte, dass er bedingt durch die Aufbautätigkeit nicht von Anbeginn seiner vertragsärztlichen Praxis das durchschnittliche Fallzahlvolumen erreicht habe, hätte doch die Entwicklung der Fallzahlen zumindest eine aufsteigende Tendenz aufweisen müssen, was offensichtlich nicht der Fall sei. Darüber hinaus könne die äußerst geringe Fallzahl von maximal zehn Fällen im Quartal - in aller Regel erheblich weniger - nicht damit erklärt werden, dass sich die Praxis im Aufbau befunden habe. Angesichts des vom Kläger selbst vorgetragenen Versorgungsdefizits wäre eine erheblich höhere Auslastung der Praxis auch in den ersten Quartalen nach deren Eröffnung zu erwarten gewesen, wenn der Kläger dementsprechende Anstrengungen unternommen hätte. Hierzu wäre er aufgrund seines vertragsärztlichen Status auch verpflichtet gewesen. Es seien keine Umstände bekannt, die für eine Belassung der vertragsärztlichen Zulassung sprächen, zumal der Kläger selbst angeführt habe, dass er selbst wegen einer Weitergabe der Praxis nicht die Absicht habe, weiterhin vertragsärztlich an diesem Ort tätig zu sein. Die Option, lediglich die Hälfte der vorhandenen vertragsärztlichen Zulassung zu entziehen, sei vorliegend nicht gegeben, da der Kläger ohnehin nur über einen hälftigen Versorgungsauftrag verfüge, der nicht weiter teilbar sei. Bei Entzug einer ¼-Zulassung würde lediglich ein Versorgungsauftrag mit dem Faktor 0,25 verbleiben. Vertragsärztliche Zulassungen mit einem derart geringen Umfang seien jedoch nicht zulässig. Versorgungsaufträge dieses Umfangs existierten nur im Bereich vertragsärztlicher Anstellungen.
Hiergegen hat der Kläger am 26.07.2021 die Klage erhoben.
Der Beklagte hat nach Hinweis der Kammer in der Verfügung vom 20.10.2021, dass der Berufungsausschuss in Sitzungen (§ 36 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV i. V. m. § 45 Abs. 3 Ärzte-ZV) beschließe, Sitzung eine Präsenzversammlung seiner Mitglieder meine und aus dem Begriff der Sitzung weiterhin folge, dass andere Verfahrensformen als die Präsenzversammlung (z. B. Umlaufverfahren, Telefonkonferenz) nicht zulässig seien, ebenso wenig eine Videokonferenz, am 15.12.2021 einen neuen Beschluss gefasst.
Der Beklagte wies mit Beschluss vom 15.12.2021, ausgefertigt am 21.01.2022, den Widerspruch erneut als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, von der Beigeladenen zu 1) seien ihm folgende Zahlen mitgeteilt worden:
Quartal | Fallzahlen Kläger | Hessischer Fachgruppendurchschnitt |
IV/19 | 3 | 213 |
I/20 | 10 | 232 |
II/20 | 1 | 245 |
III/20 | 1 | 231 |
IV/20 | 0 | 260 |
I/21 | 0 | 244 |
II/21 | 0 | 251 |
Er habe in seiner Videokonferenz am 15.12.2021 nochmals neu beraten. Der Kläger sei zu der Konferenz geladen worden, habe sich aber nicht zugeschaltet. Die Durchführung der Videokonferenz sei zuvor gemäß § 36 Abs. 3 Ärzte-ZV in einer gesonderten Sitzung durch den Berufungsausschuss beschlossen worden. Bei seinen Beratungen habe er auch die Tatsache einbezogen, dass zwischenzeitlich feststehe, dass der Kläger im zweiten Quartal 2021 nicht mehr vertragsärztlich tätig gewesen sei. Insgesamt sei festzustellen, dass der Kläger in den sieben Quartalen IV/19 bis II/21 insgesamt lediglich 15 Fälle abgerechnet habe. Das gesamte Abrechnungsvolumen liege damit erheblich unter einem Prozent des Fachgruppendurchschnitts der Humangenetiker in dem gesamten genannten Zeitraum. Damit sei die Bewertung des vorangegangenen Beschlusses vom 02.06.2021 vollinhaltlich zu bestätigen. Auf die seinerzeitige Begründung werde in vollem Umfang Bezug genommen.
Der Kläger trägt zur Begründung seiner Klage vor, er möchte seine Praxis in einen größeren Praxisverbund einbringen, um mit dessen Hilfe aus der Coronakrise heraus die Etablierung seiner humangenetischen Aktivitäten in F-hessen/B-Stadt besser bewerkstelligen zu können. Er erhoffe sich wegen der jahrelangen Erfahrung des möglichen Praxisübernehmers, mit dem bereits eine privatrechtliche Vereinbarung zur Praxisübernahme habe abgeschlossen werden können, auf dem Gebiet des Praxismarketings und wegen der bestehenden Einsender des Labors des möglichen Praxisübernehmers eine zügige Entwicklung der Fallzahlen in der Praxis. Dies decke sich augenscheinlich auch mit der Erwartung des möglichen Praxisübernehmers, sonst hätte dieser wohl kaum Interesse an der Praxisübernahme geäußert und einen Praxisübernahmevertrag mit ihm abgeschlossen. Das reine Abstellen auf die Fallzahl, um zu beurteilen, ob eine vertragsärztliche Tätigkeit aufgenommen bzw. (noch) ausgeübt werde, sei im Falle des Faches der Humangenetik problematisch. Einerseits gebe es reine Beratungspraxen (ohne Labor) mit teilweise niedrigen Fallzahlen, aber sehr zeitintensiven und umfangreichen Fällen, andererseits Einsendelabore mit überwiegender analytischer Tätigkeit, die pro Zulassung ein Vielfaches an Fällen aufwiesen. Die Fallzahlen der anderen hessischen humangenetischen Praxen seien nicht maßgeblich, weil es sich hier überwiegend um humangenetische Einsendepraxen handele, die an sie überwiesene Blutproben humangenetisch untersuchten. Ihm sei es gerade daran gelegen, die Patientenversorgung in Hessen zu verbessern und genetische Beratungen vor Ort in B-Stadt (F-hessen) anzubieten, wo ein solches Angebot gar nicht verfügbar gewesen sei. Er habe nicht vorgehabt, in seiner Praxis einen Einsendeanteil zu etablieren. Während der gesamten Coronakrise habe er seinen Patienten mittels Videosprechstunde zur Verfügung gestanden. Da diese nicht oder nur geringfügig bzw. nur in einem aufwendigen, ständig sich anpassenden bürokratischen Prozess abrechenbar seien, habe er die Abrechnung dieser Leistungen jedoch bisweilen zurückgestellt. So habe er monatlich ca. 25 Patienten seit April 2020 bis Ende 2020 beraten, die er im Einzelnen namentlich aufführe. Er habe im Übrigen auch organisatorische Vorarbeiten zur Erbringung von COVID19-Testungen getroffen und hier intensive Beratungen und Gespräche mit Anbietern entsprechender Testtechnologie geführt. Er habe alle Anfragen zeitnah abgearbeitet und keinen einzigen Patienten abgewiesen. Er sei zu den angegebenen und vorgeschriebenen Zeiten in seiner Praxis erreichbar und anwesend gewesen. Für das Quartal I/20 weise der Honorarbescheid ein Honorar in Höhe von 4.418,23 € aus, für II/20 0,51 € und für III/20 325,23 €. 11 Fälle seien zurückgestellt und nicht zur Honorarauszahlung gebracht worden. Wegen der Coronakrise sei der Anteil gesetzlich versicherter humangenetischer Patienten stark gesunken, während der Anteil privatversicherter Patient erheblich zugenommen habe, auch absolut anhand der Fallzahlen. Der Entzug der Zulassung führe zur Aufhebung der verfassungsrechtlich garantieren Berufsfreiheit. Dies sei in seinem Fall besonders dramatisch, da ihm damit nicht einmal die Möglichkeit gegeben werde, seine bereits getätigten hohen Aufwendungen, die beim Start einer Praxis anfielen, wieder zu erwirtschaften. Er habe realisiert, dass ihm die Coronakrise „das Kreuz brach" und habe deshalb seine Praxis veräußern wollen. Mit Schreiben vom 23.04.2021 an den Zulassungsausschuss habe er das Ruhen der Zulassung beantragt.
Der Kläger beantragt,
den Beschluss des Beklagten vom 02.06.2021 in der Gestalt des Beschlusses vom 15.12.2021 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf seine Ausführungen im angefochtenen Beschluss und trägt ergänzend vor, der Kläger habe mit seinen Fallzahlen noch unter 5 % des Fachgruppenschnitts gelegen. Die Coronapandemie habe die gesamte Fachgruppe betroffen. Es komme allein auf das Verhalten des Klägers an, nicht darauf, ob ein potentieller Praxisübernehmer die Fallzahlen ausweiten könne. Es gehe ausschließlich um die vertragsärztliche Versorgung, auf das Verhalten Privatversicherter komme es nicht an. Gerade die vom Kläger geschilderte Versorgungslage hätte zu einer stärkeren Inanspruchnahme seiner Praxis führen müssen.
Die Beigeladenen haben sich schriftsätzlich zum Verfahren nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
Die Kammer hat mit Beschluss vom 27.07.2021 die Beiladung ausgesprochen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG entscheiden. Die Sache hat keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art, und der Sachverhalt ist geklärt. Die Kammer hat die Beteiligten hierzu mit Verfügung vom 23.02.2022 angehört.
Die Klage ist zulässig, denn sie ist insb. form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.
Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Beschluss des Beklagten vom 02.06.2021 in der Gestalt des Beschlusses vom 15.12.2021 ist rechtmäßig. Er war daher nicht aufzuheben. Die Klage war abzuweisen.
Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig. Nach Erlass des Beschlusses vom 15.12.2021 sind verfahrensrechtliche Verstöße nicht mehr festzustellen.
Der Gesetzgeber hat auf Vorschlag des Gesundheitsausschusses mit Art. 12 Nr. 4a, 4b und 4c sowie Art. 13 Nr. 4a, 4b und 4c Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz – GVWG) v. 11.07.2021, BGBl I 2021, 2754 mit Geltung ab 20.07.2021 (Art. 16 Abs. 1 GVWG) §§ 36, 37 und 41 Ärzte-ZV/Zahnärzte-ZV geändert. Aufgrund der Verweisungsvorschrift gelten diese Änderungen auch für den Berufungsausschuss (§ 45 Abs. 3 Ärzte-ZV/Zahnärzte-ZV). Art. 1 Nr. 29 lit. a GVWG fügte in § 98 Abs. 2 Nr. 3 SGB V eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage ein. Sitzungen sind nur noch im Regelfall als Präsenzsitzungen bei persönlicher Anwesenheit aller Sitzungsteilnehmer im Sitzungszimmer durchzuführen; unter den Voraussetzungen der Absätze 3 und 4 können sie mittels Videotechnik durchgeführt werden (§ 36 Abs. 1 Ärzte-ZV/Zahnärzte-ZV). Eine Sitzung kann aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder aus anderen gewichtigen Gründen auch ohne die persönliche Anwesenheit aller Sitzungsteilnehmer im Sitzungszimmer mittels Videotechnik durchgeführt werden. Hierüber entscheidet der Zulassungsausschuss nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei entscheidet er auch, ob die Sitzung durchgeführt werden soll 1. als kombinierte Präsenz- und Videositzung, an der sowohl Personen im Sitzungszimmer als auch mittels Videotechnik zugeschaltete Personen teilnehmen, oder 2. als Videokonferenz, an der nur mittels Videotechnik zugeschaltete Personen teilnehmen (§ 36 Abs. 3 Sätze 1 und 2 Ärzte-ZV/Zahnärzte-ZV). Widerspricht ein am Verfahren beteiligter Arzt der Durchführung der mündlichen Verhandlung mittels Videotechnik, ist die mündliche Verhandlung unter persönlicher Anwesenheit der Mitglieder des Zulassungsausschusses und des widersprechenden Arztes im Sitzungszimmer durchzuführen; auf die Form der Teilnahme anderer Beteiligter hat der Widerspruch keinen Einfluss (§ 37 Abs. 1 Satz 4 Ärzte-ZV/Zahnärzte-ZV).
Es ist nicht ersichtlich, dass sich der Beklagte nicht an die geänderten Vorschriften gehalten hätte. Der Kläger macht auch nicht geltend, dass ein Verfahrensverstoß bei der Abfassung des Beschlusses vom 15.12.2021 vorliegen sollte.
Der angefochtene Bescheid ist materiell rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für die Entziehung der Zulassung ist § 95 Abs. 6 SGB V. Danach ist die Zulassung u. a. zu entziehen, wenn der Vertragsarzt die vertragsärztliche Tätigkeit nicht mehr ausübt. Der Zulassungsausschuss kann in diesen Fällen statt einer vollständigen auch die Entziehung der Hälfte oder eines Viertels der Zulassung beschließen (§ 95 Abs. 6 Satz 1 und 2 SGB V). Der Zulassungsausschuss hat von Amts wegen über die vollständige oder teilweise Entziehung der Zulassung zu beschließen, wenn die Voraussetzungen nach § 95 Abs. 6 SGB V gegeben sind. Die Kassenärztliche Vereinigung und die Landesverbände der Krankenkassen sowie die Ersatzkassen können die Entziehung der Zulassung beim Zulassungsausschuss unter Angabe der Gründe beantragen (§ 27 Ärzte-ZV).
Ein Nichtmehrausüben liegt vor, wenn der Vertragsarzt zwar seine Vertragsarzttätigkeit aufgenommen hat, jedoch zu einem späteren Zeitpunkt einstellt. Von einer Ausübung der Tätigkeit kann dann nicht mehr ausgegangen werden, wenn der Arzt nicht mehr den Willen zur kontinuierlichen Teilnahme an der Versorgung hat. Dies dokumentiert sich insb. darin, dass der Vertragsarzt die ihm obliegenden Hauptpflichten wie Behandlung der Versicherten, Abhalten und Anbieten von Sprechstunden sowie Bestellung eines Vertreters bei Abwesenheit über einer Woche erfüllt. Für die Annahme der Ausübung genügt es nicht, dass der Vertragsarzt noch in geringem Umfang Verordnungen und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellt (vgl. BSG, Urt. v. 19.12.1984 - 6 RKa 34/83 - USK 84272, juris Rdnr. 9; LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 28.04.1999 - L 11 KA 16/99 - MedR 2001, 103, juris Rdnr. 20). Die Zulassung kann entzogen werden, wenn die vertragsärztliche Tätigkeit tatsächlich nicht mehr ausgeübt wird, ganz unabhängig davon, ob der Vertragsarztsitz in einem Gebiet gelegen ist, für das der Landesausschuss Über- oder Unterversorgung festgestellt hat (vgl. BSG, Beschl. v. 10.05.2017 - B 6 KA 8/17 B - juris Rdnr. 7). Die Entziehung der Zulassung wegen Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit erfordert die Prognoseentscheidung über die voraussichtliche Dauer der Untätigkeit anhand aller bekannter Umstände des Einzelfalls (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 09.12.2009 - L 3 KA 117/08 - juris Rdnr. 36). Bei einer Vollzulassung muss eine mehr als zwanzigstündige - jetzt 25-stündige - wöchentliche Verfügbarkeit in eigener Praxis gefordert werden. Die vertragsärztliche Tätigkeit muss zweifelsfrei den Hauptberuf ausmachen bzw. das Schwergewicht der beruflichen Tätigkeit bilden und ihr das Gepräge geben (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 13.10.2004 - L 5 KA 4212/03 - www.sozialgerichtsbarkeit.de). Maßgeblicher Zeitpunkt für die rechtliche und tatsächliche Beurteilung von Entziehungsentscheidungen ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (vgl. BSG, Urt. v. 03.04.2019 - B 6 KA 4/18 R - SozR 4-2500 § 95 Nr. 36, juris Rdnr. 35; BSG, Beschl. v. 17.08.2011 - B 6 KA 18/11 B - juris Rdnr. 11; BSG, Urt. v. 20.10.2004 - B 6 KA 67/03 R - BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 9, juris Rdnr. 20 ff.).
Nach LSG Hessen ist ab einer Fallmenge pro Quartal, die unter 10% des Fachgruppendurchschnitts liegt, unbedenklich von einer Nichtausübung der Vertragsarzttätigkeit auszugehen. Angesichts dieses geringen Abrechnungsumfangs kommt es weder auf das Maß der angebotenen Sprechstundenzeiten an noch greift der Einwand, es werde ein besonderes Patientenklientel betreut, dessen Behandlung überdurchschnittlich viel Zeit in Anspruch nehme (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 30.11.2016 – L 4 KA 29/16 - juris Rdnr. 38 f., Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BSG, Beschl. v. 10.05.2017 - B 6 KA 8/17 B – juris). Nach SG München ist ein Vertragsarzt in einem Umfang tätig, der annähernd der gänzlichen Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit gleichzusetzen ist, wenn er unter 10% der Fallzahlen der Vergleichsgruppe aufweist. Tätigkeiten im Rahmen des Notdienstes sind nicht mitzuberücksichtigen (vgl. SG München, Urt. v. 02.10.2018 - S 38 KA 58/18 - juris Rdnr. 13 ff.). Eine Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit liegt vor, wenn eine Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin über mehrere Quartale hinweg maximal 6,7% des Fachgruppendurchschnitts an Patienten behandelt. Denn eine Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit liegt nicht nur vor, wenn ein Vertragsarzt in zahlreichen Quartalen überhaupt keine Behandlungsfälle abrechnet, sondern auch dann, wenn die Anzahl der abgerechneten Behandlungsfälle unter 10% des Fachgruppendurchschnitts liegt (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 28.04.2021 - L 5 KA 4289/18 - juris Rdnr. 38).
Der Beklagte hat hinreichend dargelegt, dass der Kläger seinen Versorgungsauftrag nicht mehr erfüllt.
Der Vertragsarzt hat am Vertragsarztsitz Sprechstunden abzuhalten (§ 24 Abs. 2 Satz 1 Ärzte-ZV/Zahnärzte-ZV i. V. m. § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Der Arzt ist verpflichtet, im Rahmen seiner vollzeitigen vertragsärztlichen Tätigkeit mindestens 25 Stunden wöchentlich in Form von Sprechstunden für gesetzlich Versicherte zur Verfügung zu stehen (§ 19a Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV). Bei einem reduzierten Versorgungsauftrag nach Absatz 2 gelten die in den Sätzen 2 und 3 festgelegten Sprechstundenzeiten jeweils anteilig (§ 19a Abs. 1 Satz 4 Ärzte-ZV). Es kann hier dahinstehen, ob der Kläger die von ihm behaupteten Sprechzeiten tatsächlich angeboten hat. Maßgeblich kommt es darauf an, in welchem Umfang der Kläger tatsächlich eine vertragsärztliche Tätigkeit ausgeübt hat, und hierbei auf die von ihm bei der Beklagten eingereichten Unterlagen (Abrechnung).
Nach den Feststellungen der Beigeladenen zu 1) hat der Kläger in den Quartalen IV/19 und I/20 lediglich drei bzw. zehn Fälle abgerechnet, in den Quartalen II und III/20 jeweils einen und ab dem Quartal IV/20 bis zum Quartal II/21 keinen einzigen Fall. Damit hat der Kläger von Anfang an seinen halben Versorgungsauftrag nicht ausgefüllt. Insb. ist aber nicht erkennbar, dass der Kläger allmählich überhaupt eine Praxis aufgebaut hätte. Darauf weisen bereits die geringen Honorarumsätze und Fallzahlen hin. Der Kläger räumt dies letztlich selbst ein. Dabei ist es unerheblich, ob der Kläger nie beabsichtigt hat, den hälftigen Versorgungsauftrag tatsächlich auszufüllen, oder lediglich äußere Umstände wie die Coronakrise einen Praxisaufbau verhindert haben. Der Kläger hat zwischenzeitlich seine Praxistätigkeit offensichtlich auch ganz eingestellt.
Von einer Ausübung der Tätigkeit kann dann nicht mehr ausgegangen werden, wenn der Arzt nicht mehr den Willen zur kontinuierlichen Teilnahme an der Versorgung hat. Dies dokumentiert sich insb. darin, dass der Vertragsarzt die ihm obliegenden Hauptpflichten wie Behandlung der Versicherten, Abhalten und Anbieten von Sprechstunden sowie Bestellung eines Vertreters bei Abwesenheit über eine Woche erfüllt. Es fehlt an einem Willen zur kontinuierlichen Teilnahme an der Versorgung, wenn ein Arzt über mehrere Quartale hinweg nur noch sporadisch Abrechnungen zu wenigen Behandlungsfällen einreicht und von ihm nicht dargelegt wird, wie er zukünftig die vertragsärztliche Tätigkeit kontinuierlich ausüben will (vgl. LSG Bayern, Urt. v. 22.01.2020 - L 12 KA 6/19 - juris Rdnr. 78).
Von daher scheidet auch eine Entziehung bloß eines Viertelversorgungsauftrags aus. Im Übrigen weist der Beklagte zutreffend darauf hin, dass eine Zulassung mit einem verbleibenden Viertelversorgungsauftrag ausgeschlossen ist.
Angesichts der Praxisaufgabe kommt auch nicht eine Anordnung des Ruhens als milderes Mittel in Betracht. Es ist nicht erkennbar, dass der Kläger gewillt ist, in den nächsten zwei Jahren seine vertragsärztliche Tätigkeit wiederaufzunehmen.
Nach allem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Streitwertentscheidung ergeht als Beschluss.
In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 € anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG).
In Zulassungsangelegenheiten ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts der Streitwert in der Regel in Höhe der dreifachen Jahreseinnahmen abzüglich der durchschnittlichen Praxiskosten in der jeweiligen Behandlergruppe festzusetzen (vgl. BSG, Beschl. v. 01.09.2005 - B 6 KA 41/04 R - SozR 4-1920 § 52 Nr. 1 = juris Rdnr. 6; BSG, Beschl. v. 26.09.2005 - B 6 KA 69/04 B - juris Rdnr. 1; BSG, Beschl. v. 12.10.2005 - B 6 KA 47/04 B MedR 2006, 236 = ZMGR 2005, 324, juris Rdnr. 1).
Wenn in Zulassungsverfahren in Ausnahmefällen die durchschnittlichen Umsätze der jeweiligen Arztgruppe dem wirtschaftlichen Interesse des Betroffenen auch nicht annähernd entsprechen, ist für jedes Quartal des maßgeblichen Dreijahreszeitraums nach § 42 Abs. 3 GKG der Regelwert von 5.000,- € anzusetzen; ein Abzug von Praxiskosten erfolgt dann nicht (vgl. BSG, Beschl. v. 12.09.2006 - B 6 KA 70/05 B - juris). Von daher war im Hinblick auf den Entziehungsgrund (Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit) vom Mindeststreitwert in Zulassungsangelegenheiten auszugehen. Dieser war wegen der Zulassung zu einem hälftigen Versorgungsauftrag zu halbieren. Dies ergab den festgesetzten Wert.