L 2 SO 939/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 10 SO 2663/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 939/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Die Sonderregelung des § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II ist wegen der detaillierten Bestimmungen in § 82 Abs. 7 SGB XII auf das SGB XII nicht übertragbar. Es bleibt daher dabei, dass eine Nachzahlung laufenden Einkommens als laufendes Einkommen (entgegen § 11 Abs. 2 Satz 3 SGB II) zu werten ist . Eine auf die Sozialhilfe-Richtlinien des SGB XII-Trägers gestützte, von der BSG-Rechtsprechung abweichende Anrechnung ist somit rechtswidrig. Im Übrigen hat der Gesetzgeber auch nur im SGB II Grund gesehen, die gesetzliche Regelung zu ändern.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17. Februar 2021 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist ein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, mit dem die Beklagte insgesamt noch 871,38 Euro von der Klägerin zurückfordert.

Die.1953 geborene Klägerin bezieht seit November 2018 Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes (SGB XII) von der Beklagten.

Bereits am 24.10.2018 beantragte die Klägerin, die eine geringe deutsche Altersrente bezieht, eine Altersrente in U (Bl. 39 der Verwaltungsakte). Bei einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten am 08.03.2019 gab die Klägerin an, von der ungarischen Rentenstelle noch keine Mitteilung erhalten zu haben (Bl. 213 der Verwaltungsakte).

Die Beklagte bewilligte der Klägerin zunächst mit Bescheid vom 14.03.2019 vorläufig Leistungen in Höhe von 650,91 Euro monatlich für die Zeit vom 01.05.2019 bis 31.10.2019. Mit Änderungsbescheid vom 25.07.2019 wurden nach § 44a SGB XII vorläufig Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 01.08.2019 bis zum 31.10.2019 (Bl. 305 ff. der Verwaltungsakte) bewilligt. Am 14.10.2019 erging ein Änderungsbescheid für die Zeit ab dem 01.07.2019 aufgrund einer Erhöhung der deutschen Altersrente der Klägerin (Bl. 331 der Verwaltungsakte). Mit einem Bescheid vom selben Tag wurden der Klägerin für die Zeit ab dem 01.11.2019 bis zum 31.10.2020 erneut vorläufige Leistungen nach § 44a SGB XII bewilligt (Bl. 339 ff. der Verwaltungsakte). Am 08.01.2020 erging ein Änderungsbescheid wegen der Erhöhung der Regelsätze zum 01.01.2020 (Bl. 347 der Verwaltungsakte).

Mit mehreren Schreiben, zuletzt mit Schreiben vom 10.02.2020, forderte die Beklagte die Klägerin zur Mitteilung über den aktuellen Sachstand ihres Rentenantrages in U auf (Bl. 351 d. Verwaltungsakte). Daraufhin legte die Klägerin am 17.02.2020 und 02.03.2020 verschiedene Schreiben des ungarischen Rentenversicherungsträgers sowie Kontoauszüge für die Monate August 2019 bis Februar 2020 vor (Bl. 353 ff. der Verwaltungsakte), aus denen sich laufende Rentenzahlungen sowie eine Rentennachzahlung aus U ergaben.

Mit Änderungsbescheid vom 04.03.020 berücksichtigte die Beklagte für die Zeit ab 01.03.2020 bis zum 31.10.2020 die monatliche Rente aus U in Höhe von vorläufig 95,00 Euro (Bl. 367 ff. der Verwaltungsakte) sowie eine einmalige Rentenzahlung in Höhe von 531,50 Euro für die Zeit vom 01.04.2020 bis 31.08.2020. Für die Zeit vor März 2020 erhalte die Klägerin einen separaten Bescheid. 

Nach Vorlage weiterer Unterlagen durch die Klägerin ergaben sich folgende Auszahlungsbeträge des ungarischen Rentenversicherungsträgers an die Klägerin (Bl. 395 der Verwaltungsakte):

15.07.2019   871,37 Euro
12.08.2019   87,44 Euro
12.09.2019   85,65 Euro
15.10.2019   85,42 Euro
12.11.2019   85,00 Euro
06.12.2019    85,96 Euro
14.01.2020   85,34 Euro
04.02.2020   531,50 Euro
14.02.2020   119,81 Euro
16.03.2020   117,55 Euro

Die Beklagte nahm daraufhin mit Bescheid vom 14.05.2020 die Bewilligungsbescheide vom 25.07.2019, 14.10.2019 (Änderungsbescheid), 14.10.2019, 08.01.2020 (Änderungsbescheid) und 04.03.2020 (Änderungsbescheid) mit Wirkung vom 01.08.2019 bis 31.03.2020 nach § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) teilweise zurück. Die in der Zeit vom 01.08.2019 bis 31.03.2020 zu Unrecht erbrachten Leistungen in Höhe von 1.528,55 Euro würden von der Klägerin zurückgefordert (§ 50 Abs. 1 SGB X). Sie führte darin u.a. aus, dass durch die Anrechnung der ungarischen Rentenzahlung im Zeitraum vom 01.08.2019 bis zum 31.03.2020 insgesamt eine Überzahlung i.H.v. 1.528,55 Euro entstanden sei. Auch im Rahmen des eingeräumten Ermessens seien keine Anhaltspunkte für eine andere Entscheidung ersichtlich. Gemäß § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X habe von einem Anhörungsverfahren abgesehen werden können, da es sich um eine Einkommensänderung handele.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch, soweit dieser die Anrechnung der Rentennachzahlung vom 15.07.2019 i.H.v. 871,37 Euro betraf. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.07.2020 als unbegründet zurück. Die Berücksichtigung und Anrechnung der laufenden Rentenzahlungen aus U im Zuflussmonat gem. § 82 Abs. 1 SGB XII sei unstreitig. Entgegen der Ansicht der Klägerin handle es sich bei der Rentennachzahlung am 15.07.2019 um eine einmalige Einnahme gem. § 82 Abs. 7 SGB XII, so dass sie im Zeitraum 08/2019 bis 01/2020 zu berücksichtigen sei.

Am 04.08.2020 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht (SG) Freiburg erhoben und zur Begründung vorgetragen, dass die Berücksichtigung der Rentennachzahlung vom 15.07.2019 im Zeitraum vom 01.08.2019 bis 31.01.2020 als Einkommen rechtswidrig sei. Denn es handele sich nicht um eine einmalige, sondern um eine laufende Einnahme, auch wenn die Rente als Nachzahlung erbracht worden sei. Für die Qualifizierung einer Einnahme als laufende Einnahme reiche es nach der Rechtsprechung aus, wenn sie zwar nicht "laufend", sondern in einem Gesamtbetrag erbracht werde, aber nach dem zugrunde liegenden Rechtsgrund regelmäßig zu erbringen gewesen wäre.

Die Beklagte ist dem Begehren entgegengetreten und hat ausgeführt, dass es sich bei der Rentennachzahlung vom 15.07.2019 um eine einmalige Einnahme nach § 82 Abs. 7 SGB XII handle und diese deshalb gem. § 82 Abs. 7 SGB XII auf sechs Monate im Zeitraum 08/2019 bis 01/2020 mit monatlich 145,23 Euro anzurechnen sei.

Nachdem die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt haben, hat das SG mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 17.02.2021 den Bescheid vom 14.05.2020 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2020 insoweit aufgehoben, als er die Klägerin zu einer Erstattung in Höhe von monatlich 145,23 Euro im Zeitraum vom 01.08.2019 bis zum 31.01.2020 wegen der am 15.07.2019 zugeflossenen Rentennachzahlung in Höhe von 871,37 Euro verpflichtet habe. Der angefochtene (Teil-)Rücknahme- und Erstattungsbescheid sei rechtswidrig, weil nach § 82 Abs. 1 SGB XII die Rentennachzahlung im Juli 2019 zu berücksichtigen sei. Aus diesem Grund habe die Rücknahme für den Zeitraum von August 2019 bis Januar 2020 weder auf § 45 SGB XII noch auf § 44a SGB XII gestützt werden können.

Die Voraussetzungen zur teilweisen Aufhebung der vorangegangenen Bewilligungsbescheide seien zwar dem Grunde nach erfüllt. Denn sowohl der Bewilligungsbescheid vom 25.07.2019 i.d.F. des Änderungsbescheides vom 14.10.2019 als auch der Bewilligungsbescheid vom 14.10.2019 i.d.F. der Änderungsbescheide vom 08.01.2020 und 04.03.2020 seien für die streitbefangenen Monate von Anfang an rechtswidrig gewesen. Denn die Bescheide berücksichtigten weder den Eingang der ungarischen Rentennachzahlung i.H.v. 871,37 Euro am 15.07.2019 (Bewilligungszeitraum Juli 2019 bis Oktober 2019), noch die ab diesem Zeitpunkt eingehenden, fortlaufenden Rentenzahlungen aus U an die Klägerin. Für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.08.2019 bis zum 31.03.2020 habe die Klägerin einen geringeren Leistungsanspruch nach dem SGB XII gehabt, weil durch die Berücksichtigung dieser Einnahmen ihre Hilfebedürftigkeit teilweise entfallen sei. Ursächlich für die rechtswidrige Leistungsbewilligung sei das Unterlassen von Angaben zum Einkommen in Form der ungarischen Rente gewesen. Die Einnahmen seien auf ein der Beklagten zunächst unbekanntes Konto der Klägerin geflossen und eine vollständige Mitteilung an die Beklagte sei trotz mehrfacher Nachfrage zur Gewährung der ungarischen Renten erst am 02.03.2020 erfolgt. Allerdings sei die Art und Weise der Berücksichtigung der Rentennachzahlung vom 15.07.2019 für den Zeitraum von August 2019 bis März 2020 zu beanstanden. Denn diese vermögenswerte Einnahme stelle laufendes Einkommen i.S.v. § 82 Abs. 1 SGB XII dar, das im Monat des Zuflusses zu berücksichtigen sei. Ihre Berücksichtigung erst im Folgemonat und die gleichmäßige Aufteilung auf sechs Monate auf der Grundlage von § 82 Abs. 7 S. 1 und 2 SGB XII komme daher nicht in Betracht.

Bei der Berücksichtigung von Einkommen sei zwischen laufenden und einmaligen Einnahmen zu differenzieren. Laufende Einnahmen seien solche, die auf demselben Rechtsgrund beruhten und regelmäßig erbracht würden, wie zum Beispiel die Auszahlung einer Rente. An dieser Einordnung ändere sich auch dadurch nichts, dass die Einnahmen - aus welchen Gründen auch immer - dem Berechtigten vorenthalten und erst später in einem Betrag nachgezahlt würden Denn in diesen Störungsfällen komme dem Rechtsgrund der Zahlungen die maßgebende Bedeutung zu. Für die Qualifizierung einer Einnahme als laufende Einnahme reiche es aus, wenn sie zwar nicht "laufend“, sondern in einem Gesamtbetrag erbracht werde, aber nach dem zugrundeliegenden Rechtsgrund regelmäßig zu erbringen gewesen wäre. Diese entscheidend auf den Rechtsgrund abstellende Sichtweise ermögliche auch in Fällen mit Leistungsstörungen eine klare und praktisch gut handhabbare Abgrenzung, denn Rechtsgrund und vereinbarter Turnus von Zahlungen seien in der Regel einfach feststellbar. Zudem hänge die Beurteilung einer Einnahme als laufende oder einmalige nicht vom Verhalten des Schuldners ab, welches, wenn bestehende Ansprüche nicht erfüllt würden, unter Umständen sogar vertragswidrig sei. Mithin sei auch die ungarische Rentennachzahlung als laufende Einnahme zu behandeln und im Zuflussmonat Juli 2019 anzurechnen gewesen, § 96 Abs. 1 SGB XII, §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 3 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII (DVO § 82 SGB XII). Insoweit sei der Bescheid vom 25.07.2019 jedoch nicht aufgehoben, sondern bestandskräftig geworden. Im Ergebnis komme daher eine Aufhebung der Bescheide vom 15.07.2019 und 14.10.2019 jeweils in Gestalt ihrer Änderungsbescheide im Hinblick auf die ungarische Rentennachzahlung i.H.v. monatlich jeweils 145,23 Euro (insgesamt 871,37 Euro) für die Zeit vom 01.08.2019 bis zum 31.03.2020 nicht in Betracht. Aufgrund der insoweit rechtswidrigen Leistungsrücknahme für die streitbefangenen Monate könne die Beklagte die gewährten Leistungen i.H.v. 871,37 Euro auch nicht nach § 50 SGB X zurückfordern. Auch auf § 44a Abs. 5 SGB XII könne die Aufhebung der vorläufigen Leistungsbewilligung nicht gestützt werden. Denn unabhängig von der Frage, ob eine Umdeutung der Rücknahme nach § 45 SGB X in eine abändernde endgültige Bewilligung im gerichtlichen Verfahren möglich sei, sei hier im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Rücknahme bzw. Aufhebung die Art und Weise der Anrechnung der ungarischen Rentennachzahlung maßgeblich. Diese richte sich unabhängig vom anzuwendenden Aufhebungstatbestand nach § 82 Abs. 1 SGB XII und nicht - wie von der Beklagten angenommen - nach § 82 Abs. 7 SGB XII. Die Aufhebung im streitgegenständlichen Zeitraum bleibe daher auch beim Austausch der Rechtsgrundlage rechtswidrig.

Gegen das gegen Empfangsbekenntnis am 23.02.2021 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 11.03.2021 eingegangenen Schreiben Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben. Zur Begründung wird der bisherige Vortrag wiederholt und vorgetragen, dass die Beklagte nach wie vor davon ausgehe, dass es sich bei der Rentenzahlung nicht um laufende Einnahmen, sondern um eine einmalige Einnahme handele, deren Anrechnung nach § 82 Abs. 7 SGB XII erfolge. Dies werde auch durch die Richtlinie zum SGB XII - Sozialhilfe - für Baden-Württemberg (SHR B-W) Nr. 82.46 bestätigt, wonach es sich bei der Rentennachzahlung um einmaliges Einkommen handle.

 

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17. Februar 2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.
 

Zur Begründung führt sie aus, dass die Abgrenzung einer einmaligen von einer laufenden Einnahme sich danach beurteile, ob sich der Rechtsgrund in einer einmaligen Leistung erschöpfe oder sie nach ihrem Rechtsgrund regelmäßig erbracht würden. Da es sich bei dem streitgegenständlichen Einkommen um eine Rentenzahlung handele, sei das Einkommen auch dann eine laufende Einnahme, wenn sie als Nachzahlung erbracht werde.

Die Berichterstatterin hat am 17.11.2021 mit den Beteiligten einen Termin zur Erörterung des Sachverhaltes durchgeführt. Die Beteiligten haben hier ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht erhobene Berufung der Beklagten, über die der Senat im Eiverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden konnte, ist auch im Übrigen zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist aber nicht begründet. Das Urteil des SG Freiburg vom 17.02.2021 ist nicht zu beanstanden. Das SG hat zu Recht den Bescheid vom 14.05.2020 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2020 insoweit aufgehoben, als damit die Leistungsbewilligung für den Zeitraum vom 01.08.2019 bis 31.01.2020 wegen der am 15.07.2019 zugeflossenen Rentennachzahlung teilweise aufgehoben worden ist und die Klägerin zu einer Erstattung in Höhe von monatlich 145,23 Euro, insgesamt 871,37 Euro, verpflichtet hat.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend unter Darlegung der rechtlichen Grundlagen zur Berücksichtigung von Einkommen (§ 82 SGB XII) ausgeführt, dass zwar grundsätzlich die Voraussetzungen für die teilweise Aufhebung der vorangegangenen Bewilligungsbescheide wegen der der Klägerin am 15.07.2019 zugeflossenen Rentennachzahlung aus U vorliegen, aber die von der Beklagten vorgenommene Einordnung der Nachzahlung als einmalige Einnahme nach § 82 Abs. 7 SGB XII und die damit verbundene Anrechnung der Nachzahlung in einem Zeitraum vom 01.08.2019 bis 31.01.2020 rechtswidrig ist. Vielmehr stellt die Rentennachzahlung eine laufende Einnahme im Sinne des § 82 Abs. 1 SGB XII dar, die im Monat des Zuflusses, also im Juli 2019 als Einkommen hätte berücksichtigt werden müssen. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung uneingeschränkt an, sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.

Zu einem anderen Ergebnis führen auch nicht die Ausführungen der Beklagten im Berufungsverfahren. Insbesondere ergibt sich auch aus der von der Beklagten zitierten Sozialhilfe-Richtlinie nichts anderes. Es ist zwar insoweit richtig, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 24.04.2015 - B 4 AS 32/14 R -), mit dem dieses durch die Einordnung bestimmter Nachzahlungen als laufende Einnahme eine gewisse Stärkung der Position der Hilfeempfänger bewirkt hatte, durch § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II, eingefügt zum 01.08.2016 durch das 9. SGB II-Änderungsgesetz, entgegengetreten ist. Darin wird ausdrücklich bestimmt, dass zu den einmaligen Einnahmen auch als Nachzahlung zufließende Einnahmen gehören, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht werden (vgl. Söhngen in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 11 (Stand: 21.12.2021), Rn. 77).

Diese Sonderregelung des § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II ist allerdings nach Überzeugung des Senats wegen der detaillierten Bestimmungen in § 82 Abs. 7 SGB XII auf das SGB XII nicht übertragbar. Es bleibt daher dabei, dass eine Nachzahlung laufenden Einkommens als laufendes Einkommen (gegen § 11 Abs. 2 Satz 3 SGB II) zu werten ist (vgl. Geiger, in: Bieritz-Harder, SGB XII, 12. Aufl., § 82 Rz 11). Eine auf die Sozialhilfe-Richtlinien des SGB XII-Trägers gestützte, von der BSG-Rechtsprechung abweichende Anrechnung ist somit rechtswidrig (vgl. LPK-SGB XII/Udo Geiger, 12. Aufl. 2020, SGB XII § 82 Rn. 11). Im Übrigen hat der Gesetzgeber auch nur im SGB II Grund gesehen, die gesetzliche Regelung zu ändern.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht - entgegen den Ausführungen der Beklagten im am 15.02.2022 eingegangenen Schreiben - aus § 8 Abs.1 Satz 2 i.V.m. § 3 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung zu § 82 SGB XII (VO). Diese Regelungen beziehen sich auf Zahlungen, die ihrem Rechtsgrund nach in größeren zeitlichen Abständen gewährt werden. Vorliegend handelt es sich allerdings um eine Nachzahlung einer ansonsten laufenden und monatlich gewährten Rentenzahlung.

Da der angefochtene Bescheid bereits materiell rechtwidrig ist, musste der Senat nicht mehr darüber entscheiden, ob er aufgrund der unterbliebenen Anhörung nach § 24 SGB X auch an einem formellen Fehler leidet, oder ob die Anhörung gemäß § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X entbehrlich war, weil damit lediglich einkommensabhängige Leistungen den geänderten Verhältnissen angepasst werden sollten, oder ob diese Vorschrift in den Fällen, in denen eine Aufhebung-/ Rücknahmeverfügung nach § 45 SGB X sowie gleichzeitig ein Erstattungsbescheid nach § 50 SGB X erlassen worden sind, keine Anwendung findet, weil sie gerade keine Anpassung im Sinne dieser Norm darstellen (so z.B. Franz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 24 SGB X (Stand: 01.12.2017), Rn. 52).

Nach alledem war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

 

 

Rechtskraft
Aus
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