L 2 SF 2522/21 EK AL

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungsklage bei überlanger Verfahrensdauer
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AL 2876/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SF 2522/21 EK AL
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Da sich ein Kostenfestsetzungsverfahren dadurch auszeichnet, dass in diesem nicht der Richter, sondern der Urkundsbeamte des Gerichts entscheidet (§ 197 Abs. 1 Satz 1 SGG), gerichtliche Ermittlungen im Sinne einer Sachaufklärung nicht durchzuführen sind und zur Berücksichtigung der geltend gemachten Kosten bereits deren Glaubhaftmachung genügt (§ 197 Abs. 1 Satz 2 SGG i.V.m. § 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO), ist es angemessen, bei Kostenfestsetzungsverfahren nach § 197 Abs. 1 SGG in Anlehnung an die Untätigkeitsklagefrist des § 88 Abs. 2 SGG in der Regel eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit von drei Monaten einzuräumen.

Die unangemessene Dauer des beim Sozialgericht Karlsruhe unter dem Aktenzeichen S 2 AL 2876/15 geführten Kostenfestsetzungsverfahrens wird festgestellt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu drei Viertel und der Beklagte zu einem Viertel zu tragen. 

Der Streitwert wird auf 2.395,52 € festgesetzt.
 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten wegen der Dauer eines Kostenfestsetzungsverfahrens über einen Entschädigungsanspruch der Klägerin nach dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGG).

Die Klägerin erhob am 7. September 2015 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) die Klage Aktenzeichen S 2 AL 2876/15, mit der sie die Gewährung von Insolvenzgeld für den Zeitraum 12. Dezember 2014 bis 6. Januar 2015 begehrte. Über diese Klage entschied das SG mit Urteil vom 13. Dezember 2017. Gegen dieses Urteil erhob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin für diese am 12. Januar 2018 Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung. Das Beschwerdeverfahren (L 13 AL 182/18 NZB) endete mit Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) vom 14. September 2018. Bezogen auf das Klageverfahren als Ausgangsverfahren und auch bezüglich des infolge des Klageverfahrens durchgeführten Kostenfestsetzungsverfahrens, welches Ausgangsverfahren dieses Entschädigungsklageverfahrens ist, führte die Klägerin eine Entschädigungsklage (L 2 SF 954/19 EK AL) vor dem LSG. Diese Entschädigungsklage nahm der Bevollmächtigte der Klägerin für diese am 12. August 2020 zurück.

Mit Schreiben vom 15. Januar 2018 – beim SG eingegangen am 19. Januar 2018 – beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bezogen auf das Klageverfahren S 2 AL 2876/15 Kostenfestsetzung. Dabei formulierte er: „... beantragen wir Kostenfestsetzung gemäß §§ 106 ff. ZPO ... Gesamtbetrag 1.688,67 €. Die Klägerin ist zum Vorsteuerabzug nicht berechtigt“. Am 29. Januar 2018 leitete das SG den Kostenfestsetzungsantrag zur Stellungnahme an die Beklagte verbunden mit einer Frist von vier Wochen weiter. Am 25. Januar 2018 ging die Mitteilung des LSG beim SG ein, dass gegen das Urteil vom 13. Dezember 2017 Nichtzulassungsbeschwerde erhoben worden sei; um umgehende Vorlage der Akten werde gebeten. Am 31. Januar 2018 übersandte das SG seine Akten an das LSG. Am 8. Februar 2018 ging die Stellungnahme der Beklagten beim SG ein, wonach eine Kostenübernahme (derzeit) nicht erfolgen könne, da das Urteil mit Nichtzulassungsbeschwerde angefochten worden sei; der Kostenfestsetzungsantrag sei für die Beklagte auch nicht nachvollziehbar. Mit Verfügung vom 9. Februar 2018 leitete das SG die Stellungnahme des Beklagten an den Klägerbevollmächtigten weiter; eine Stellungnahme wurde freigestellt. Am 20. September 2018 ging der Beschluss des LSG vom 14. September 2018 über die Nichtzulassungsbeschwerde (L 13 AL 182/18 NZB) verbunden mit der SG-Akte beim SG ein. Am 28. September 2018 ging das Schreiben der Beklagten beim SG ein, wonach die Beklagte ausgehend davon, dass sie die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten habe, für das Widerspruchs- und Klageverfahren 989,54 € an außergerichtlichen Kosten der Klägerin bereit sei zu tragen. Mit Schreiben vom 12. Oktober 2018 leitete das SG das den Kostenfestsetzungsantrag betreffende Schreiben der Beklagten an den Klägerbevollmächtigten weiter mit der Bitte um Stellungnahme, ob Einverständnis mit dem Vorschlag des Beklagten bestehe; wenn auf den Erlass eines Kostenfestsetzungsbeschlusses bestanden werde, werde um Stellungnahme und Darlegung gebeten, welche Gebühren bzw. Auslagen in welcher Höhe von dort als erstattungsfähig anerkannt würden und auf welche Bemessungskriterien der Ansatz der beantragten Gebühren gestützt werde. Am 20. November 2018 ging die Stellungnahme des Klägerbevollmächtigten beim SG ein; mit dem Vorschlag der Beklagten sei er nicht einverstanden.

Mit Schreiben vom 23. November 2018 machte der Klägerbevollmächtigte bei der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe bezogen auf das Klageverfahren S 2 AL 2876/15 eine Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer geltend. Auf Anforderung der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vom 26. November 2018 ging die SG-Akte am 13. Dezember 2018 bei dieser ein; diese leitete die Akte am 20. Dezember 2018 an die (zuständige) Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart weiter. Mit Schreiben vom 22. Februar 2019 an den Klägerbevollmächtigten lehnte die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart Ansprüche der Klägerin wegen überlanger Verfahrensdauer des Klageverfahrens ab. In Erwartung der Entschädigungsklage vor dem LSG behielt die Generalstaatsanwalt die SG-Akte. Am 15. März 2019 erhob der Klägerbevollmächtigte die Verzögerungsrüge das Kostenfestsetzungsverfahren betreffend. Am 18. März 2019 erhob er beim LSG die Entschädigungsklage zunächst nur das Klageverfahren betreffend, später auch das Kostenfestsetzungsverfahren miteinbeziehend. Die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart leitete am 23. April 2019 die SG-Akte an das LSG weiter. In der mündlichen Verhandlung am 12. August 2020 nahm der Klägerbevollmächtigte die Entschädigungsklage zurück. Die Aktenrückgabe seitens des LSG an das SG erfolgte am 21. August 2020. Das SG legte die SG-Akte weg. Mit Schreiben vom 15. Februar 2021 – eingegangen beim SG am 17. Februar 2021 – erhob der Klägerbevollmächtigte (erneut) für die Klägerin bezogen auf das Kostenfestsetzungsverfahren die Verzögerungsrüge. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 1. März 2021 – dem Klägerbevollmächtigten zugestellt am 15. März 2021 – setzte das SG die auf Antrag der Klägerin nach dem Urteil vom 13. Dezember 2017 durch die Beklagte zu erstattenden Kosten auf 989,54 € zuzüglich 5% Zinsen über dem Basiszinssatz ab 19. Januar 2018 fest.

Am 2. August 2021 hat die Klägerin eine Klage auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer des Kostenfestsetzungsverfahrens erhoben. Die Bearbeitungsfrist für Kostenfestsetzungsanträge betrage allenfalls sechs Monate. Die Rückforderung der SG-Akte seitens des SG vom LSG hätte spätestens am 30. April 2019 erfolgen müssen. Daraus ergäbe sich eine Verzögerung von 22 Kalendermonaten, nämlich vom 1. Mai 2019 bis 28. Februar 2021. Es stehe ihr daher eine Entschädigung in Höhe von 2.200,00 € zu. Es sei nicht vertretbar davon auszugehen, dass die SG-Akte wegen der Bearbeitung der Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Berufung bzw. wegen Bearbeitung der Entschädigungsklage beim LSG hätte verbleiben müssen; das SG hätte seine Akte zur Bearbeitung des Kostenfestsetzungsantrages anfordern müssen. Bezüglich des Kostenfestsetzungsantrages habe der Klägerbevollmächtigte die Klägerin vertreten; sie sei Antragstellerin gewesen. Dies werde schon darin deutlich, dass im Kostenfestsetzungsantrag aufgeführt sei, dass die Klägerin „zum Vorsteuerabzug nicht berechtigt sei“.

 

Die Klägerin beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 2.200,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit 28. Mai 2021 zu zahlen und

2. an die Klägerin weitere 195,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit 28. Mai 2021 zu zahlen.

 

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin sei schon nicht Verfahrensbeteiligte des Ausgangsverfahrens gewesen. Dies seien die Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin, nicht aber die Klägerin selbst gewesen. Verfahrensbeteiligter eines Kostenfestsetzungsverfahrens als eigenständigem Gerichtsverfahren sei der Antragsteller und der Antragsgegner. Das Kostenfestsetzungsverfahren weise gegenüber anderen Verfahrensordnungen die Besonderheit auf, dass nicht nur die Beteiligten des Hauptsacheverfahrens (oder der Bevollmächtigte in deren Namen), sondern ausdrücklich auch der Bevollmächtigte in eigenem Namen Kostenfestsetzung beantragen könnte. Es sei durch Auslegung zu ermitteln, wer als Antragsteller Beteiligter des Ausgangsverfahrens gewesen sei. Mit Anwaltsschriftsatz vom 15. Januar 2018 sei der Kostenfestsetzungsantrag gestellt worden, wobei es sich um einen Briefbogen der Rechtsanwälte B und N, welche die Klägerin vertreten hätten, gehandelt habe. Der Eingangssatz laute: „In der Rechtssache M gegen Bundesagentur für Arbeit beantragen wir Kostenfestsetzung gemäß §§ 106 ff. ZPO..“. Aufgrund der Verwendung des Wortes „wir“ und dem Fehlen eines Hinweises, dass der Antrag namens und/oder im Auftrag der Klägerin gestellt worden sei, sei der Antrag dahin auszulegen, dass Antragsteller im Ausgangsverfahren die Rechtsanwälte B und N gewesen seien, nicht aber die Klägerin. Daran, dass im Kostenfestsetzungsbeschluss der Antrag als solcher der Klägerin bezeichnet worden sei, sei das LSG nicht gebunden. Der Klägerin fehle damit die Klagebefugnis für die vorliegende Entschädigungsklage. Dass die Prozessbevollmächtigten der Klägerin diese im Hauptsacheverfahren zum Ausgangsverfahren vertreten hätten, sei mit Blick auf den Regelungsgehalt des § 197 Abs. 1 SGG, wonach die Prozessbevollmächtigten den Kostenfestsetzungsantrag im eigenen Namen stellen könnten, kein taugliches Indiz dafür, dass die Prozessbevollmächtigten den Antrag im Ausgangsverfahren namens der Klägerin gestellt hätten. Dagegen spräche im Übrigen gerade auch die anderslautende Formulierung der Verzögerungsrügen, die „für die Klägerin“ erhoben worden seien. Das Ausgangsverfahren habe auch nicht unangemessen lange gedauert. In den Zeiten vor dem 21. August 2020, in denen dem SG die Akten jeweils nur kurze Zeit vorgelegen hätten, sei als Kostenfestsetzungsverfahren jeweils ohne nennenswerte Verzögerungen vorangetrieben worden. Solange dem SG die Akten aus den vorstehend aufgezeigten Gründen (Beschwerdeverfahren, Entschädigungsklageverfahren) nicht vorgelegen hätten, hätte das Verfahren nicht vorangetrieben werden können. Dass die Akten zur Kostenfestsetzung kurzzeitig hätten zurückgegeben werden können, ändere nichts daran, dass es ebenso vertretbar gewesen sei, dies nicht zu tun, um die Akten jederzeit greifbar zu haben. Nach Rückgang der Akten am 21. August 2020 sei zwar ein Zeitraum der Inaktivität festzustellen, der aber mit rund sechs Monaten gerade noch im Rahmen liege und jedenfalls gemessen an der anzunehmenden untergeordneten Bedeutung des Ausgangsverfahrens den Schluss zulasse, dass das Ausgangsverfahren nicht unangemessen lang gedauert habe. Die Klägerin fordere eine Entschädigung allein wegen immaterieller Nachteile. Es sei aber davon auszugehen, dass der Klägerin keine immateriellen Nachteile erwachsen seien. Die Klägerin sei seit 1. Juli 2017 für den für sie allein in den genannten Verfahren vertretenen Prozessbevollmächtigten tätig. Das aus der beruflichen Zusammenarbeit resultierende Nähe- und Vertrauensverhältnis lege nahe, dass der Prozessbevollmächtigte für die Klägerin schon im Hauptsacheverfahren „pro bono“ tätig geworden sei und allenfalls die zu Gunsten der Klägerin festgesetzte Kosten erhalten sollte. Es erscheine schwer vorstellbar, dass die Klägerin die Differenz zwischen den beantragten Kosten in Höhe von 1.688,67 € und den durch die Beklagte zu erstattenden Kosten in Höhe von 989,54 € zuzüglich Zinsen von rund 700,00 € aus eigener Tasche an den Prozessbevollmächtigten bezahlt habe. Der Klägerin habe unter diesen naheliegenden Umständen die Dauer und das Ergebnis des Ausgangsverfahrens egal sein können, sodass ihr mangels psychischer Belastung ein immaterieller Nachteil nicht entstanden sei. Bei einem unterstellten immateriellen Nachteil sei Wiedergutmachung auf andere Weise, insbesondere durch die Feststellung der unangemessenen Verfahrensdauer zu leisten.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung mit Schreiben vom 22. Februar 2022 (Beklagter) und 2. März 2022 (Klägerin) zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Gerichtsakte des SG und der beigezogenen Gerichtsakte des LSG, die Gegenstand der Beratung waren.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte aufgrund der Zustimmung der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die Klage hat teilweise Erfolg.

Das Landessozialgericht ist für die erhobene Klage zuständig (§ 51 Abs. 1 Nr. 10, § 202 Satz 2 SGG i.V.m. den §§ 198 ff Gerichtsverfassungsgesetz – GVG -), da es sich bei dem Ausgangsverfahren um ein Verfahren aus dem Bereich der Sozialgerichtsbarkeit handelt.

Die Entschädigungsklage, mit der die Überlänge des Kostenfestsetzungsverfahrens nach § 197 Abs. 1 SGG geltend gemacht wird, ist statthaft.

Die Klägerin begehrt Entschädigung allein für die Verzögerung, die nach Erledigung des Hauptsacheverfahrens (S 2 AL 2876/15) im Rahmen der noch zu treffenden Kostenfestsetzungsentscheidung vor dem SG eingetreten ist. Dies steht der Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs im Rahmen einer Entschädigungsklage in Bezug auf dieses Verfahren nicht entgegen.

Denn das sich regelmäßig an die Erledigung der Hauptsache anschließende Verfahren nach § 197 SGG stellt ein eigenständiges Gerichtsverfahren im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG dar (so bereits ausführlich: Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 10. Juli 2014 - B 10 ÜG 8/13 R - Juris Rr. 16 ff.). Gerichtliches Verfahren im Sinne von § 198 Abs. 1 GVG ist nach der in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG enthaltenen Legaldefinition jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe. Davon wird auch das Verfahren zur Herbeiführung der Kostenfestsetzungsentscheidung nach § 197 SGG erfasst. Das Kostenfestsetzungsverfahren ist nicht Teil des vorangegangenen Hauptsacheverfahrens, sondern beinhaltet ein chronologisch nachgeordnetes Verfahren. Entscheidend für diese Wertung ist zudem, dass mit dem Kostenfestsetzungsantrag nach § 197 SGG ein anderer Anspruch zum Gegenstand einer Entscheidung des Gerichts gemacht wird, der unabhängig vom Streitgegenstand des vorangegangenen Klageverfahrens ist.

Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere sind sowohl die Wartefrist des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG als auch die Klagefrist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG gewahrt. Nach § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG kann eine Entschädigungsklage frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Diese Wartefrist hat die Klägerin eingehalten. Denn ihre Verzögerungsrügen sind am 17. März 2019 bzw. 17. Februar 2021 beim Ausgangsgericht eingegangen und Entschädigungsklage hat sie am 2. August 2021 erhoben. Damit ist die Wartefrist des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG jedenfalls bezüglich der ersten Verzögerungsrüge gewahrt. Die Klageerhebung erfolgte auch innerhalb der Klagefrist. Nach § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG muss die Entschädigungsklage spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Ausgangsverfahren beendet, oder eines anderen Erledigungsverfahrens erhoben werden. Die Klagefrist begann mit rechtskräftigem Abschluss des Kostenfestsetzungsverfahrens, zu der es mit Zustellung (nicht angefochtenen) Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 1. März 2021 am 15. März 2021 gekommen ist. Die Entschädigungsklage ist am 2. August 2021 und damit innerhalb von sechs Monaten erhoben worden.

Die Zulässigkeit der Entschädigungsklage scheitert auch nicht an einer fehlenden Klagebefugnis der Klägerin. Die Klagebefugnis bedeutet die Möglichkeit der Verletzung eigener Rechte im Sinne einer formellen Beschwer durch ein in die eigene Rechtssphäre eingreifendes (Verwaltungs-)Handeln – vorliegend im Sinne einer überlangen Verfahrensdauer des Kostenfestsetzungsverfahrens durch das SG – (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, 13. Aufl., § 54 Rr. 9). Von der gegebenen Klagebefugnis der Klägerin ist auszugehen und diesbezüglich wird auf die im Weiteren folgenden Ausführungen zur „Aktivlegitimation“ der Klägerin verwiesen.

Die Klage ist auch zum Teil begründet.

Die Klägerin ist „aktiv legitimiert“, also materiell berechtigt für einen möglichen Entschädigungsanspruch gemäß § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG. Die Aktivlegitimation für einen möglichen Entschädigungsanspruch besteht bei dem, wer Verfahrensbeteiligter des Ausgangsverfahrens war, auf dessen Überlänge der Entschädigungsanspruch gestützt wird. Die damit verbundene Frage der personellen Reichweite des ÜGG hat der Gesetzgeber durch die Legaldefinition des § 198 Abs. 6 Nr. 2 GVG beantwortet. Danach ist Verfahrensbeteiligter im Sinne von § 198 GVG jede Partei und jeder Beteiligter eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind. Maßgebend ist demnach die Beteiligungsstellung in dem (als überlang monierten) Ausgangsverfahren. Insofern weist das Kostenfestsetzungsverfahren gemäß § 197 SGG die Besonderheit auf, dass nicht nur die Beteiligten des vorausgegangenen Hauptsacheverfahrens, sondern auch deren Bevollmächtigte antragsberechtigt sind (vgl. BSG, Urteil vom 10. Juni 2014 - B 10 ÜG 8/13 R - Juris Rr. 28; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, 13. Aufl., § 197 Rr. 4 m.w.N.). Ob vorliegend der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im eigenen Namen oder für die Klägerin den Kostenfestsetzungsantrag am 19. Januar 2018 beim SG gestellt hat, ist durch die gegebenen Auslegungsgrundsätze festzustellen. Dabei gilt diesbezüglich, dass im Zweifel davon auszugehen ist, dass der Prozessbevollmächtigte für den Beteiligten des dem Kostenfestsetzungsantrag zugrundeliegenden Hauptsacheverfahrens – hier die Klägerin – den Antrag gestellt hat (vgl. B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, a.a.O.). Vorliegend hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Kostenfestsetzungsantrag mit dem Briefkopf Rechtsanwälte B und N gestellt, wobei er formuliert hat, „...beantragen wir Kostenfestsetzung ..“. Der Kostenfestsetzungsantrag endet damit, dass die Klägerin zum Vorsteuerabzug nicht berechtigt sei. Zutreffend weist der Beklagte in dieser Hinsicht zwar darauf hin, dass z.B. in den vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin erhobenen Verzögerungsrügen die Formulierung verwendet worden ist, dass „... für die Klägerin Verzögerungsrüge erhoben wird“. Zutreffend weist der Beklagte weiter darauf hin, dass sich das Wort „wir“ im Kostenfestsetzungsantrag auf die damaligen beiden Prozessbevollmächtigten Rechtsanwälte B und N beziehen könne. Letztlich kann sich das Wort „wir“ im Kostenfestsetzungsantrag aber auch auf die Klägerin und ihre Prozessbevollmächtigten beziehen. Zutreffend verweist der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auch darauf, dass im Kostenfestsetzungsantrag am Ende die Klägerin genannt ist, indem ausgeführt, wird, dass „die Klägerin zum Vorsteuerabzug nicht berechtigt ist“. Schließlich umfasst die vom Prozessbevollmächtigten vorgelegte Vollmacht vom 22. Mai 2015 auch die Vertretung der Klägerin im Kostenfestsetzungsantrag. Deshalb geht der Senat zugunsten der Klägerin und bei noch diesbezüglich gegebenen Zweifeln davon aus, dass die damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin den Kostenfestsetzungsantrag für die Klägerin gestellt haben. Deshalb ist von der Aktivlegitimation  der Klägerin für das Entschädigungsklageverfahren auszugehen.

Anspruchsgrundlage für den eingeklagten Entschädigungsanspruch wegen unangemessener Dauer eines sozialgerichtlichen Verfahrens ist § 202 Satz 2 SGG i.V.m. § 198 GVG. Danach wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet (§ 198 Abs.1 Satz 1 GVG). Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Entschädigung wird für materielle oder immaterielle Schäden geleistet, wobei die Klägerin vorliegend ausschließlich eine Entschädigung für immaterielle Schäden begehrt. Die Geltendmachung immaterieller Schäden erleichtert das Gesetz, indem es einerseits bei unangemessener Verfahrensdauer einen immateriellen Schaden vermutet (§ 198 Abs. 2 Satz 1 GVG) und andererseits dessen Höhe in der Regel bei 1.200,00 € für jedes Jahr der Verzögerung ansetzt (§ 198 Abs. 2 Sätze 3 und 4 GVG). Entschädigung enthält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (§ 198 Abs. 3 GVG).

Die erforderliche Verzögerungsrüge für den eingeklagten Entschädigungsanspruch hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin für diese im Kostenfestsetzungsverfahren am 17. März 2019 bzw. 17. Februar 2021 erhoben. Die diesbezüglichen Schriftsätze sind eindeutig jeweils mit „Verzögerungsrüge“ überschrieben.

Das mit dem Kostenfestsetzungsantrag am 19. Januar 2018 in Gang gesetzte Kostenfestsetzungsverfahren vor dem SG war von unangemessener Dauer im Sinne des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG. Es besteht eine Überlänge des Kostenfestsetzungsverfahrens von 23 Monaten.


Nach der Rechtsprechung des BSG erfolgt die Prüfung der (Un)Angemessenheit der Verfahrensdauer im Sinn des § 198 Abs. 1 GVG in drei Schritten (vgl. Urteil vom 3. September 2014 - B 10 ÜG 2/13 -; Urteil vom 5. Mai 2015 - B 10 ÜG 8/14 R -, beide veröffentlicht in Juris):

(1.) Ausgangspunkt und erster Schritt bildet die Feststellung der im § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definierten Gesamtdauer des Gerichtsverfahrens von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss, auch wenn dieses über mehrere Instanzen oder bei verschiedenen Gerichten geführt worden ist. Kleinste relevante Zeiteinheit ist hierbei der Kalendermonat.

(2) In einem zweiten Schritt ist der Ablauf des Verfahrens an den von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannten Kriterien zu messen. Dabei ist zu beachten, dass die Verfahrensführung des Ausgangsgerichts vom Entschädigungsgericht nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit zu überprüfen ist.

(3) Auf dieser Grundlage ergibt erst die wertende Gesamtbetrachtung und Abwägung aller Einzelfallumstände in einem dritten Schritt, ob die Verfahrensdauer die äußerste Grenze des Angemessenen deutlich überschritten und deshalb das Recht auf Rechtsschutz in angemessener Zeit verletzt hat. Dabei billigt das BSG den Ausgangsgerichten eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit von bis zu zwölf Monaten je Instanz zu, die für sich genommen noch nicht zu einer unangemessenen Verfahrensdauer führt.

(zu 1) Die relevante Gesamtdauer des Ausgangsverfahrens betrug 37 Monate. Das Verfahren begann mit der Stellung des Kostenfestsetzungsantrags am 19. Januar 2018 und endete mit der Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses am 15. März 2021.

(zu 2) Bei der Messung des Ablaufs des Ausgangsverfahrens an den Kriterien des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ist folgendes festzustellen:

Das Ausgangsverfahren (Kostenfestsetzungsverfahren) wies einen deutlich unterdurchschnittlichen, allerdings nicht gänzlich geringfügigen Schwierigkeitsgrad auf. Es stellten sich in der nach Erledigung der Hauptsache zu treffenden Kostenfestsetzungsentscheidung im Ausgangsverfahren weder ungeklärte Tatsachen noch erhebliche Rechtsfragen. Eine gewisse Schwierigkeit des Verfahrens ergab sich allerdings daraus, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auch die Festsetzung einer „Geschäftsgebühr (Ausgangsverfahren)“ beantragte, wobei zwar gemäß § 193 Abs. 2 SGG nur die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung entstandenen Kosten erstattungsfähig sind, wobei entsprechend bei der Kostenfestsetzung nach § 197 Abs. 1 SGG zu prüfen ist, ob die geltend gemachten Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren; dabei sind die gesetzlichen Gebühren und die notwendigen Auslagen eines Rechtsanwalts gemäß § 193 Abs. 3 SGG stets erstattungsfähig. In diesen Fällen ist daher die Prüfung, ob die durch die Hinzuziehung des Rechtsanwalts entstandenen Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtserteilung notwendig waren, entbehrlich. Die Prüfung verlagert sich in diesen Fällen auf die Ebene, ob es sich bei den von  dem Rechtsanwalt geltend gemachten Gebühren um die gesetzlich vorgesehenen Gebühren handelt und ob die geltend gemachten Auslagen notwendig im Sinne des § 193 Abs. 2 SGG waren. Allerdings sind auch die Kosten, die durch die vorherige Durchführung eines gesetzlich vorgeschriebenen Vorverfahrens entstanden sind, nach § 197 Abs. 1 SGG festsetzungsfähig, sofern sich an das Vorverfahren ein gerichtliches Verfahren angeschlossen hat. Die Kosten des Vorverfahrens gehören in diesen Fällen aufgrund des Grundsatzes der Kosteneinheit zu den Kosten des gerichtlichen Verfahrens (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2016 - B 14 AS 50/15 R -, veröffentlicht in Juris). Die Kostengrundentscheidung des Gerichts - hier im Urteil des SG vom 13. Dezember 2017 (S 2 AL 2876/15) - erfasst in dem Fall, in dem dem gerichtlichen Verfahren ein Verfahren vorausgegangen ist, die gesamten Kosten des Vorverfahrens. Deshalb ist nachvollziehbar, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Kostenfestsetzungsantrag unter Ziff. 3 eine Geschäftsgebühr für das Widerspruchsverfahren zur Festsetzung beantragt hat. Unklar ist diesbezüglich allerdings, was unter Ziff. 1 mit „Geschäftsgebühr (Ausgangsverfahren) gemeint ist oder ob diese festsetzungsfähig war. Nachvollziehbar hat das SG in seinem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 1. März 2021 diese beantragte Geschäftsgebühr nicht festgesetzt. Hieraus resultiert jedoch der nicht gänzlich geringfügige Schwierigkeitsgrad des Kostenfestsetzungsverfahrens. Hinzu kam im vorliegenden Fall die rechtlich nicht unbedeutende Schwierigkeit, dass im Zeitpunkt des Antrags der Klägerin auf Kostenfestsetzung am 19. Januar 2018 noch keine endgültige Kostengrundentscheidung nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG vorlag, da die Beklagte im Klageverfahren am 12. Januar 2018 beim LSG Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des SG vom 13. Dezember 2017 erhoben hat und erst mit Rechtskraft des Beschlusses des LSG vom 14. September 2018 über diese Beschwerde eine endgültige Kostengrundentscheidung für den Kostenfestsetzungsantrag vorgelegen hat.

ie Bedeutung des Ausgangsverfahrens war gänzlich unterdurchschnittlich und völlig untergeordnet. Die für die Beurteilung der Verfahrensdauer relevante Bedeutung des Verfahrens ergibt sich aus der allgemeinen Tragweite der Entscheidung für die materiellen und ideellen Interessen der Beteiligten. Zur Bedeutung der Sache im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG trägt dabei im Kontext des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz maßgeblich das Interesse des Betroffenen gerade an einer raschen Entscheidung bei. Entscheidend ist deshalb auch, ob und wie sich der Zeitablauf nachteilig auf die Verfahrensposition des Klägers und das geltend gemachte materielle Recht sowie möglicherweise auf seine weiteren geschützten Interessen auswirkt (vgl. BSG, Urteil vom 13. September 2014 – a.a.O. -).

Die Klägerin begehrte nach dem Urteil des SG vom 13. Dezember 2017 die Festsetzung von Kosten der Rechtsverfolgung in diesem Verfahren. Die materiellen Interessen der Klägerin waren dabei davon geprägt, dass das SG in seinem Urteil vom 13. Dezember 2017 die Beklagte dazu verurteilt hat, der Klägerin (sämtliche) außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Immaterielle Interessen der Klägerin im Hinblick auf die möglichst zügige Kostenfestsetzung sind weder dargelegt noch nachvollziehbar. Im Hinblick auf eine mögliche Verursachung immaterieller Nachteile ist ein Kostenfestsetzungsverfahren nach Erledigung des vorangegangenen Hauptsacheverfahrens für dessen Beteiligte im Allgemeinen von untergeordneter Bedeutung (vgl. BSG, Urteil vom 10. Juli 2014 - B 10 ÜG 8/13 R -, veröffentlicht in Juris). Besondere Umstände, die gegen diese Erwägung im Allgemeinen sprechen, liegen hier nicht vor. Zwar handelt es sich bei den geltend gemachten Gebühren und Auslagen von insgesamt 1.688,67 € um einen erheblichen Geldbetrag. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass – wie bereits ausgeführt – das SG in seinem Urteil vom 13. Dezember 2017 – wenn auch zum Zeitpunkt des Kostenfestsetzungsantrages noch nicht endgültig – die Beklagte verpflichtet hat, der Klägerin (sämtliche) außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Mit dem rechtskräftigen Beschluss des LSG vom 14. September 2018, zugestellt an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 26. September 2018, stand somit bereits nach sieben Monaten – der Monat ist im Entschädigungsklageverfahren die kleinste zu zählende Zeiteinheit – fest, dass die Beklagte der Klägerin (sämtliche) außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens, auf welche sich der Kostenfestsetzungsantrag bezogen hat, zu erstatten hatte. Diesbezüglich ist für die gänzlich unterdurchschnittliche und völlig untergeordnete Bedeutung des Ausgangsverfahrens für die Klägerin miteinzubeziehen, dass die Klägerin ihrem Prozessbevollmächtigten, zu dem ein Anstellungsverhältnis besteht, für seine rechtsanwaltliche Vertretung tatsächlich keinerlei Zahlung geleistet hat bzw. ihr für die anwaltliche Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten im Klageverfahren  keine Rechnung gestellt wurde, die über den im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 1. März 2021 festgesetzten Betrag hinausging. Somit war von vornherein zwischen der Klägerin und ihrem Prozessbevollmächtigten klar, dass ihr Prozessbevollmächtigter ausschließlich den Betrag für seine rechtsanwaltliche Tätigkeit im Klageverfahren für die Klägerin erhalten sollte, welchen das SG in seinem Kostenfestsetzungsbeschluss ausgehend von der Kostengrundentscheidung des SG in seinem Urteil vom 13. Dezember 2017, dass die Beklagte die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen hatte, festgesetzt hat. Dies bestätigt der diesbezügliche Verfahrensablauf. Mit Schriftsatz vom 15. Januar 2018 beantragten die Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin, die Kosten auf 1.688,67 € festzusetzen. Mit Beschluss vom 1. März 2021 wurden die Kosten auf 989,54 € nebst Zinsen festgesetzt. Erst danach und auch erst nach Eingang der Zahlung der Bundesagentur für Arbeit wurde erst die Kostenrechnung vom 18. März 2021 an die Klägerin gestellt, und zwar genau über den Betrag aus dem Beschluss vom 1. März 2021, und nicht etwa über den Betrag in Höhe von 1.688,67 € aus dem Kostenfestsetzungsantrag vom 15. Januar 2018. Der Ausgang des Kostenfestsetzungsverfahrens war somit für die Klägerin in finanzieller Hinsicht von keinerlei Bedeutung.

Das prozessuale Verhalten eines Verfahrensbeteiligten, das nach § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer ebenfalls mit zu berücksichtigen ist, hat vorliegend zu keiner Verzögerung des Kostenfestsetzungsverfahrens beigetragen.

Darüber hinaus hängt eine Verletzung des Anspruchs auf Rechtsschutz in angemessener Zeit wesentlich davon ab, ob dem Staat zurechenbare Verhaltensweisen des Gerichts zur Überlänge des Verfahrens geführt haben. Maßgeblich sind Verzögerungen, also sachlich nicht gerechtfertigte Zeiten des Verfahrens, insbesondere aufgrund von Untätigkeit des Gerichts (vgl. BSG, Urteil vom 3. September 2014 – a.a.O.). Solche Verzögerungen lagen in dem Ausgangsverfahren wie folgt vor:

Im Kostenfestsetzungsverfahren ist eine gerichtliche Inaktivität von 26 Monaten, nämlich von Januar 2019 bis einschließlich Februar 2021 festzustellen. Nach Eingang des Kostenfestsetzungsantrags am 19. Januar 2018 hat das SG dieses Verfahren während des gesamten Jahres 2018 verfahrensfördernd in der Hinsicht beanstandungsfrei betrieben. Dabei fällt zu Lasten des SG nicht ins Gewicht, dass es nach Erhebung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des SG vom 13. Dezember 2017 am 12. Januar 2018 im Januar 2018 die SG-Akte an das LSG übersandt hat und jedenfalls ab März 2018 bis Rückgabe der SG-Akte nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens mit Beschluss des LSG vom 14. September 2018 am 20. September 2018 eine „Inaktivität“ den Kostenfestsetzungsantrag betreffend vorliegt. Denn notwendige Grundlage für die Entscheidung über den Kostenfestsetzungsantrag war eine (endgültige) Kostengrundentscheidung im Klageverfahren. Diese lag aber erst mit Zustellung des Beschlusses des LSG im Beschwerdeverfahren am 26. September 2018 an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin vor. Dass dies vom SG im Sinne der Entscheidung über den Kostenfestsetzungsantrag abgewartet wurde, ist rechtlich begründet und insofern im Sinne einer überlangen Verfahrensdauer dem SG nicht vorzuhalten. Ab Januar 2019 allerdings bis einschließlich Februar 2021 – der Kostenfestsetzungsbeschluss erging am 1. März 2021 – liegen sachlich nicht gerechtfertigte Zeiten der Inaktivität des Kostenfestsetzungsverfahrens vor. Nachdem der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 23. November 2018 bei der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe einen Entschädigungsanspruch wegen überlanger Verfahrensdauer des Klageverfahrens geltend gemacht hatte, forderte dieser unter dem 26. November 2018 die Akten beim SG an, welche am 20. Dezember 2018 von dieser an die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart – die das Land Baden-Württemberg in dieser Hinsicht vertritt – weitergereicht wurden. Sodann verblieben die Akten des SG bei der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart bzw. nach Erhebung der Entschädigungsklage am 18. März 2019 beim LSG bei diesem. Nach Rücknahme dieser Entschädigungsklage in der mündlichen Verhandlung am 12. August 2020 gelangte die Akte des SG am 21. August 2020 an das SG zurück; dieses – den noch offenen Kostenfestsetzungsantrag übersehend – legte die Akten weg. Erst mit Erhebung der Verzögerungsrüge am 15. Februar 2021 nahm das SG das Kostenfestsetzungsverfahren wieder auf und entschied mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 1. März 2021 über den Kostenfestsetzungsantrag der Klägerin. Somit war das SG in dem Zeitraum von Januar 2019 bis einschließlich Februar 2021 in dem Kostenfestsetzungsverfahren inaktiv. Dabei dringt der Beklagte nicht damit durch, dass das Kostenverfahren nicht hätte vorangetrieben werden können, solange dem SG die Akten nicht vorgelegen hätten, nicht durch. Der Beklagte ist diesbezüglich der Auffassung, dass zwar die Akten zur Kostenfestsetzung kurzzeitig hätten zurückgefordert werden können, was aber nichts daran ändere, dass es ebenso vertretbar gewesen sei, dies nicht zu tun, um die Akten jederzeit – bei der Generalstaatsanwalt Stuttgart bzw. beim LSG – greifbar zu haben. Dass aber die SG-Akten tatsächlich dem SG zur Bearbeitung des Kostenfestsetzungsantrages nicht zur Verfügung standen, vermag den Beklagten insofern nicht zu entlasten, als gerade die im März 2019 erhobene Verzögerungsrüge der Klägerin Anlass gab, in geeigneter Weise trotzdem den Fortgang des Kostenfestsetzungsverfahrens zu ermöglichen. Es wäre dem SG jederzeit möglich und im Sinne einer Verfahrensförderung des Kostenfestsetzungsverfahrens angezeigt gewesen, die Akten von der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart bzw. dem LSG kurzfristig für die weitere Bearbeitung des Kostenfestsetzungsantrages zurückzufordern; eine relevante Verzögerung der Bearbeitung des bei der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart geltend gemachten Entschädigungsanspruchs das Klageverfahren betreffend bzw. eine relevante Verzögerung der Bearbeitung der Entschädigungsklage beim LSG war dadurch nicht zu befürchten.

Zwar ist – wie ausgeführt – dadurch eine gerichtliche Inaktivität von 26 Monaten feststellbar. Wird hiervon aber die dem SG zuzubilligende Vorbereitungs-Bedenkzeit, die für das Kostenfestsetzungsverfahren gilt, abgezogen, ist eine Unangemessenheit der Dauer des Kostenfestsetzungsverfahrens (nur) von 23 Monaten festzustellen.

Grundsätzlich ist jeder Instanz des Ausgangsverfahrens eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit zuzubilligen, die nicht durch konkrete Verfahrensförderungsschritte begründet und gerechtfertigt werden muss (vgl. BSG, Urteil vom 3. September 2014, a.a.O.). Diese Vorbereitungs- und Bedenkzeit kann am Anfang, in der Mitte oder am Ende der jeweiligen Instanz liegen und in mehrere, insgesamt zwölf Monate nicht übersteigende Abschnitte unterteilt sein (BSG, a.a.O.). Die Zeitspanne von zwölf Monaten ist zwar regelmäßig zu akzeptieren; nach den besonderen Umständen des Einzelfalls kann aber ausnahmsweise eine kürzere oder gar keine Vorbereitungs- und Bedenkzeit anzusetzen sein (vgl. BSG, a.a.O.). Dies gilt insbesondere bei überdurchschnittlich langer Gesamtdauer des Ausgangsverfahrens – denn je länger das Verfahren insgesamt dauert, umso mehr verdichtet sich die Pflicht des Ausgangsgerichts, sich nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens und dessen Beendigung zu bemühen (vgl. BSG, Urteil vom 12. Februar 2015 – B 10 ÜG 1/13 R -, veröffentlicht in Juris).

Anlass, die Zeitspanne von zwölf Monaten zu reduzieren, besteht vorliegend bezüglich des Kostenfestsetzungsverfahrens. Denn ein Kostenfestsetzungsverfahren zeichnet sich bereits dadurch aus, dass in diesen nicht der Richter, sondern der Urkundsbeamte des Gerichts entscheidet (§ 197 Abs. 1 Satz 1 SGG), dass gerichtliche Ermittlungen im Sinne einer Sachaufklärung nicht durchzuführen sind und dass zur Berücksichtigung der geltend gemachten Kosten bereits deren Glaubhaftmachung genügt (§ 197 Abs. 1 Satz 2 SGG i.V.m. § 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Vor diesem Hintergrund hält es der Senat für angemessen, bei Kostenfestsetzungsverfahren nach § 197 Abs.1 SGG in Anlehnung an die Untätigkeitsklagefrist des § 88 Abs. 2 SGG in der Regel eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit von drei Monaten einzuräumen (so bereits: LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 8. Juni 2016 – L 12 SF 9/14 EK AS; Urteil vom 11. November 2015 – L 12 SF 31/15 EK AS; Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 22. Januar 2018 – L 11 SF 45/16 EK; alle veröffentlicht in Juris).

Der Klägerin ist nicht gemäß § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG für jeden Monat der unangemessenen Verfahrensdauer für die von ihr erlittenen immateriellen Nachteile eine Entschädigung in Geld von 100,00 € monatlich zuzusprechen, da die Nachteile auf andere Weise wiedergutgemacht werden können (§ 198 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 4 GVG).

Für einen Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, kann nach § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalls Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG, insbesondere durch (bloße) gerichtliche Feststellung einer unangemessenen Verfahrensdauer, ausreichend ist. Eine Wiedergutmachung des Nichtvermögensschadens auf andere Weise nach § 198 Abs. 4 GVG ist hier ausreichend. Nach § 198 Abs. 4 Satz 3 GVG kann das Entschädigungsgericht die bloße Feststellung der Überlänge des Ausgangsverfahrens aussprechen, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des § 198 Abs. 3 GVG nicht erfüllt sind; davon umfasst sind vor allem die Fälle, in denen eine Entschädigung nicht beansprucht werden kann, weil die Verzögerungsrüge zu früh oder gar nicht erhoben wurde. Sind dagegen alle Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch erfüllt, kommt eine Kompensation des Nichtvermögensschadens durch die bloße Feststellung der Überlänge ausnahmsweise auch dann in Betracht, etwa wenn das Ausgangsverfahren für den Entschädigungskläger keine besondere Bedeutung hatte oder dieser durch sein Verhalten erheblich zur Verlängerung des Verfahrens beigetragen hat (vgl. BSG, Urteil vom 12. Februar 2015, a.a.O.; Urteil vom 21. Februar 2013 – B 10 ÜG 1/12 KL -, beide veröffentlicht in Juris). Dies ist hier insoweit der Fall, als das Ausgangsverfahren für die Entschädigungsklägerin objektiv eine geringe Bedeutung hatte. Für die Bedeutung des Verfahrens ist ausschließlich der Maßstab objektivierter Betrachtung entscheidend (vgl. BSG, Urteil vom 7. September 2017 – B 10 ÜG 1/16 R -, veröffentlicht in Juris). Diesbezüglich wird auf die obigen Ausführungen zur gänzlich unterdurchschnittlichen und völlig untergeordneten Bedeutung des Ausgangsverfahrens verwiesen, zumal Kostenfestsetzungsverfahren nach Erledigung der vorangegangenen Hauptsache für den Beteiligten ohnehin  im Allgemeinen von untergeordneter Bedeutung sind und insoweit nach den Umständen des Einzelfalls regelmäßig Wiedergutmachung auf andere Weise ausreichend ist (vgl. BSG, Urteil vom 10. Juli2014,  a.a.O.; Bayerisches LSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 – L 8 SF 128/12 EK -, veröffentlicht in Juris; ebenso im Ergebnis: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. November 2016 – L 37 SF 247/14 EK KR -, veröffentlicht in Juris; Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 22. Januar 2018 – L 11 SF 45/16 EK -, veröffentlicht in Juris). Besondere Umstände, die gegen diese Erwägung sprechen, liegen hier nicht vor. Im Gegenteil liegen hier ganz besondere Umstände vor, die für diese Erwägung sprechen. Diesbezüglich wird nochmals auf die obigen Ausführungen in der Hinsicht verwiesen, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin offensichtlich für seine rechtsanwaltliche Tätigkeit im Klageverfahren vor dem SG nur den im Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Betrag erhalten sollte und deshalb das (finanzielle) Interesse der Entschädigungsklägerin am Ausgang des Kostenfestsetzungsverfahrens ausgehend von der Kostenentscheidung des SG in seinem Urteil vom 13. Dezember 2017 bei Null lag.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und § 201 Abs. 4 GVG.

Nach § 201 Abs. 4 GVG entscheidet das Gericht über die Kosten nach billigem Ermessen, wenn – wie hier – ein Entschädigungsanspruch nicht oder nicht in der geltend gemachten Höhe besteht, aber eine unangemessene Verfahrensdauer festgestellt wird. Dabei hält der Senat es im konkreten Fall für billig, dass die festgestellte Unangemessenheit der Verfahrensdauer es rechtfertigt, von einem teilweisen Obsiegen bzw. Unterliegen der Beteiligten auszugehen. Für die Klägerin stand offensichtlich ein Entgelt für den zu entschädigenden immaterieller Nachteil im Vordergrund ihres Klagebegehrens. Die festgestellte Unangemessenheit der Dauer des Kostenfestsetzungsverfahrens ist demgegenüber eher von untergeordneter Bedeutung. Zwar dient der Feststellungsanspruch nach der menschenrechtlichen Konzeption der §§ 198 ff. GVG ebenso der Genugtuung für die erlittenen immateriellen Nachteile eines unangemessen verzögerten Gerichtsverfahrens, ebenso wie auch die Zuerkennung einer Geldentschädigung. Dennoch ist bei der Kostenquote zu beachten, dass die Klägerin ihr maßgebliches Ziel – die Entschädigung in Geld – nicht erreicht hat. Insoweit hält der Senat eine Kostentragung des Beklagten von einem Viertel für gerechtfertigt.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 3 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes.

 

Rechtskraft
Aus
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