SOZIALGERICHT ALTENBURG
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Rechtsstreit
………..,
………….
- Klägerin -
gegen
……………
……………
…………..,
……………
- Beklagter -
hat die 25. Kammer des Sozialgerichts Altenburg durch ihren Vorsitzenden, Richter am Sozialgericht Wohlfart, sowie die ehrenamtliche Richterin Zänker und den ehrenamtlichen Richter Kupfer ohne mündliche Verhandlung am 16. Juni 2020 für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Gewährung von Kindergeld für sich selbst.
Die 1998 geborene Klägerin ist somalische Staatsangehörige. Am 9. Juni 2017 wurde ihr die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt.
Die Klägerin beantragte am 21. Juni 2017 die Gewährung von Kindergeld für sich selbst. Im Antrag gab sie an, ihr Vater sei 2015 verstorben und der Aufenthaltsort ihrer Mutter in Somalia sei ihr nicht bekannt. Ein Aufgebotsverfahren wegen Verschollenheit sei nicht beantragt worden. Bemühungen, den Aufenthaltsort der Mutter festzustellen, habe sie nicht unternommen.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 24. Mai 2018 ab und begründete dies mit fehlenden Bemühungen der Klägerin, den Aufenthaltsort der Mutter festzustellen.
Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie trug vor, aufgrund ihrer sehr begrenzten Deutschkenntnisse und kaum vorhandenen Schulbildung sei es ihr nicht möglich, Behörden, Botschaft oder das Deutsche Rote Kreuz einzuschalten. Beim hiesigen Schriftwechsel habe eine deutsche Freundin geholfen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. August 2018 zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, Anspruch auf Kindergeld für sich selbst habe nach § 1 Abs. 2 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) nur, wer Vollwaise sei oder den Aufenthalt seiner Eltern nicht kenne. Die Unkenntnis des Aufenthalts der Eltern sei nach den subjektiven Maßstäben des Kindes zu beurteilen. Dabei sei jedenfalls eine missbräuchliche Nichtkenntnis einer Kenntnis i. S. d. § 1 Abs. 2 Nr. 2 BKGG gleichzustellen. Eine solche missbräuchliche Unkenntnis liege vor. Die Klägerin habe keine Bemühungen unternommen, den Aufenthaltsort der Mutter ausfindig zu machen. Sie habe nicht erläutert, woher es ihr bekannt sei, dass die Mutter keinen festen Wohnsitz habe, da sie auf der Flucht sei. Es seien weder Verwandte, Bekannte noch Behörden in Deutschland, die auf die Ausfindigmachung der Eltern spezialisiert sind, eingeschaltet.
Dagegen richtet sich die am 29. August 2018 erhobene Klage. Die Klägerin ist der Ansicht, sie erfülle die Voraussetzung, dass sie den Aufenthalt ihrer Eltern nicht kenne. Es sei nicht ersichtlich, wo und durch wen sie sich bestätigen lassen solle, dass ihre Mutter unter den derzeitigen Umständen in Somalia nicht ausfindig zu machen sei. Sie habe alles in ihren Kräften Stehende getan, um den Aufenthaltsort ihrer Mutter in Erfahrung zu bringen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 24. Mai 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2018 abzuändern und die Beklagte dem Grunde nach zu verurteilen, ihr Kindergeld ab Juni 2017 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie wiederholt und vertieft ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsbescheid.
Entscheidungsgründe
Das Gericht hat nach § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden können, da die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben.
Die Klage ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 24. Mai 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 136 Abs. 3 SGG ab, da es der Begründung des Widerspruchsbescheides folgt, und legt nur ergänzend das Folgende dar.
Auch nach Auffassung des Gerichts ist eine missbräuchliche Unkenntnis der Kenntnis vom Aufenthaltsort der Eltern gleichzustellen; dieser Fall liegt vor, wenn das Kind die Kenntnis vom Aufenthaltsort der Eltern zwar tatsächlich noch nicht besitzt, sie sich aber in zumutbarer Weise ohne nennenswerte Mühe beschaffen kann (vgl. Dau, in jurisPR-SozR 11/2016 Anm. 3, sowie Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 23. Juni 2016, Az.: L5 KG 1/15, Rn. 34 ff m. w. N., juris).
So verhält es sich hier, da sich die Klägerin jeglichen Bemühungen, den Aufenthaltsort ihrer Mutter in Erfahrung zu bringen, verschließt. Auch nach entsprechendem Hinweis der Beklagten hat sie sich nicht um eine Einschaltung der Botschaft oder des Deutschen Roten Kreuzes bemüht. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb sie sich beim Schriftverkehr mit der Beklagten durch eine deutsche Freundin unterstützen lassen kann, nicht aber beim Schriftverkehr zur Ermittlung des Aufenthaltsortes ihrer Mutter.
Die Klägerin hat auch nicht dargelegt, weshalb der Aufenthaltsort der Mutter nicht über noch in Somalia befindliche Freunde oder Bekannte in Erfahrung zu bringen sein soll. Ob ein regelmäßiger telefonischer Kontakt zur Mutter besteht, der es ermöglichte, den Aufenthaltsort unmittelbar bei dieser zu erfragen (vgl. dazu Dau a. a. O.), kann insofern dahinstehen. Dass keinerlei Kontakte zu Verwandten oder Freunden, wenn nicht sogar zur Mutter selbst, die Erkundigung des Aufenthaltsortes ermöglicht, ist auch deshalb nicht glaubhaft, weil die Klägerin nicht erklärt hat, woher ihr bekannt ist, dass die Mutter, wie von der Klägerin angegeben, weiterhin in Somalia lebt und aufgrund der Kriegssituation ständig auf der Flucht ist.
Darauf, ob die Mutter der Klägerin in Somalia einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, kommt es nicht an. Lebende Elternteile eines Kindes stehen den verstorbenen Eltern einer Waise nicht gleich, nur weil sie an ihren jeweiligen, ohne weiteres zu ermittelnden Aufenthaltsorten keine dem deutschen Zustellungsrecht genügende Adresse haben (Dau a. a. O.). Hierfür gibt es im Gesetz keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr handelt sich um eine bewusst eng gefasste Ausnahmeregelung (a. a. O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.