L 3 AS 570/21 B PKH

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 28 AS 2260/20
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 570/21 B PKH
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Wenn sich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Hilfsbedürftigen nicht aus dem angefochtenen Beschluss und den Akten ergeben, kann die Staatskasse ihre Beschwerde in zulässiger Weise auch allein mit der Rüge begründen, dass die Partei möglicherweise Zahlungen auf die Prozesskosten zu leisten hat.

     
   
 

 

I.     Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 26. April 2021 abgeändert und die Klägerin verpflichtet, eine monatliche Rate in Höhe von 270,00 EUR zu zahlen.

II.    Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

 

Gründe:

 

I.

 

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 26. April 2021, mit welchem der Klägerin auf den Antrag vom 23. Dezember 2020 im Klageverfahren vor dem Sozialgericht (Az.: S 28 AS 2260/20) Prozesskostenhilfe ab Antragstellung ohne die Verpflichtung zur Zahlung von Raten und Zahlungen aus dem Vermögen bewilligt und ihr Prozessbevollmächtigter beigeordnet worden ist.

 

In der Hauptsache begehrt die Klägerin die Aufhebung des Bescheides vom 20. Juli 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. November 2020, mit welchem die ihr mit Bescheid vom 22. August 2019 für den Zeitraum vom 1. August 2019 bis zum 31. Januar 2020 vorläufig bewilligten Leistungen zur Sicherungen des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) auf 0,00 EUR festgesetzt wurden, und die Bewilligung der ihr zustehenden Leistungen. Zum zeitgleich gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat die Klägerin zum Teil geschwärzte Kontoauszüge für die Zeit vom 3. Juli 2019 bis zum 31. Januar 2020, eine Erklärung vom 16. Juni 2020zum Einkommen (EKS) für den Bewilligungszeitraum von August 2019 bis Januar 2020, jedoch keine Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen eingereicht.

 

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 26. April 2021 der Klägerin für das Verfahren vor dem Sozialgericht ab Antragstellung ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und den Prozessbevollmächtigten der Klägerin beigeordnet.

 

Der Beschwerdeführer hat sich gegen den Beschluss mit Beschwerde vom 10. Mai 2021 gewandt, welche am 21. Mai 2021 beim Sächsischen Landessozialgericht eingegangen ist. Eine Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen habe zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Die eingereichten Belege seien zum Zeitpunkt der Entscheidung veraltet gewesen. Da trotz Aufforderung des Beschwerdegerichts die Klägerin keine Erklärung vorlege und keine Angaben zum Einkommen mache, sei eine monatliche Zahlungsverpflichtung auf der Grundlage eines fiktiven Einkommens festzusetzen. Denn die Klägerin sei Architektin und stehe nach der Auskunft des Beteiligten vom 21. Dezember 2021 seit Sommer 2020 nicht mehr im Leistungsbezug.

 

Der Beschwerdeführer beantragt,

 

den Prozesskostenhilfebeschluss vom 26. April 2021 abzuändern und eine monatliche Zahlungsverpflichtung in Höhe von 270,00 EUR festzusetzen.

 

Die Beschwerdegegnerin beantragt,

 

die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.

 

Die Beschwerde sei nicht statthaft und der Beschluss unanfechtbar.

 

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte des Hauptsacheverfahrens und des PKH-Heftes beider Instanzen verwiesen.

 

 

II.

 

1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft (a), und begründet (b). Der Beschluss des Sozialgerichts ist daher antragsgemäß abzuändern.

 

a) Die Beschwerde ist sowohl statthaft als auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt (vgl. § 202 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG] i. V. m. § 572 Abs. 2 und 4, 127 Abs. 3 der Zivilprozessordnung [ZPO]).

 

(1) Gemäß § 172 Abs. 1 SGG findet gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist. Für den Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch die Kammervorsitzenden der Sozialgerichte ist gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 ZPO ausdrücklich die Beschwerde der Staatskasse gegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe statthaft, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann jedoch nur darauf gestützt werden, dass die Partei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten hat (vgl. § 127 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Sie ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat zu erheben. Die Notfrist beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses (vgl. § 127 Abs. 3 Satz 3 ZPO).

 

Mit der Beschwerde kann danach nicht geltend gemacht werden, Prozesskostenhilfe sei insgesamt zu Unrecht gewährt worden (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Oktober 1992 – VII ZB 3/92BGHZ 119, 372 ff. = NJW 1993, 135 ff. = juris Rdnr. 11; BAG, Beschluss vom 18. November 2015 – 10 AZB 34/15NJW 2016, 892 f. = NZA 2016, 192 = juris Rdnr. 7; Schultzky, in: Zöller, Zivilprozessordnung [34. Aufl., 2022] § 127 Rdnr. 49, m. w. N....; Schmidt, in: MeyerLadewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG [13. Aufl., 2020] § 73a Rdnr. 12d). Es sollen mithin allein zu Unrecht erfolgte „Nulltarifbewilligungen“ nachträglich im Interesse der Länderhaushalte korrigiert werden können. Wenn sich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Hilfsbedürftigen nicht aus dem Beschluss und den Akten ergeben, kann die Staatskasse ihre Beschwerde in zulässiger Weise auch allein mit der Rüge begründen, dass die Partei möglicherweise Zahlungen auf die Prozesskosten zu leisten hat. Denn andernfalls würde das Beschwerderecht der Staatskasse entwertet, weil sie selbst die Verhältnisse der Partei, die ihr gegenüber nicht zu Auskünften verpflichtet ist, nicht ermitteln kann (vgl. Thür. LSG, Beschluss vom 8. Dezember 2020 – L 1 SV 969/20 B – juris Rdnr. 7; Schultzky, a. a. O., § 127 ZPO Rdnr. 53).

 

(2) Danach ist aufgrund der Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Beschluss vom 26. April 2021 ohne Festsetzung von Zahlungen die Beschwerde statthaft. Denn die Beschwerde der Staatskasse hat von Beginn an allein auf die Leistung von Zahlungen gezielt und sich ausdrücklich nicht gegen die erfolgte Bewilligung von Prozesskostenhilfe dem Grunde nach gerichtet. Der Beschwerdeführer hat geltend gemacht, dass der Abschnitt G des Prozesskostenhilfeformulars vollständig auszufüllen und ungeschwärzte Kontoauszüge vorzulegen seien, um das Prüfungsrecht der Staatskasse effektiv ausüben zu können. Die Staatskasse konnte ihre Beschwerde in zulässiger Weise zunächst allein mit der Rüge begründen, dass die Partei möglicherweise Zahlungen auf die Prozesskosten zu leisten hat, da sich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Hilfsbedürftigen weder aus dem Beschluss noch aus den Akten ergeben. Die Beschwerdefrist wurde gewahrt.

 

b) Die Beschwerde ist auch begründet. Die Klägerin hat trotz entsprechender Verpflichtung und Aufforderung auch im Beschwerdeverfahren entgegen § 2 Abs. 2 der Verordnung zur Verwendung eines Formulars für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- und Verfahrenskostenhilfe (Prozesskostenhilfe-formularverordnung [PKHFV] vom 22. Januar 2014 [BGBl. I 2014, S. 34]) das Formblatt nicht vorgelegt (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 117 Abs. 2 bis 4 ZPO). Sie hat auch keine sonstigen Angaben zu ihrer Einkommenssituation und sonstigen Verpflichtungen gemacht, so dass das Beschwerdegericht diese zu ermitteln hatte. Im Ergebnis ist aus den Angaben der Klägerin im Hauptsacheverfahren bekannt, dass sie freiberufliche Architektin ist und seit Sommer 2020 nicht mehr im Leistungsbezug nach dem SGB II steht, so dass auch bei vorsichtiger Schätzung antragsgemäß jedenfalls von einem durchschnittlichen Nettoeinkommen der Klägerin in Höhe von 1.500,00 EUR ausgegangen werden kann. Abzüglich des Freibetrages für die Partei in Höhe von 494,00 EUR, des Erwerbstätigenbonus in Höhe von 225,00 EUR und der Miete in Höhe von 241,00 EUR ist daher eine monatliche Rate in Höhe von 270,00 EUR zu zahlen (vgl. § 115 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die Abänderung erfolgt für die Zukunft.

 

2. Dieser Beschluss ergeht gerichtskostenfrei (vgl. § 183 SGG). Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (vgl. § 202 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO). Dies gilt auch für Beschwerden der Staatskasse (vgl. Schultzky, a. a. O., § 127 ZPO Rdnr. 64)

 

3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 177 SGG).

 

Rechtskraft
Aus
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