Zur Kostenübernahme des Eingliederungshilfeträgers für ein Probewohnen in einer besonderen Wohnform
- Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 1. Juni 2021 unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen abgeändert: Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, vorläufig die Kosten für ein Probewohnen vom 21. Juni 2021 bis zum 2. Juli 2021 in Höhe von 2.636,76 € zu übernehmen. Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
- Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in beiden Rechtszügen.
G r ü n d e :
I.
Die Beteiligten streiten im einstweiligen Rechtsschutz um die Übernahme der Kosten für ein zweiwöchiges Probewohnen der Antragstellerin in einer von der Beigeladenen zu 1. betriebenen Einrichtung.
Die 1999 geborene Antragstellerin leidet an einer mittelgradigen Intelligenzminderung mit deutlicher Verhaltensstörung, katatoner Schizophrenie mit Negativsymptomatik und am Wiedemann-Beckwith Syndrom. Sie hat einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 mit den Merkzeichen G und H. Ihr wurde der Pflegegrad 5 zuerkannt. Sie ist dauerhaft voll erwerbsgemindert und steht unter Betreuung. Für ihre häusliche Betreuung beschäftigt die Antragstellerin eine Assistentin. Die Antragstellerin lebt bei ihren Eltern und bezieht Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) von der Beigeladenen zu 2.
Die Antragstellerin erhielt vom Antragsgegner Leistungen zur sozialen Teilhabe in Form von Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten in dem der Werkstatt für behinderte Menschen "St. M." angeschlossenen Förder- und Betreuungsbereich (FFB) der CSW-Christlichen Sozialwerk gGmbH in A.... (Bescheid vom 23. April 2020; Zeitraum bis 30. November 2021). Daneben erhielt sie von der Beigeladenen zu 2. Leistungen zur sozialen Teilhabe in Form von Assistenzleistungen für die Freizeitgestaltung.
Am 7. November 2020 beantragte die Antragstellerin die Übernahme der Kosten für ein zweiwöchiges Probewohnen bei der Beigeladenen. Die Eltern seien mit der Betreuung der Antragstellerin zunehmend überlastet. Die Kosten sollten insgesamt 1.379,56 € pro Woche betragen.
Nach dem Integrierten Teilhabeplan Sachsen (ITP) vom 3. Dezember 2020 empfahl der Sozialpädagogische Dienst des Antragsgegners in seiner Stellungnahme vom 11. Januar 2021 die Gewährung von Leistungen in einer besonderen Wohnform.
Mit Bescheid vom 3. Februar 2021 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Übernahme der Kosten für das Probewohnen ab. Dagegen legte die Antragstellerin am 4. März 2021 Widerspruch ein. Sie legte ein Schreiben der Beigeladenen zu 1 vom 8. April 2021 vor, in dem diese bestätigte, dass ein Probewohnen zwingend erforderlich sei. Es müsse geprüft werden, ob sich die Antragstellerin in die dortigen familienähnlichen Strukturen einfügen könne. Beigefügt war auch eine Bescheinigung des Dipl. – Med. W...., Facharzt für Neurologie sowie für Psychiatrie und Psychotherapie vom 10. April 2021, aus der hervorging, dass ein Probewohnen in ungewohnter Umgebung bei der ohnehin hochvulnerablen psychopathologischen Konstellation mindeste Voraussetzung sei, um eine Eskalation zu verhindern und langjährige Therapieergebnisse nicht erneut zu gefährden.
Den Widerspruch wies der Antragsgegner zurück (Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 2021). Der Antragsgegner sei grundsätzlich bereit, die Kosten für eine besondere Wohnform zu übernehmen, nicht aber für ein Probewohnen. Ein solches diene nicht den Zielen der Eingliederungshilfe, sondern lediglich der Feststellung der Eignung der Einrichtung. Zudem habe sich die Antragstellerin nach eigenen Angaben bereits mit dem Konzept der Beigeladenen zu 1. auseinandergesetzt, so dass ohnehin davon auszugehen sei, dass die Einrichtung ihren Wünschen und Vorstellungen entspreche.
Hiergegen hat die Antragstellerin hat am 12. Mai 2021 Klage zum Sozialgericht Leipzig (SG) erhoben (S 10 SO 61/21), über die noch nicht entschieden ist. Gleichzeitig hat die Antragstellerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, der Antragstellerin im Rahmen der Eingliederungshilfe die Kosten eines zweiwöchigen Probewohnens zu gewähren. Sie hat erstinstanzlich vorgetragen, dass sie nur im Rahmen des Probewohnens herausfinden könne, ob sie zu der Beigeladenen zu 2. "passe" und sich dort wohlfühle. Erst durch das Probewohnen werde das Ziel der Eingliederungshilfe ermöglicht. Es sei ihr nicht zumutbar, den Platz im Förder- und Betreuungsbereich aufzugeben, bevor feststehe, dass sie bei der Beigeladenen aufgenommen werden könne. Der Antragsgegner hat vorgetragen, dass auch im Rahmen des Probewohnens nicht festgestellt werden könne, ob die Einrichtung der Beigeladenen auf Dauer geeignet sei. Das Probewohnen sei auch nicht erforderlich.
Mit Beschluss vom 1. Juni 2021 hat das SG den Antragsgegner vorläufig verpflichtet, der Antragstellerin im Wege der Eingliederungshilfe die Kosten eines zweiwöchigen Probewohnens vom 21. Juni 2021 bis zum 2. Juli 2021 zu erstatten. Die Antragstellerin habe glaubhaft gemacht, dass sie einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für einen zweiwöchigen Probeaufenthalt bei der Beigeladenen habe und zur Vermeidung wesentlicher Nachteile auf eine gerichtliche Regelung angewiesen sei. Ein Anordnungsanspruch sei glaubhaft gemacht. Zwischen den Beteiligten sei zu Recht nicht streitig, dass die Antragstellerin Anspruch auf Eingliederungshilfe in einer besonderen Wohnform habe. Gemäß § 99 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen – (SGB IX) in Verbindung mit § 53 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII) und den §§ 1 bis 3 der Eingliederungshilfe-Verordnung in der am 31. Dezember 2019 geltenden Fassung erhielten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht seien, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht bestehe, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden könne. Aufgabe der Eingliederungshilfe sei es, Leistungsberechtigten eine individuelle Lebensführung zu ermöglichen, die der Würde des Menschen entspreche, und die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern. Die Leistung solle sie befähigen, ihre Lebensplanung und -führung möglichst selbstbestimmt und eigenverantwortlich wahrnehmen zu können. Besondere Aufgabe der Sozialen Teilhabe sei es, die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern. Die Leistungen der Eingliederungshilfe bestimmten sich gemäß § 104 SGB IX nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Bedarfes, den persönlichen Verhältnissen, dem Sozialraum und den eigenen Kräften und Mitteln; dabei sei auch die Wohnform zu würdigen. Sie seien so lange zu leisten, wie die Teilhabeziele nach Maßgabe des Gesamtplanes (§ 121) erreichbar seien. Wünschen der Leistungsberechtigten, die sich auf die Gestaltung der Leistung richten, sei zu entsprechen, soweit sie angemessen seien. Ein Wohnen außerhalb einer besonderen Wohnform komme nicht in Betracht. Der Hilfebedarf der Antragstellerin könne außerhalb einer besonderen Wohnform nicht mehr auf Dauer gedeckt werden. Der Probeaufenthalt sei zur Realisierung der geeigneten und nach derzeitigem Stand dem gefestigten Wunsch der Antragstellerin entsprechenden Aufnahme bei der Beigeladenen zu 1. erforderlich. Die Beigeladene zu 1. habe ausdrücklich bestätigt, dass ein mindestens zweiwöchiges Probewohnen Voraussetzung für die Aufnahme der Antragstellerin sei. Nur so sei zu erkennen, ob sich die Antragstellerin in die bereits gewachsene, familienähnliche Gemeinschaft einfüge, sich dort wohlfühle und keiner der länger dort lebenden Menschen sich ständig gestört fühle. Es sei auch nur im Rahmen des Probeaufenthaltes sicher zu beurteilen, ob das hohe Maß an Pflege und Betreuung bewältigt werden könne. Der behandelnde Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie W.... habe bestätigt, dass das Probewohnen aus medizinischer Sicht mindeste Voraussetzung für den angestrebten Wechsel sei. Ohne eine solche Erprobung könnten langjährig erreichte Therapieergebnisse nachhaltig gefährdet werden. Dass sich die Antragstellerin und ihre Eltern und Betreuer gründlich mit der Beigeladenen zu 1 beschäftigt hätten, stehe der begehrten Erprobung nicht entgegen. Es belege vielmehr, dass die Entscheidung für die begehrte Maßnahme, sorgsam vorbereitet werde und ein Erreichen des Eingliederungsziels jedenfalls nicht unwahrscheinlich sei. Die Antragstellerin habe auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Ohne die begehrte Kostenübernahme für ein Probewohnen sei der Antragstellerin das altersentsprechende Verlassen des elterlichen Haushaltes und die dazu erforderliche Aufnahme in eine geeignete besondere Wohnform nicht möglich. Ihr sei nicht zumutbar, den nicht absehbaren Abschluss des Hauptsacheverfahrens abzuwarten, zumal der Platz für die Antragstellerin kaum länger freigehalten werden könne. Ebenso unzumutbar sei es, nach einem möglichen, wenn auch unwahrscheinlichen Scheitern der Aufnahme bei der Beigeladenen ohne einen geeigneten und gewohnten Platz im Förder- und Betreuungsbereich auskommen zu müssen. Erweise sich allerdings die einstweilige Anordnung im Ergebnis des Hauptsacheverfahrens als rechtswidrig, werde die Antragstellerin die dann zu Unrecht gewährten Leistungen zu erstatten haben.
Gegen den ihm am 8. Juni 2021 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 7. Juli 2021 Beschwerde zum Sächsischen Landessozialgericht eingelegt. Er trägt vor, ausweislich des ITP könne der Hilfebedarf der Antragstellerin in einer besonderen Wohnform adäquat gedeckt werden. Aufgrund der mit der Beigeladenen bestehenden Vereinbarungen nach SGB XII und SGB IX könne er bei Aufnahme der Antragstellerin die Leistungen als Sachleistung erbringen. Ein Probewohnen sei hingegen keine Maßnahme der Eingliederungshilfe. Der Beigeladene zu 1. mache eine Aufnahme zu Unrecht von einem Probewohnen abhängig. Eine solche Aufnahmevoraussetzung ergebe sich weder aus dem Gesetz noch aus den abgeschlossenen Vereinbarungen. Im Förder- und Betreuungsbereich habe mit der Antragstellerin eine Kapazitätsüberbelegung bestanden. Der frei werdende Platz wäre – so der Antragsgegner - voraussichtlich nicht nachbesetzt worden. Nach Abstimmung aller Beteiligten hätte im Einzelfall die Möglichkeit einer erneuten temporären Kapazitätserweiterung bestanden, um der Antragstellerin bei einem Scheitern in der Wohnform der Beigeladenen eine Rückkehr zu ermöglichen. Zum 1. November 2021 werde die Antragstellerin in die besondere Wohnform "H.... " in A.... aufgenommen, ohne vorheriges Probewohnen. Der Umstand der späten Rechnungslegung zeige, dass keine Eilbedürftigkeit bestanden habe.
Der Antragsgegner beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 1. Juni 2021 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss. Ergänzend trägt sie vor, dass sie das Probewohnen vom 21. Juni 2021 bis zum 2. Juli 2021 absolviert habe. Die Durchführung eines Probewohnens sei praxisnah und nachvollziehbar im Hinblick auf das besondere Konzept der Beigeladenen zu 1. und um die Antragstellerin nicht vollständig aus ihrem gewohnten Lebensumfeld herauszulösen. Zudem habe die Beigeladene eine Aufnahme von einem Probewohnen abhängig gemacht. Es sei die Sorge der Antragstellerin gewesen, bei einem sofortigen Wechsel zur Beigeladenen ihren Platz im bisherigen Förder- und Betreuungsbereich an einen Nachrücker zu verlieren und bei einem Scheitern bei der Beigeladenen nicht mehr in ihr gewohntes Umfeld zurückkehren zu können. Dass eine Kapazitätsüberbelegung vorgelegen habe und eine Rückkehr im Einzelfall nach Absprache mit allen Beteiligten möglich gewesen wäre, habe die Antragsgegner erstmals im Beschwerdeverfahren vorgetragen. In der neuen Einrichtung "H.... " habe die Antragstellerin ein jederzeitiges Kündigungsrecht in den ersten zwei Wochen. Parallel könne sie den bisherigen Förder- und Betreuungsbereich nutzen. Die Antragstellerin habe von der Beigeladenen zu 2. nur 33 € für die Mittagsverpflegung erhalten. Für den Lebensunterhalt könne lediglich ein Betrag von 58,63 € als Doppelleistung angesehen werden. Der Vertrag mit der Beigeladenen zu 1. sei nur mündlich abgeschlossen worden. Es sei das Angebot/Kostenaufstellung übersandt worden, welches durch Inanspruchnahme des Probewohnens angenommen worden sei.
Die Beigeladene zu 1. stellt keinen Antrag.
Sie trägt vor, dass sich im Rahmen des Probewohnens herausgestellt habe, dass die Antragstellerin im Bereich Wohnen und Tagesstruktur eine 1:1-Betreuung benötige und das Angebot der Beigeladenen daher die Bedürfnisse der Antragstellerin nicht decken könne. Eine Aufnahme könne daher nicht erfolgen.
Die Beigeladene zu 1. hat ausweislich der Rechnung vom 19. November 2021 in der korrigierten Fassung vom 24. Januar 2022 der Antragstellerin einen Betrag iHv. 2.775,24 € für die Zeit des Probewohnens in Rechnung gestellt. Davon entfielen auf die Fachleistung (Betreuung) im Wohnheim 1.559,04 €, auf den Förderbereich 391,44 € und auf die Tagesstruktur 380,64 €. Für die Mittagsverpflegung in der Tagesstruktur wurden 45 €, für den Lebensunterhalt 105,48 € und für die Unterkunft (möbliertes Zimmer inkl. Nebenkosten) 293,64 € in Rechnung gestellt. Die Antragstellerin hat den Antragsgegner aufgefordert, diese Rechnung durch Zahlung an den Beigeladenen auszugleichen.
Die Beigeladene zu 2. stellt keinen Antrag.
Sie habe Kenntnis von dem geplanten Probewohnen gehabt, sei jedoch davon ausgegangen, dass während des vorübergehenden Zeitraumes kein Zuständigkeitswechsel stattgefunden habe. Eine Leistungskürzung sei deshalb unterblieben. Die Kosten für die Unterkunft bei den Eltern seien aus ihrer Sicht weiterhin angefallen, weil die Antragstellerin ihren Wohnraum dort während des Probewohnens nicht aufgegeben habe.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die dem Senat vorliegenden Gerichts- und Verwaltungsakten verwiesen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, jedoch zum überwiegenden Teil unbegründet.
Die Beschwerde ist statthaft (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 € offensichtlich überschreitet (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Allerdings ist vorliegend diskussionswürdig, ob der Antragsgegner überhaupt ein Rechtsschutzbedürfnis für die Beschwerde hat, nachdem die Leistung bereits erbracht wurde. Denn die Antragstellerin hat von vornherein eine Sachleistung beantragt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) (grundlegend hierzu BSG, Urteil vom 28. Oktober 2008 – B 8 SO 22/07 R – juris Rn. 15 ff. in Bezug auf die sozialhilferechtliche Situation) ist das Leistungserbringungsrecht im Sozialhilfebereich – und das gilt nach Ansicht des Senats entsprechend auch im Recht der besonderen Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderungen (Eingliederungshilferecht) – durch das so genannte (sozialhilferechtliche) Dreiecksverhältnis zwischen dem Träger der Sozialhilfe bzw. dem Träger der Eingliederungshilfe, dem Leistungsberechtigten und dem Leistungserbringer (bei stationären und teilstationären Leistungen der Einrichtungsträger) geprägt. Der Eingliederungshilfeträger erbringt seine Leistung nicht als Geldleistung, sondern als Dienst- oder Sachleistung. Entsprechend ist auch der – missverständlich gefasste – Tenor des Beschlusses des Sozialgerichts auszulegen. Diese Leistung wurde in der Zeit vom
21. Juni 2021 bis 2. Juli 2021 erbracht. Ein Teil der landessozialgerichtlichen Rechtsprechung geht davon aus, dass ein Rechtsschutzbedürfnis für die Zeit bis zur Bekanntgabe der Entscheidung des Senats im Beschwerdeverfahren nicht mehr vorliegt, soweit die Behörde die Leistung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens bereits erbracht hat bzw. dazu verpflichtet war und ggf. unter Missachtung der sofortigen Vollziehbarkeit nicht leistet. Die Behörde sei dann auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen, in dem endgültig geklärt werde, ob ein Anspruch auf die Leistung bestehe. Auch im Beschwerdeverfahren werde der Anordnungsanspruch lediglich summarisch geprüft. Es sei wenig prozessökonomisch, wenn die erstinstanzliche Entscheidung im Beschwerdeverfahren korrigiert werde, die Leistung zunächst zurückgefordert werde, nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens aber ggf. erneut auszuzahlen sei. Dem stehe auch Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) nicht entgegen, weil sich die Behörde regelmäßig auf Individualgrundrechte nicht berufen könne. Die Behörde sei gleichwohl nicht schutzlos, denn sie könne in atypischen Fällen einen Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung gem. § 199 Abs. 2 SGG stellen (vgl. dazu Bayerisches LSG, Beschluss vom 25. Juni 2018 – L 8 SO 49/18 B ER – juris Rn. 21ff; Bayerisches LSG, Beschluss vom 17. März 2021 – L 8 SO 46/21 B ER – juris Rn. 18ff.). Diese Auffassung ist insofern stringent, als eine Beschwerde über eine bereits in der Vergangenheit liegende, vorläufig erbrachte Leistung einer retrospektiven Rechtmäßigkeitskontrolle gleichkommt (vgl. Lange, NZS 2021, 650). Vorliegend besteht zudem die besondere Situation, dass selbst die Einlegung der Beschwerde erst nach Erbringung der Leistung erfolgte und ein Antrag nach § 199 Abs. 2 SGG – obwohl vor Inanspruchnahme der Leistung zeitlich möglich – nicht gestellt wurde. Letztlich ist dieser Auffassung nicht zu folgen. Denn allgemeine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Beschwerde ist eine Beschwer des Beschwerdeführers. Diese liegt hier vor, weil der Antragsgegner durch das Sozialgericht zur Leistung verpflichtet wurde. Im Falle einer Aufhebung der erstinstanzlichen einstweiligen Anordnung durch das Beschwerdegericht hat die Behörde sogleich einen Anspruch auf Erstattung der aufgrund der aufgehobenen einstweiligen Anordnung erbrachten Leistungen (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. Oktober 2018 – L 7 SO 3150/18 ER-B – juris Rn. 21; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 18. März 2014 – L 13 AS 363/13 B ER – juris Rn. 10 m.w.N.). Denn nach Aufhebung einer einstweiligen Anordnung ist der Rechtsgrund hierfür entfallen (BVerwG, Urteil vom 13. Juni 1985 – 2 C 56/82 – juris Rn. 22; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 86b Rn. 49). Die insofern angeführten Gesichtspunkte der Prozessökonomie und praktischen Handhabung (LSG Bayern, Beschluss vom 25. Juni 2018 – L 8 SO 49/18 B ER – juris Rdnr. 23) vermögen eine normative Grundlage für das Behalten einer Leistung nicht zu ersetzen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. Oktober 2018 – L 7 SO 3150/18 ER-B – juris Rn. 21 m.w.N.).
Die Beschwerde ist jedoch überwiegend unbegründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG können die Gerichte auf Antrag zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dazu sind gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sowohl der durch die Anordnung zu sichernde, im Hauptsacheverfahren geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) als auch der Grund, weshalb die Anordnung ergehen und dieser Anspruch vorläufig bis zur Entscheidung der Hauptsache gesichert werden soll (Anordnungsgrund), glaubhaft zu machen. Drohen ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen der Rechte des Antragstellers, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr beseitigt werden können, und will sich das Gericht in solchen Fällen an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren, muss die Sach- und Rechtslage ggf. abschließend geprüft werden. Ist eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, ist aufgrund einer Folgenabwägung zu entscheiden (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 12. Mai 2005 -1 BvR 569/05 – juris, Rn. 25, 26). Letzteres bestätigend hat das BVerfG in seiner Entscheidung vom 25. Februar 2009 (Az.: 1 BvR 120/09, juris Rn. 11) weiter ausgeführt, dass das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtsposition umso weniger zurückgestellt werden darf, je schwerer die Belastungen des Betroffenen wiegen, die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbunden sind. Art 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) verlange auch bei Vornahmesachen jedenfalls dann vorläufigen Rechtsschutz, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre.
Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn sich aus den glaubhaft gemachten Tatsachen ergibt, dass es die individuelle Interessenlage des Antragstellers unzumutbar erscheinen lässt, den Antragsteller zur Durchsetzung seines Anspruchs auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen. Ob die Anordnung derart dringlich ist, beurteilt sich insbesondere danach, ob sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen, ebenso schwerwiegenden Gründen nötig erscheint. Dazu müssen Tatsachen vorliegen bzw. glaubhaft gemacht sein, die darauf schließen lassen, dass der Eintritt des wesentlichen Nachteils im Sinne einer objektiven und konkreten Gefahr unmittelbar bevorsteht (vgl. Keller, a. a. O., § 86b Rn. 27a).
Der Anordnungsanspruch ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht auf Grund einer vorläufigen, summarischen Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass dem Antragsteller ein Rechtsanspruch auf die begehrte Leistung zusteht und er deshalb im Hauptsacheverfahren mit demselben Begehren voraussichtlich Erfolg haben würde.
Gemessen hieran war der Antragsgegner im Rahmen einer Folgenabwägung dazu zu verpflichten, die Kosten für das Probewohnen bei der Beigeladenen zu 1. zu übernehmen.
Die Antragstellerin hat zunächst dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe gemäß §§ 90, 99, 113 Abs. 1 SGB IX. Die personenbezogenen Voraussetzungen der §§ 90, 99 SGB IX liegen vor. Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten danach Personen nach § 53 Abs. 1 und 2 SGB XII und den §§ 1 bis 3 Eingliederungshilfe-Verordnung in der bis zum 31. Dezember 2019 gültigen Fassung. Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es, Leistungsberechtigten eine individuelle Lebensführung zu ermöglichen, die der Würde des Menschen entspricht und die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördert. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen mit Behinderungen Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Das ist hier offensichtlich der Fall. Die Antragstellerin leidet an einer mittelgradigen Intelligenzminderung mit deutlichen Verhaltensstörungen, Verdacht auf katatone Schizophrenie sowie am Wiedemann-Beckwith-Syndrom. Deshalb wurde ihr ein Grad der Behinderung von 100 zuerkannt.
Zu den Leistungen der Eingliederungshilfe zählen nach §§ 102 Abs. 1 Nr. 4, 113 Abs. 1 SGB IX auch Leistungen zur Sozialen Teilhabe. Danach werden Leistungen zur Sozialen Teilhabe erbracht, um eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, soweit sie nicht nach den Kapiteln 3 bis 5 erbracht werden. Hierzu gehört nach § 113 Abs. 1 Satz 2 SGB IX, Leistungsberechtigte zu einer möglichst selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebensführung im eigenen Wohnraum sowie in ihrem Sozialraum zu befähigen oder sie hierbei zu unterstützen. Nach § 113 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX sind Leistungen zur Sozialen Teilhabe insbesondere Assistenzleistungen und nach § 113 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten. Nach §§ 113 Abs. 3 iVm. 78 Abs. 1 SGB IX werden Leistungen für Assistenz zur selbstbestimmten und eigenständigen Bewältigung des Alltages einschließlich der Tagesstrukturierung erbracht. Sie umfassen insbesondere Leistungen für die allgemeinen Erledigungen des Alltags wie die Haushaltsführung, die Gestaltung sozialer Beziehungen, die persönliche Lebensplanung, die Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben, die Freizeitgestaltung einschließlich sportlicher Aktivitäten sowie die Sicherstellung der Wirksamkeit der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen. Sie beinhalten die Verständigung mit der Umwelt in diesen Bereichen.
Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten werden unter Verweis auf § 81 SGB IX erbracht, um Leistungsberechtigten die für sie erreichbare Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Die Leistungen sind insbesondere (aber nicht abschließend) darauf gerichtet, die Leistungsberechtigten in Fördergruppen und Schulungen oder ähnlichen Maßnahmen zur Vornahme lebenspraktischer Handlungen einschließlich hauswirtschaftlicher Tätigkeiten zu befähigen, sie auf die Teilhabe am Arbeitsleben vorzubereiten, ihre Sprache und Kommunikation zu verbessern und sie zu befähigen, sich ohne fremde Hilfe sicher im Verkehr zu bewegen. Die Leistungen müssen geeignet und erforderlich sein, die Teilhabefähigkeit zu ermöglichen. Hierzu ist eine Prognose anzustellen. Das Ziel darf nicht durch andere Maßnahmen ebenso zu erreichen sein (vgl. Busch in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol (Hrsg.), SGB IX, § 81 Rn. 7).
Die Leistung richtet sich gemäß § 104 Abs. 1 SGB IX jeweils nach den Besonderheiten des Einzelfalles, die insbesondere nach der Art des Bedarfs, den persönlichen Verhältnissen, dem Sozialraum und den eigenen Kräften und Mitteln zu bestimmen sind. Gemäß § 104 Abs. 2 SGB IX sind die Wünsche der Leistungsberechtigten bei der Ausgestaltung der Eingliederungshilfe zu berücksichtigen, wenn sie angemessen sind. Die Angemessenheit bestimmt sich nicht allein nach Kostengesichtspunkten, sondern bezieht die Qualität der Leistung und die Erfolgswahrscheinlichkeit im Hinblick auf die festgelegten Teilhabeziele mit ein. Mehrkosten führen nicht zwangsläufig zur Unangemessenheit der Leistung (vgl. Wehrhahn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl., § 104 SGB IX (Stand: 22. Februar 2021), Rn. 10ff).
Der Antragsgegner hat im streitgegenständlichen Zeitraum zunächst Leistungen der Eingliederungshilfe nach §§ 113 Abs. 2 Nr. 5, 81 SGB IX im FFB erbracht. Ausweislich des ITP für den Zeitraum 3. Dezember 2020 bis 31. Dezember 2022 und der Stellungnahme der Hilfebedarfsermittlerin vom 11. Januar 2021 wurden für die Antragstellerin – neben Leistungen nach § 113 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX – Leistungen der Eingliederungshilfe in einer besonderen Wohnform empfohlen. Ein damit verfolgtes Ziel war insbesondere auch die (altersgerechte) Ablösung der Antragstellerin vom Elternhaus. Offenkundig ist auch der Antragsgegner davon ausgegangen, dass die bislang gewährten Leistungen der Eingliederungshilfe nicht ausreichen, um den Hilfebedarf der Antragstellerin zu decken. Eine Umsetzung des ITP in einen konkreten Hilfebedarf lässt sich den Verwaltungsakten nicht entnehmen. Ebenso ist nicht ersichtlich, dass der Antragsgegner – obwohl er von einem geänderten Bedarf der Antragstellerin ausging – Vorschläge entwickelt hat, wie dieser Bedarf der Antragstellerin durch einen geeigneten Leistungserbringer gedeckt werden kann. Es oblag allerdings dem Antragsgegner, im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens im Rahmen von § 107 Abs. 2 SGB IX die Entscheidung darüber zu treffen, welches Angebot nach den Besonderheiten des Einzelfalls (§ 104 Abs. 1 SGB IX) konkret erbracht werden solle. Maßstab hierfür ist u. a., wie der Zweck der Eingliederungshilfe am besten erfüllt werden kann. Ob das Angebot der Beigeladenen zu 1. geeignet ist und wie die Antragstellerin unter Berücksichtigung der in der Bescheinigung ihres behandelnden Arztes geschilderten psychischen Einschränkungen und Gefahren an die neue Wohnform herangeführt werden kann, wären daher Fragen gewesen, die der Antragsgegner sich hätte stellen und beantworten müssen.
Es bestehen jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass das Leistungsangebot der Beigeladenen zu 1. von vornherein ungeeignet war. Der Antragsgegner selbst ist offenkundig davon ausgegangen, dass eine Unterbringung der Antragstellerin in der von der Beigeladenen zu 1. betriebenen Einrichtung dem Bedarf der Antragstellerin und den im ITP festgestellten Zielen der Eingliederungshilfeleistungen gerecht wird. Gleichwohl bestand aufgrund der persönlichen und gesundheitlichen Voraussetzungen der Antragstellerin und im Hinblick auf das anthroposophisch ausgerichtete und vom Zusammenleben in familienähnlichen Strukturen geprägte Konzept der Beigeladenen zu 1. das Risiko, dass sich das Angebot nachträglich als nicht geeignet erweisen könnte. Insofern besteht grundsätzlich kein Unterschied, ob eine Unterbringung in einer besonderen Wohnform später aufgegeben werden und ein anderes Leistungsangebot gefunden werden muss oder ob sich dies im Rahmen eines Probewohnens ergibt. Insofern dient auch das Probewohnen den mit der Eingliederungshilfe verfolgten Zielen, da es die Heranführung an die avisierte besondere Wohnform bezweckt.
Der Verpflichtung des Antragsgegners zur Übernahme der Kosten für das Probewohnen steht auch nicht entgegen, dass der Eingliederungshilfeträger im Rahmen von § 107 Abs. 2 SGB IX nach pflichtgemäßem Ermessen über Art und Maß der Leistungserbringung entscheidet. Dies schließt in der Regel die (Auswahl-)Entscheidung zwischen mehreren gleichartigen Angeboten ein. Eine Verpflichtung des Antragsgegners im Rahmen einer einstweiligen Anordnung setzt somit grundsätzlich voraus, dass das Ermessen auf null reduziert ist. Hierfür besteht vorliegend jedoch eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, nachdem selbst der Antragsgegner bereit war, die Kosten in der besonderen Wohnform bei der Beigeladenen zu 1. zu übernehmen – lediglich nicht im Rahmen des Probewohnens. Zudem hat der Antragsgegner überhaupt keine Alternativen benannt, wie und in welcher Einrichtung der Eingliederungshilfebedarf der Antragstellerin anderenfalls hätte gedeckt werden können.
Der Kostenübernahme steht auch nicht § 123 Abs. 1 SGB IX entgegen, wonach der Träger der Eingliederungshilfe Leistungen der Eingliederungshilfe mit Ausnahme der – hier nicht vorliegenden – Leistungen nach § 123 Abs. 2 Nr. 2 in Verbindung mit § 78 Abs. 5 und § 116 Abs. 1 SGB IX durch Dritte (Leistungserbringer) nur bewilligen darf, soweit zwischen dem Träger des Leistungserbringers und dem zuständigen Träger der Eingliederungshilfe eine schriftliche Vereinbarung (§ 125 SGB IX) über Inhalt, Umfang und Qualität einschließlich Wirksamkeit der Leistungen (Leistungsvereinbarung) und die Vergütung (Vergütungsvereinbarung) abgeschlossen wurde. Nach eigenen Angaben des Antragsgegners besteht eine solche Vereinbarung.
Der Antragsgegner hat vorläufig jedoch nur die Kosten für die Fachleistungen der Eingliederungshilfe, die Wohnkosten und einen geringen Teil für die Mittagsverpflegung zu übernehmen (insgesamt 2.636,76 €). Seit der Reform der Eingliederungshilfe zum 1. Januar 2020 besteht eine Trennung zwischen den Fachleistungen der Eingliederungshilfe und den existenzsichernden Leistungen (Leistungen zum Lebensunterhalt). Danach werden die Fachleistungen durch die Leistungserbringer erbracht, die insoweit auch einen eigenen Anspruch gegen den Träger der Eingliederungshilfe haben, § 123 Abs. 6 SGB IX. Dies betrifft vorliegend die Leistungen für die Betreuung im Wohnheim (1.559,04 €), für den Förderbereich (391,44 €) und für die Tagesstruktur (380,64 €), die vom Antragsgegner vorläufig zu übernehmen sind.
Die Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII hingegen werden auch bei Unterbringung in einer besonderen Wohnform an die Leistungsberechtigten gezahlt. Soweit die besondere Wohnform auch Leistungen für den Lebensunterhalt erbringt, müssen die Leistungsberechtigten diese grundsätzlich selbst zahlen (vgl. dazu LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. November 2021 – L 9 SO 225/21 B – juris, Rn. 30ff.). Soweit die an den Leistungserbringer zu zahlenden Beträge für den Lebensunterhalt höher sind als im Regelsatz vorgesehen, kommt auch eine abweichende Regelbedarfsfestsetzung nach § 27a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB XII in Betracht, sofern der Bedarf für eine Dauer von voraussichtlich mehr als einem Monat oberhalb durchschnittlicher Bedarfe liegt und die dadurch bedingten Mehraufwendungen nicht anderweitig ausgeglichen werden können.
Für die in Rechnung gestellten Kosten für die Mittagsverpflegung in der Tagesstruktur gilt Folgendes: § 42b SGB XII gewährt für den Fall gemeinschaftlicher Mittagsverpflegung einen Mehrbedarf im Rahmen der Leistungen zum Lebensunterhalt, der sich am Wert des Sachbezugs für das Mittagessen orientiert, § 42b Abs. 2 Satz 3 SGB XII (1/30 des Betrages nach § 2 Abs. 1 Satz 2 der Sozialentgeltverordnung [SvEV] je Arbeitstag). Vorliegend wären dies 35,67 € (10 Tage x 107 €/30 Tage, gem. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SvEV). Von der Beigeladenen zu 2. hat die Antragstellerin im streitgegenständlichen Zeitraum einen Mehrbedarf von 3,30 € pro Tag bereits erhalten (Summe: 33 €).
Der Eingliederungshilfe werden gem. § 113 Abs. 4 SGB IX (nur) die Kosten im Zusammenhang mit der Zubereitung und Bereitstellung des Mittagessens zugeordnet. Hierzu zählen die Kosten der erforderlichen sächlichen und personellen Ausstattung sowie betriebsnotwendiger Anlagen des Leistungserbringers, also z. B. Küchenräume, Geräte, Geschirr, Speiseausgabe (vgl. Grube/Wahrendorf/Flint/Bieback, 7. Aufl. 2020, SGB IX § 113 Rn. 46). Inwieweit in dem von der Beigeladenen zu 1. in Rechnung gestellten Betrag Kosten enthalten sind, die über § 113 Abs. 4 SGB IX zu übernehmen sind und welche Kosten allein auf die Verpflegung entfällt, muss der Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Nachdem jedoch der Bedarf der Antragstellerin durch die Beigeladene zu 2. zum Teil gedeckt worden war, sind von dem für das Mittagessen in Rechnung gestellten Betrag iHv.
45 € die erwähnten 33 € in Abzug zu bringen.
Keine Leistung der Eingliederungshilfe sind demnach auch die Kosten für den Lebensunterhalt von 105,48 €. Inwieweit dieser Betrag höher ist als der in dem von der Beigeladenen zu 2. bereits gezahlten Regelbedarf berücksichtigte Betrag, muss – ungeachtet der Frage der sachlichen Zuständigkeit des Antragsgegners als überörtlicher Sozialhilfeträger – nicht entschieden werden, weil die Voraussetzungen des § 27a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB XII nicht vorliegen. Der Mehrbedarf fiel prognostisch nicht für die Dauer von mehr als einen Monat an.
Kosten der Unterkunft in einer besonderen Wohnform werden grundsätzlich nach § 42a Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 5 und Abs. 6 SGB XII als Leistung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erbracht. Im Rahmen der Eingliederungshilfe sind jedoch die Leistungen insoweit zu übernehmen, als sie die angemessenen Kosten der Unterkunft um mehr als 25 Prozent übersteigen, § 113 Abs. 5 SGB IX.
Der Übernahme der Unterkunftskosten steht nicht grundsätzlich entgegen, dass der Antragstellerin bereits Kosten der Unterkunft von der Beigeladenen zu 2. für ihre Unterkunft bei ihren Eltern gewährt worden ist. Es ist im Rahmen von § 35 SGB XII anerkannt, dass ausnahmsweise die Übernahme von umzugsbedingten Doppelmieten erfolgen kann, etwa im Fall einer unvorhergesehenen Heimaufnahme (vgl. etwa LSG NRW, Urteil vom 18. Februar 2010 - L 9 SO 6/08 - Rn. 24 ff; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Dezember 2010 - L 2 SO 2078/10 – juris Rn. 22 m.w.N). Dies setzt allerdings voraus, dass Kosten für die bisherige Wohnung nicht verhindert werden können; der Betroffene muss deshalb alles Mögliche und Zumutbare getan haben, diese Kosten zu vermeiden bzw. zu minimieren (vgl. LSG NRW, Urteil vom 22. Juni 2015 – L 20 SO 103/13 – juris Rn. 77). Im Hinblick auf die ärztliche Bescheinigung, aus der sich ergibt, dass die Antragstellerin behutsam an eine neue Umgebung herangeführt werden muss, ist vorliegend hinreichend wahrscheinlich, dass eine Doppelmiete für die kurze Zeit des Probewohnens übernahmefähig ist. Dies sowie die Frage, ob der Antragsgegner die Unterkunftskosten als Beschaffungskosten für neuen Wohnraum gemäß § 77 Abs. 1 Satz 2 SGB IX, gemäß § 113 Abs. 5 SGB IX oder – als zuständiger Träger der Sozialhilfe (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Sächsisches Gesetz zur Ausführung des Sozialgesetzbuches) – als Kosten der Unterkunft zu übernehmen hat, kann der Klärung im Hauptsacheverfahren überlassen bleiben.
Die Folgen der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes wiegen schwer. Im diesem Falle wäre die Antragstellerin mit einer nicht bedarfsgerechten Unterbringung konfrontiert. Wegen ihres hohen Betreuungsbedarfes und im Hinblick auf das mit der besonderen Wohnform auch verfolgte Ziel, dass sich die 22-jährige Antragstellerin vom Elternhaus löst, waren Rückschritte bzw. Defizite in ihrer persönlichen Entwicklung und somit Eingriffe in die persönliche Unversehrtheit zu befürchten. Dem steht allein das Interesse des Antragsgegners an der rechtmäßigen Verwendung der Haushaltsmittel gegenüber, das insofern zurücktreten muss. Insbesondere kann die Antragstellerin die Maßnahme nicht aus eigenen Mitteln vorfinanzieren. Es ist zwar anerkannt, dass ein Anordnungsgrund nicht besteht, wenn der Antragsteller gegenwärtig auf eigene Mittel oder zumutbare Hilfe Dritter zurückzugreifen kann (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. März 2017 – L 7 SO 420/17 ER-B – juris Rn. 8). Dies ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. September 2016 – 1 BvR 1825/16 – juris Rn. 4; BVerfG, Beschluss vom 27. Juli 2016 – 1 BvR 1241/16 – juris Rn. 7). Bei der Frage des Anordnungsgrundes können unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles auch Mittel Berücksichtigung finden, die bei der materiellen Frage der Hilfebedürftigkeit außen vor bleiben müssen, weil es sich um Schonvermögen oder nicht zu berücksichtigendes Einkommen oder generell nicht um eine bedarfsabhängige Leistung handelt (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 14. März 2019 – L 7 AS 634/19 ER-B – juris Rn. 8; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. Oktober 2019 – L 7 AS 1326/19 B ER – juris Rn. 22). Ausweislich des im Verwaltungsverfahren nachgewiesenen Sparvermögens der Antragstellerin reicht dieses bei Weitem nicht aus, um die Kosten für das Probewohnen zu decken. Darüber hinaus ist es auch nicht zumutbar, die Antragstellerin darauf zu verweisen, ihr gesamtes Sparvermögen zu verwenden, bis die Kostenübernahme im Hauptsacheverfahren geklärt wird.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Da die Antragstellerin lediglich mit einem sehr geringen Teil unterliegt, entspricht es nicht der Billigkeit zu bestimmen, dass sie einen Teil ihrer außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum BSG angefochten werden
(§ 177 SGG).