L 7 AS 1374/21 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AS 352/21 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 1374/21 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 18.08.2021 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe:

I.

Der Antragsteller wendet sich mit seiner Beschwerde gegen einen Beschluss, mit dem das Sozialgericht einen gegen Vollstreckungsmaßnahmen der Antragsgegnerin gerichteten Eilantrag abgelehnt hat.

Der Antragsteller bezog im Zeitraum vom 01.05.2010 bis zum 31.03.2011 von der Antragsgegnerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 18.04.2011 hob die Antragsgegnerin die an den Antragsteller ergangenen Bewilligungsbescheide vom 22.04.2010, 22.07.2010, 24.08.2010, 16.11.2010 und 24.01.2011 für den vorgenannten Zeitraum auf und forderte vom Antragsteller einen Erstattungsbetrag von 4.564 €. Die Antragstellerin begründete die Aufhebung damit, dass der Antragsteller seine Einkünfte aus selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit nicht dargelegt habe.

Der Antragsteller verzog am 01.06.2011 nach F. Mit Schreiben vom 08.08.2011 und 20.01.2012 bat die Antragsgegnerin die Stadtkasse F im Wege eines Amtshilfeersuchens, den Betrag von 4.682,50 € (Hauptforderung zuzüglich Mahngebühren iHv 51 €, Pfändungsgebühren iHv 65 € und Wegegeld iHv 2,50 €) vom Antragsteller beizutreiben. Gemäß Vermerk der Antragsgegnerin vom 21.06.2012 verliefen die Bemühungen erfolglos. Der Antragsteller habe am 22.03.2010 die eidesstattliche Versicherung abgegeben und sei unpfändbar. Auch ein Aufrechnungsersuchen der Antragsgegnerin an die Stadt F, von der der Antragsteller Leistungen bezog, verlief ohne Erfolg. Der Antragsteller gab am 08.11.2012 erneut die eidesstattliche Versicherung ab. Mit Verfügung vom 30.04.2013 schlug die Antragsgegnerin die Forderung bis zum 31.12.2016 befristet nieder. Ein weiteres Amtshilfe- bzw. Auskunftsersuchen der Antragsgegnerin an die Stadt F erging am 10.02.2017. Mit Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 31.07.2017 pfändete die Antragsgegnerin die gegenwärtigen und künftigen Ansprüche des Antragstellers gegen die Sparkasse U iHv 4.808,28 € (Hauptforderung 4.564 €, Mahngebühren 169,50 €, Vollstreckungskosten 8,78 €, Pfändungsgebühren 66 €). Die Pfändungs- und Überweisungsverfügung wurde auch der Sparkasse U zugestellt. Ein Beitreibungsversuch verlief erneut erfolglos. Einen gegen die Pfändungs- und Überweisungsverfügung per E-Mail eingelegten Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit unangefochten gebliebenem Widerspruchsbescheid vom 13.09.2017 als unzulässig zurück. Die Forderung wurde in der Folge erneut – nunmehr bis zum 31.03.2021 – befristet niedergeschlagen.

Nach Fristablauf forderte die Antragsgegnerin mit Mahnschreiben vom 26.04.2021 vom Antragsteller erneut die Zahlung des Betrages von 4.860,08 € bis zum 03.05.2021 (Hauptforderung 4.564 €, Mahngebühr 51 €, Auslagen 0,80 €, Mahngebühr 244,28 €) an. Mit Schreiben vom 15.06.2021 erinnerte die Antragsgegnerin den Antragsteller an die Zahlung und setzte eine erneute Frist bis zum 22.06.2021. Am 29.06.2021 erließ die Antragsgegnerin im Hinblick auf die mit Bescheid vom 18.04.2011 geltend gemachte Forderung  eine weitere Pfändungs- und Überweisungsverfügung, nunmehr über einen Gesamtbetrag von 4.937,38 €. Die Sparkasse U teilte der Antragsgegnerin hierauf mit, der Antragsteller verfüge über ein Pfändungsschutzkonto und es lägen fünf vorrangige Forderungen iHv insgesamt 6.739,97 € vor, so dass die Forderung momentan nicht beigetrieben werden könne. In diesen Forderungen war die auch mit der Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 31.07.2017 geltend gemachte – identische –  Forderung aus dem Bescheid vom 18.04.2011 enthalten. Die Antragsgegnerin hob am 05.07.2021 die Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 29.06.2021 auf.

Am 21.07.2021 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Münster beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Zwangsvollstreckungsmaßnahmen „sofort einzustellen sowie die Rückforderung des streitigen Betrages ruhen zu lassen, bis über die Angelegenheit rechtskräftig entschieden worden ist“. Er habe bislang keine Bescheide erhalten, aus denen sich der Grund der Rückforderung ergebe.

Am 03.08.2021 sind zwei Beträge vom Konto des Antragstellers gepfändet worden, nämlich zugunsten des Kreises R ein Betrag von 2.359,80 € (Verwendungszweck auf dem Kontoauszug des Antragstellers: AZ 20/PR, Pfändung vom 01.08.2017 (…) Pf. Nr. 01, Teilzahlung) und zugunsten der Stadt F ein weiterer Betrag iHv 578,08 €. Der Antragsteller hat nunmehr ergänzend sinngemäß beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, den am 03.08.2021 von seinem Konto gepfändeten Betrag iHv 2.359,80 € wieder an ihn auszuzahlen.

Mit Beschluss vom 18.08.2021 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. Dieser sei als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung iSv § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Jedenfalls sei kein Anordnungsgrund im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit ersichtlich. Soweit der Antragsteller sich gegen die inhaltliche Richtigkeit des Bescheides vom 18.04.2011 wende, könne er damit nicht gehört werden.

Am 08.09.2021 hat der Antragsteller Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts eingelegt. Die Pfändung sei rechtswidrig, denn er habe der Antragsgegnerin nicht bewusst Informationen vorenthalten. Er verfüge über ein monatliches Bruttoeinkommen iHv 1.247,90 €. Er habe Wohnkosten iHv 570 € und Kosten für eine Rechtsschutzversicherung iHv 15,70 €. Zudem seien einige Beträge offen (Miete August 259 €, Stromnachzahlung
140 €, Krankenkassennachzahlung 250,50, Telekommunikationskosten 70 €). Der Antragsteller stellt die in dem Bescheid vom 18.04.2011 praktizierte Anrechnung von Einkommen aus selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit in Frage und beanstandet die Berechnung seiner Freibeträge.

Der Antragsteller hat auf Anforderung des Senats Kontoauszüge für sein Konto bei der Sparkasse U übersandt. Eine von der Sparkasse erstellte „Kontostand-Grafik“ weist für den Beginn des Monats August 2021 einen positiven Saldo iHv ca. 4.000 € aus. Aus den Kontoauszügen gehen auch für den Zeitraum nach der Pfändung regelmäßige Gehaltseingänge der N GmbH, Überweisungen für Miete (30.08.2021, 27.09.2021 und 09.11.2021: jeweils 570 €), Strom- und Telefonkosten sowie Abbuchungen für Lebensmitteleinkäufe hervor. Rücklastschriften sind nicht ersichtlich.

Auf Anfrage des Senats hat die Sparkasse U mit Schreiben vom 03.01.2022 zum Sachverhalt Stellung genommen. Das Konto des Antragstellers werde als Pfändungsschutzkonto des Antragstellers geführt; geschützt sei ein monatlicher Sockelbetrag iHv 1.260 €. Nach diesen Maßgaben sei ein Betrag iHv 2.359,80 € pfändbar gewesen. Die Pfändung beruhe auf der Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 31.07.2017. Aktuell sei zugunsten der Antragsgegnerin eine Restforderung iHv 2.448,48 € offen, die im Rahmen der aktiven Kontopfändungen den Rang Nr. 1 einnehme.

 

II.

Der Senat hat als Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht zu prüfen, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist (§ 17a Abs. 5 GVG).

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht den Eilantrag des Antragstellers abgelehnt.

In der Sache begehrt der Antragsteller im Wege des Eilrechtsschutzes die Einstellung von Vollstreckungsmaßnahmen sowie die  vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Rückzahlung des von seinem Konto gepfändeten Betrages iHv 2.359,80 €. Das so verstandene Begehren hat weder als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung iSv § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG verbunden mit einem Antrag auf Aufhebung der Vollziehung iSv § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG (1.) noch als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung iSv § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG Erfolg (2.).

1. Ein gegen die Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 31.07.2017, die als Verwaltungsakt ausgestaltet und nach Aufhebung der weiteren Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 29.06.2021 alleinige Grundlage der vom Antragsgegner verfolgten Vollstreckungsmaßnahmen ist, gerichteter Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung iSv § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG ist bereits unzulässig.

Zwar kann nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Im vorliegenden Fall gibt es jedoch gar keinen offenen Rechtsbehelf gegen die Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 31.07.2017, dessen aufschiebende Wirkung angeordnet werden könnte, denn die Antragsgegnerin hat den Widerspruch des Antragstellers mit Widerspruchsbescheid vom 13.09.2017 mangels Klageerhebung durch den Antragsteller bestandskräftig (§ 77 SGG) als unzulässig verworfen (vgl. hierzu auch LSG NRW Beschluss vom 20.10.2017 – L 11 KR 525/17 B ER). Aus demselben Grund scheidet auch ein auf eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Rückzahlung des gepfändeten Betrages von 2.359,80 € gerichteter, der vorläufigen Sicherung eines Folgenbeseitigungsanspruchs dienender Antrag auf Aufhebung der Vollziehung gemäß § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG aus, der als Annexverfahren zu § 86b Abs. 1 Satz 1 SGG ausgestaltet ist und den Erfolg des Hauptantrags voraussetzt (vgl. hierzu Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 13. Aufl., § 86b Rn. 10a).

2. Das Begehren des Antragstellers hat auch als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG – so man einen solchen für statthaft hält (a.A. wohl LSG NRW Beschluss vom 20.10.2017 a.a.O.) – keinen Erfolg.

Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen  (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs. 2 ZPO). Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung zu ermitteln (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur Beschlüsse vom 20.02.2019 – L 7 AS 1916/18 B ER und vom 30.08.2018 –
L 7 AS 1268/18 B ER). Können ohne Eilrechtsschutz jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung erforderlich (BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05). Bei offenem Ausgang muss das Gericht anhand einer Folgenabwägung entscheiden, die die grundrechtlichen Belange der Antragsteller umfassend zu berücksichtigen hat (BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur  Beschlüsse vom 20.02.2019 – L 7 AS 1916/18 B ER und vom 30.08.2018 – L 7 AS 1268/18 B ER).

a) Dem Begehren des Antragstellers bleibt nach der Maßgabe des § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG der Erfolg zunächst versagt, soweit man es als Antrag auf vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Rücknahme der Pfändungs- und Überweisungsverfügung auf der Grundlage eines Überprüfungsantrags gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II iVm § 44 SGB X versteht. Es ist schon zweifelhaft, ob der Antragsteller einen solchen Antrag gestellt hat. Aber selbst wenn man sein Vorbringen im erstinstanzlichen Eil- und Beschwerdeverfahren zugleich als Antrag auf Rücknahme der Pfändungs- und Überweisungsverfügung ansähe, wäre ein hierauf gestützter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht begründet.

Da es einem Antragsteller nämlich im Regelfall im Hinblick auf die Bindungswirkung bestandskräftiger Bescheide im Fall der Einleitung eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X, zuzumuten ist, die Entscheidung im Verwaltungs- und ggf. in einem anschließenden gerichtlichen Hauptsacheverfahren abzuwarten, sind in einem solchen Fall besonders strenge Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes zu stellen. Es ist erforderlich, dass massive Eingriffe in die soziale und wirtschaftliche Existenz mit erheblichen Auswirkungen auf die Lebensverhältnisse dargelegt werden (vgl. hierzu LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 11.08. 2021 – L 23 AY 10/21 B ER, LSG NRW Beschluss vom 27.05.2013 – L 19 AS 638/13 B ER). Entsprechende Auswirkungen der Pfändungsmaßnahmen auf seine soziale und wirtschaftliche Existenz hat der Antragsteller hier aber nicht glaubhaft gemacht; vielmehr ist – wie der Antragsteller mit Schriftsätzen vom 17.02.2022 und 28.02.2022 zuletzt wohl selbst einräumt – keine Eilbedürftigkeit der gerichtlichen Entscheidung ersichtlich. Der Antragsteller ist nämlich weder durch die bereits umgesetzte Pfändungsmaßnahme noch durch zukünftige Pfändungsmaßnahmen in seiner Existenz gefährdet, denn er verfügt über ein Pfändungsschutzkonto und kann mit dem ihm eingeräumten Sockelbetrag iHv 1.260 € seine monatlichen Ausgaben bestreiten. Aus den zur Verfahrensakte gereichten Kontoauszügen geht hervor, dass dem Antragsteller dieser Sockelbetrag auch nach den am 03.08.2021 realisierten Pfändungen verblieben ist und dass er die für seinen Lebensunterhalt unerlässlichen Verpflichtungen auch in den Folgemonaten bedienen konnte.

Darüber hinaus ist auch die Rechtswidrigkeit der Pfändungs- und Überweisungsverfügung nicht ersichtlich. Die angefochtene Pfändungs- und Überweisungsverfügung ist nach der gebotenen summarischen Prüfung rechtmäßig. Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen gemäß § 40 Abs. 6 SGB II§ 66 Abs. 3 SGB X iVm. §§ 1, 2, 4, 6 VwVG NRW liegen mit Blick auf den bestandskräftigen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 18.04.2011 vor. Materiellrechtliche Einwendungen gegen diesen Bescheid können in diesem Zusammenhang nicht geltend gemacht werden.  Auch die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen erscheinen derzeit nicht zweifelhaft.

b) Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung iSv § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG hat auch als Antrag auf vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung keinen Erfolg. Grundsätzlich soll gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG auch eine einstweilige Regelung zum Schutz vor Vollstreckungsmaßnahmen ergehen können (vgl. etwa LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 04.11.2015 - L 16 KR 438/15 B ER; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.07.2015 – L 11 KR 3149/15, juris m.w.N.; zur Statthaftigkeit unter Geltung der Parallelnorm des § 123 VwGO in einer entsprechenden Konstellation OVG NRW Beschluss vom 15.10.2012, 14 B 948/12).

Wählt die Behörde - wie hier – nicht die zivilrechtliche Vollstreckung (§ 66 Abs. 4 Satz 1 SGB X), sondern diejenige nach dem Verwaltungsvollstreckungsrecht (zum Wahlrecht der Einzugsstelle insoweit vgl. BSGE 64, 289-296), bestimmt sich die Vollstreckung gemäß § 66 Abs. 3 Satz 1 SGB X nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften über das Vollstreckungsverfahren (anders § 40 Abs. 8 SGB II, der für die Vollstreckung von Ansprüchen der in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirkenden Träger in das Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Bundes verweist).

Ein Anordnungsanspruch ist nach diesen Maßgaben nicht glaubhaft gemacht. Denn gemäß § 6a VwVG NRW ist die Vollstreckung (nur) einzustellen oder zu beschränken, wenn a) die Vollziehbarkeit des Leistungsbescheides gehemmt wurde, b) der Verwaltungsakt, aus dem vollstreckt wird, bestands- oder rechtskräftig aufgehoben wurde und nicht auf Grund der Entscheidung ein neuer Verwaltungsakt zu erlassen ist oder der Verwaltungsakt nichtig ist, c) der Anspruch auf die Leistung vom Schuldner durch die Vorlage von Urkunden nachweisbar erloschen ist, d) die Leistung, vom Schuldner durch die Vorlage von Urkunden nachweisbar, gestundet worden ist, e) eine Entscheidung nach § 26 VwVG NRW vorliegt, f) die Anordnungsbehörde um die Einstellung oder Beschränkung ersucht. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.

Gemäß § 7 Abs. 1 VwVG NRW sind Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des den Anspruch vollziehenden Leistungsbescheids, auch wenn diese nach Eintritt der Bestandskraft entstanden sind, (grundsätzlich) außerhalb des Zwangsverfahrens mit den hierfür zugelassenen Rechtsbehelfen zu verfolgen. Einwendungen gegen den der Vollstreckung zugrunde liegenden Anspruch, die nicht bereits nach § 6a VwVG NRW zu beachten sind und eine Beschränkung oder die Einstellung der Vollstreckbarkeit des Leistungsbescheides oder eines nach § 1 Abs. 3 VwVG NRW sofort vollstreckbaren öffentlich-rechtlichen Vertrages oder einer entsprechenden Erklärung zum Gegenstand haben, sind bei der Behörde geltend zu machen, die den Verwaltungsakt erlassen oder den Vertrag geschlossen hat oder vor der die Erklärung abgegeben wurde. Gegen einen durch Leistungsbescheid vollstreckten Anspruch sind (jedoch) nur die Einwendungen zulässig, die nicht im Wege der Anfechtung gegen den Leistungsbescheid geltend gemacht werden konnten. Die Behörde prüft im Rahmen ihrer Entscheidung über die Beschränkung oder Einstellung der Vollstreckung, ob vorläufige Maßnahmen anzuordnen sind; sie kann die Aufhebung bereits getroffener Vollstreckungsmaßnahmen verfügen (vgl. § 7 Abs. 2 VwVG NRW).

Auch insoweit sind nach summarischer Prüfung die Voraussetzungen für eine Beschränkung oder Einstellung der Vollstreckung nicht ersichtlich.

Letztlich fehlt es jedenfalls auch insoweit an einem Anordnungsgrund, denn es ist – wie bereits dargelegt – keine besondere Eilbedürftigkeit für das Begehren des Antragstellers ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

 

 

Rechtskraft
Aus
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