L 1 SV 291/21 B

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Gotha (FST)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1.
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 14 SO 1610/19
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 SV 291/21 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

§ 115 ZPO, § 59 SGB IX, § 5 RBEG, § 30 SGB XII

sozialgerichtliches Verfahren - bewilligte Prozesskostenhilfe - Beschwerde der Staatskasse - Zulässigkeit der Beschwerde - Begründung - Absetzung des Erwerbstätigenfreibetrages im Prozesskostenhilfeverfahren – Behindertenwerkstatt – Arbeitsförderungsgeld - Rundfunk- und Fernsehgebühren -

1. Unter den Begriff der Erwerbstätigkeit im Sinne des § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1b ZPO  fällt auch die Tätigkeit in einer Behindertenwerkstatt Der Erwerbstätigenfreibetrag ist auch dann abzusetzen, wenn er höher ist als das Erwerbseinkommen.

2. Arbeitsförderungsgeld bleibt nach § 59 Abs. 2 SGB IX als Einkommen unberücksichtigt.

3. Rundfunkgebühren  sind bei der Ermittlung des einzusetzenden Einkommens als angemessene besondere Belastungen nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 ZPO in Abzug zu bringen.

THÜRINGER LANDESSOZIALGERICHT

Az: L 1 SV 291/21 B

Az: S 14 SO 1610/19

         - Sozialgericht Gotha -

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BESCHLUSS

In dem Rechtsstreit

           …,

           …

           …,

           …

- Klägerin und Beschwerdegegnerin -

           Prozessbevollmächtigte:

           …,

           …

gegen

           ……

           ……….

           ………,

           …….

- Beschwerdeführer -

hat der 1. Senat des Thüringer Landessozialgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht Krome, die Richterin am Landessozialgericht Comtesse und die Richterin am Sozialgericht Schäfer am 15. Februar 2022  beschlossen:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 27. Januar 2021  wird  zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein sozialhilferechtliches Klageverfahren, mit welchem die Klägerin und Beschwerdegegnerin die Gewährung von Eingliederungsleistungen begehrt. Prozesskostenhilfe wurde mit am 9. März 2020 beim Sozialgericht Gotha eingegangenem Schriftsatz unter Beifügung einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beantragt. Durch Beschluss vom 27. Januar 2021 hat der Vorsitzende der Kammer der Beschwerdegegnerin Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsbestimmung unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten ab dem 9. März 2020 bewilligt.

Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hat der Beschwerdeführer, welchem der Beschluss des Sozialgerichts Gotha ausweislich eines Eingangsstempels am 1. März 2021 zur Kenntnis gelangt ist, am 15. März 2021 Beschwerde eingelegt. Er beanstandet, dass der Beschwerdegegnerin ohne Ratenzahlung PKH bewilligt worden sei.

Mit Verfügung vom 17. Mai 2021 hat der Berichterstatter des Senats der Beschwerdegegnerin die Vorlage aktueller und vollständiger Unterlagen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen aufgegeben. Daraufhin hat der Prozessbevollmächtigte der Beschwerdegegnerin mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2021 eine neue Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zur Gerichtsakte mit Nachweisen, insbesondere über die Höhe der Rente, vorgelegt. Der Berichterstatter des Senats hat des Weiteren beim Amtsgericht M einen Beschluss vom 29. September 2020 über die Erteilung der Restschuldbefreiung hinsichtlich eines Privatinsolvenzverfahrens beigezogen und eine Kopie des Schwerbehindertenausweises der Beschwerdegegnerin mit dem Merkzeichen „G“. Der Beschwerdeführer hat zuletzt mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2021 geltend gemacht, dass eine monatliche Rate in Höhe von 92,00 Euro zu zahlen sei.

II.

Gemäß § 172 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) findet gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist. Eine derartige andere Bestimmung ist für den Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch die Kammervorsitzenden der Sozialgerichte geregelt. So findet gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) die Beschwerde (nur) der Staatskasse gegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Danach ist aufgrund der Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Beschluss vom 27. Januar 2021 ohne Festsetzung von Zahlungen die Beschwerde statthaft. Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 3 Satz 2 ZPO kann die Beschwerde ferner nur darauf gestützt werden, dass der oder die Beteiligte nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten hat. Auch dies ist vorliegend erfüllt, denn die Staatskasse als Beschwerdeführerin macht geltend, dass Raten zu leisten sind. Die Beschwerde ist auch nicht nach § 73a Abs. 8 SGG ausgeschlossen, weil vorliegend nicht der Urkundsbeamte, sondern der Kammervorsitzende entschieden hat.

Die Beschwerde ist durch den Beschwerdeführer, die Bezirksrevisorin als Vertreterin der Staatskasse, auch fristgerecht am 15. März 2021 beim Sozialgericht Gotha eingelegt worden. Die Frist hierzu beträgt gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 3 Satz 3, 6 ZPO einen Monat ab Kenntnisnahme durch den Bezirksrevisor. Es liegt auch keine Unstatthaftigkeit der Beschwerde gemäß § 127 Abs. 3 Satz 4 ZPO wegen Ablaufs von drei Monaten seit Erlass des Bewilligungsbeschlusses vor. Die erforderliche Abhilfeentscheidung durch das Sozialgericht liegt vor.

Die danach statthafte Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat der Beschwerdegegnerin zu Recht Prozesskostenhilfe ohne Anordnung von Zahlungen bewilligt. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob die Klägerin  und Beschwerdegegnerin nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung aufbringen kann, ist der Zeitpunkt der Entscheidung des jeweiligen Gerichts. Das gilt auch im Beschwerdeverfahren. Veränderungen der Einkommens- oder Vermögensverhältnisse seit Antragstellung sind zu berücksichtigen (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 21. Januar 2022 - 12 S 1594/21 -; OVG Lüneburg, Beschluss vom 14. Februar 2020 – 10 PA 166/19 –, juris). Das legt schon der Wortlaut des § 115 Abs. 1 Satz 4 ZPO nahe, wonach hinsichtlich des einzusetzenden Einkommens die Beträge maßgeblich sind, die zum Zeitpunkt der „Bewilligung der Prozesskostenhilfe“ gelten, also zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Antrag. Aus § 120a  ZPO ergibt sich zudem, dass wesentliche Änderungen der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Rechtsschutzsuchenden vom Gericht zu jedem Zeitpunkt, also selbst nach der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag, zu beachten sind. Dies gilt nicht nur bei einer Verschlechterung, sondern auch bei der Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen.

Gemessen daran verfügt die Beschwerdegegnerin und Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats über kein einsetzbares Einkommen.

An Einkommen im Sinne des § 115 Abs. 1 S. 1 ZPO bezieht die Beschwerdegegnerin eine Rente in Höhe von 1.281,97 Euro und Einkünfte aus einer Tätigkeit in einer Behindertenwerkstatt in Höhe von durchschnittlich 185,00 Euro monatlich. Das durchschnittliche monatliche Einkommen von 185,00 Euro ergibt sich aus den durch die Beschwerdegegnerin vorgelegten Lohnabrechnungen der Behindertenwerkstatt im Beschwerdeverfahren, denn bei schwankendem Einkommen ist das durchschnittliche Monatseinkommen anzusetzen.

Als Einkommen unberücksichtigt bleibt das Arbeitsförderungsgeld in Höhe von 52,00 Euro monatlich, welches die Beschwerdegegnerin als Teil ihres Lohnes in der Behindertenwerkstatt erhalten hat. Behinderte, die in Behindertenwerkstätten arbeiten, erhalten nach § 59 Abs. 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) über die Werkstätten Arbeitsförderungsgeld, das zusätzlich zu den Arbeitsvergütungen gezahlt wird. Es beträgt derzeit 52,00 Euro monatlich und ist gem. § 59 Abs. 2  SGB IX vom Einkommen abzuziehen. Durch die Regelung des § 59 Abs. 2 SGB IX will der Gesetzgeber erreichen, dass das Arbeitsförderungsgeld den Beschäftigten in Werkstätten für Behinderte als Einkommen zur Verfügung steht und nicht durch die Anrechnung bei anderen Sozialleistungen wieder eingesetzt werden muss. Darüber hinaus dient die Regelung im Bereich der Sozialhilfe der Verwaltungsvereinfachung. Mit ihr entfiel die frühere Regelung des § 82 Abs. 2 Nr. 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII),  wonach  das  Arbeitsförderungsgeld  im  Rahmen  des  Einsatzes  von  Einkommen  und  Vermögen  nach  dem SGB XII zunächst als Einkommen in die sozialhilferechtliche Bedürftigkeitsprüfung einzubeziehen und anschließend im Zusammenhang mit der Bereinigung des Einkommens wieder in Abzug zu bringen war (BT-Drs. 18/10523 S. 55).

Von dem monatlichen Gesamteinkommen abzusetzen ist der Grundfreibetrag i. H. v. 494,00 Euro (§ 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a ZPO gemäß PKHB 2022) und die Kosten der Unterkunft und Heizung i. H. v. 450,00 Euro.

Wegen des Einkommens aus der Tätigkeit in der Behindertenwerkstatt ist der Erwerbstätigenfreibetrag von 225,00 Euro (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1b ZPO i. V. m. der PKHB 2022) abzusetzen. Unter den Begriff der Erwerbstätigkeit im Sinne der Vorschrift fällt auch die Tätigkeit in einer Behindertenwerkstatt (Dürbeck/Gottschalk, PKH/VKH, 9. Aufl. 2020, Rn. 303). Unerheblich ist, dass dieses Erwerbseinkommen geringer ist als der Erwerbstätigenfreibetrag. Denn § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1b ZPO differenziert nicht danach, wie hoch das Erwerbseinkommen ist (vgl. OVG Bautzen, Beschluss vom 28. November 2019 – 5 A 1187/17 –, juris). Zudem bestimmt § 115 Abs. 1 S. 3 ZPO durch die ausdrückliche Bezugnahme auf den vorherigen Satz der Norm, dass die abzusetzenden Beträge vom Gesamteinkommen i. S. v. § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO und nicht nur vom erzielten Erwerbseinkommen abzuziehen sind, so dass der überschießende Freibetrag hier auch das Einkommen aus der Erwerbsminderungsrente mindert. Dies ist auch folgerichtig. Denn der Erwerbstätigenfreibetrag berücksichtigt den mit der Erwerbstätigkeit verbundenen Mehraufwand pauschal (ungeachtet seiner tatsächlichen Höhe) und unterstellt damit, dass dieser Mehraufwand selbst bei einem Erwerbseinkommen anfällt, das den Freibetrag unterschreitet, solange die Betroffenen überhaupt im Erwerbsleben stehen. Dabei geht es nicht um konkrete Kosten, da diese ohnehin nach § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1a ZPO i. V. m. § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII als „die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben“ geltend gemacht werden können, solange sie tatsächlich anfallen. Vielmehr geht es um nicht näher spezifizierbare und damit zu pauschalierende Aufwendungen (vgl. BAG, Beschl. v. 22. April 2009 - 3 AZB 90/08 -, juris Rn. 9; Reichling, in: BeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf, Stand: 1. Dez. 2021, § 115 Rn. 29). Das gesetzlich in § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1b ZPO vorausgesetzte Merkmal „Einkommen aus Erwerbstätigkeit“ ist wegen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses  erfüllt. Dem entspricht die Rechtslage bei Bezug von Krankengeld. Ob Krankengeld bei Prüfung der Prozesskostenhilfeberechtigung als Erwerbseinkommen zu behandeln ist mit der Folge, dass der daran geknüpfte Freibetrag in Ansatz gebracht wird, richtet sich danach, ob es auf einer Krankenversicherungspflicht als Arbeitnehmer beruht und deshalb anteilig vom regelmäßig erzielten Arbeitseinkommen berechnet wird oder ob es auf einer Versicherungspflicht wegen Bezuges von Arbeitslosengeld beruht und in Höhe des Arbeitslosengeldes gezahlt wird. Nur im ersten Fall geht das Gesetz davon aus, dass der Prozesskostenhilfeantragsteller im Erwerbsleben steht und deshalb nicht näher spezifizierbare und damit zu pauschalierende Aufwendungen entstehen (vgl. BAG, Beschl. v. 22. April 2009 - 3 AZB 90/08 -, juris Rn. 9). Dementsprechend kann der erwerbsbedingt entstandene Mehraufwand, wenn er das Erwerbseinkommen überschreitet, auch andere Einkommensarten mindern.

Zu berücksichtigen sind im Fall der Klägerin zudem zusätzlich Freibeträge nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO i. V. m. § 21 Abs. 4 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) und § 30 SGB XII. Nach § 21 Abs. 4 SGB II können erwerbsfähige Behinderte mit Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, sonstigen Hilfen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes oder Eingliederungshilfen einen zusätzlichen Freibetrag in Höhe von 35 Prozent der hundertprozentigen Regelleistung, d.h. ab 1. Januar 2022 einen Betrag von 157,15 Euro, in Abzug bringen. Ferner ist nach § 30 Abs. 1 SGB XII aufgrund des vorliegenden Merkzeichens „G“ (nachgewiesen durch den unbefristet gültigen Schwerbehindertenausweis der Stadtverwaltung E, Geschäftszeichen …, GdB 100) ein weiterer Mehrbedarf in Höhe von 17 Prozent der maßgebenden Regelbedarfsstufe, d.h. hier 76,33 Euro, anzuerkennen. Mithin ist für sie ein Betrag in Höhe von 17 Prozent der Regelbedarfsstufe 1 von 449,00 Euro, dies entspricht 76,13 Euro, vom Einkommen abzusetzen.

Als grundsätzlich absetzbar sind auch angemessene Beiträge zur Haftpflichtversicherung und Hausratversicherung in Höhe von 8,21 Euro monatlich anzuerkennen. Die genannten Versicherungsbeiträge werden auch nicht vom Grundfreibetrag nach § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 a) ZPO erfasst. Dieser knüpft an den sozialhilferechtlichen Regelbedarf im Sinne des § 28 SGB XII an, der seinerseits wiederum auf das zum 1. Januar 2011 in Kraft getretene Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz verweist. Versicherungsbeiträge sind in den in § 5 Abs. 1 des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ab dem Jahr 2021 (RBEG) genannten regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben nicht berücksichtigt.

Absetzbar sind auch die von der Beschwerdegegnerin zu zahlenden Rundfunkgebühren. Bei der Bemessung des sozialhilferechtlichen Regelbedarfs ausdrücklich nicht berücksichtigt worden sind die Rundfunk- und Fernsehgebühren, und zwar mit der Begründung, Leistungsberechtigte nach dem SGB II oder dem SGB XII seien von der Zahlung dieser Gebühren ohnehin befreit (BT-Drs. 17/3404, S. 62). Im Rahmen der Ermittlung des prozesskostenhilferechtlich einzusetzenden Einkommens ist es daher angezeigt, etwaige Rundfunk- und Fernsehgebühren als angemessene besondere Belastungen nach § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 ZPO in Abzug zu bringen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. Dezember 2015 – 4 WF 174/15 –, juris). Das einzusetzende Einkommen der Beschwerdegegnerin mindert sich dadurch um weitere 17,50 Euro monatlich.

Vom Grundfreibetrag des § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 ZPO erfasst und damit nicht gesondert abzugsfähig sind die von der Beschwerdegegnerin geltend gemachten Telefonkosten. Hierbei handelt es sich um Ausgaben, die bei der Bemessung des sozialhilferechtlichen Regelbedarfs und des daran anknüpfenden verfahrenskostenhilferechtlichen Grundfreibetrags berücksichtigt worden sind.

Nicht mehr in Abzug gebracht werden können die bis Juli 2020 zu leistenden Zahlungen im Privatinsolvenzverfahren. Denn die Beschwerdegegnerin hat durch den Beschluss des Amtsgerichts M vom 29. September 2020 eine Restschuldbefreiung erlangt. Damit entfielen die laufenden Pfändungen ihres Einkommens aus der Behindertenwerkstatt. Dies ergibt sich auch aus den entsprechenden Lohn- und Gehaltsabrechnungen aus dem Jahre 2021. Bei diesen ist im Gegensatz zu den ursprünglich im Rahmen des PKH-Antrages eingereichten Lohnabrechnungen aus der Behindertenwerkstatt für Zeiträume im Jahre 2019 kein Abzug für eine Pfändung mehr vorgenommen worden. Bis zu diesem Zeitpunkt waren tatsächlich an den Treuhänder geleistete Beträge zur Bedienung der Insolvenzmasse als Belastung im Sinne des § 115 Abs. 1  Nr. 3 ZPO zu berücksichtigen (vgl. Busch, jurisPR-ArbR 49/2020 Anm. 6).

Nach alledem ergibt sich folgende Berechnung:

Rente

Behindertenwerkstatt (Durchschnitt)

1.281,97 Euro

185,00 Euro

Selbstbehalt § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2a ZPO

Erwerbstätigenfreibetrag § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 b ZPO

Arbeitsförderungsgeld § 59 Abs. 2 SGB IX

- 494,00 Euro

-225,00 Euro

 

-   52,00 Euro

Unterkunft

- 450,00 Euro

Mehrbedarf § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO i. V. m. § 21 Abs. 4 SGB II

- 157,15 Euro

Mehrbedarf § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO i. V. m. § 30 Abs. 1 SGB XII

Versicherungen § 82 Abs. 2 SGB XII

Rundfunkgebühren

-   76,33 Euro

 

-     8,21 Euro

-   17,50 Euro

verbleiben

-   13,22 Euro

 

 

Gemäß § 115 Abs. 1 Satz 4 ZPO sind die Beträge maßgeblich, die zum Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe gelten. Da das Bewilligungsverfahren erst mit Bekanntgabe dieses Beschlusses endet, sind die seit dem 1. Januar 2022 geltenden Beträge gemäß der Prozesskostenhilfebekanntmachung 2022 – PKHB vom 17. Dezember 2021 (BGBl. 2021 I, 5239) in die Berechnung einzustellen. Daraus resultieren die höheren Freibeträge, die von den von der Bezirksrevisorin zugrundegelegten Beträgen zu Gunsten der Beschwerdegegnerin abweichen.

Kosten sind gemäß § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten.

Der Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.

 

 

 

 

 

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