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THÜRINGER LANDESSOZIALGERICHT
Az: L 12 R 304/17
Az: S 19 R 4934/15
- Sozialgericht Gotha-
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Rechtsstreit
…………………………,
………………………………………
als Rechtsnachfolger d. verstorbenen …………….
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollm.:
………….
…………..
………….,
………….
gegen
……………,
……………,
……………
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
hat der 12. Senat des Thüringer Landessozialgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 20. Mai 2020 durch den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht Wehrhahn, die Richterin am Landessozialgericht Dr. Groß und den Richter am Landessozialgericht Apidopoulos sowie den ehrenamtlichen Richter Passet und die ehrenamtliche Richterin Zaus für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 20. Februar 2017 und der Bescheid der Beklagten vom 31. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2015 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, ab dem 1. Oktober 2015 abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte aus der Versicherung der am 8. September 2018 verstorbenen …………….. nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen an den Kläger zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger ist der Ehemann und Sonderrechtsnachfolger der 1952 geborenen und am 08. September 2018 verstorbenen … (nachfolgend Versicherte). Die Beteiligten streiten über eine abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte aus ihrer Versicherung.
Die Versicherte war seit dem 1. September 1969 versicherungspflichtig beschäftigt. Für die Zeit vom 1.September 1969 bis zum 28. Februar 2015 sind in ihrem Versicherungsverlauf insgesamt 546 Monate rentenrechtlicher Zeiten (Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit, Berücksichtigungszeiten, Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung, des Bezugs von Leistungen bei Krankheit und des Bezugs von Übergangsgeld gespeichert; auf dem Versicherungsverlauf zum Rentenbescheid vom 29. Oktober 2015, Bl. 64 - 65 der Beklagtenakte wird Bezug genommen). Im Versicherungsverlauf wurden für die Zeit vom 1. März 2013 bis zum 28. Februar 2015 24 Monate Pflichtbeitragszeiten für den Bezug von Arbeitslosengeld berücksichtigt (ohne AFG-Bezug insgesamt 522 Monate).
Seit dem 1. September 1991 arbeitete die Versicherte bei der Firma B GmbH. Aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten ihres Arbeitgebers schloss sie unter dem 27. Juni 2011 mit dem Arbeitgeber eine Vereinbarung über die Reduzierung ihres Einkommens (auf Bl. 14 der Beklagtenakte wird Bezug genommen). Mit Eröffnungsbeschluss des Amtsgerichts Erfurt vom 30. Juli 2012 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma B eröffnet (hierzu wird auf Bl. 16 der Beklagtenakte Bezug genommen). In der Zeit vom 1. Mai 2012 bis 29. Juli 2012 bezog die Versicherte Insolvenzgeld (Insolvenzgeldbescheinigung der Bundesagentur für Arbeit vom 5. September 2012, Bl. 27 der Beklagtenakte).
Am 1. August 2012 schlossen die Versicherte, der Insolvenzverwalter der Firma B GmbH und die Firma R mbH (sogenannte Transfergesellschaft [betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit]) einen sogenannten 3-seitigen Vertrag. Danach endete das Arbeitsverhältnis der Versicherten mit der Firma B zum 31. Juli 2012. Gleichzeitig wurde ein Beschäftigungsverhältnis mit der Transfergesellschaft, befristet vom 1. August 2012 bis zum 28. Februar 2013, vereinbart. In diesem Zeitraum war die Versicherte tatsächlich in der Transfergesellschaft beschäftigt und bezog das vereinbarte Monatsgehalt i.H.v. 2.703,87 Euro brutto (bezüglich der Einzelheiten des sogenannten 3-seitigen Vertrages vgl. Bl. 18 ff. der Beklagtenakte). Ab dem 1. März 2013 wurde die Versicherte arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld vom 1. März 2013 bis zum 28. Februar 2015 (Bewilligungsbescheid der Bundesagentur für Arbeit, Bl. 20 der Beklagtenakte). Seit dem 1. Oktober 2015 bezog sie eine Altersrente für langjährig Versicherte (Rentenbescheid vom 29. Oktober 2015) mit Abschlägen (Zugangsfaktor 0,910).
Ihren zuvor gestellten Antrag auf abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab dem 1. Oktober 2015 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 31. Juli 2015 ab, weil die erforderliche Wartezeit von 540 Monaten (45 Jahre) nicht erfüllt sei. Das Versicherungskonto enthalte bis zum 30. September 2015 nur 529 Wartezeitmonate. Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung, die in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn lägen, könnten nicht auf die Wartezeit von 45 Jahren angerechnet werden. Die Rückausnahmeregelung des § 51 Abs. 3 a Satz 1 Nr. 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) sei nicht erfüllt. Die Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung, die die Versicherte bezogen habe, seien nicht durch eine Insolvenz bedingt gewesen. Sie habe einvernehmlich einen befristeten Arbeitsvertrag mit einer Transfergesellschaft abgeschlossen.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2015 zurück.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 20. Februar 2017 abgewiesen. Die Versicherte habe die Anspruchsvoraussetzungen des § 236b Abs. 1 SGB VI nicht erfüllt. Ihr fehle die erforderliche Wartezeit von 45 Jahren. Sie habe bis zum Zeitpunkt des beantragten Rentenbeginns am 1.10.2015 nur 529 berücksichtigungsfähige Monate. Die fehlenden, weiteren 11 Wartezeitmonate könne sie nicht mehr erreichen. Insbesondere werde die Zeit des Arbeitslosengeldbezuges ab 1. März 2013 nicht nach § 51 Abs. 3 a Satz 1 Nr. 3 a SGB VI auf die Wartezeit von 45 Jahren angerechnet, weil sie in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn läge und weder durch eine Insolvenz des Arbeitgebers noch durch eine Geschäftsaufgabe bedingt sei. Ursache des Arbeitslosengeldbezuges sei vielmehr das Befristungsende der Beschäftigung bei der R mbH gewesen. Daher könne dahinstehen, ob das Beschäftigungsverhältnis bei der Firma B GmbH tatsächlich aufgrund der Insolvenz der Firma geendet habe. Zur Begründung hat das SG wörtlich aus einem Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 2. Dezember 2015 (Az.: S 7 R 1644/15) zitiert und sich im Ergebnis dieser Rechtsauffassung angeschlossen.
Gegen die der Versicherten am 6. März 2017 zugestellte Entscheidung hat sie am 13. März 2017 Berufung eingelegt.
Die Versicherte sei am 1. Dezember 1969 in die gesetzliche Rentenversicherung eingetreten. Bis einschließlich des Monats Februar 2015 seien im Versicherungsverlauf alle Monate als Pflichtbeitragszeiten ausgewiesen. Es seien 546 Monate als Wartezeit belegt, die für eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte (Wartezeit 35 Jahre) zu berücksichtigen seien. Der Kläger ist der Auffassung, dass die Pflichtbeitragszeiten für den Bezug des Arbeitslosengeldes nach § 51 Abs. 3 a Nr. 3 SGB VI Wartezeit begründend seien. Dies ergäbe sich aus einer Auslegung der Vorschrift des § 51 Abs. 3 a Nr. 3 SGB VI. Der Kläger sieht einen Verstoß gegen Art. 3 GG, wenn die Vorschrift nicht in seinem Sinne ausgelegt werden könne.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 20. Februar 2017 und den Bescheid vom 31. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ab dem 1. Oktober 2015 aus der Versicherung der am 8. September 2018 verstorbenen … eine abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte an ihn nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Die die Versicherte betreffende Verwaltungsakte der Beklagten lag vor und ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab dem 1. Oktober 2015 aus der Versicherung seiner verstorbenen Ehefrau. Die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig.
Anspruchsgrundlage für die vom Kläger begehrte Rentenleistung aus der Versicherung seiner Ehefrau ist § 236b Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 SGB VI in der hier maßgebenden Fassung des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes vom 23. Juni 2014 (BGBl. I, 787).
Der Anspruch auf Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach Maßgabe dieser Vorschrift scheitert nicht bereits daran, dass die Versicherte seit dem 1. Oktober 2015 eine Altersrente für langjährig Versicherte bezog. Zwar bestimmt § 34 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI, dass nach bindender Bewilligung eine Rente wegen Alters- oder für Zeiten des Bezugs einer solchen Rente der Wechsel in eine andere Rente wegen Alters ausgeschlossen ist. Diese Regelung betrifft aber nicht den Anspruch auf eine andere Altersrente, die vor oder gleichzeitig mit der bindenden Bewilligung oder bezogenen Altersrente beginnt (vgl. BSG, Urteil vom 12. März 2019 - B 13 R 19/17 R - SozR 4-2600 § 51 Nr. 6, Rn. 12). So würde der Fall hier liegen.
Die Versicherte erfüllte die Anspruchsvoraussetzungen nach § 236b Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 SGB VI. Danach haben Versicherte, die vor dem 1. Januar 1953 geboren sind, Anspruch auf eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte, wenn sie das 63. Lebensjahr vollendet haben (Abs. 1 Nr. 1) und die Wartezeit von 45 Jahren erfüllt haben (Abs. 1 Nr. 2). Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Klägerin ist 1952 geboren und hatte am 1. Oktober 2015 das 63. Lebensjahr vollendet. Sie hat ferner die Wartezeit von 45 Jahren erfüllt.
Welche Zeiten auf die Wartezeit von 45 Jahren angerechnet werden, ergibt sich aus § 51 Abs. 3 a Satz 1 SGB VI (idF des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes). Angerechnet werden danach Kalendermonate mit Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit (Nr. 1), Berücksichtigungszeiten (Nr. 2), Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung (Nr. 3 Buchst. a), Leistungen bei Krankheit (Nr. 3 Buchst. b) und Übergangsgeld (Nr. 3 Buchst. c) soweit sie Pflichtbeitragszeiten oder Anrechnungszeiten sind. Ausweislich des Versicherungsverlaufs hat die Versicherte bis zum 1. Oktober 2015 rentenrechtliche Zeiten im Sinne des § 51 Abs. 3 a Satz 1 SGB VI im Umfang von 546 Monaten und damit die Wartezeit von 45 Jahren (540 Monate) vorzuweisen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist dabei in die Wartezeitberechnung auch der Bezug von Arbeitslosengeld im Zeitraum vom 1. März 2013 bis 28. Februar 2015 im Umfang von 24 Monaten an Pflichtbeitragszeiten bei der Wartezeit einzurechnen und zu berücksichtigen.
Zwar regelt § 51 Abs. 3 a Satz 1 SGB VI als Ausnahme, dass Zeiten nach Buchst. a (Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung) in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nicht berücksichtigt werden. Hiernach wären die Pflichtbeitragszeiten der Versicherten wegen Arbeitslosengeldbezugs vom 1. März 2013 bis zum 28. Februar 2015 an sich bei der Wartezeit nicht einzurechnen. Hiervon macht das Gesetz jedoch eine sogenannte Rückausnahme, wonach diese Zeiten gleichwohl berücksichtigungsfähig sind, wenn der Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt ist (§ 51 Abs. 3 a Satz 1, Teils 3 SGB VI, vgl. hierzu BSG, Urteil vom 12. März 2019 - B 13 R 19/17 R - SozR 4-2600 § 51 Nr. 6, Rn. 14). Die Rückausnahme, wonach der Arbeitslosengeldbezug durch Insolvenz des Arbeitgebers bedingt war, lag bei der Versicherten vor, dh die Rückausnahme des § 51 Abs. 3 a Satz 1 Nr. 3 SGB VI ermöglicht hier eine Anrechnung des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung vom 1. März 2013 bis 28. Februar 2015 auf die Wartezeit von 45 Jahren.
Insolvenzbedingt ist der Alg-Bezug nur dann, wenn sich die Beendigung einer Beschäftigung als Ergebnis einer verfahrensrechtlich durch die Insolvenzordnung gelenkten Tätigkeit darstellt. Dies ist der Fall, wenn die Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses auf der Erklärung z.B. Kündigung einer Person beruht, deren Handlungsbefugnis durch die Insolvenzordnung begründet ist. Als solche Person kommt der vorläufige Insolvenzverwalter oder der Arbeitgeber in der Funktion als Schuldner in Eigenverantwortung in Betracht (ständige Rechtsprechung des 5. Senats, vgl. BSG, Urteil vom 17. August 2017 - B 5 R 8/16 R - BSGE 124, 58 Rn. 20; BSG, Urteil vom 12. März 2019 - B 13 R 19/17 R - SozR 4-2600 § 51 Nr. 3 Rn. 18).
Zwar endete das letzte Beschäftigungsverhältnis (das „Transferarbeitsverhältnis“; Beschäftigungslosigkeit als Voraussetzung für den Bezug von Arbeitslosengeld vgl. §§ 137 Abs. 1 Nr. 1, 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III) der Versicherten nicht durch eine Insolvenz der Transfergesellschaft, vielmehr wurde sie aufgrund des Fristablaufes arbeitslos. Maßgeblich ist hier jedoch, dass der vorhergehende Arbeitgeber - die B GmbH - insolvent geworden ist und - zwar im Rahmen des üblichen dreiseitigen Vertrages aber gleichwohl (auch) durch eine Willenserklärung des Insolvenzverwalters - dieses Arbeitsverhältnis beendet wurde. Denn im Rahmen der Prüfung des Rückausnahmetatbestandes „Insolvenz des Arbeitgebers“ kommt auch in Betracht, nicht nur auf den letzten Arbeitgeber vor dem Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung abzustellen (ggf. eine Transfergesellschaft als Arbeitgeber), vielmehr ist im Falle des Wechsels eines Arbeitnehmers in eine Transfergesellschaft aus Anlass der Insolvenz des vorherigen Arbeitgebers (genau dies ist hier der Fall) der vorhergehende Arbeitgeber in den Blick zu nehmen.
In einem solchen Fall genügt es für den Rückausnahmetatbestand „Insolvenz des Arbeitgebers“, dass der vorhergehende Arbeitgeber insolvent geworden ist und dies - wie hier - ursächlich dafür war, dass der Arbeitnehmer - hier die Versicherte - befristet in eine Transfergesellschaft gewechselt ist. Die Insolvenz ist damit auch ursächlich für den Arbeitslosengeldbezug im Anschluss.
§ 51 Abs. 3 a Satz 1, Teils 3 SGB VI ist ein Kausalzusammenhang zu entnehmen: der Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung muss „durch“ ua Insolvenz des Arbeitgebers „bedingt“ sein. Maßstab der Kausalitätsprüfung ist auch im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung die Lehre von der wesentlich mitwirkenden Bedingung. Nach dieser sind kausal und rechtserheblich nur solche (naturwissenschaftlich-philosophischen) Ursachen (1. Stufe), die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Für die insoweit erforderliche wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache für den Erfolg (2. Stufe) gilt: Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Zwar kann auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache für den Erfolg rechtlich wesentlich sein. Voraussetzung ist allerdings, dass die andere Ursache keine überragende Bedeutung hat. Ist dagegen eine Ursache gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist nur diese als "wesentliche" Ursache im Sinne des Sozialrechts zu qualifizieren. Die andere, damit nicht wesentliche Ursache kann zwar gleichwohl "Auslöser" für den Ursachenzusammenhang sein, jedoch ohne dass ihr insoweit rechtlich entscheidende Bedeutung zukäme (vgl. BSG, Urteil vom 25.5.2018 - B 13 R 30/17 R, Rn. 17 juris, mwN). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die wesentliche Ursache des Arbeitslosengeldbezugs der Versicherten vor dem Rentenbeginn die Insolvenz des vorherigen Arbeitgebers (hier die B GmbH). Das Ende der Befristung des Beschäftigungsverhältnisses in der Transfergesellschaft (und Eintritt der Beschäftigungslosigkeit) tritt als Bedingung für den Bezug des Arbeitslosengeldes bei dieser Fallkonstellation als unwesentlich zurück.
Der Wortlaut des § 51 Abs. 3 a Satz 1 Nr. 3 Teils 3 SGB III verbietet die vorstehende Auslegung - insbesondere im Hinblick auf den Kausalzusammenhang - nicht. Dieser spricht lediglich von der Insolvenz bzw. vollständigen Geschäftsaufgabe des „Arbeitgebers“, ohne zu definieren, wer unter Arbeitgeber zu verstehen ist. Jedenfalls ist alleine aus dem Wortlaut nicht zu schließen, dass nur der „letzte“ Arbeitgeber vor dem Bezug des Arbeitslosengeldes gemeint ist. Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung vom 12. März 2019 (B 13 R 19/17 R - SozR 4 - 2600 § 51 Nr. 3, Rn. 21) die Frage ausdrücklich offen gelassen.
Die Gesetzeshistorie stützt das Ergebnis. Zunächst war umstritten, ob Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld bei der Wartezeit zu berücksichtigen sind. Es wurde in den Ausschusssitzungen für Arbeit und Soziales sowie den hierfür vorgelegten schriftlichen Stellungnahmen diskutiert, ob die Regelung im Wege von Frühverrentung missbraucht werden kann, wenn sie in Betracht kommende ältere Arbeitnehmer durch Zusammenwirkung mit dem Arbeitgeber gezielt aus dem Erwerbsleben durch Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausscheiden und Arbeitslosengeld in dem für sie nach § 147 Abs. 2 SGB III in Betracht kommendem Umfang von 24 Monaten vor Rentenbezug in Anspruch nehmen. In dem Gesetzgebungsverfahren hat sich der BDA gegen die Einführung der Altersrente für besonders langjährig Versicherte ausgesprochen. Diese widerspreche bisheriger sozialpolitischer Zielsetzung, es würde ein Missbrauch (durch Frühverrentung) befürchtet, zur Vermeidung sprach sich der BDA gegen eine Erstattungspflicht des Arbeitgebers aus: „Die Erstattungspflicht ändert daher auch nichts an dem Kernproblem, dass die abschlagsfreie Rente mit 63 zum vorzeitigen Ausscheiden von Beschäftigten aus dem Erwerbsprozess führen wird“, sondern für einen Stichtag bzw. die Begrenzung des Alg-Bezugs bei der Wartezeit. „Der sich aus dem jetzigen Entwurf ergebende Fehlanreiz, Arbeitsverhältnisse mit 61 zu beenden, um dann nach zweijährigem Arbeitslosengeldbezug mit 63 in die abschlagsfreie Altersrente zu wechseln, würde deutlich verringert“ (wenn höchstens 12 Monate Alg-Bezug bei der Wartezeit berücksichtigt würden, vgl. Ausschuss-Drucks. 18(11) S. 8 ff.). Nach der Stellungnahme des Prof. B1….. wäre von einem Frühverrentungsschub dann zu reden, wenn dem Rentenbezug mit 63 gezielt eine Frage der Arbeitslosigkeit vorgeschaltet würde: „Wiederum ist zu fragen, ob bei der abschlagsfreien Rente mit 63 Arbeitslosigkeit durch Beendigung der Arbeitsverhältnisse herbeigeführt wird (vgl. Ausschuss-Drucks. 18(11) 74 S. 5). Die AN-Kammer Bremen hat den Rentenvorschlag begrüßt und zum Missbrauch wörtlich ausgeführt: „Frühverrentung meint dabei die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, um nach dem anschließenden Bezug von Arbeitslosengeld eine Altersrente zu beantragen“ (Ausschuss-Drucks. 18 (11) 78 S. 3). Die BA sah einen Verhaltenseffekt, ab dem 58. Lebensjahr bestünde zwei Jahre Anspruch auf Arbeitslosengeld.: „Arbeitgeber und Arbeitnehmer könnten sich bei entsprechender Interessenlage darauf verständigen, zwei Jahre vor dem Rentenbeginn eine, die Rentenanwartschaft begründende Arbeitslosigkeit mit Bezug von Arbeitslosengeld bis zum Erreichen des Renteneintrittsalters herbeizuführen“ (Ausschuss-Drucks. 18(11) 80 S. 2).
Bei Konstellationen wie vorliegend, d.h. Insolvenz des Arbeitgebers und anschließend Beschäftigung des Arbeitnehmers in einer Transfergesellschaft, scheiden sämtliche im Gesetzgebungsverfahren geäußerten Bedenken des Missbrauchs aus. Ein kollusives Zusammenwirken von Arbeitnehmer und Arbeitgeber, um die Anspruchsvoraussetzungen einer abschlagsfreien Altersrente für besonders langjährig Versicherte durch Beendigung des Arbeitsverhältnisses und anschließenden Bezug von Arbeitslosengeld zu erreichen („manipulieren“) scheidet hier ebenso aus wie in den Fällen des Eintritts einer Insolvenz des Arbeitgebers und unmittelbar anschließender Arbeitslosigkeit des Arbeitnehmers.
Für die vorstehende Auslegung des Rückausnahmetatbestandes des § 51 Abs. 3 a Satz 1 Nr. 3 Teils 3 SGB VI sprechen insbesondere der Wille des Gesetzgebers und der Sinn und Zweck der Vorschrift.
Mit § 51 Abs. 3 a Satz 1 Nr. 3, Teils 3 SGB VI wollte der Gesetzgeber einerseits auch eine für die Wartezeit günstige Berücksichtigung von Zeiten der Arbeitslosigkeit bei Bezug von Entgeltersatzleistungen vorsehen. Nach der Gesetzesbegründung sei es Sinn der abschlagsfreien Altersrente für besonders langjährig Versicherte, auch unter Berücksichtigung von Zeiten der Arbeitslosigkeit eine besonders langjährig rentenversicherte Beschäftigung mit entsprechender Beitragszahlung zu privilegieren (BT-Drucks. 18/989 S. 20, 21). Hieraus folgt, dass es dem Willen des Gesetzgebers entspricht, grundsätzlich auch Zeiten des Bezuges von Arbeitslosengeld auf die Wartezeit anrechnen zu können, andererseits sollten aber Fehlanreize für ein vorzeitiges Ausscheiden besonders rentennaher Versicherter (Stichwort Frühverrentung) durch vorherigen (herbeigeführten) Bezug von Arbeitslosengeld verhindert werden. Der Gesetzgeber hat insofern die in den Ausschusssitzungen geäußerten Bedenken aufgegriffen und eine vermittelnde Lösung gesucht. Die Neufassung des § 51 Abs. 3 a Satz 1 Nr. 3, Teils 3 SGB VI im Gesetzgebungsverfahren wurde damit begründet, dass aufgrund verschiedener Änderungen Abs. 3 neu gefasst worden sei. Durch die Ergänzung in § 51 Abs. 3 a Nr. 3 SGB VI sollten Fehlanreize vermieden werden, die sich aus der Anrechnung von Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung auf die Wartezeit von 45 Jahren bei der Altersrente für besonders langjährig Versicherte ergeben könnten. Durch die Regelung würden Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung dann nicht berücksichtigt, wenn sie in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn liegen. Um Härtefälle zu vermeiden, würden diese Zeiten zwei Jahre vor Rentenbeginn (gleichwohl dann) berücksichtigt, wenn sie durch Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt seien (BT-Drucks. 18/1489 S. 26). Aus der Regelung ist damit folgende Systematik zu entnehmen: Grundsätzlich sind Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs wartezeitbegründend, das gilt ausnahmsweise nicht bei einem Arbeitslosengeldbezug in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn (Gefahr des Missbrauchs durch Frühverrentung), es sei denn dieser ist ua durch Insolvenz des Arbeitgebers bedingt (Rückausnahme, weil es sich um einen Härtefall handelt).
Hieraus lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber bei den Rückausnahmen an die Offenkundigkeit fehlender Missbrauchsmöglichkeiten angeknüpft hat. Beabsichtigte der Gesetzgeber mit der Regelung also Fehlanreize zu vermeiden durch ein kollusives Zusammenwirken der Arbeitsvertragsparteien zu Lasten der Sozialversicherung und hält er dies nur in den Fällen der Insolvenz oder vollständigen Geschäftsaufgabe für nach außen erkennbar ausgeschlossen (Vermeidung von Härtefällen, vgl. Graser/Helmich/Lindner, Ist die Ausnahmeregelung für die Anerkennung der letzten zwei Jahre des Arbeitslosengeldbezuges verfassungskonform? in Soziale Sicherheit - SozSich - 2017, S. 421), dann macht es im Ergebnis keinen Unterschied, ob der Arbeitnehmer seine Beschäftigung unmittelbar durch die Insolvenz des (des vorhergehenden) Arbeitgebers verloren hat oder nach Insolvenz noch befristet in einer Transfergesellschaft beschäftigt war und dann arbeitslos wurde. Trotz der zwischengeschalteten „Transferbeschäftigung“ liegt in beiden Fällen der gleiche Härtefall vor. In Fällen wie vorliegend fehlt es offenkundig ebenso an Missbrauchsmöglichkeiten. Fehlanreize werden nicht geschaffen, wenn der Arbeitnehmer unmittelbar vom insolventen Arbeitgeber in eine Transfergesellschaft wechselt. Ein „kollusives“ Zusammenwirken von Arbeitgeber und Arbeitnehmern zur Herbeiführung der Anspruchsvoraussetzungen des § 236b Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 SGB VI scheidet in solchen Fällen aus.
Die folgende Kontrollüberlegung bestätigt nach der Überzeugung des Senats die vorstehende Rechtsauffassung. Träfe es zu, dass im Konto der Versicherten (wie von der Beklagten im Bescheid vom 31. Juli 2015 errechnet) ohne den Arbeitslosengeldbezug 529 Wartezeitmonate gespeichert sind, hätte sie die Wartezeit von 540 Kalendermonaten erfüllt, wenn sie - statt zunächst sieben Monate in eine Transfergesellschaft zu wechseln - unmittelbar nach der Insolvenz der B GmbH arbeitslos geworden und Arbeitslosengeld bezogen hätte. Der Bezug des Arbeitslosengeldes hätte dann unzweifelhaft berücksichtigt werden müssen (529 - 7 Monate Transfergesellschaft + 24 Monate Alg = 546). Ob der Beklagten bei der Berechnung der Wartezeitmonate ein Rechenfehler unterlaufen ist, weil ohne den Arbeitslosengeldbezug nur 522 Wartezeitmonate gespeichert sind, kann für die Kontrollüberlegung offen bleiben. Nach der von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung müsste Versicherten davon abgeraten werden, in eine Transfergesellschaft zu wechseln, wenn sie die Wartezeit nach der Insolvenz und unmittelbar anschließendem Arbeitslosengeldbezug bereits erfüllen, weil solche Versicherte ansonsten riskieren, keine abschlagsfreie Altersrente beziehen zu können, wenn nach dem Ende der Befristung des Transferarbeitsverhältnisses ein anschließender Arbeitslosengeldbezug bei der Wartezeit nicht berücksichtigt werden könnte. Diesen Versicherten wird bei lebensnaher Betrachtung die Möglichkeit genommen, sich in der Transfergesellschaft zu qualifizieren und bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze erwerbstätig zu sein. Der mit Transfergesellschaften verbundene gesetzgeberische Zweck und das Ziel, die Lebensarbeitszeit zu erhöhen, würden so unterlaufen. Gerade in solchen Konstellationen wäre „Missbrauch“ zu befürchten, indem Versicherte, die die Wartezeit nach der Insolvenz und unmittelbar anschließendem Arbeitslosengeldbezug bereits erfüllen, von Transfermaßnahmen ausgeschlossen würden oder solche Versicherte Transfermaßnahmen ablehnen, um sich die Möglichkeit einer abschlagsfreien Altersrente zu sichern.
Beides - Vorliegen eines Härtefalls und Fehlen von Missbrauchsmöglichkeiten - rechtfertigen es deshalb, die Insolvenz des ursprünglichen Arbeitgebers als wesentliche Ursache des Arbeitslosengeldbezugs zu betrachten.
Die vorstehende Rechtsprechung widerspricht schließlich nicht der Rechtsprechung des 13. und des 5. Senats des Bundessozialgerichts. Der 13. Senat hat in seiner Entscheidung vom 21. Juni 2014 (B 13 R 19/17 R - SozR 4 - 2600 § 51 Nr. 3 Rn. 21) ausdrücklich offen gelassen, ob in Konstellationen wie der vorstehenden für die Prüfung des Rückausnahmetatbestandes des § 51 Abs. 3 a Satz 1 Nr. 3 Teils 3 SGB VI die Insolvenz des vorherigen Arbeitgebers, der Anlass des Wechsels des Arbeitnehmers in die Transfergesellschaft gewesen ist, ausreichend für die Erfüllung der Tatbestandvoraussetzung ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193,183 SGG.
Die Revision war zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG vorliegen.
Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Bisher ist ungeklärt, ob im Falle einer Transfergesellschaft für die Frage der Insolvenz auf das letzte Beschäftigungsverhältnis in dieser Transfergesellschaft oder auf ein Beschäftigungsverhältnis und die Insolvenz des Arbeitgebers vor dem Eintritt in die Transfergesellschaft abzustellen ist.