Die Abrechnung von Zuschlägen für ambulante Operationen setzt bei einem Haupteingriff der Kategorie 7 auch dann die Überschreitung einer Schnitt-Naht-Zeit von 120 Minuten voraus, wenn zusätzlich ein Simultaneingriff durchgeführt wird.
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 21. April 2021 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
G r ü n d e :
I
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Im Streit steht die Rechtmäßigkeit einer sachlich‑rechnerischen Richtigstellung von Leistungen iHv (noch) 4661,28 Euro, die das von der Klägerin betriebene Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) bei Simultaneingriffen neben Haupteingriffen der Kategorie E7 (Endoskopische Eingriffe mit kalkulatorischer Schnitt-Naht-Zeit über 120 Minuten) im Quartal 2/2013 erbracht hat.
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2015 informierte die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) die Klägerin, dass die beigeladene Krankenkasse einen Antrag auf Richtigstellung der Abrechnung ua der Gebührenordnungspositionen (GOP) 31148 (Zuschlag zu den GOP 31141 bis 31146 <Endoskopischer Gelenkeingriff der Kategorie E1 bis E6> bei Simultaneingriffen sowie zu der GOP 31147 <Endoskopischer Gelenkeingriff der Kategorie E7>) und 31828 (Zuschlag zu den GOP 31821 bis 31826 <Anästhesie und/oder Narkose bei Eingriffen der Kategorien 1 bis 6> bei Simultaneingriffen sowie zu der GOP 31827 <Anästhesie und/oder Narkose bei Eingriffen der Kategorie 7> bei Fortsetzung einer Anästhesie und/oder Narkose) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM‑Ä) gestellt habe. Zur weiteren Prüfung forderte sie ua Kopien der OP- und Narkoseprotokolle mit Angabe der tatsächlichen Gesamt-Schnitt-Naht-Zeiten an (Schreiben vom 4.2. und 18.9.2015).
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Nach Einreichung dieser Unterlagen berichtigte die Beklagte die Honorarabrechnung der Klägerin in 22 Behandlungsfällen und einem Gesamtumfang von 5385,67 Euro (Bescheid vom 23.11.2015). Die Zuschläge nach den GOP 31148 und 31828 EBM‑Ä könnten nach Nr 4 der Präambel 2.1 zu Anhang 2 EBM‑Ä für die Simultaneingriffe, die hier neben einem Haupteingriff der Kategorie 7 durchgeführt worden seien, nur bei Überschreitung einer Schnitt-Naht-Zeit von 120 Minuten für je weitere vollendete 15 Minuten berechnet werden. Diese zeitlichen Voraussetzungen seien in den betreffenden Fällen nicht erfüllt. Im hiergegen eingelegten Widerspruch erklärte die Klägerin, die Rückforderung sei in drei Behandlungsfällen in vollem Umfang sowie in sechs weiteren Behandlungsfällen hinsichtlich der Kürzung jeweils einmal der GOP 31148 bzw 31828 EBM‑Ä berechtigt. Die übrigen Absetzungen seien jedoch zu Unrecht erfolgt. Entgegen der Auffassung der Beklagten finde für die vorliegende Konstellation nicht Nr 4, sondern Nr 15 iVm Nr 3 der Präambel 2.1 zu Anhang 2 EBM‑Ä Anwendung. Danach sei für die Berechnung der Zuschlagspositionen bei Simultaneingriffen neben einem Haupteingriff der Kategorie 7 die tatsächliche Schnitt-Naht-Zeit des jeweiligen Haupteingriffs maßgeblich und nicht ‑ wie die Beklagte meine ‑ die über die Schnitt-Naht-Zeit von 120 Minuten hinausgehende Zeit. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 27.4.2016).
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Das SG hat die Beklagte zur Nachvergütung der abgesetzten Leistungen verurteilt (Urteil vom 18.12.2018). In allen streitgegenständlichen Behandlungsfällen sei ein sogenannter Simultaneingriff neben einem Haupteingriff der Kategorie E7 erfolgt. Nach Nr 3 der Präambel 2.1 zu Anhang 2 EBM‑Ä könne bei Simultaneingriffen die durch das OP‑ und/oder das Narkoseprotokoll nachgewiesene Überschreitung der tatsächlichen Schnitt‑Naht‑Zeit des Haupteingriffs zusätzlich durch die entsprechenden Zuschlagspositionen berechnet werden. Ergänzend sehe Nr 15 vor, dass maßgeblich für die Berechnung der Zuschlagspositionen nicht die Überschreitung der kalkulatorischen Schnitt-Naht-Zeit des jeweiligen Haupteingriffs, sondern die Überschreitung der tatsächlichen Schnitt‑Naht‑Zeit sei. Demnach falle auch ein Simultaneingriff, der ‑ wie hier ‑ neben einem Haupteingriff der Kategorie 7 ausgeführt werde, unter Nr 3 Satz 1 der Präambel 2.1 zu Anhang 2 EBM‑Ä. Die in Nr 4 dieser Präambel getroffene Regelung beziehe sich allein auf Operationen der Kategorie 7, die als Einzeleingriff durchgeführt würden.
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Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 21.4.2021). Die Voraussetzungen für die Abrechnung der Zuschläge nach den streitigen GOP des EBM‑Ä seien nicht erfüllt. Denn maßgeblich sei die Überschreitung einer Schnitt-Naht-Zeit von 120 Minuten. Entgegen der Auffassung des SG finde Nr 3 iVm Nr 15 der Präambel 2.1 zu Anhang 2 EBM‑Ä nur bei Simultaneingriffen, die im Zusammenhang mit Haupteingriffen der Kategorien 1 bis 6 erfolgten, Anwendung. Hierfür spreche der Wortlaut der einschlägigen Vergütungsbestimmungen, welcher für die Auslegung der Vorschrift maßgeblich sei: Nr 3 der Präambel 2.1 zu Anhang 2 EBM‑Ä erlaube eine Berechnung von Simultaneingriffen neben dem jeweiligen Haupteingriff durch den Ansatz von Zuschlagspositionen und benenne dabei allein für die Kategorien 1 bis 6 deren kalkulatorische Schnitt‑Naht‑Zeiten (15 bis 120 Minuten). Diese kalkulatorischen Schnitt‑Naht‑Zeiten dienten als Obergrenze, bis zu der die Zuschlags‑GOP der Kapitel 31 und 36 EBM‑Ä abgerechnet werden dürften. Als Höchstzeit gelte dabei die Summe der kalkulierten Zeiten der Simultaneingriffe. Für Eingriffe der Kategorie 7 (kalkulatorische Schnitt‑Naht‑Zeit über 120 Minuten) gebe es demgegenüber keine begrenzte kalkulatorische Schnitt-Naht-Zeit. Somit könne sich Nr 15 der Präambel 2.1 zu Anhang 2 EBM‑Ä, nach der bei Simultaneingriffen die Überschreitung der tatsächlichen Schnitt-Naht-Zeit maßgeblich sei, auch nur auf die einer begrenzten kalkulatorischen Schnitt-Naht-Zeit unterliegenden Haupteingriffe der Kategorien 1 bis 6 beziehen. Dagegen treffe Nr 4 der Präambel 2.1 zu Anhang 2 EBM‑Ä iVm den jeweiligen Zuschlagsziffern des EBM‑Ä die alleinige Abrechnungsregelung für Operationen der Kategorie 7. Danach könne erst eine über die Schnitt-Naht-Zeit von 120 Minuten hinausgehende Zeit je weiteren vollendeten 15 Minuten abgerechnet werden. Hier habe in den richtiggestellten Fällen die jeweils dokumentierte Schnitt-Naht-Zeit die zeitliche Grenze von 120 Minuten nicht um mindestens 15 Minuten überschritten, sodass der Ansatz der Zuschlagsziffern nicht gerechtfertigt gewesen sei. Soweit abweichend davon in zwei Behandlungsfällen die dokumentierte Schnitt-Naht-Zeit die Grenze von 120 Minuten um 25 bzw 20 Minuten überschritten habe, sei die Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass die Zuschlagsziffern jeweils nur einmal abgerechnet werden konnten.
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Die Befugnis zur sachlich‑rechnerischen Berichtigung sei auch nicht durch Vertrauensschutzgesichtspunkte eingeschränkt. Soweit die Klägerin geltend mache, dass eine Mitarbeiterin der Beklagten im Rahmen einer Abrechnungsberatung mit E‑Mail vom 13.7.2015 ihre Auffassung zur Auslegung der einschlägigen Regelungen in der Präambel 2.1 zu Anhang 2 EBM‑Ä geteilt habe, begründe dies keinen Vertrauensschutz für das zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufene Quartal 2/2013. Etwas anderes folge auch nicht aus den Abrechnungshinweisen der Beklagten in den KVB Infos 12/2012 (Mitteilungsblatt der Beklagten mit offiziellen Rundschreiben und Bekanntmachungen). Hinweise zur Abrechnung von Simultaneingriffen im Zusammenhang mit Operationen der Kategorie 7 seien dort nicht erfolgt. Gleiches gelte für das Schreiben der Beklagten vom 16.7.2020. Zwar habe die Beklagte damit die Plausibilitätsprüfung für die Quartale 1/2016 bis 4/2016 ‑ bezogen auf die Prüfung der GOP 31828 bei gleichgelagertem Sachverhalt ‑ eingestellt. Damit sei aber kein Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen worden, dass auf eine sachlich-rechnerische Richtigstellung der GOP 31148 und 31828 EBM‑Ä für alle vor dem Quartal 1/2017 liegende Quartale verzichtet werde.
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Die Klägerin macht zur Begründung ihrer Revision geltend, das LSG sei fehlerhaft davon ausgegangen, dass Nr 4 der "Präambel 31.2." (gemeint offensichtlich Nr 4 der Präambel 2.1 zum Anhang 2 EBM‑Ä) hier Anwendung finde. Diese Regelung beziehe sich allein auf Operationen der Kategorie 7, die als Einzeleingriff und nicht ‑ wie hier ‑ als Simultaneingriff durchgeführt würden. Einschlägig sei in der vorliegenden Konstellation vielmehr Nr 3 iVm Nr 15 der Präambel. Nr 3 fordere lediglich das Vorliegen eines Simultaneingriffs, sodass auch ein Simultaneingriff, der neben einem Haupteingriff der Kategorie 7 ausgeführt werde, unter diese Regelung falle. Dementsprechend sei für die Berechnung der Zuschlagspositionen der GOP 31148 und 31828 nach Nr 15 der Präambel 2.1 zu Anhang 2 EBM‑Ä allein die Überschreitung der tatsächlichen Schnitt-Naht-Zeit des jeweiligen Haupteingriffs maßgeblich.
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Für die von ihr ‑ der Klägerin ‑ vertretene Auffassung spreche auch die teleologische Auslegung der Normen. Sinn und Zweck von Nr 3 und Nr 15 der Präambel 2.1 zu Anhang 2 EBM‑Ä sei es, den besonderen Aufwand des Arztes bei der Durchführung eines Simultaneingriffs zu honorieren. Insoweit werde für die Bemessung der Zuschläge ‑ unabhängig von der kalkulatorischen Dauer ‑ auf die tatsächliche Schnitt-Naht-Zeit des Haupteingriffs abgestellt. Einen sachlichen Grund von dieser Bewertung bei ‑ den besonders schwierigen und zeitlich sehr aufwändigen ‑ Haupteingriffen der Kategorie 7 abzuweichen, gebe es nicht.
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Im Übrigen habe das LSG zu Unrecht Vertrauensschutzgründe verneint. Das Verhalten der Beklagten in den späteren Quartalen zeige vielmehr, dass sie ‑ die Klägerin ‑ auf die Richtigkeit der Abrechnung vertrauen durfte. Denn die Beklagte habe mit Schreiben vom 16.7.2020 eine Plausibilitätsprüfung für die Quartale 1/2016 bis 4/2016 bei gleichgelagertem Sachverhalt ohne Ausspruch einer Maßnahme beendet.
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Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Bayerischen LSG vom 21.4.2021 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG München vom 18.12.2018 zurückzuweisen.
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Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Zutreffend sei das LSG davon ausgegangen, dass die Abrechnungsvoraussetzungen der für Simultaneingriffe vorgesehenen Zuschläge hier nicht erfüllt seien. Bei Haupteingriffen der Kategorie 7 richte sich die Berechnung von Zuschlagspositionen allein nach Nr 4 der Präambel 2.1 zu Anhang 2 EBM‑Ä. Dies folge ‑ wie vom LSG zutreffend ausgeführt ‑ aus dem Wortlaut und zudem auch aus der Systematik der einschlägigen Regelungen. Der Normgeber differenziere bereits in den GOP 31148 und 31828 EBM‑Ä bei der konkreten Ansatzmöglichkeit von Zuschlägen eindeutig zwischen Simultaneingriffen mit Haupteingriff der Kategorien 1 bis 6 einerseits sowie zwischen Eingriffen der Kategorie 7 andererseits. Dieser Systematik folgend seien die Regelungen in der Präambel 2.1 zu Anhang 2 EBM‑Ä aufgebaut. Dementsprechend sei bei Eingriffen der Kategorie 7 ‑ unabhängig davon, ob es sich um einen Einzel‑ oder einen Simultaneingriff handele ‑ für die Berechnung der Zuschläge allein die Regelung in Nr 4 der Präambel maßgeblich. Damit könnten die entsprechenden Zuschläge erst ab Überschreitung der kalkulatorischen Schnitt-Naht-Zeit von 120 Minuten angesetzt und berechnet werden. Sie ‑ die Beklagte ‑ sei auch nicht durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes bei der sachlich-rechnerischen Richtigstellung des fehlerhaften Honorarbescheids eingeschränkt.
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Die beigeladene Krankenkasse schließt sich den Ausführungen der Beklagten an.
II
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A. Die Revision ist zulässig. Die vom LSG zugelassene und von der Klägerin fristgerecht eingelegte und begründete Revision genügt den gesetzlichen Anforderungen.
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Insbesondere entspricht die Revisionsbegründung den gesetzlichen Vorgaben des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG. Nach dieser Vorschrift muss die Begründung der Revision einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben. Zwar enthalten weder die Revisionseinlegungsschrift noch die fristgerechte Revisionsbegründung einen förmlichen Antrag. Einen solchen Antrag hat die Klägerin erstmals mit Schriftsatz vom 13.12.2021 formuliert. Das Erfordernis des "bestimmten Antrags" iS von § 164 Abs 2 Satz 3 SGG setzt jedoch nicht notwendig einen förmlichen Antrag im Sinne einer spiegelbildlichen Formulierung des erstrebten Urteilstenors voraus. Vielmehr genügt es, wenn sich Umfang und Ziel der Revision aus der Einlegungs‑ und Begründungsschrift insgesamt hinreichend deutlich entnehmen lassen (BSG Urteil vom 26.4.1977 ‑ 8 RU 14/77 ‑ SozR 1500 § 164 Nr 8 S 8; BSG Urteil vom 2.9.1977 ‑ 12 RK 10/76 ‑ SozR 1500 § 164 Nr 10 S 15; BSG Urteil vom 14.11.2013 ‑ B 2 U 27/12 R ‑ SozR 4‑2700 § 8 Nr 51 RdNr 9; BSG Urteil vom 27.1.2021 ‑ B 6 KA 27/19 R ‑ SozR 4‑2500 § 103 Nr 31 RdNr 15). Die Ausführungen der Klägerin in der Revisionsbegründung, das Urteil des LSG sei "insoweit aufzuheben", lassen hinreichend erkennen, welches Ziel sie mit der Revision verfolgt (vgl auch BSG Urteil vom 7.7.1955 ‑ 10 RV 160/54 ‑ BSGE 1, 98). Nach ihrem Vorbringen will sie erreichen, dass das Urteil des LSG aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des SG zurückgewiesen wird. Dies genügt (noch) den Anforderungen.
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B. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Insbesondere war es nicht erforderlich, die an der Vereinbarung des EBM‑Ä Beteiligten beizuladen, da die inzidente Verwerfung einer für die Honorierung vertragsärztlicher Leistungen verbindlichen Regelung des Bewertungsmaßstabs nicht unmittelbar in deren Rechtssphäre eingreift (BSG Urteil vom 3.8.2016 ‑ B 6 KA 42/15 R ‑ SozR 4‑2500 § 87 Nr 33 RdNr 13 mwN; zur notwendigen Beiladung als von Amts wegen zu berücksichtigender Verfahrensmangel vgl Leitherer in Meyer‑Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 161 RdNr 10b, § 163 RdNr 5b). Zwar ist es im Regelfall sachgerecht, die am Zustandekommen des Bewertungsmaßstabs beteiligten Organisationen in einem Prozess, in dem die Gültigkeit des Bewertungsmaßstabs unmittelbar entscheidungserheblich ist, beizuladen, weil hierdurch deren rechtliche Interessen berührt werden. Indessen handelt es sich dabei lediglich um eine sogenannte einfache Beiladung iS des § 75 Abs 1 Satz 1 SGG. Eine fehlende einfache Beiladung kann weder vom Revisionsgericht nachgeholt werden noch begründet dies einen sachentscheidungshindernden Verfahrensmangel (BSG Urteil vom 28.9.2005 ‑ B 6 KA 71/04 R ‑ BSGE 95, 141 = SozR 4‑2500 § 83 Nr 2, RdNr 14; BSG Urteil vom 11.5.2011 ‑ B 6 KA 2/10 R ‑ SozR 4‑2500 § 87 Nr 25 RdNr 11 mwN; BSG Urteil vom 26.6.2019 ‑ B 6 KA 8/18 R ‑ SozR 4‑2500 § 87 Nr 36 RdNr 12). Eine Beiladung des Bewertungsausschusses (BewA) anstelle der ihn tragenden Organisationen ist hingegen weder notwendig noch sachgerecht (BSG Urteil vom 17.2.2016 ‑ B 6 KA 47/14 R ‑ SozR 4‑2500 § 87 Nr 32 RdNr 15 mwN).
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C. Die Revision der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das LSG auf Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Beklagte hat die Honorarabrechnung zutreffend um die streitigen Zuschläge nach den GOP 31148 und 31828 EBM‑Ä berichtigt. Die Voraussetzungen für die Abrechnung der Zuschläge nach diesen GOP sind nicht erfüllt.
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1. Rechtsgrundlage der sachlich-rechnerischen Richtigstellung ist § 106a Abs 2 SGB V (hier noch idF des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003, BGBl I 2190 <im Folgenden: aF>; heute: § 106d Abs 2 SGB V). Danach stellt die KÄV die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen fest. Die insofern durchgeführte Abrechnungsprüfung zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts ‑ mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots ‑ erbracht und abgerechnet worden sind, insbesondere die Vorgaben des EBM‑Ä erfüllen (vgl zuletzt BSG Urteil vom 25.11.2020 ‑ B 6 KA 14/19 R ‑ SozR 4‑2500 § 106a Nr 27 RdNr 14 mwN; BSG Urteil vom 26.5.2021 ‑ B 6 KA 8/20 R ‑ juris RdNr 15, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4‑2500 § 87 Nr 38 vorgesehen; BSG Urteil vom 14.7.2021 ‑ B 6 KA 12/20 R ‑ SozR 4‑2500 § 101 Nr 22). Die Befugnis zu Richtigstellungen besteht auch für bereits erlassene Honorarbescheide (nachgehende Richtigstellung). Sie bedeutet dann im Umfang der vorgenommenen Korrekturen eine teilweise Rücknahme des Honorarbescheids. Die genannten Bestimmungen stellen Sonderregelungen dar, die gemäß § 37 Satz 1 SGB I in ihrem Anwendungsbereich die Regelung des § 45 SGB X verdrängen. Eine nach den Bestimmungen zur sachlich‑rechnerischen Richtigstellung rechtmäßige (Teil‑)Rücknahme des Honorarbescheids mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus (stRspr; BSG Urteil vom 14.12.2005 ‑ B 6 KA 17/05 R ‑ BSGE 96, 1 = SozR 4‑2500 § 85 Nr 22; BSG Urteil vom 28.8.2013 ‑ B 6 KA 43/12 R ‑ BSGE 114, 170 = SozR 4‑2500 § 106a Nr 11 ‑ jeweils mwN).
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2. Die auf der Grundlage von § 106a Abs 2 SGB V aF vorgenommene sachlich-rechnerische Richtigstellung, gegen die sich die Klägerin wendet, ist rechtmäßig. Nach dem maßgeblichen Wortlaut (dazu a) ist für die Abrechnung der Zuschlagsregelungen für Simultaneingriffe nach GOP 31148 und 31828 EBM‑Ä bei Haupteingriffen der Kategorie 7 die Überschreitung einer tatsächlichen Schnitt-Naht-Zeit von 120 Minuten um mindestens weitere 15 Minuten erforderlich. Der Wortlaut des EBM‑Ä ist insofern weder unklar noch mehrdeutig, noch rechtfertigt ein Rückgriff auf dessen Systematik ein anderes Ergebnis (dazu b). Die Befugnis der Beklagten zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung der fehlerhaften Honorarbescheide war auch nicht durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes eingeschränkt (dazu c).
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a) Für die Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich. Grund für die besondere Bedeutung des Wortlauts ist nach der zu den GOP des EBM‑Ä ergangenen Rechtsprechung (BSG Urteil vom 11.12.2013 ‑ B 6 KA 14/13 R ‑ SozR 4‑2500 § 87 Nr 28 RdNr 11; zuletzt: BSG Urteil vom 25.11.2020 ‑ B 6 KA 14/19 R ‑ SozR 4‑2500 § 106a Nr 27 RdNr 18; BSG Urteil vom 26.5.2021 ‑ B 6 KA 8/20 R ‑ SozR 4‑2500 § 87 Nr 38 RdNr 19 ‑ zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen) zum einen, dass das vertragliche Regelwerk dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Ärzten und Krankenkassen dient und es vorrangig Aufgabe des Normgebers des EBM‑Ä ‑ des BewA gemäß § 87 Abs 1 SGB V ‑ ist, Unklarheiten zu beseitigen. Zum anderen folgt die primäre Bindung an den Wortlaut aus dem Gesamtkonzept des EBM‑Ä als einer abschließenden Regelung, die keine Ergänzung oder Lückenfüllung durch Rückgriff auf andere Leistungsverzeichnisse bzw Gebührenordnungen oder durch analoge Anwendung zulässt. Raum für eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der in innerem Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Leistungstatbestände ist nur dann, wenn der Wortlaut eines Leistungstatbestands zweifelhaft ist und es einer Klarstellung bedarf (BSG Urteil vom 16.5.2001 ‑ B 6 KA 20/00 R ‑ BSGE 88, 126, 127 = SozR 3‑2500 § 87 Nr 29 S 146; BSG Urteil vom 11.12.2013 ‑ B 6 KA 14/13 R ‑ SozR 4‑2500 § 87 Nr 28 RdNr 11 mwN; BSG Urteil vom 16.5.2018 ‑ B 6 KA 16/17 R ‑ SozR 4‑5531 Nr 33076 Nr 1 RdNr 19). Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung kommt bei unklaren oder mehrdeutigen Regelungen ebenfalls in Betracht, kann allerdings nur anhand von Dokumenten erfolgen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben. Leistungsbeschreibungen dürfen weder ausdehnend ausgelegt noch analog angewendet werden (stRspr; vgl BSG Urteil vom 16.5.2018 ‑ B 6 KA 16/17 R ‑ SozR 4‑5531 Nr 33076 Nr 1 RdNr 19; BSG Urteil vom 13.2.2019 ‑ B 6 KA 56/17 R ‑ SozR 4‑5531 Nr 30790 Nr 1 RdNr 27, jeweils mwN). Diese Grundsätze gelten auch für die den Vergütungsbestimmungen vorangestellten Allgemeinen Bestimmungen (BSG Urteil vom 4.5.2016 ‑ B 6 KA 16/15 R ‑ SozR 4‑5532 Allg Nr 2 RdNr 23 mwN; BSG Urteil vom 16.5.2018 ‑ B 6 KA 16/17 R ‑ SozR 4‑5531 Nr 33076 Nr 1 RdNr 19; BSG Urteil vom 11.9.2019 ‑ B 6 KA 22/18 R ‑ SozR 4‑5531 Nr 01210 Nr 1 RdNr 13). Die Anmerkung zu einer Position des EBM‑Ä hat dabei denselben Rang wie die Leistungslegende (vgl BSG Urteil vom 16.12.2015 ‑ B 6 KA 39/15 R ‑ SozR 4‑5531 Nr 40100 Nr 1 RdNr 25 mwN).
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b) Anders als in anderen Abschnitten des EBM‑Ä sind die GOP des Abschn 31.2 EBM‑Ä für den Operateur nicht unmittelbar zugänglich, sondern an die Prozedurencodes des Operationen- und Prozedurenschlüsselsystems (OPS) geknüpft. Dem Vertragsarzt ist es grundsätzlich nicht möglich, aus der eigenen Einschätzung heraus eine GOP des ambulanten Operierens anzusetzen, ohne den Eingriff über die OPS-Ziffer identifiziert zu haben (BSG Urteil vom 25.11.2020 ‑ B 6 KA 28/19 R ‑ SozR 4‑5531 Abschn 31.5.3 Nr 11 RdNr 32; Köhler/Hess, Kölner Komm zum EBM, Stand 1.1.2019, Kap 31 S 9 f; vgl auch § 295 Abs 1 Satz 4 SGB V). Die Zuordnung zu einer GOP des Abschn 31.2 EBM‑Ä erfolgt über die Tabelle nach Anlage 2 zum EBM‑Ä (Präambel 31.2.1 Nr 7 Satz 1 EBM‑Ä).
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Der EBM‑Ä fasst die ambulanten Operationen (gleiches gilt für belegärztliche Eingriffe nach Abschn 36.2 EBM‑Ä) in alphabetisch aufgeführte Eingriffsgruppen (A bis X) zusammen. Innerhalb dieser Eingriffsgruppen werden in Abhängigkeit von der Dauer des Eingriffs sieben Kategorien gebildet (vgl zB GOP 31147: "Endoskopischer Gelenkeingriff <Arthroskopie> der Kategorie E7"). Die Kategorien 1 bis 6 betreffen ambulante Operationen einer bestimmten kalkulatorischen Schnitt-Naht-Zeit: bis 15 Minuten (Kategorie 1), 15 bis 30 Minuten (Kategorie 2), 30 bis 45 Minuten (Kategorie 3), 45 bis 60 Minuten (Kategorie 4), 60 bis 90 Minuten (Kategorie 5) und 90 bis 120 Minuten (Kategorie 6). Operationen mit einer kalkulatorischen Schnitt-Naht-Zeit von mehr als 120 Minuten sind der Kategorie 7 zugeordnet. Für die zuletzt genannte Kategorie gibt es keine kalkulatorische Höchstdauer. Die tatsächliche Schnitt-Naht-Zeit des jeweiligen Eingriffs der Kategorien 1 bis 7 ändert allerdings nichts an der normativen Festlegung, sie kann über- oder unterschritten werden, ohne dass dies zu einer veränderten Einstufung in der Kategorie führt (Köhler/Hess, Kölner Komm zum EBM, Stand 1.1.2019, Kap 31 S 10).
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c) Mit den Zuschlägen nach den GOP 31148 und 31828 werden in den dort geregelten Konstellationen Schnitt-Naht-Zeiten für jeweils weitere vollendete 15 Minuten bzw für die entsprechende Fortsetzung der Narkose vergütet. Dabei gelten abhängig von der Kategorie des jeweiligen Haupteingriffs für die Abrechenbarkeit von Simultaneingriffen unterschiedliche Voraussetzungen. Bei Haupteingriffen der Kategorien 1 bis 6 (kalkulierte Schnitt‑Naht‑Zeiten bis 120 Minuten) findet für die Berechnung der Zuschläge Nr 3 iVm Nr 15 der Präambel 2.1 zu Anhang 2 EBM‑Ä Anwendung. Bei Haupteingriffen der Kategorie 7 (kalkulierte Schnitt‑Naht‑Zeit über 120 Minuten) richtet sich die Berechnung der Zuschläge dagegen nach Nr 4 dieser Präambel. Hiervon ist das LSG zu Recht ausgegangen.
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aa) Die GOP 31148 und 31828 EBM‑Ä lauteten im hier maßgeblichen Quartal 2/2013 ‑ und insoweit bislang unverändert ‑ wie folgt: |
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"31148 Zuschlag zu den Gebührenordnungspositionen 31141 bis 31146 bei Simultaneingriffen sowie zu der Gebührenordnungsposition 31147 |
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Obligater Leistungsinhalt |
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Schnitt-Naht-Zeit je weitere vollendete 15 Minuten |
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Nachweis der Schnitt-Naht-Zeit über das Anästhesieprotokoll oder den OP-Bericht, |
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je weitere vollendete 15 Minuten Schnitt-Naht-Zeit |
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Die Gebührenordnungsposition 31148 kann entsprechend Anhang 2, Präambel 2.1, Nr. 14 als Zuschlag zu anderen ambulanten Operationen des Abschnitts 31.2 abgerechnet werden." |
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"31828 Zuschlag zu den Gebührenordnungspositionen 31821 bis 31826 bei Simultaneingriffen sowie zu der Gebührenordnungsposition 31827 bei Fortsetzung der Anästhesie und/oder Narkose für jeweils vollendete 15 Minuten Schnitt-Naht-Zeit |
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Obligater Leistungsinhalt |
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Fortsetzung der Narkose für jeweils vollendete 15 Minuten Schnitt-Naht-Zeit |
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Nachweis der Schnitt-Naht-Zeit über das OP- und/oder Narkoseprotokoll |
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je weitere vollendete 15 Minuten Schnitt-Naht-Zeit …" |
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Ausweislich ihrer Leistungslegende differenzieren die beiden GOP damit ausdrücklich zwischen Haupteingriffen der Kategorien 1 bis 6 ("Zuschlag zu den Gebührenordnungspositionen 31141 bis 31146 <31821 bis 31826> bei Simultaneingriffen") einerseits sowie Haupteingriffen der Kategorie 7 ("sowie zu der Gebührenordnungsposition 31147 <31827>") andererseits. Die in der ersten Alternative der GOP 31148 EBM‑Ä jeweils genannten GOP "31141 bis 31146" setzen Eingriffe der Kategorien E1 bis E6 voraus, wie sich aus den jeweiligen Leistungsbeschreibungen der GOP 31141 bis 31146 ("Endoskopischer Gelenkeingriff <Arthroskopie> der Kategorie E1 <E2, E3, E4, E5, E6>") ergibt. Dagegen fordert die in der zweiten Alternative aufgeführte "GOP 31147" einen Eingriff der Kategorie E7 ("Endoskopischer Gelenkeingriff <Arthroskopie> der Kategorie E7"). Entsprechendes gilt für die GOP 31828 EBM‑Ä. Die dort in der ersten Alternative genannten "GOP 31821 bis 31826 bei Simultaneingriffen" setzen die Durchführung von Leistungen entsprechend einer GOP 31xx1 bis 31xx6 ("Anästhesie und/oder Narkose, im Rahmen der Durchführung von Leistungen entsprechend einer der Gebührenordnungspositionen 31101, 31111…") voraus. Dagegen fordert die in der zweiten Alternative aufgeführte GOP 31827 ("sowie zu der Gebührenordnungsposition 31827") die Durchführung von Leistungen entsprechend einer GOP 31xx7, also eines Eingriffs der Kategorie 7 ("Anästhesie und/oder Narkose, im Rahmen der Durchführung von Leistungen entsprechend einer der Gebührenordnungspositionen 31107, 31117 …"). Ausgangs- und Bezugspunkt der GOP 31148 bzw 31828 EBM‑Ä ist folglich die kalkulatorische Schnitt-Naht-Zeit des jeweiligen Haupteingriffs.
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bb) Aus den Leistungslegenden der streitigen GOP folgt zudem, dass allein bei Haupteingriffen der Kategorien 1 bis 6 zwingend ein Simultaneingriff (zusätzliche, vom Haupteingriff unterschiedliche Diagnose und gesonderter operativer Zugangsweg; vgl Nr 3 der Präambel 2.1 zu Anhang 2 EBM‑Ä) vorliegen muss, um die Zuschlagsziffern abrechnen zu können. Demgegenüber muss bei Haupteingriffen der Kategorie 7 nicht notwendigerweise zusätzlich ein solcher Simultaneingriff erfolgen, um die GOP in Ansatz bringen zu können. Dies folgt daraus, dass die Wendung "bei Simultaneingriffen" in den Leistungslegenden allein bezogen auf die Operationen nach den Kategorien 1 bis 6 ("Gebührenordnungspositionen 31141 bis 31146 <31821 bis 31826> bei Simultaneingriffen"), nicht aber bezogen auf die Operationen nach der Kategorie 7 verwendet wird. Die Formulierung "sowie zu der Gebührenordnungsposition 31147 <31827>" greift den Begriff "Simultaneingriff" gerade nicht auf.
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cc) Dieser Systematik folgend sind die Regelungen in der Präambel 2.1 zu Anhang 2 EBM‑Ä ("Zuordnung der operativen Prozeduren nach § 295 SGB V <OPS> zu den Leistungen der Kapitel 31 bis 36") aufgebaut. Auch sie differenzieren zwischen Eingriffen der Kategorien 1 bis 6 einerseits (Nr 3) und Eingriffen der Kategorie 7 (Nr 4) andererseits.
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(1) Im Ausgangspunkt regelt zunächst Nr 2 der Präambel 2.1 zu Anhang 2 EBM‑Ä, dass nur der am höchsten bewertete Eingriff berechnet werden kann, wenn mehrere operative Prozeduren unter einer Diagnose und/oder über einen gemeinsamen operativen Zugangsweg durchgeführt werden. Damit wird klargestellt, dass am Tag der Operation grundsätzlich nur ein einziger Eingriff abgerechnet werden kann (vgl auch Präambel 31.2.1 Nr 8 und 36.2.1 Nr 4 EBM‑Ä; Köhler/Hess, Kölner Komm zum EBM, Stand 1.1.2019, Anhang D2 S 56).
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Abweichend hiervon kann bei Simultaneingriffen (zusätzliche, vom Haupteingriff unterschiedliche Diagnose und ein gesonderter operativer Zugangsweg) die durch das OP‑ und/oder das Narkoseprotokoll nachgewiesene Überschreitung der Schnitt‑Naht‑Zeit eines Haupteingriffs der Kategorien 1 bis 6 durch die zusätzliche Berechnung der entsprechenden Zuschlagspositionen (hier: GOP 31148 und 31828 EBM‑Ä) berechnet werden (Nr 3 Satz 1 der Präambel 2.1 zu Anhang 2 EBM‑Ä). Die berechnungsfähige Höchstzeit bei Simultaneingriffen entspricht der Summe der Zeiten der Einzeleingriffe (Nr 3 Satz 2 der Präambel 2.1 zu Anhang 2 EBM‑Ä). Als Berechnungsgrundlage gelten dabei folgende Zeiten: Kategorie 1: 15 Minuten, Kategorie 2: 30 Minuten, Kategorie 3: 45 Minuten, Kategorie 4: 60 Minuten, Kategorie 5: 90 Minuten und Kategorie 6: 120 Minuten (Nr 3 Satz 3 der Präambel 2.1 zu Anhang 2 EBM‑Ä).
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Dabei ist nicht Voraussetzung, dass die kalkulatorische Schnitt‑Naht‑Zeit des jeweiligen Haupteingriffs der Kategorien 1 bis 6 abgelaufen sein muss, bevor ein Simultaneingriff über die jeweilige Zuschlagsziffer abgerechnet werden kann (vgl Klinger-Schindler, Der Krankenhaus‑EBM, Kap 12 S 155). Dies folgt aus Nr 15 der Präambel 2.1 zu Anhang 2 EBM‑Ä, wonach für die Berechnung der Zuschlagspositionen für Simultaneingriffe "nach Nr. 3" nicht die Überschreitung der kalkulatorischen Schnitt-Naht-Zeit der Kategorie des jeweiligen Haupteingriffs maßgeblich ist, sondern die Überschreitung der tatsächlichen Schnitt-Naht-Zeit. Diese Regelung geht zurück auf den Interpretationsbeschluss des Arbeitsausschusses des BewA aus seiner 270. Sitzung am 10.5.2005, welchen der BewA mit Wirkung zum 1.7.2005 als Nr 15 der Präambel 2.1 zu Anhang 2 in den EBM‑Ä "aufgenommen" hat (vgl DÄ 2005, A 1771). Danach kann nach Ablauf der tatsächlichen Zeit des Haupteingriffs mit der Zeitmessung des Simultaneingriffs begonnen werden. Sofern über die in der Abrechnung zu dokumentierende tatsächliche Zeit des Haupteingriffs hinausgehend mindestens weitere 15 Minuten Schnitt‑Naht‑Zeit durch den Simultaneingriff vollendet sind, kann der Zuschlag angesetzt werden. Werden die 15 Minuten für den Simultaneingriff darüber hinaus weiter überschritten, kann je weitere vollendete 15 Minuten der Zuschlag auch mehrfach angesetzt werden, jedoch nach Nr 3 der Präambel 2.1 zu Anhang 2 EBM‑Ä maximal bis zur Summe der normativ festgesetzten Gesamtzeiten aller Simultaneingriffe entsprechend der jeweiligen Kategorien 1 bis 6. Für die Anästhesie gilt Entsprechendes. Nr 4 der Präambel 31.5.1 EBM‑Ä (für Belegoperationen vgl Nr 4 der Präambel 36.5.1 EBM‑Ä) regelt, dass die Fortsetzung der Narkose durch die Abrechnung des Zuschlags nach GOP 31828 EBM‑Ä entsprechend Nr 3 und Nr 4 der Präambel 2.1 zu Anhang 2 EBM‑Ä berechnet wird (vgl auch Köhler/Hess, Kölner Komm zum EBM, Stand 1.1.2019, Kap 31 S 326 und Anhang D2 S 57).
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(2) Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin kann die Regelung der Nr 15 der Präambel 2.1 zu Anhang 2 EBM‑Ä aber nicht auf Simultaneingriffe, die ‑ wie hier ‑ neben Haupteingriffen der Kategorie 7 durchgeführt werden, übertragen werden. Die Norm gilt bereits nach ihrem Wortlaut nur für "Simultaneingriffe nach Nr. 3". Die hier streitigen Zuschlagsziffern der GOP 31148 und 31828 beziehen sich jedoch bei Simultaneingriffen allein auf solche der Kategorien 1 bis 6 ("Gebührenordnungspositionen 31141 bis 31146 bei Simultaneingriffen", dazu bereits RdNr 25). Bei einem Haupteingriff der Kategorie 7 ist ein Zuschlag allein für einen Simultaneingriff nicht vorgesehen ("und bei der Gebührenordnungsposition 31147"). Damit übereinstimmend wird die berechnungsfähige Höchstdauer bei Simultaneingriffen bei der von Nr 15 in Bezug genommenen Nr 3 allein für Eingriffe der Kategorien 1 bis 6 geregelt. Nr 3 Satz 3 der Präambel 2.1 zu Anhang 2 EBM‑Ä benennt für die Kategorien 1 bis 6 deren "Berechnungsgrundlagen" (15 bis 120 Minuten). Diese Zeiten markieren die Obergrenze, bis zu der die Zuschlags‑GOP der Kapitel 31 EBM‑Ä (und Kapitel 36 EBM‑Ä) abgerechnet werden dürfen. Die berechnungsfähige Höchstzeit bei Simultaneingriffen entspricht dabei der Summe der Zeiten der Einzeleingriffe (Nr 3 Satz 2 der Präambel 2.1 zu Anhang 2 EBM‑Ä). Dies bedeutet, dass ‑ wie bereits ausgeführt ‑ je nach tatsächlicher Dauer des Simultaneingriffs die Zuschläge auch mehrfach, jedoch maximal bis zu der im EBM‑Ä vorgegebenen Höchstzeit angesetzt werden können (dazu schon RdNr 30). Da Eingriffe der Kategorie 7 mit einer kalkulatorischen Schnitt‑Naht‑Zeit über 120 Minuten und damit ohne begrenzte Höchstzeit definiert sind, kann es hier keine berechnungsfähige Höchstzeit oder Summen der Zeiten der Einzeleingriffe geben. Folgerichtig werden Eingriffe der Kategorie 7 in Nr 3 der Präambel 2.1 zu Anhang 2 EBM‑Ä nicht erwähnt. Dementsprechend kann sich auch Nr 15 der Präambel 2.1 zu Anhang 2 EBM‑Ä, die ausschließlich für Simultaneingriffe "nach Nr. 3" gilt und wonach die Überschreitung "der tatsächlichen Schnitt‑Naht‑Zeit des jeweiligen Haupteingriffes" maßgeblich ist, nur auf die einer begrenzten kalkulatorischen Schnitt-Naht-Zeit unterliegenden Haupteingriffe der Kategorien 1 bis 6 beziehen.
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(3) Die Berechnung der Zuschläge für alle Eingriffe der Kategorie 7 regelt demgegenüber Nr 4 der Präambel 2.1 zu Anhang 2 EBM‑Ä. Sie benennt die einschlägigen GOP der Kapitel 31 und 36 EBM‑Ä allein für Eingriffe nach Kategorie 7 ("Bei den Gebührenordnungspositionen 31107, 31117, 31127, 31137, 31147 …) und bestimmt, dass erst "die über die Schnitt-Naht-Zeit von 120 Minuten hinausgehende Schnitt‑Naht‑Zeit durch die entsprechenden Zuschläge berechnet werden" kann. Dementsprechend können die Zuschlagspositionen der hier streitigen GOP 31148 und 31828 erst ab Überschreitung einer Schnitt-Naht-Zeit von 120 Minuten um mindestens 15 Minuten angesetzt werden. Je weitere vollendete 15 Minuten kann der Zuschlag der jeweiligen GOP auch mehrfach berechnet werden. Hierbei gilt ‑ im Unterschied zu Eingriffen nach Kategorien 1 bis 6 ‑ allerdings keine zeitliche Höchstgrenze (vgl Köhler/Hess, Kölner Komm zum EBM, Stand 1.1.2019, Anhang D2 S 58; Wezel/Liebold, Der Kommentar zu EBM und GOÄ, Abschn 32 GOP 31148, Teil 9 S 31 bis 76; vgl auch Hinweise der KÄV Hessen in Auf den Punkt 2021, S 45 und der KÄV Schleswig-Holstein in Newsletter vom 24.2.2020, Abrechnung von Simultaneingriffen, S 2). Vorausgesetzt ist allein eine entsprechende Dokumentation der Schnitt‑Naht‑Zeit durch das OP‑ oder Narkoseprotokoll (Nr 4 Satz 2 der Präambel 2.1 zu Anhang 2 EBM‑Ä).
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Es ist zudem unerheblich, ob die Überschreitung der Schnitt-Naht-Zeit von 120 Minuten auf einem Simultaneingriff, der neben einem Haupteingriff der Kategorie 7 durchgeführt wird, oder auf einer länger dauernden Einzeloperation der Kategorie 7 beruht. Entgegen der Auffassung der Klägerin bezieht sich Nr 4 der Präambel 2.1 zu Anhang 2 EBM‑Ä nicht nur auf ambulante Operationen der Kategorie 7, die als Einzeleingriff durchgeführt werden. Abrechnungsvoraussetzung ist allein ‑ neben der vorgegebenen zeitlichen Komponente und deren Dokumentation ‑ die Abrechnung einer der genannten GOP. Die Regelung differenziert dabei nicht zwischen alleinigen Einzeleingriffen und zusätzlich durchgeführten Simultaneingriffen (vgl auch Köhler/Hess, Kölner Komm zum EBM, Stand 1.1.2019, Anhang D2 S 58: "Nummer 4 regelt die Berechnung der Zeitzuschläge bei allen Eingriffen, die in der Kategorie 7 … kategorisiert sind").
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Danach ist hier die sachlich-rechnerische Richtigstellung zu Recht erfolgt. Die jeweils dokumentierte Schnitt‑Naht‑Zeit der Eingriffe hat die zeitliche Grenze von 120 Minuten nicht um mindestens 15 Minuten überschritten. Soweit abweichend in zwei Fällen Überschreitungen von 20 bzw 25 Minuten dokumentiert sind, ist die Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass die Zuschlagsziffern in diesen zwei Fällen jeweils nur einmal ‑ und nicht wie angesetzt dreimal ‑ abgerechnet werden durften. Die sachlich‑rechnerische Richtigstellung ist daher auch in diesen zwei Behandlungsfällen zu Recht erfolgt.
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ff) Mit der Differenzierung zwischen ambulanten Operationen der Kategorien 1 bis 6 auf der einen und ambulanten Operationen der Kategorie 7 auf der anderen Seite überschreitet der BewA auch nicht den ihm zukommenden weiten Gestaltungsspielraum. Die gerichtliche Überprüfung der auf der Grundlage des § 87 SGB V vom BewA vereinbarten einheitlichen Bewertungsmaßstäbe ist im Wesentlichen darauf beschränkt, ob der Ausschuss den ihm zustehenden Entscheidungsspielraum überschritten oder seine Bewertungskompetenz missbräuchlich ausgenutzt hat (BSG Urteil vom 19.8.1992 ‑ 6 RKa 18/91 ‑ SozR 3‑2500 § 87 Nr 5 S 23; BSG Urteil vom 9.12.2004 ‑ B 6 KA 44/03 R ‑ BSGE 94, 50 = SozR 4‑2500 § 72 Nr 2, RdNr 86 mwN; BSG Urteil vom 3.4.2019 ‑ B 6 KA 67/17 R ‑ SozR 4‑2500 § 75 Nr 21 RdNr 21 mwN). Hierfür ist nichts ersichtlich. Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass in Fällen, in denen eine Operation der Kategorie 7 in deutlich unter 120 Minuten abgeschlossen werden kann, für den Operateur kein oder jedenfalls nur ein deutlich reduzierter finanzieller Anreiz besteht, diese mit einem ebenfalls erforderlichen Simultaneingriff zu verbinden, wogegen dieser Anreiz für Operationen der Kategorien 1 bis 6 durch die in Nr 15 der Präambel 2.1 zu Anhang 2 EBM‑Ä getroffene Regelung hergestellt wird. Es ist jedoch nicht Aufgabe des Senats, die Regelungen des EBM‑Ä daraufhin zu überprüfen, ob eine sinnvollere Regelung hätte getroffen werden können. Im Übrigen kann bereits den der GOP 31147 zugeordneten Kalkulations- und Prüfzeiten von 148 bzw 120 Minuten entnommen werden, dass eine deutliche Unterschreitung der Schnitt‑Naht‑Zeit von 120 Minuten bei ambulanten Operationen der Kategorie 7 nicht der Regelfall sein dürfte.
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c) Die Befugnis der Beklagten zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung der fehlerhaften Honorarbescheide war auch nicht durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes eingeschränkt. Der Vertragsarzt kann nach der Rechtsprechung des Senats auf den Bestand eines vor einer endgültigen Prüfung auf Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit erteilten Honorarbescheids grundsätzlich nicht vertrauen (stRspr; zB BSG Urteil vom 14.7.2021 ‑ B 6 KA 12/20 R ‑ SozR 4‑2500 § 101 Nr 22 RdNr 46; BSG Urteil vom 15.5.2019 ‑ B 6 KA 65/17 R ‑ SozR 4‑2500 § 106a Nr 24 RdNr 18; BSG Urteil vom 12.12.2001 ‑ B 6 KA 3/01 R ‑ BSGE 89, 90, 94 f = SozR 3‑2500 § 82 Nr 3 S 7). Für einen sachgerechten Ausgleich der Interessen der Vertragsärzte an der Kalkulierbarkeit ihrer Einnahmen aus vertragsärztlicher Tätigkeit und der Notwendigkeit auch nachträglicher Änderungen des Honoraranspruchs etwa aufgrund fehlerhafter Abrechnungen oder Änderungen in der Honorarverteilung hat der Senat Fallgruppen herausgearbeitet, in denen die Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung aus Gründen des Vertrauensschutzes begrenzt ist (zusammenfassend BSG Urteil vom 28.8.2013 ‑ B 6 KA 43/12 R ‑ BSGE 114, 170 = SozR 4‑2500 § 106a Nr 11, RdNr 24 ff). Deren Voraussetzungen sind hier jedoch nicht erfüllt.
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aa) Die Vier‑Jahres‑Frist (zur Verkürzung auf nunmehr zwei Jahre durch das Terminservice- und Versorgungsgesetz <TSVG> mWv 11.5.2019 vgl § 106d Abs 5 Satz 3 SGB V) war bei Erlass des Richtigstellungsbescheids am 23.11.2015 noch nicht abgelaufen (vgl zu dieser Konstellation BSG Urteil vom 24.10.2018 ‑ B 6 KA 34/17 R ‑ BSGE 127, 33 = SozR 4‑2500 § 106d Nr 2, RdNr 21). Die Richtigstellungsbefugnis ist auch nicht deswegen begrenzt, weil die Fehlerhaftigkeit des Bescheids aus Umständen herrührt, die außerhalb des Bereichs einer sachlich und rechnerisch korrekten Honorarabrechnung und -verteilung liegen. Diese Fallgruppe erfasst die fehlerhafte Abrechnung im Einzelfall etwa infolge eines Rechenfehlers oder der versehentlichen Verwendung eines falschen Berechnungsfaktors (BSG Urteil vom 14.12.2005 ‑ B 6 KA 17/05 R ‑ BSGE 96, 1 = SozR 4‑2500 § 85 Nr 22, RdNr 17; BSG Urteil vom 28.8.2013 ‑ B 6 KA 50/12 R ‑ SozR 4‑2500 § 106a Nr 12 RdNr 27). Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor. Vertrauensschutz aufgrund eines unterlassenen Hinweises auf ‑ der KÄV bekannte ‑ Ungewissheiten hinsichtlich der Grundlagen der Honorarverteilung oder ihrer Auslegung (BSG Urteil vom 31.10.2001 ‑ B 6 KA 16/00 R ‑ BSGE 89, 62, 72 = SozR 3‑2500 § 85 Nr 42 S 352; BSG Urteil vom 30.6.2004 ‑ B 6 KA 34/03 R ‑ BSGE 93, 69, 75 = SozR 4‑2500 § 85 Nr 11, RdNr 16; BSG Urteil vom 26.6.2002 ‑ B 6 KA 26/01 R ‑ juris RdNr 20) oder auf ein noch nicht abschließend feststehendes Gesamtvergütungsvolumen (BSG Urteil vom 14.12.2005 ‑ B 6 KA 17/05 R ‑ BSGE 96, 1 = SozR 4‑2500 § 85 Nr 22, RdNr 20) kommt ebenfalls nicht in Betracht. Weder sind die normativen Grundlagen der Honorarverteilung betroffen noch bestanden Unsicherheiten im Hinblick auf das Gesamtvergütungsvolumen.
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bb) Die Beklagte hat auch nicht durch Überprüfung und vorbehaltlose Bestätigung der Honorarabrechnung ihre Befugnis zu sachlich-rechnerischer Richtigstellung bereits "verbraucht" (vgl BSG Urteil vom 12.12.2001 ‑ B 6 KA 3/01 R ‑ BSGE 89, 90, 98 = SozR 3‑2500 § 82 Nr 3 S 2, 11 f; BSG Urteil vom 14.12.2005 ‑ B 6 KA 17/05 R ‑ BSGE 96, 1 = SozR 4‑2500 § 85 Nr 22, RdNr 15). Der Klägerin ist die Richtigkeit der Abrechnung der Zuschläge von der Beklagten nie in Bezug auf das streitbefangene Quartal 2/2013 bestätigt worden. Zwar hat die Beklagte mit Schreiben vom 16.7.2020 die Plausibilitätsprüfung für die Quartale 1/2016 bis 4/2016 im Hinblick auf die Abrechnung der GOP 31828 EBM‑Ä "eingestellt" und in diesem Zusammenhang mitgeteilt, dass die Klägerin ab dem Quartal 1/2017 nicht mehr habe darauf vertrauen dürfen, die GOP 31828 EBM‑Ä bei einer Eingriffszeit unter 120 Minuten abrechnen zu können. Aus dem Gesamtkontext des Schreibens ergab sich dabei aber eindeutig, dass die "Einstellung" allein auf die vier Quartale des Jahres 2016 zu beziehen ist. Eine Überprüfung und vorbehaltlose Bestätigung der hier streitigen Honorarabrechnung für das Quartal 2/2013 liegt darin ‑ nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Auslegung des Schreibens durch das LSG ‑ nicht. Weitere einschlägige Abrechnungshinweise und Auskünfte der Beklagten (KVB Infos 1/2017, E‑Mail vom 13.7.2015), auf die sich die Klägerin beruft, haben ebenfalls keinen konkreten Bezug zu dem Quartal 2/2013 und konnten daher von der Klägerin nicht als vorbehaltlose Bestätigung der Honorarabrechnung für dieses Quartal aufgefasst werden.
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cc) Auch die Ausführungen in den KVB Infos 12/2012 (S 202), die vor dem hier betroffenen Quartal 2/2013 veröffentlicht worden sind, konnten kein schützenswertes Vertrauen begründen. Darin hat die Beklagte zwar über die Abrechnungsbestimmungen bei OP‑Zuschlägen informiert. Aus den Erläuterungen, die im Wesentlichen den Inhalt von Nr 3, 4 und 15 der Präambel 2.1 zu Anhang 2 EBM‑Ä wiedergeben, kann aber nicht abgeleitet werden, dass Zuschläge für Simultaneingriffe bei Haupteingriffen der Kategorie 7 bereits bei Überschreitung der tatsächlichen Schnitt‑Naht‑Zeit des Haupteingriffs um mindestens 15 Minuten abgerechnet werden können. Hiervon ist das LSG zu Recht ausgegangen.
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Unabhängig von der inhaltlichen Bewertung der Hinweise liegt es im Übrigen auf der Hand, dass pauschale Abrechnungshinweise der Beklagten in den allgemeinen Informationen für ihre Mitglieder regelmäßig nicht den Fallgruppen gleichstehen, in denen der Senat die Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung aus Gründen des Vertrauensschutzes begrenzt. Allgemeine Abrechnungshinweise geben allenfalls die Rechtsauffassung der jeweiligen KÄV hinsichtlich einer bestimmten Abrechnungsfrage zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder und binden die an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligten Kostenträger von vornherein nicht (vgl BSG Beschluss vom 14.12.2005 ‑ B 6 KA 106/04 B ‑ RdNr 7 ‑ nicht veröffentlicht). Solche einseitig nur von der KÄV veröffentlichten Abrechnungshinweise zur Anwendung des Leistungsverzeichnisses bzw zur Auslegung von Vorschriften des EBM‑Ä haben keine Rechtsqualität und sind für den Vertragsarzt nicht bindend ‑ und zwar unabhängig davon, ob sie zu seinen Gunsten oder Ungunsten fehlerhaft sind (BSG Urteil vom 8.2.2006 ‑ B 6 KA 12/05 R ‑ SozR 4‑2500 § 106a Nr 1 RdNr 23). Solche Abrechnungshinweise sind dementsprechend nach den Regelungen des vertragsärztlichen Vergütungssystems auch nicht dazu geeignet, besonderes Vertrauen der Vertragsärzte in die Rechtmäßigkeit einer entsprechenden Abrechnung zu begründen (BSG Urteil vom 8.2.2006 ‑ B 6 KA 12/05 R ‑ SozR 4‑2500 § 106a Nr 1 RdNr 23). Die Vertragsärzte müssen vielmehr bis zum Ablauf der vorgesehenen Fristen damit rechnen, dass einzelne Krankenkassen den in einseitigen Abrechnungshinweisen und entsprechender Abrechnungspraxis zum Ausdruck gekommenen Standpunkt der KÄV nicht teilen und ihren Anspruch auf Richtigstellung aus ihrer Sicht fehlerhafter Honorarabrechnungen gegebenenfalls auch mit gerichtlicher Hilfe durchsetzen (vgl BSG Urteil vom 13.5.1998 ‑ B 6 KA 34/97 R ‑ SozR 3‑5555 § 10 Nr 1 S 2; BSG Urteil vom 12.12.2001 ‑ B 6 KA 3/01 R ‑ BSGE 89, 90, 101 = SozR 3‑2500 § 82 Nr 3 S 14).
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dd) Eine sachlich-rechnerische Richtigstellung ist auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil die Klägerin aufgrund einzelfallbezogener Auskünfte der Institutionen der vertragsärztlichen Versorgung auf ihre Abrechnungspraxis vertrauen durfte. Zunächst ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass selbst eine vor dem streitbefangenen Quartal ‑ hier 2/2013 ‑ über einen längeren Zeitraum hinweg praktizierte abweichende Honorierung der Leistungen durch die Beklagte allein nicht geeignet wäre, zugunsten der Klägerin einen Vertrauensschutz zu begründen (vgl BSG Urteil vom 16.5.2018 ‑ B 6 KA 16/17 R ‑ SozR 4‑5531 Nr 33076 Nr 1 RdNr 28; BSG Urteil vom 13.5.2020 ‑ B 6 KA 24/18 R ‑ SozR 4‑2500 § 106d Nr 9 RdNr 30‑31).
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Zwar kann im Einzelfall eine sachlich‑rechnerische Richtigstellung ausgeschlossen sein, weil der Arzt auf eine Auskunft der KÄV vertrauen durfte, die seine Abrechnungspraxis bestätigt hat (vgl allg BSG Urteil vom 29.9.1999 ‑ B 6 KA 38/98 R ‑ BSGE 84, 290, 296 = SozR 3‑2500 § 95 Nr 21 S 91 zur systematischen Duldung einer fachfremden Tätigkeit eines Arztes). Dies setzt aber jedenfalls voraus, dass die für die sachlich-rechnerische Richtigstellung zuständige KÄV explizit die von dem betroffenen Arzt praktizierte oder beabsichtigte Abrechnungsweise durch eine einzelfallbezogene Auskunft gebilligt und der Arzt in Kenntnis dieser Auskunft der zuständigen Behörde seine (erst nachträglich als fehlerhaft erkannte) Abrechnungspraxis fortgesetzt bzw aufgenommen hat. Tatsächliche Umstände iS des § 163 SGG, die diese Voraussetzungen zu erfüllen geeignet wären, hat das LSG nicht festgestellt und solche sind auch sonst nicht ersichtlich.
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Die E‑Mail vom 13.7.2015, in der eine Mitarbeiterin der Beklagten im Rahmen einer Abrechnungsberatung die Auffassung der Klägerin zur Auslegung der einschlägigen Bestimmungen in der Präambel 2.1 zu Anhang 2 EBM‑Ä geteilt hat, ist zeitlich nach Erbringung der richtiggestellten Leistungen erfolgt, sodass die Klägerin die Leistungen im Quartal 2/2013 nicht im Vertrauen auf diese Auskunft erbracht hat. Nichts anderes gilt für die von der Klägerin in Bezug genommene E‑Mail der für Vergütungsfragen zuständigen Referentin der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KÄBV) vom 29.8.2016, in der diese in einer Stellungnahme gegenüber der Beklagten die Anwendbarkeit von Nr 15 der Präambel 2.1 bei einem "Simultaneingriff gemäß Nr. 3 der Präambel 2.1 des Anhangs 2 neben einem Haupteingriff der Kategorie 7" bejaht hat. Es mag sein, dass dort ‑ entgegen der nach Auffassung des Senats klar geregelten Differenzierung der Eingriffskategorien 1 bis 6 bzw 7 in den einschlägigen GOP und der Präambel 2.1 ‑ Unklarheiten bezogen auf die Auslegung des EBM‑Ä für die hier maßgebende Konstellation bestanden haben. Die Befugnis der Beklagten zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung wird durch diese punktuelle Auskunft der KÄBV jedoch nicht tangiert. Abgesehen davon, dass die E‑Mail vom 29.8.2016 nicht an die Klägerin ‑ sondern an die beklagte KÄV ‑ gerichtet war, und der Auskunft der KÄBV allein schon deshalb keine abschließende Verbindlichkeit zukommen dürfte, da für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Abrechnungen in der vertragsärztlichen Versorgung hier die beklagte KÄV (§ 106d Abs 2 SGB V) zuständig ist (ggf auch die Krankenkassen, vgl § 106d Abs 1, Abs 3 SGB V), ist auch diese E‑Mail der Klägerin erst weit nach Ablauf des von dem Regress betroffenen Quartals zugegangen. Die Klägerin hat die Leistungen im Quartal 2/2013 damit schon nicht im Vertrauen auf diese Auskunft der KÄBV erbracht.
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D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO. Danach hat die Klägerin die Kosten des von ihr ohne Erfolg geführten Rechtsmittels zu tragen. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, da diese keinen eigenen Antrag gestellt hat (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl BSG Urteil vom 31.5.2006 ‑ B 6 KA 62/04 R ‑ BSGE 96, 257 = SozR 4‑1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).