L 11 EG 2121/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
11.
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 15 EG 2283/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 EG 2121/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Die Nachzahlung einer vom BVerfG für nichtig erklärten Absenkung der Beamtenbesoldung weit außerhalb des maßgeblichen Bemessungszeitraums, die zudem in der Gehaltsmitteilung als sonstiger Bezug ausgewiesen wird, ist bei der Bemessung des Elterngeldes nicht zu berücksichtigen.

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 19.05.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung höheren Basiselterngeldes unter Berücksichtigung einer Nachzahlung zunächst abgesenkter Beamtenbesoldung als Einkommen im Bemessungszeitraum streitig.

Die 1982 geborene Klägerin ist verheiratet. Sie ist als R Beamtin des Landes Baden-Württemberg. Sie bezog für ihre Teilzeittätigkeit eine abgesenkte Eingangsbesoldung nach Besoldungsgruppe A 13 und Grundgehaltsstufe 5 ab November 2016 iHv monatlich 2.992,28 € (brutto), ab April 2017 von 3.120,44 € (brutto) und ab Juni 2017 von 3.177,00 € (brutto). Nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Beschluss vom 16.10.2018 (2 BvL 2/17, BVerfGE 149, 382) § 23 Landesbeamtengesetz Baden-Württemberg (LBG BW) mit Art 33 Abs 5 Grundgesetz (GG) iVm Art 3 Abs 1 GG unvereinbar und nichtig erklärt hatte, zahlte das Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg der Klägerin im April 2019 die Absenkungsbeträge nach. In der Mitteilung über die Zusammensetzung der Bezüge 2/19 im April 2019 wies das Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg die Nachzahlung als einmalige Bezüge iHv insgesamt 4.116,86 € aus (aufgeschlüsselt pro Jahr: 2016 934,99 €, 2017 3.167,82 €, 2018 14,05 €).

Am 2017 wurde der Sohn der Klägerin N (N) geboren. Die Klägerin wohnt gemeinsam mit ihrem Ehemann (und Kindsvater) sowie N in einem Haushalt.

Am 10.11.2017 beantragte die Klägerin anlässlich der Geburt von N die Bewilligung von Basiselterngeld für den 1. bis 12. Lebensmonat. Das Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg bescheinigte der Klägerin unter dem 04.12.2017 in der Zeit von November 2016 bis Oktober 2017 ihr laufendes steuerpflichtiges Bruttoeinkommen. Weiterhin teilte es mit, dass der letzte Arbeitstag vor der Geburt des Kindes der 27.09.2017 gewesen sei und die Klägerin nach beamtenrechtlichen Vorschriften Dienstbezüge, Anwärterbezüge oder Zuschüsse für die Zeit des Beschäftigungsverbotes vom 04.11.2017 bis 04.01.2018 im November iHv 2.944,57 €, im Dezember 2017 iHv 3.271,74 € und im Januar 2018 iHv 422,16 € erhalten habe.

Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 14.12.2017 für den 3. Lebensmonat (04.01.2018 bis 03.12.2018) Elterngeld iHv 1.269,89 € und für den 4. bis 12. Lebensmonat (04.02.2018 bis 03.11.2018) iHv monatlich 1.312,22 €. Die Gewährung von Elterngeld für die ersten zwei Lebensmonate (04.11.2017 bis 03.01.2018) lehnte die Beklagte wegen der Anrechnung von Dienst-/Anwärterbezügen oder Zuschüssen nach beamtenrechtlichen Vorschriften ab. Die Beklagte legte ihrer Berechnung das durchschnittliche monatliche Erwerbseinkommen im Bemessungszeitraum 01.11.2016 bis 31.10.2017 iHv 37.087,28 € brutto abzüglich eines Arbeitnehmer-Pauschbetrages iHv 999,96 € zugrunde (= 36.087,32 €/12 Monate = 3.007,28 € - Abzüge für Steuern 988,48 € = 2.018,80 €). Da das Einkommen im Bemessungszeitraum über monatlich 1.200,00 € liege, setzte die Beklagte den Anspruchsfaktor auf 65% herab.

Im März 2019 legte der Ehemann der Klägerin deren Bezüge-Mitteilungen vor und führte aus, dass die Klägerin als Beamtin des Landes Baden-Württemberg von der Absenkung der Bezüge betroffen gewesen sei. Diese Absenkung sei auch in den Bemessungszeitraum für das Elterngeld gefallen. Im April 2019 sei eine Nachzahlung durch das Land Baden-Württemberg erfolgt. Er bat um eine Neuberechnung des Elterngeldes.

Mit Bescheid vom 01.04.2019 verfügte die Beklagte, dass die Höhe des Anspruchs unverändert wie im Bescheid vom 14.12.2017 bleibe. Im Lohnsteuerabzugsverfahren nach den lohnsteuerlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandelnde Einnahmen könnten nicht berücksichtigt werden (Hinweis auf Bundessozialgericht <BSG> 14.12.2017, B 10 EG 7/17 R, B 10 EG 4/17 R). Einnahmen seien lohnsteuerrechtlich insbesondere dann als sonstiger Bezug zu behandeln, wenn sie nicht fortlaufend gezahlt würden, wie zB Weihnachtszuwendungen, 13. und 14. Monatsgehalt oder Gratifikationen und Tantiemen. Außerdem stellten Nachzahlungen in der Regel dann einen sonstigen Bezug dar, wenn sie sich auf Monate eines Jahres bezögen, aber in einem anderen Jahr ausgezahlt würden. Laut der zugesandten Bezüge-Mitteilung für April 2019 sei die Nachzahlung für 2016/2017 als einmalige Bezüge versteuert worden und könne somit bei der Einkommensermittlung nicht berücksichtigt werden.

Dagegen legte die Klägerin am 11.04.2019 Widerspruch ein. Sie sei von der Absenkung der Eingangsbesoldung im Bemessungszeitraum betroffen. Das BVerfG habe im Verfahren 2 BvL 2/17 mit Beschluss vom 16.10.2018 die Besoldungsregelung, die eine Absenkung der Eingangsbesoldung für die ersten drei Jahre des Dienstverhältnisses vorgesehen habe, für verfassungswidrig erklärt. Hierauf sei durch das Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg für den Bemessungszeitraum eine entsprechende Nachzahlung der Absenkungsbeträge erfolgt. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung seien die nunmehr korrigierten Bezüge im Bemessungszeitraum bei der Einkommensermittlung zu berücksichtigen, sodass sich im Bezugszeitraum ein höherer Anspruch auf Elterngeld ergebe. Nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung müsse sie - die Klägerin - leistungsrechtlich so gestellt werden, als wäre die zwischenzeitlich vom BVerfG als verfassungswidrig erklärte Absenkung der Eingangsbesoldung nicht erfolgt. Eine Rechtsgrundlage für die vorgenommene Absenkung der Eingangsbesoldung habe nach den Feststellungen des BVerfG nicht vorgelegen, weshalb eine Korrektur der Bezüge vorgenommen worden sei. Sie sei so zu stellen, als wäre die verfassungswidrige Absenkung nicht vorgenommen worden. Gleiches müsse letztlich auch im Rahmen der erneuten Prüfung des Anspruchs auf Elterngeld erfolgen, da sich zweifelsfrei im Ergebnis die vom Gesetzgeber zu Unrecht erfolgte Absenkung der Bezüge als verfassungswidriges Handeln nicht in Gestalt der Ablehnung einer Neuberechnung zu ihren Lasten fortsetzen dürfe.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.05.2019 als unbegründet zurück. Der Bemessungszeitraum für die Ermittlung des vor der Geburt des N erzielten Einkommens sei der Zeitraum vom 01.11.2016 bis 31.10.2017. Nach § 2c Abs 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) ergebe der monatlich durchschnittlich zu berücksichtigende Überschuss der Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit in Geld oder Geldeswert über ein Zwölftel des Arbeitnehmer-Pauschbetrages, vermindert um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben nach §§ 2e und 2f BEEG das Einkommen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit. Nicht berücksichtigt würden Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach den lohnsteuerlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln seien (§ 2c Abs 1 Satz 2 BEEG). Grundlage der Einkommensermittlung seien die entsprechenden monatlichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers, deren Richtigkeit und Vollständigkeit vermutet werde (§ 2c Abs 2 BEEG). Die Abgrenzung zwischen laufendem Arbeitslohn und sonstigen Bezügen iSv § 38a Abs 1 Satz 3 und § 39b Einkommensteuergesetz (EStG) ergebe sich aus den Lohnsteuerrichtlinien. Hiernach sei laufender Arbeitslohn der Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer regelmäßig und fortlaufend zufließe. Dieser sei durch den Bezug zum arbeitsvertraglich definierten Lohnzahlungszeitraum gekennzeichnet, der rein zeitlich betrachtet den Regelfall der Entlohnung darstelle. Für die Zahlung von laufendem Arbeitslohn gebe es nur einen regelmäßigen Zahlungszeitraum (hier monatlich). Sonstiger Bezug sei der Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt werde. Bezogen auf den monatlichen Lohnzahlungszeitraum stellten diese Lohnbestandteile die Abweichung dar, selbst wenn sie für gleichbleibende Zeitintervalle gezahlt würden. Der Arbeitgeber sei ua zum getrennten Ausweis der sonstigen Bezüge, zum Einbehalt und zum Abzug der Lohnsteuer verpflichtet. Dabei müsse er Lohnbestandteile richtig einordnen. Das Steuerrecht sei im Elterngeldverfahren nicht mehr eigenständig anzuwenden, wenn die Lohnsteueranmeldung bestandskräftig geworden sei. Ihr Inhalt erwachse in Bestandskraft, wenn weder der Arbeitnehmer, der Arbeitgeber noch das Finanzamt Rechtsbehelfe oder andere Korrekturmöglichkeiten genutzt hätten. Eine bestandskräftig gewordene Lohnsteueranmeldung binde die Beteiligten des Elterngeldverfahrens. Demzufolge hätten die Elterngeldstellen die Einordnung von Lohnbestandteilen materiell-rechtlich nicht mehr zu prüfen, sondern ihren Entscheidungen zugrunde zu legen. Diese Auffassung habe das BSG in seinen Urteilen vom 14.12.2017 (B 10 EG 4/17 R und B 10 EG 7/17 R) bestätigt. Laut den vorliegenden Einkommensnachweisen habe die Klägerin Nachzahlungen der Absenkungsbeträge des Beamtensolds für die Jahre 2016 bis 2018 erhalten, die der Arbeitgeber im Lohnsteuerabzugsverfahren richtigerweise als sonstige Bezüge behandelt habe. Anhaltspunkte, dass die Lohnsteueranmeldung angefochten worden sei, lägen nicht vor. Diese Bezüge seien damit für die Bemessung des Elterngeldes nicht als Einnahmen zu berücksichtigen. Hierbei sei es unerheblich, ob diese Zahlungen feste vertragliche Bestandteile des Arbeitslohnes seien. Auf den Grund, weshalb ein Gehaltsbestandteil als sonstiger Bezug behandelt werde, komme es nicht an. Das Elterngeld sei nach der Intention des Gesetzes dazu bestimmt, das während der Betreuung des Kindes ausfallende Einkommen zu ersetzen, das vorher regelmäßig erzielt worden sei und der Familie tatsächlich zur Verfügung gestanden habe. Seiner Berechnung müssten deshalb diejenigen Einkünfte zugrunde gelegt werden, die während des gesetzlich definierten letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes den Lebensstandard des Elterngeldberechtigten geprägt hätten. Dieser gesetzlichen Intention entspreche es, nur tatsächlich erzieltes Arbeitseinkommen bei der Bemessung des Elterngeldes zu berücksichtigen. Die Nachzahlung für die Jahre 2016 bis 2018 sei erst im April 2019 zur Auszahlung gekommen und habe tatsächlich nicht zur Verfügung gestanden und somit die durchschnittlichen Verhältnisse im Jahr vor der Geburt nicht geprägt. Darüber hinaus diene der Ausschluss sonstiger Bezüge aus der Berechnung des Elterngeldes dem legitimen Anliegen einer generalisierenden Gesetzgebung. Das Ziel der Verwaltungsvereinfachung und -praktikabilität gehöre im Bereich der Massenverwaltung zu dem legitimen Anliegen des Gesetzgebers. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz sei daher nicht ersichtlich.

Dagegen hat die Klägerin am 14.06.2019 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 19.08.2019 hat sie beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihr Basiselterngeld für die Zeit vom 04.11.2017 bis zum 03.07.2018 unter Berücksichtigung der Nachzahlungen der Absenkungsbeträge des Beamtensoldes als Einkommen im Bemessungszeitraum November 2016 bis Oktober 2017 zu gewähren. Sie hat ihren Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und weiter ausgeführt, dass das Land Baden-Württemberg die Eingangsbesoldung unter Verstoß gegen die Verfassung abgesenkt habe. Wäre dieses verfassungswidrige Vorgehen unterblieben, hätte sie höheres Elterngeld bezogen. Die von der Beklagten zitierte Entscheidung des BSG hätte zur Folge, dass sich der Verfassungsverstoß des Landes Baden-Württemberg zu Lasten der Klägerin bei der Gewährung von Elterngeld weiter fortsetze.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Ein sonstiger Bezug sei der Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt werde. Zu den sonstigen Bezügen gehörten insbesondere einmalige Arbeitslohnzahlungen, die neben dem laufenden Arbeitslohn gezahlt würden. Dazu zählten auch Nachzahlungen, wenn sich der Gesamtbetrag oder ein Teilbetrag auf Lohnzahlungszeiträume beziehe, die in einem anderen Jahr als dem der Zahlung endeten, oder wenn Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres später als drei Wochen nach Ablauf dieses Jahres zuflössen. Diese Voraussetzungen lägen hier bei der Nachzahlung im April 2019 für die zurückliegenden Lohnzahlungszeiträume 2016 bis 2018 vor. Die Frage, ob eine bestimmte Einnahme zeitlich einem bei der Entgeltberechnung maßgeblichen Zeitraum zuzuordnen sei, sei nach dem steuerrechtlichen Zuflussprinzip zu beurteilen. Nach dem Zuflussprinzip komme es grundsätzlich auf den Zufluss der Einnahme, dh den Zahlungseingang an. Das modifizierte Zuflussprinzip sei nicht anwendbar. Der Dienstherr der Klägerin habe die Nachzahlung gerade nicht zur Berechnung der Lohnsteuer in den abgelaufenen Lohnzahlungszeiträumen der Jahre 2016 bis 2018 herangezogen, sondern vielmehr erst im April 2019 als sonstige Bezüge bei der Berechnung der Jahreslohnsteuer berücksichtigt. Dies habe das BSG jetzt in einem vergleichbaren Fall der Gehaltsnachzahlung an eine Lehrerin in seinem Urteil vom 27.06.2019 (B 10 EG 3/18 R) bestätigt.

Das SG hat - nach Anhörung der Beteiligten - durch Gerichtsbescheid vom 19.05.2021 die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 01.04.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.05.2019 sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Abänderung des Bewilligungsbescheides und Gewährung von höherem Elterngeld unter Berücksichtigung der im April 2019 ausgezahlten Gehaltsnachzahlungen. Die Beklagte habe zunächst den Bemessungszeitraum für die Ermittlung des vor der Geburt des N erzielten Einkommens gemäß § 2b Abs 1 Satz 1 BEEG mit dem 01.11.2016 bis 30.10.2017 zutreffend zugrunde gelegt. Weiterhin habe die Beklagte zutreffend die im April 2019 an die Klägerin ausgezahlten Gehaltsnachzahlungen für den Bemessungszeitraum nicht als Einkommen bei der Berechnung des Elterngeldes berücksichtigt. § 2c Abs 1 Satz 1 BEEG sehe vor, dass solche Einnahmen nicht berücksichtigt würden, die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach den lohnsteuerrechtlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln seien. Für die Beantwortung der Frage, ob ein Einkommensbestandteil ein sonstiger Bezug iSd § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG sei, komme es allein auf die einschlägige lohnsteuerrechtliche Begriffsbestimmung an. Danach stellten sonstige Bezüge solche Entgeltbestandteile dar, deren Zahlungszeiträume von dem als Regel vorgesehenen Zahlungsturnus für Arbeitslohn nicht nur unerheblich abwichen. Nach diesen Maßstäben handele es sich bei den der Klägerin im April 2019 zugeflossenen Gehaltsnachzahlungen für den Bemessungszeitraum um sonstige Bezüge iSd § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG, sodass diese Einnahmen bei der Bemessung des Elterngeldes nicht zu berücksichtigen seien. Sonstige Bezüge seien nach der ständigen Rechtsprechung des BSG unter Berücksichtigung der materiellen lohnsteuerrechtlichen Vorgaben solche Entgeltbestandteile, deren Zahlungszeiträume von dem als Regel vorgesehenen Zahlungsturnus für Arbeitslohn nicht nur unerheblich abwichen. Maßgeblich sei die Abweichung von dem Lohnzahlungszeitraum, den die Vertragsparteien arbeitsrechtlich zugrunde gelegt hätten. Grundlage der Einkommensermittlung seien die entsprechenden monatlichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers, deren Richtigkeit und Vollständigkeit vermutet werde (§ 2c Abs 2 BEEG). Der bestandskräftig gewordenen Lohnsteueranmeldung des Arbeitgebers komme nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich eine Bindungswirkung auch im Elterngeldverfahren zu (Hinweis auf BSG 25.06.2020, B 10 EG 2/19 R; BSG 27.06.2019, B 10 EG 1/18 R, B 10 EG 2/18 R, B 10 EG 3/18 R). Im vorliegenden Fall seien die Gehaltsnachzahlungen in der Gehaltsmitteilung April 2019 des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg als sonstiger Bezug ausgewiesen. Daher folge bereits aus § 2c Abs 2 BEEG die Nichtberücksichtigung bei der Elterngeldberechnung. In der zitierten Entscheidung habe das BSG darauf hingewiesen, dass der Inhalt einer bestandskräftig gewordenen Lohnsteueranmeldung des Arbeitgebers (§ 41a EStG) im Regelfall die Beteiligten des Elterngeldverfahrens binde. Kraft der gesetzlichen Rechtsfolgenverweisung des § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG müssten sie den Inhalt einer solchen Lohnsteueranmeldung als feststehend hinnehmen. Sie hätten insbesondere die dadurch erfolgte Einordnung von Lohn- und Gehaltsbestandteilen als sonstigen Bezug oder laufenden Arbeitslohn nicht mehr daraufhin zu überprüfen, ob sie dem materiellen Lohnsteuerrecht entspreche. Es bestehe kein Anlass, von dieser grundsätzlichen Bindungswirkung einer bestandskräftigen Lohnsteueranmeldung des Arbeitgebers im Elterngeldrecht abzuweichen. Lediglich wenn greifbare Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die inhaltlichen Festsetzungen aus dem Lohnsteuerabzugsverfahren nicht mehr Grundlage der Besteuerung der Einnahmen des Arbeitnehmers aus nichtselbstständiger Arbeit seien, müssten dann die Elterngeldbehörden eine eigenständige steuerrechtliche Prüfung vornehmen. Entsprechende Anhaltspunkte für eine unzutreffende Behandlung als sonstiger Bezug bestünden im vorliegenden Fall jedoch gerade nicht. Denn nach den lohnsteuerrechtlichen Bestimmungen seien die Gehaltsnachzahlungen der Klägerin im April 2019 steuerrechtlich als sonstiger Bezug zu bewerten. Gemäß Lohnsteuerrichtlinie R 39.b.2 Abs 2 sei ein sonstiger Bezug der Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt werde. Zu den sonstigen Bezügen gehörten insbesondere einmalige Arbeitslohnzahlungen, die neben dem laufenden Arbeitslohn gezahlt würden. Nach Nr 8 zählten hierzu auch Nachzahlungen, wenn sich der Gesamtbetrag oder ein Teilbetrag auf Lohnzahlungszeiträume beziehe, die in einem anderen Jahr als dem der Zahlung endeten, oder wenn Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres später als drei Wochen nach dem Ablauf dieses Jahres zufließe. Diese Voraussetzungen der Lohnsteuerrichtlinie R 39.b.2 Abs 2 Satz 2 Nr 8 lägen hier bei der Nachzahlung im April 2019 für die zurückliegenden Lohnzahlungszeiträume 2016 bis 2018 vor. Daher liege steuerrechtlich ein sonstiger Bezug vor und die Bewertung des Arbeitgebers der Klägerin als sonstiger Bezug in der Gehaltsmitteilung von April 2019 sei auch zutreffend. Somit dürften diese Gehaltsnachzahlungen bei der Berechnung des Elterngeldes nach § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG nicht berücksichtigt werden. Daher habe die Beklagte zu Recht die Abänderung des früheren Bewilligungsbescheides und die Gewährung höheren Elterngeldes unter Berücksichtigung der im April 2019 für den Bemessungszeitraum gezahlten Nachzahlungen abgelehnt. Dass die Nachzahlung erfolgt sei, weil die Absenkung der Eingangsbesoldung für verfassungswidrig erklärt worden sei und daher rechtswidrig im Bemessungszeitraum zu geringe Gehaltszahlungen erfolgt seien, ändere nichts daran, dass die Nachzahlungen sonstige Bezüge im Sinne des Steuerrechts und Elterngeldrechts seien. Ob insoweit Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitgeber in Betracht kommen könnten, sei hier gegenüber der Beklagten jedenfalls unerheblich.

Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 28.05.2021 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich die Klägerin mit ihrer am 23.06.2021 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegten Berufung. Die Berücksichtigung bei der Einkommensermittlung könne nicht unter Hinweis auf Entscheidung des BSG vom 14.11.2017 (B 10 EG 7/17 R, B 10 EG 4/17 R) verneint werden. Der Umstand, dass die Nachzahlung erst nach dem Bemessungszeitraum an sie - die Klägerin - ausgezahlt worden sei, könne nicht zu ihrer Schlechterstellung führen, da das abgesenkte Einkommen auf einer verfassungswidrigen Regelung des Landes Baden-Württemberg basiere und sich insoweit im Falle der Nichtberücksichtigung der Nachzahlung im Bemessungszeitraum ein verfassungswidriges Handeln des Staates zu ihren Lasten fortsetzen würde. Der die Entscheidung des BSG vom 27.06.2019 (B 10 EG 1/18 R) betreffende Sachverhalt sei mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht unmittelbar vergleichbar.

 

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 19.05.2021 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 01.04.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.05.2019 zu verurteilen, ihr für das Kind N, geboren 2017, Basiselterngeld für die Zeit vom 04.11.2017 bis zum 03.07.2018 unter Berücksichtigung der Nachzahlung der Absenkungsbeträge des Beamtensoldes als Einkommen im Bemessungszeitraum November 2016 bis Oktober 2017 zu gewähren.

 

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hat ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Ergänzend hat sie vorgetragen, dass der Arbeitgeber grundsätzlich im Rahmen seiner Fürsorgepflicht gehalten sei, auf die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen (Hinweis auf BSG 14.12.2017, B 10 EG 7/17 R und B 10 EG 4/17 R). Es sei nicht Aufgabe der Elterngeldbehörden, den Umständen einer Gehaltsnachzahlung nachzugehen, ggf sogar aufwändige Ermittlungen einzustellen, ob der Arbeitgeber schuldhaft die Nachzahlung herausgezögert habe. Eine entsprechende Ermittlungstätigkeit der Elterngeldstellen würde das vom Gesetzgeber mit seinem steuerakzessorischen Regelungskonzept verfolgte legitime Ziel der Verwaltungsvereinfachung und -praktikabilität im Bereich des BEEG unterlaufen (Hinweis auf BSG 27.06.2019, B 10 EG 2/18 R). Entgegen der Auffassung der Klägerseite sei insofern nicht nachvollziehbar, warum der vom BSG entschiedene Fall einer verbeamteten Lehrerin mit dem Fall der Klägerin nicht vergleichbar sein soll. Der durch § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG angeordnete Ausschluss der sonstigen Bezüge nichtselbstständig Erwerbstätiger aus der Bemessung des Elterngeldes begegne auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere sei darin keine Verletzung von Art 3 GG zu erkennen. Dass der der Regelung nach Lohnsteuerrichtlinie R 39.b.2 Abs 1 Nr 7 und Abs 2 Satz 2 Nr 8 immanente Stichtag zu einer Härte für die Klägerin führe, weil die Nachzahlungsbeträge für die Jahre 2016 und 2017 jeweils erst nach Ablauf von drei Wochen nach Ende des jeweiligen Jahres zugeflossen seien, begründe keine Verfassungswidrigkeit der Regelung. Stichtage bedingten ihrer Natur entsprechend stets Härten, ohne jedoch die dadurch benachteiligten Personen in ihren Grundrechten zu verletzen, wenn sie nicht sachwidrig gewählt worden seien (Hinweis auf BSG 27.06.2019, B 10 EG 2/18 R). Auch der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung spreche für die Rechtsauffassung der Beklagten. Sie habe sich bei der Bemessung des Elterngeldes an die BEEG und im EStG iVm den Lohnsteuerrichtlinien geltenden gesetzlichen Regelungen zu halten. Ein Ermessen stehe ihr insoweit nicht zu. Gegen diese gesetzlichen Bestimmungen würde sie aber verstoßen, wenn sie die nach den lohnsteuerrechtlichen Bestimmungen eindeutig den sonstigen Bezügen zuzuordnenden Gehaltsnachzahlungen als laufenden Arbeitslohn bei der Bemessung des Elterngeldes berücksichtigen würde. Soweit die Klägerin vorbringe, dass die vom Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vorgenommene verfassungswidrige Absenkung der Besoldungsbezüge sich für die Klägerin nicht bei der Bemessung des Elterngeldes fortsetzen dürfe, möge dies zutreffend sein, jedoch sei die Beklagte insoweit der falsche Adressat.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erteilt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet, hat keinen Erfolg.

Die form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs 1 SGG) und auch ansonsten statthafte (§§ 143, 144 Abs 2 und 3 SGG) Berufung der Klägerin ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits bildet der Bescheid vom 01.04.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.05.2019 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte die Gewährung eines höheren als mit Bescheid vom 14.12.2017 festgesetzten Elterngeldes für den 1. bis 12. Lebensmonat abgelehnt hat. Dagegen wendet sich die Klägerin statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs 1 und 4, 56 SGG) und begehrt die Gewährung höheren Basiselterngeldes für die Zeit vom 04.11.2017 (1. Lebensmonat) bis zum 03.07.2018 (8. Lebensmonat) unter Berücksichtigung der Nachzahlung der Absenkungsbeträge des Beamtensoldes als Einkommen im Bemessungszeitraum November 2016 bis Oktober 2017.

Dieser Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, denn sie hat keinen Anspruch auf Elterngeld unter Berücksichtigung der als sonstige Bezüge im April 2019 erbrachten Nachzahlung im Bemessungszeitraum vom 01.11.2016 bis 31.10.2017.

Die Grundvoraussetzungen des Elterngelds richten sich aufgrund der Geburt von N vor dem 01.09.2021 nach der am 31.08.2021 geltenden Fassung des § 1 Abs 1 BEEG (vgl § 28 Abs 1 BEEG in der 01.09.2021 geltenden Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes vom 15.02.2021, BGBl I 239), also nach der ab 01.01.2015 geltenden Fassung (G vom 27.01.2015, BGBl I 33). Nach § 1 Abs 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr 1), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt (Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr 4). Die Klägerin hatte im streitigen Zeitraum ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, lebte mit dem am 04.11.2017 geborenen N in einem Haushalt, betreute und erzog ihn und übte während des Bewilligungszeitraums keine Erwerbstätigkeit aus. Dies entnimmt der Senat den Angaben der Klägerin gegenüber der Beklagten im Verwaltungsverfahren.

Die Höhe des Elterngeldes bemisst sich nach §§ 2 ff BEEG (hier in der bis 31.08.2021 geltenden Fassung vom 27.01.2015, BGBl I 33). Elterngeld wird gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 und 2 BEEG in Höhe von 67% des Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1.800,00 € monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat. In den Fällen, in denen das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt höher als 1.200,00 € war, sinkt der Prozentsatz von 67% um 0,1 Prozentpunkte für je 2 €, um die dieses Einkommen aus Erwerbstätigkeit den Betrag von 1.200,00 € überschreitet, auf bis zu 65% (§ 2 Abs 2 Satz 2 BEEG).

Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit errechnet sich nach Maßgabe der §§ 2c bis 2f BEEG aus der um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben verminderten Summe der positiven Einkünfte aus 1. nichtselbstständiger Arbeit nach § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 4 EStG sowie 2. Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit nach § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 3 EStG, die im Inland zu versteuern sind und die die berechtigte Person durchschnittlich monatlich im Bemessungszeitraum nach § 2b BEEG oder in Monaten der Bezugszeit nach § 2 Abs 3 BEEG hat.

Als Bemessungszeitraum für die Ermittlung des Einkommens aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit iSv § 2c BEEG sind gemäß § 2b Abs 1 Satz 1 BEEG die 12 Kalendermonate vor dem Geburtsmonat des Kindes maßgeblich. Abweichend davon ist nach § 2b Abs 3 Satz 1 BEEG stattdessen der steuerliche Veranlagungszeitraum maßgeblich, der den Zeiträumen für die Gewinnermittlung aus selbstständiger Tätigkeit nach § 2b Abs 2 BEEG zugrunde liegt, wenn die berechtigte Person in den Zeiträumen nach § 2b Abs 1 oder Abs 2 BEEG Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit hatte. Die Klägerin hatte in den letzten 12 Monaten vor der Geburt des N allein Einkommen aus nichtselbstständiger Tätigkeit. Damit hat die Beklagte zutreffend die letzten 12 Kalendermonate vor dem Geburtsmonat des N von November 2016 bis Oktober 2017 als Bemessungszeitraum zugrunde gelegt. Die Voraussetzungen für einen Verschiebungstatbestand des § 2b Abs 1 Satz 2 BEEG liegen nicht vor.

Die Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass das Elterngeld nach den für abhängig Beschäftigte geltenden Vorschriften zu ermitteln und iHv 65% des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt festzusetzen ist. Das von der Klägerin hier erzielte Einkommen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit ist nach § 2c Abs 1 Satz 1 BEEG (idF vom 27.01.2015, BGBl I 33) der monatlich durchschnittlich zu berücksichtigende Überschuss der Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit in Geld oder Geldeswert über ein Zwölftel des Arbeitnehmer-Pauschbetrags, vermindert um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben nach §§ 2e und 2f BEEG. Gegen die nach diesen Vorgaben durchgeführte Elterngeldberechnung unter Einbeziehung der vom Arbeitgeber als laufenden Bezug angemeldeten und monatlich fortlaufend gezahlten Besoldung sind von der Klägerin keine Bedenken geäußert worden.

Die an die Klägerin im April 2019 ausbezahlten „Einmaligen Bezüge NZ Absenk.“ können nicht, auch soweit die Nachzahlungen den Bemessungszeitraum November 2016 bis Oktober 2017 betreffen, zur Ermittlung des Durchschnittsverdienstes und der Bemessung des Elterngelds herangezogen werden. Diese sind der Klägerin erst im April 2019 außerhalb des Bemessungszeitraums tatsächlich zugflossen. Zudem sind sie vom Arbeitgeber im Lohnsteuerabzugsverfahren nach den lohnsteuerlichen Vorgaben als sonstige Bezüge behandelt worden und zählen daher zu den von der Bemessung ausgeschlossenen sonstigen Bezügen.

Für das bei der Elterngeldberechnung zu berücksichtigende Bemessungsentgelt aus abhängiger Beschäftigung kommt es allein auf den tatsächlichen Zufluss (Eingang) der Gehaltszahlung im Bemessungszeitraum an. Entscheidend ist, dass der Elterngeldberechtigte im Bemessungszeitraum die Verfügungsmacht über die Einnahme erlangt hat, sodass er über sie bestimmen kann (BSG 27.06.2019, B 10 EG 1/18 R, BSGE 128, 235). Die Maßgeblichkeit des tatsächlichen Zuflusses der Gehaltsnachzahlung im Bemessungszeitraum ergibt sich aus der mit Wirkung ab dem 18.09.2012 erfolgten Änderung des § 2 Abs 1 BEEG. Danach kommt es bei der Bemessung des Elterngelds nicht mehr auf das durchschnittlich „erzielte“ monatliche Einkommen aus Erwerbstätigkeit (§ 2 Abs 1 Satz 1 BEEG idF vom 05.12.2006), sondern nur noch auf das „Einkommen“ und die „Einkünfte“ an, das bzw die der Berechtigte im Bemessungszeitraum „hat“ (§ 2 Abs 1 Satz 3 BEEG idF vom 10.09.2012). Dementsprechend ist laufender Arbeitslohn, der dem Elterngeldberechtigten im Bemessungszeitraum tatsächlich zugeflossen ist und ihm damit zur Verfügung steht, als elterngeldrelevantes Bemessungsentgelt zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob dieser vom Elterngeldberechtigten außerhalb des Bemessungszeitraums „erarbeitet“ oder „erwirtschaftet“ worden ist (BSG 27.06.2019, B 10 EG 1/18 R, BSGE 128, 235). Das Kriterium des tatsächlichen Zuflusses entspricht nicht nur dem Wortlaut sowie der Entstehungsgeschichte, sondern auch Sinn und Zweck des Elterngeldes (auch zum Folgenden BSG 27.06.2019, B 10 EG 1/18 R, BSGE 128, 235). Ziel des Elterngelds ist vor allem, Familien bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlage zu unterstützen, wenn sich Eltern vorrangig um die Betreuung ihrer Kinder kümmern. Der Ausgleich für die finanziellen Einschränkungen orientiert sich am individuellen Einkommen im Bemessungszeitraum. Bei der Ausgestaltung des Elterngelds als (teilweisem) Einkommensersatz kam es dem Gesetzgeber von Anbeginn darauf an, in generalisierender Weise eine Bemessungsgrundlage zu schaffen, die das zukünftig wegfallende Einkommen verlässlich und möglichst realitätsgetreu abbildet. Danach ist wesentlich, welches Erwerbseinkommen dem Elterngeldberechtigten vor der Geburt tatsächlich zur Verfügung stand und damit prägend für die Lebensführung war, dh die vorgeburtliche Lebenssituation wesentlich beeinflusst hat. Diese gesetzgeberische Zielsetzung wird mit der generellen Berücksichtigung von im Bemessungszeitraum als laufender Arbeitslohn zugeflossenen Lohn- oder Gehaltsnachzahlungen und dem Abstellen auf den tatsächlichen Zufluss dieser Einnahmen unterstrichen. Zudem dient die Bemessung nach dem tatsächlichen Zufluss von Einkommen im Bemessungszeitraum der Verwaltungsvereinfachung. Der tatsächliche Zufluss von laufendem Arbeitslohn im Bemessungszeitraum ist von den Elterngeldbehörden anhand der Lohn- und Gehaltsbescheinigungen der Arbeitgeber mit deren gesetzlichen Richtigkeits- und Vollständigkeitsvermutung (§ 2c Abs 2 S 2 BEEG idF vom 18.12.2014, BGBl I 2325 mit Wirkung vom 01.01.2015) leicht festzustellen. Die Anwendung des strengen Zuflussprinzips garantiert zudem die gebotene zügige Berechnung und Auszahlung von Elterngeld und erhöht damit die Verwaltungspraktikabilität des Elterngeldvollzugs.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die Nachzahlung der Besoldungsabsenkung der Klägerin tatsächlich erst im April 2019 und damit weit außerhalb des Bemessungszeitraums zugeflossen, sodass eine Berücksichtigung innerhalb des Bemessungszeitraums von November 2016 bis Oktober 2017 ausscheidet, auch wenn sich die Klägerin die nachgezahlte Besoldung teilweise im Bemessungszeitraum „verdient“ und „erarbeitet“ hat.

Gemäß der hier anzuwendenden Fassung des § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG für vor dem 31.08.2021 geborene Kinder (in der bis 31.08.2021 geltenden Fassung vom 27.01.2015 <BGBl I 33>, vgl Übergangsvorschrift des § 28 Abs 1 BEEG) werden bei der Ermittlung des Einkommens aus nichtselbstständiger Arbeit solche Einnahmen nicht berücksichtigt, „die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach den lohnsteuerlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln sind“. Danach sind allein die lohnsteuerrechtlichen Vorgaben in § 38a Abs 1 Satz 3 EStG iVm den Lohnsteuerrichtlinien (LStR) für die elterngeldrechtliche Einordnung eines Lohn- oder Gehaltsbestandteils als sonstiger Bezug maßgebend (zB BSG 27.06.2019, B 10 EG 2/18 R, BSGE 128, 243; BSG 27.06.2019, B 10 EG 3/18 R). Die begriffliche Abgrenzung zwischen laufendem Arbeitslohn und sonstigen Bezügen ist nicht lediglich am Steuerrecht orientiert, sondern die elterngeldrechtliche Regelung verweist in vollem Umfang und mit bindender Wirkung auf das materielle Steuerrecht, wie es das Lohnsteuerabzugsverfahren konkretisiert hat (BSG 25.06.2020, B 10 EG 3/19 R, BSGE 130, 237; BSG 25.06.2020, B 10 EG 2/19 R, SozR 4-7837 § 2c Nr 8; BSG 27.06.2019, B 10 EG 2/18 R, BSGE 128, 243). § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG eröffnet keinen Auslegungsspielraum dafür, bei der Elterngeldbemessung auf andere als steuerrechtliche Begriffe zurückzugreifen, auch nicht etwa auf denjenigen der Einmalzahlung im Sinne des § 23a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) (BSG 27.06.2019, B 10 EG 2/18 R, BSGE 128, 243).

Die Begriffe laufender Arbeitslohn und sonstige Bezüge werden im EStG nicht legal definiert. § 38a Abs 1 Satz 3 EStG bestimmt als sonstige Bezüge lediglich Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird. Die LStR (hier: LStR 2015 in der Fassung der Lohnsteueränderungsrichtlinie vom 22.10.2014, BStBl I 1344) erläutern beide Begriffe unter Darstellung von Anwendungsbeispielen. Für die konkrete Zuordnung übernehmen sie dabei die im EStG vorgegebene Zweiteilung danach, ob die Bezüge „laufend“ gewährt werden oder nicht (BSG 27.06.2019, B 10 EG 2/18 R, BSGE 128, 243). Laufender Arbeitslohn ist nach der LStR R 39b.2 Abs 1 Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer regelmäßig fortlaufend zufließt, wie zB Monatsgehälter (Nr 1) oder Wochen- und Tageslöhne (Nr 2). Zum laufenden Arbeitslohn gehören aber auch Nachzahlungen und Vorauszahlungen, wenn sich diese ausschließlich auf Lohnzahlungszeiträume beziehen, die im Kalenderjahr der Zahlung enden (Nr 6), und Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres, der innerhalb der ersten 3 Wochen des nachfolgenden Kalenderjahres zufließt (Nr 7). Fließt Arbeitslohn nicht iSd LStR R 39b.2 Abs 1 laufend (also nicht regelmäßig fortlaufend) zu, zählt die LStR R 39b.2 Abs 2 S 1 ihn zu den sonstigen Bezügen. Hierzu gehören nach der LStR 39b.2 Abs 2 S 2 zB 13. und 14. Monatsgehälter (Nr 1) oder einmalige Abfindungen oder Entschädigungen (Nr 2). Zu den sonstigen Bezügen zählen aber auch Nachzahlungen und Vorauszahlungen, wenn sich der Gesamtbetrag oder ein Teilbetrag der Nachzahlung oder Vorauszahlung auf Lohnzahlungszeiträume bezieht, die in einem anderen Jahr als dem der Zahlung enden, oder, wenn Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres später als 3 Wochen nach Ablauf dieses Jahres zufließt (Nr 8). Die in der LStR R 39b.2 Abs 2 S 2 Nr 8 enthaltene Abgrenzungsregelung ist im Rahmen des § 2c Abs 1 S 2 BEEG bei der Bestimmung einer Lohn- oder Gehaltsnachzahlung als sonstiger Bezug zu übernehmen (BSG 27.06.2019, B 10 EG 2/18 R, BSGE 128, 243; BSG 14.12.2017, B 10 EG 7/17 R, BSGE 125, 62; BSG 14.12.2017, B 10 EG 4/17 R, SozR 4-7837 § 2c Nr 1), wobei die Drei-Wochen-Frist-Regelung im EStG normativ angelegt ist (dazu im Einzelnen BSG 27.06.2019, B 10 EG 2/18 R, BSGE 128, 243).

Ausgehend von den aufgezeigten Maßstäben hat die Klägerin keinen Anspruch auf die Berücksichtigung der im April 2019 erfolgten Bezügenachzahlung, ua auch für die Monate November 2016 bis Oktober 2017, bei der Bemessung des Elterngelds. Eine Gehaltsnachzahlung, die - wie hier - Arbeitsentgelt für zurückliegende Monate enthält, weist die Besonderheit auf, dass sie vom Arbeitgeber abweichend von dem üblichen Gehaltszahlungszeitraum (vorliegend nach § 5 Abs 1 Landesbesoldungsgesetz Baden-Württemberg monatlich im Voraus) in einem Betrag (Einmalzahlung) abgerechnet und ausgezahlt wird. Die hier in Rede stehende Gehaltsnachzahlung wurde vom Dienstherrn der Klägerin materiell-lohnsteuerrechtlich gesetzeskonform als sonstiger Bezug im Kalenderjahr 2019 behandelt und in der Bezügemitteilung für April 2019 korrekt als solcher ausgewiesen (vgl zur Bindung an eine bestandskräftig gewordene Lohnsteueranmeldung des Arbeitgebers sowie zu den Ausnahmen BSG 25.06.2020, B 10 EG 3/19 R, BSGE 130, 237; BSG 25.06.2020, B 10 EG 2/19 R, SozR 4-7837 § 2c Nr 8). Einschlägig ist hier § 38a Abs 1 Satz 3 EStG iVm der LStR R 39b.2 Abs 2 S 2 Nr 8. Denn die Bezügenachzahlung umfasste Zeiträume, die in den abgelaufenen Kalenderjahren 2016, 2017 und 2018 lagen, und sie erfolgte später als 3 Wochen nach Ablauf dieser Kalenderjahre, nämlich erst im April 2019.

Der von § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG angeordnete Ausschluss der sonstigen Bezüge nichtselbstständig Erwerbstätiger aus der Bemessung des Elterngelds begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere wird dadurch der sich aus Art 3 Abs 1 GG ergebende allgemeine Gleichheitssatz nicht verletzt (BSG 29.6.2017, B 10 EG 5/16 R, SozR 4-7837 § 2 Nr 32; BSG 14.12.2017, B 10 EG 7/17 R, BSGE 125, 62). Dabei bedingen Stichtage (vorliegend die Drei-Wochen-Frist) ihrer Natur entsprechend stets Härten, ohne die dadurch benachteiligten Personen in ihren Grundrechten zu verletzen, wenn sie nicht sachwidrig gewählt wurden, was hier nicht der Fall ist. Auch der Umstand, dass eine verspätete Zahlung des Lohns oder Gehalts und die dadurch wegen § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG iVm § 38a Abs 1 Satz 3 EStG, LStR R 39b.2 Abs 2 Satz 2 Nr 8 bedingte elterngeldrechtliche Nichtberücksichtigung als sonstiger Bezug auf einem möglicherweise sogar schuldhaften Fehlverhalten des Arbeitgebers beruhen kann, rechtfertigt keine differenzierende Betrachtung (BSG 14.12.2017, B 10 EG 7/17 R, BSGE 125, 62; BSG 14.12.2017, B 10 EG 4/17 R, SozR 4-7837 § 2c Nr 1). Es ist nicht Aufgabe der Elterngeldbehörden, den Umständen einer Lohn- oder Gehaltsnachzahlung nachzugehen, ggf sogar aufwändige Ermittlungen anzustellen, ob ein Arbeitgeber schuldhaft die (Nach‑)Zahlung hinausgezögert hat. Eine entsprechende Ermittlungstätigkeit der Elterngeldstellen würde das vom Gesetzgeber mit seinem steuerakzessorischen Regelungskonzept verfolgte legitime Ziel der Verwaltungsvereinfachung und -praktikabilität im Bereich des BEEG unterlaufen (BSG 27.06.2019, B 10 EG 2/18 R, BSGE 128, 243; BSG 14.12.2017, B 10 EG 7/17 R, BSGE 125, 62). Bei schuldhaftem Fehlverhalten des Arbeitgebers verbleibt dem betroffenen elterngeldberechtigten Arbeitnehmer lediglich die Möglichkeit, seinen Arbeitgeber (in letzter Konsequenz) auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen (BSG 27.06.2019, B 10 EG 2/18 R, BSGE 128, 243). Eine elterngeldrechtliche Korrektur ist aufgrund des steuerakzessorischen Regelungskonzepts des BEEG-Gesetzgebers und der damit verbundenen strikten begrifflichen Anbindung des Elterngeldrechts an das Lohnsteuerrecht im Rahmen des § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG nicht möglich.

Etwas Anderes folgt nicht aus dem Umstand, dass das BVerfG mit Beschluss vom 16.10.2018 (2 BvL 2/17, BVerfGE 149, 282) § 23 LBG Baden-Württemberg als Grundlage für die zunächst vorgenommene Absenkung der Besoldung für nichtig erklärt hat. Die Bindungswirkung der Entscheidung des BVerfG (vgl § 31 BVerfGG) steht hier nicht in Frage. Vielmehr ist vorliegend in Anwendung der dargestellten elterngeldrechtlichen Normen entscheidungserheblich, in welcher Höhe der Klägerin im maßgeblichen Bemessungszeitraum tatsächlich Einkommen zugeflossen ist sowie ob dieses nach steuerrechtlichen Vorschriften als laufender Arbeitslohn oder als sonstiger Bezug zu qualifizieren ist. In der Sache begehrt die Klägerin von der Beklagten als mit der Ausführung des Bundesgesetzes BEEG betrauten Behörde (vgl § 12 Abs 1 BEEG iVm § 1 Abs 1 BEEG Zuständigkeitsverordnung Baden-Württemberg) im Rahmen des aus Bundesmitteln finanzierten Elterngeldes (vgl § 12 Abs 2 BEEG in der bis 31.08.2021 geltenden Fassung) einen Ausgleich für den durch den Landesgesetzgeber Baden-Württemberg zu verantwortenden und durch das BVerfG festgestellten Verfassungsverstoß. Sie möchte im Ergebnis den Zustand hergestellt haben, der bestehen würde, wenn die vom Landesgesetzgeber Baden-Württemberg durch § 23 LBG BW eingeführte - verfassungswidrige - Absenkung der Besoldung nicht eingetreten wäre, begehrt mithin Schadensersatz (vgl § 249 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch). Diesen kann sie nicht systemwidrig und entgegen der elterngeldrechtlichen Normen durch eine Gewährung höheren Elterngeldes von der Beklagten aus Bundesmitteln erlangen.  

Unter Berücksichtigung der im Bezugszeitraum erzielten Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit hat die Beklagte das Elterngeld zutreffend festgesetzt. Fehler in der Berechnung des Elterngelds sind auch ansonsten nicht ersichtlich. Insbesondere hat die Beklagte zutreffend auf Grundlage des § 3 Abs 1 Satz 1 Nr 2 BEEG die nach beamtenrechtlichen Vorschriften für die Zeit des Beschäftigungsverbotes vom 04.11.2017 bis 04.01.2018 an die Klägerin im November iHv 2.944,57 €, im Dezember 2017 iHv 3.271,74 € und im Januar 2018 iHv 422,16 € ausgezahlten Dienstbezüge, Anwärterbezüge bzw Zuschüsse auf das Elterngeld im 1. bis 3. Lebensmonat angerechnet. Dass die Berechnung der Beklagten im Einklang mit der gesetzlichen Regelung steht, wird von der Klägerin im Grundsatz auch nicht bestritten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
Saved