S 11 KR 205/17

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Fulda (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 11 KR 205/17
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten bei insolvenzrechtlichen Streitigkeiten eröffnet, richtet sich die örtliche Zuständigkeit bei Verfahren der gesetzlichen Krankenversicherung gegen den Insolvenzverwalter nach § 57 Abs. 1 S. 2 SGG. Es ist weder eine entsprechende Anwendung des § 180 Abs. 1 InsO möglich noch § 202 SGG in Verbindung mit § 19a ZPO einschlägig.

Das Sozialgericht Fulda erklärt sich für örtlich unzuständig und verweist den Rechtsstreit an das Sozialgericht Hannover. 

Gründe

Gemäß § 57 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist das Sozialgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Kläger zur Zeit der Klageerhebung seinen Sitz oder Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Aufenthaltsort hat; steht er in einem Beschäftigungsverhältnis, so kann er auch vor dem für den Beschäftigungsort zuständigen Sozialgericht klagen. Nach § 57 Abs. 1 S. 2 SGG ist der Sitz oder der Wohnsitz oder Aufenthaltsort des Beklagten maßgebend, wenn dieser eine natürliche Person oder eine juristische Person des Privatrechts ist und eine Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts, in Angelegenheiten nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch ein Unternehmen der privaten Pflegeversicherung oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts oder des Schwerbehindertenrechts ein Land klagt. 

Danach ist im vorliegenden Verfahren das Sozialgericht Hannover örtlich zuständig, da der Beklagte, der in seiner Funktion als Insolvenzverwalter kraft Amtes an dem Verfahren beteiligt ist, seinen Lebensmittelpunkt und damit den Wohnsitz in jenem Zuständigkeitsbezirk hat. Dieser Umstand ist zu keinem Zeitpunkt von der Klägerin in Abrede gestellt worden. 

Weder der Beschluss des Amtsgerichts Fulda vom 06.11.2017 noch insolvenzrechtliche Vorschriften oder zivilrechtliche Zuständigkeitsregelungen begründen die örtliche Zuständigkeit des Sozialgerichts Fulda. Der vorgenannte Verweisungsbeschluss, mit dem das Amtsgericht Fulda den Rechtsweg zu den Zivilgerichten für unzulässig erklärt hat, entfaltet Bindungswirkung nur hinsichtlich des Rechtsweges (§ 17a Abs. 2 S. 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)). Damit beschränkt sich auch die aufdrängende Wirkung nur auf die Rechtswegfrage - eine Weiterverweisung innerhalb des Rechtsweges bleibt damit möglich (Zöller-Lückemann, ZPO, 33. Auflage 2020, § 17a GVG, Rn. 12). 

Die Zuständigkeit des Sozialgerichts Fulda ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht aus den §§ 180 ff. Insolvenzordnung (InsO). Gemäß § 180 Abs. 1 S. 2 InsO ist für Klagen auf Feststellung bestrittener Forderungen das Amtsgericht ausschließlich zuständig, bei dem das Insolvenzverfahren anhängig ist oder anhängig war. Eine entsprechende Anwendung der Zuständigkeitsregelung für sozialgerichtliche Verfahren sieht die Insolvenzordnung nicht vor. § 185 Abs. 1 InsO stellt klar, dass die Feststellung bei dem zuständigen anderen Gericht zu betreiben oder von der zuständigen Verwaltungsbehörde vorzunehmen ist, wenn - wie im vorliegenden Verfahren - für die Feststellung einer Forderung der Rechtsweg zum ordentlichen Gericht nicht gegeben ist, ordnet für diesen Fall aber „nur“ eine entsprechende Anwendung des § 180 Abs. 2 sowie der §§ 181 bis 184 InsO an (§ 185 Abs. 2, Abs. 3 InsO). Auf § 180 Abs. 1 InsO wird gerade nicht verwiesen. 

Ebenfalls nicht einschlägig ist § 202 SGG in Verbindung mit § 19a Zivilprozessordnung (ZPO). Nach § 19a ZPO wird der allgemeine Gerichtsstand eines Insolvenzverwalters für Klagen, die sich auf die Insolvenzmasse beziehen, durch den Sitz des Insolvenzgerichts bestimmt. Die Zielrichtung des Gerichtsstandes, Prozesse im Zusammenhang mit der Insolvenzmasse wegen des engen Sachzusammenhangs an dem Prozessgericht stattfinden zu lassen, in dessen Bezirk das Insolvenzgericht gelegen ist, lässt sich auf die Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit nicht übertragen (Beschluss des BSG vom 08.08.2001, Az. B 7 SF 8/01 S, Rn. 9, zitiert nach juris). Das gilt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht nur, wenn der Insolvenzverwalter als Kläger auftritt, sondern auch dann, wenn er wie hier als Beklagter an dem Verfahren beteiligt ist (so auch jurisPK-Groth, SGG, Stand: 07.05.2018, § 57, Rn. 28). Der für das Klägerwohnsitzprinzip maßgebende Grundsatz für Klägerfreundlichkeit wird mit § 57 Abs. 1 S. 2 SGG nur scheinbar aufgehoben. Tatsächlich dient die Umkehrung der Grundregel des § 57 Abs. 1 S. 1 SGG der Erleichterung der Prozessführung für Privatpersonen, wenn diese ausnahmsweise als Beklagte beteiligt sind (jurisPK-Groth, SGG, Stand: 07.05.2018, § 57, Rn. 54). Auf den Versichertenstatus dieser Personen kommt es, wie die Klägerin meint, hingegen nicht an.  

Ebenso wenig wird die Zuständigkeit letztendlich dadurch begründet, dass die Unzuständigkeit nicht geltend gemacht (worden) ist. Das folgt aus § 59 S. 2 SGG

Eine Verweisung an das Sozialgericht Kassel wegen des Kanzleisitzes des Beklagten im dortigen Zuständigkeitsbezirk scheidet von vornherein aus. Ungeachtet dessen, ob der Tätigkeitsort mit dem Beschäftigungsort vergleichbar ist, besteht im Anwendungsbereich des § 57 Abs. 1 S. 2 SGG anders als bei § 57 Abs. 1 S. 1 SGG nämlich kein Wahlrecht. 

Nach alledem ist der Rechtsstreit gemäß §§ 57 Abs. 1, 98 SGG von Amts wegen an das örtlich zuständige Sozialgericht zu verweisen. Das gilt trotz der langen Verfahrensdauer und ist Folge der Garantie des gesetzlichen Richters. Dieser Beschluss ist gemäß § 98 SGG in Verbindung mit § 17 a Abs. 2 GVG unanfechtbar.
 

Rechtskraft
Aus
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