L 6 SB 241/21 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 20 SB 2837/20
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 SB 241/21 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 02.07.2021 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Verfahren, in dem sie die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 begehrt.

Mit Bescheid vom 27.05.2019 hatte die Beklagte bei der Klägerin einen GdB von 30 festgestellt. Folgende Behinderungen waren berücksichtigt worden:

  1. Fibromyalgie (Einzel-GdB 20),
  2. Depression (Einzel-GdB 20),
  3. Minderbelastbarkeit der Wirbelsäule (Einzel-GdB 20),
  4. Minderbelastbarkeit der Schultergelenke (Einzel-GdB 10),
  5. Harnhalteschwäche (Einzel-GdB 10).

 

Einen Änderungsantrag der Klägerin vom 10.02.2020, gerichtet auf Feststellung eines höheren GdB, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13.05.2020 ab. Sie berücksichtigte allerdings zusätzlich einen Hüftgelenksverschleiß rechts mit einem Einzel-GdB von 10.

Den am 19.05.2020 durch den Sozialverband erhobenen Widerspruch wies die Bezirksregierung Münster mit Widerspruchsbescheid vom 22.09.2020 zurück.

Am 07.10.2020 hat die Klägerin, weiterhin vertreten durch den Sozialverband, vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund Klage erhoben.

Die Klägerin ist der Ansicht, ihr GdB betrage 50. Sowohl eine (von ihren behandelnden Ärzten diagnostiziere) generalisierte Angststörung, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren als auch das Fibromyalgiesyndrom und eine Refluxösophagitis seien nicht angemessen bewertet. Hierzu verweist sie auf aktuelle Befundberichte. Es sei weitere Sachverhaltsaufklärung geboten.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

den Bescheid vom 13.05.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2020 aufzuheben und der Klägerin nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen einen GdB von 50 zuzuerkennen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Voraussetzungen eines GdB von 50 seien, auch nach Würdigung der Klagebegründung und der vorgelegten Befundberichte, bislang nicht nachgewiesen. Es werde angeregt, die Gutachten aus dem (von der Klägerin parallel betriebenen) Rentenverfahren beizuziehen.

Das SG hat die Akte des Verfahrens SG Dortmund, S 6 R 1886/20, beigezogen.

Mit Schriftsatz vom 15.06.2021 hat sich für die Klägerin der jetzige Bevollmächtigte bestellt und beantragt, der Klägerin unter seiner Beiordnung Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Er hat mitgeteilt, dass das Mandat zum früheren Bevollmächtigten beendet sei. Die Klägerin habe kein Vertrauen mehr in eine ordnungsgemäße und substantielle Vertretung durch den Sozialverband, dessen Mitglied sie allerdings weiterhin sei. Im Falle eines Vertrauensverlustes beendete auch ein begüterter Rechtssuchender das Mandat und beauftragte einen Rechtsanwalt seines Vertrauens.

Auf entsprechende Nachfrage des SG hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie das Mandat zum Sozialverband gekündigt habe.

Dieser hat sodann das Mandat niedergelegt.

Mit Beschluss vom 02.07.2021 hat das SG den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt R aus E abgelehnt. Es bestehe keine Veranlassung, ihr auf Staatskosten einen Rechtsanwalt beizuordnen, nachdem sie ihrem bisherigen Bevollmächtigten, der ihr eine kostenlose Vertretung gewährt habe, ohne erkennbaren Grund das Mandat entzogen habe. Der Vortrag, das Vertrauensverhältnis sei gestört und sie fühle sich nicht richtig vertreten, sei ohne jede Substanz. Es könne gerade nicht festgestellt werden, dass der Sozialverband die wohlverstandenen Interessen der Klägerin nicht ordnungsgemäß vertreten habe. Eine wirtschaftlich denkende Partei, die ihren Bevollmächtigten selbst zu bezahlen hätte, hätte die zusätzliche Kostenbelastung vermieden und einen Anwaltswechsel nicht vorgenommen. Der Beschluss ist der Klägerin am 03.08.2021 zugestellt worden.

Am 27.08.2021 hat die Klägerin Beschwerde eingelegt.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Prozessvertretung ein Dienstverhältnis höherer Art im Sinne der §§ 626 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sei, das ein besonderes gegenseitiges Vertrauen voraussetze. Vor diesem Hintergrund bestehe eine jederzeitige Kündigungsmöglichkeit ohne das Erfordernis der in § 626 BGB genannten Gründe (§ 627 Abs. 1 BGB). Diese Regelung sei nicht disponibel und müsse bei der Prüfung ihres Prozesskostenhilfe-Antrags berücksichtigt werden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

 

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Sie ist bereits unzulässig, denn sie ist nicht statthaft.

Nach § 172 Abs. 3 Nr. 2a Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die Beschwerde ausgeschlossen gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Indem das SG den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Kern mit der Begründung abgelehnt hat, dass sie durch ihre Mitgliedschaft im Sozialverband die Möglichkeit einer kostenlosen Vertretung habe, ist diese Voraussetzung erfüllt. Aufgrund ihrer Mitgliedschaft im Sozialverband ist die Klägerin gehalten, ihre satzungsmäßigen Rechte auf kostenlose Prozessvertretung auszuschöpfen; einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe erwirbt sie erst, wenn der Verband Rechtsschutz ablehnt (Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 08.10.2009, B 8 SO 35/09 B; Landessozialgericht [LSG] Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 03.12.2012, L 6 AS 1448/12 B). Da Prozesskostenhilfe eine besondere Art der Sozialhilfe auf dem Gebiet gerichtlichen Rechtsschutzes ist, ist ein Antragsteller wegen des für Sozialhilfe und Prozesskostenhilfe gleichermaßen geltenden Subsidiaritätsprinzips verpflichtet, die dem Justizfiskus durch Prozesskostenhilfe entstehenden Ausgaben gering zu halten (BSG a.a.O.; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31.05.2016, L 1 R 369/13). Zum Vermögen eines Antragstellers gehören Ansprüche gegen eine Rechtsschutzversicherung und ebenso ein satzungsmäßiger Anspruch auf kostenlosen Rechtsschutz durch eine Gewerkschaft oder einen Verband (BSG, Beschluss vom 12.03.1996, 9 RV 24/94; dass., Beschluss vom 07.01.2016, B 13 R 260/13 B; LSG Bayern, Beschluss vom 15.05.2015, L 15 VG 8/15 B PKH; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.01.2015, L 9 AL 316/14 B). Damit ist der Antragsteller in einem solchen Fall nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage, die Kosten der Prozessführung aus seinem Vermögen aufzubringen (LSG Nordrhein-Westfalen a.a.O.).

Im Übrigen wäre die Beschwerde aber auch unbegründet.

Der Klägerin wäre Prozesskostenhilfe auch nicht deshalb zu gewähren, weil es ihr unzumutbar wäre, den ihr zustehenden Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen (vgl. BSG, Beschluss vom 07.01.2016, B 13 R 260/13 B; Bayerisches LSG, Beschluss vom 08.09.2020, L 15 AS142/20 B PKH). Dies kann bei einer erheblichen Störung des Vertrauensverhältnisses zu dem vom Verband gestellten Prozessvertreter der Fall sein; dabei ist der Maßstab für triftige Gründe, die ein Absehen von der weiteren Vertretung durch einen Prozessvertreter des Verbands und den Wechsel zu einem mit Hilfe von Prozesskostenhilfe finanzierten anderen Prozessvertreter rechtfertigen können, derselbe wie für die Genehmigung des Wechsels eines im Rahmen der Prozesskostenhilfe gerichtlich beigeordneten Rechtsanwalts (BSG a.a.O.). Das um Prozesskostenhilfe nachsuchende Verbandsmitglied ist verpflichtet, die Gründe, die für eine Unzumutbarkeit der (weiteren) Inanspruchnahme des Verbandsrechtsschutzes sprechen, gegenüber dem Gericht im Einzelnen darzulegen (BSG a.a.O.). Daran fehlt es, worauf das SG zutreffend hingewiesen hat. Die Klägerin hat das Mandat zum Sozialverband ohne erkennbaren Grund gekündigt. Die Klägerin hat ihren Einwand, sie habe kein Vertrauen mehr in eine ordnungsgemäße und substantielle Vertretung durch den Sozialverband, in keiner Weise substantiiert. Auch lässt die Prozessführung durch den früheren Bevollmächtigten nicht den Schluss auf eine Unzumutbarkeit seiner weiteren Inanspruchnahme erkennen. Vielmehr hat dieser gegen den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Münster vom 22.09.2020 am 07.10.2020 fristgerecht Klage erhoben und diese nach einmaliger Erinnerung einzelfallbezogen begründet.

Soweit die Klägerin der vorstehenden Argumentation unter Hinweis auf die Vorschriften der §§ 626 ff. BGB nicht folgen will, verkennt sie, dass es hier nicht um die Frage geht, unter welchen Voraussetzungen ein Anwaltswechsel erfolgen kann, sondern darum,  inwieweit es Betroffenen zuzumuten ist, ihr Vermögen zur Prozessführung einzusetzen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 73a SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).

 

 

Rechtskraft
Aus
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