L 2 AS 339/19

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 23 AS 1622/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 AS 339/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 417/19 B
Datum
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 31.01.2019 wird zurückgewiesen. 

Kosten sind nicht zu erstatten. 

Die Revision wird nicht zugelassen. 

 

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Weitergewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Der 1956 geborene Kläger bezog diese Leistungen bis zum 30.09.2016 von dem Beklagten. Der Beklagte, der bereits seit mehreren Jahren Zweifel an der Erwerbsfähigkeit des Klägers hatte, holte im Juli 2016 eine sozialmedizinische Stellungnahme vom arbeitsmedizinischen Dienst der Agentur für Arbeit ein. Der Gutachter Dr. B stellte nach einem persönlichen Gespräch mit dem Kläger in seinem Gutachten vom 27.07.2016 fest, dass dieser an einer Persönlichkeitsstörung leidet und nicht mehr dazu in der Lage ist, mindestens drei Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig zu sein. Mit Schreiben vom 28.07.2016 teilte der Beklagte daraufhin der Beigeladenen zu 1) mit, dass der Kläger nach seinen Feststellungen einen Anspruch auf Sozialhilfe habe. Es werde ein Erstattungsanspruch nach § 102 ff. Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) geltend gemacht. Mit Schreiben vom 01.08.2016 wurde außerdem ein Erstattungsanspruch gegenüber der Beigeladenen zu 2) geltend gemacht. Der Kläger habe nach den Feststellungen des Beklagten Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung. Der Kläger wurde dazu aufgefordert, bei der Beigeladenen zu 1) Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) und bei der Beigeladenen zu 2) Rente wegen Erwerbsminderung zu beantragen. Der Kläger legte gegen diese Aufforderung Widerspruch ein. Der Beklagte stellte daraufhin bei den Beigeladenen die entsprechenden Anträge nach § 5 Abs. 3 SGB II.

Mit Bescheid vom 05.09.2016 lehnte der Beklagte außerdem den Weiterbewilligungsantrag des Klägers für die Zeit ab 01.10.2016 ab. Der Kläger sei erwerbsunfähig im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB II und habe deshalb keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Auch der Beigeladene zu 1) habe die Erwerbsunfähigkeit anerkannt, so dass die Nahtlosigkeit der Leistungsgewährung sichergestellt sei. Die Beigeladene zu 1) bewilligt dem Kläger mit Bescheid vom 26.09.2016 rückwirkend ab dem 01.08.2016 Leistungen nach dem SGB XII. Der Kläger legte gegen den Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 05.09.2016 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.10.2016 zurückwies. Auf der Grundlage des eingeholten Gutachtens sei davon auszugehen, dass der Kläger erwerbsunfähig sei.

Der Kläger hat hiergegen am 27.10.2016 Klage vor dem Sozialgericht Detmold erhoben. Er sei dazu in der Lage, mehr als sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sein und daher nicht erwerbsunfähig. Die Feststellungen des medizinischen Gutachters seien nicht zutreffend. Im Übrigen sei eine dauerhafte Erwerbsminderung auch nicht durch den insoweit zuständigen Rentenversicherungsträger festgestellt worden.

Die Beigeladene zu 2) hat den vom Beklagten nach § 5 Abs. 3 SGB II gestellten Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung mit Bescheid vom 01.02.2017 wegen fehlender Mitwirkung abgelehnt. Der Kläger habe die angeforderten medizinischen Unterlagen nicht übersandt und auch keinen formularmäßigen Rentenantrag gestellt.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens von Dr. E, Arzt für Neurologie und Psychiatrie. Dieser stellt in seinem Gutachten vom 23.11.2017 aufgrund einer ambulanten Untersuchung am 22.11.2017 fest, dass beim Kläger folgende Erkrankungen vorliegen:

1) Anhaltende wahnhafte Störung (ICD-10: F22)

2) Kombinierte Persönlichkeitsstörung mit ausgeprägter Zwanghaftigkeit, schizoiden Strukturanteilen aber auch paranoiden Anteilen (F61)

Der Sachverständige gelangt zu der Beurteilung, dass der Kläger wegen dieser seelischen Erkrankungen nicht dazu in der Lage ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Sein Leistungsvermögen sei auf unter drei Stunden täglich reduziert. Die Minderung der Leistungsfähigkeit bestehe nachweislich seit September 2016. Die prognostischen Aussichten seien ungünstig, da das Störungsbild erheblich chronifiziert sei und keine Krankheitseinsicht bestehe. Mit einer Besserung sei nicht zu rechnen.

Das Sozialgericht hat die Klage daraufhin mit Urteil vom 31.01.2019 abgewiesen. Der Kläger erfülle die Voraussetzungen für den Leistungsbezug nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2  SGB II nicht, da er nicht erwerbsfähig im Sinne von § 8 Abs. 1  SGB II sei. Dies ergebe sich aus dem schlüssigen und  nachvollziehbaren Gutachten des Sachverständigen Dr. E.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 12.02.2019 zugestellte Urteil hat der Kläger am 05.03.2019 Berufung eingelegt. Er habe Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 31.01.2019 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 05.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.10.2016 zu verurteilen, ihm ab dem 01.10.2016 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die ordnungsgemäß zum Termin geladenen Beigeladenen sind zum Verhandlungstermin nicht erschienen. Sie beantragen schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweisen der Beklagte und die Beigeladenen auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten und der Beigeladenen. Die Akten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

 

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte in Abwesenheit der ordnungsgemäß zum Termin geladenen Beigeladenen entscheiden, da diese in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.10.2016 zu Recht abgelehnt. Der Kläger hat keinen diesbezüglichen Anspruch, weil er die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 SGB II nicht erfüllt. Es fehlt an der Erwerbsfähigkeit des Klägers (§ § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 8 Abs. 1 SGB II). Danach ist erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Ein solches Leistungsvermögen ist beim Kläger mindestens seit September 2016 nicht mehr gegeben. Sein Leistungsvermögen ist vielmehr dauerhaft auf unter drei Stunden täglich reduziert. Dies ergibt sich aus dem erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. E, der aufgrund einer eingehenden Exploration und Untersuchung des Klägers am 22.11.2017 schlüssig und nachvollziehbar zu der Beurteilung gekommen ist, dass der Kläger zu keiner gewinnbringenden Arbeit mehr in der Lage ist. Konkrete medizinische Einwände gegen diese Einschätzung, die durch die von Dr. B für die Agentur für Arbeit erstellte sozialmedizinische Stellungnahme bestätigt wird, hat der Kläger nicht erhoben.

Der Kläger hat keinen Leistungsanspruch nach § 44a Abs. 1 Satz 7 SGB II. Nach dieser Vorschrift erbringen die Agentur für Arbeit und der kommunale Träger bei einem Widerspruch gegen die Feststellungen zur Erwerbsfähigkeit bis zur gutachterlichen Stellungnahme des zuständigen Trägers der Rentenversicherung weiterhin Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Ein Widerspruch der nach § 44a Abs. 1 Satz 2 SGB II zum Widerspruch Berechtigten Träger liegt hier aber nicht vor. Die Beigeladene zu 1) geht vielmehr ebenfalls von einer Erwerbsunfähigkeit des Klägers aus und hat diesem in dem hier streitigen Zeitraum SGB XII-Leistungen bewilligt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht.

 

Rechtskraft
Aus
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