Auf die Anschlussberufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 9. Oktober 2020 teilweise aufgehoben und die Klage vollumfänglich abgewiesen.
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt im Berufungsverfahren noch die höhere Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) mit mehr als 60.
Sie ist 1999 geboren und studiert Geschichte auf Lehramt. Sie ist unverheiratet, wohnt zu Hause bei den Eltern und ist sportlich aktiv (Anamnese F).
Am 29. Mai 2013 beantragte sie bei dem Landratsamt R erstmals die Feststellung des GdB und legte den Bericht des S vom 22. Mai 2013 vor. Dieser beschrieb, dass bei chronisch anhaltenden Bauchschmerzen 2012 die Diagnose Morbus Crohn gestellt worden sei. Trotz intensiver antientzündlicher und immunsuggressiver Behandlung bestünden anhaltende Bauchschmerzen. Massive Probleme bereiteten die chronischen und nie ganz abheilenden Entzündungen, Fisteln und Fissuren im Analbereich. Wachstum und Entwicklung seien gehemmt, eine erhebliche Anämie verstärke die allgemeine Symptomatik durch Leistungsinsuffizienz und chronische Müdigkeit. Es entstünden immer mehr psychische Grenzsituationen und Depressionen.
Zur Akte gelangte der Bericht des Ohospitals S1 über die stationäre Behandlung vom 29. Mai bis 3. Juni 2012. Danach zeigte sich ein ordentlicher Allgemein- und Ernährungszustand. Die konsiliarische kinderpsychologische Untersuchung habe ergeben, dass die Klägerin sich offen und gesprächsbereit zeigte. Sie besuche die siebte Klasse des Gymnasiums und sei eine gute Schülerin. Eine psychologische Unterstützung sei nicht notwendig.
Der E beschrieb aufgrund ambulanter Untersuchung eine fast reizlose Perianalregion, klinisch gehe es der Klägerin recht gut, sodass eine Reduktion der Medikation empfohlen worden sei.
Das LRA holte den Befundschein des S2 ein, der auf eine einmalige Behandlung 2005 verwies, bei der die allergologischen Untersuchungen keinen Hinweis auf eine allergische Reaktion ergeben hätten.
F1 sah versorgungsärztlich einen Teil-GdB von 20 für den Morbus Crohn und einen Teil-GdB von 10 für die Funktionsbehinderung der Ellenbogengelenke sowie die Funktionsstörung durch die Fußfehlform.
Mit Bescheid vom 18. September 2013 stellte das LRA einen GdB von 20 sei dem 29. Mai 2012 fest. Den Widerspruch wies das Regierungspräsidium S1 – Landesversorgungsamt – nach versorgungsärztlicher Stellungnahme des S3 (körperlich und geistig nur leichte Funktionseinschränkung) mit Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2014 zurück. Die Auswertung der ärztlichen Unterlagen habe ergeben, dass die vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen angemessen bewertet seien. Der GdB für Schäden am Stütz- und Bewegungsapparat werde entscheidend durch die Funktionseinbuße und die Auswirkungen auf andere Organsysteme bestimmt. Der festgesetzte Gesamt-GdB von 20 schließe Schmerzen, seelische Begleiterscheinungen und Beeinträchtigungen bei der täglichen Lebensführung mit ein.
Im nachfolgenden Klageverfahren beim Sozialgericht Stuttgart (SG – S 17 SB 1950/14) erkannte der Beklagte einen GdB von 50 seit dem 1. Januar 2012 an und führte das Anerkenntnis mit Bescheid vom 12. Februar 2016 aus. Als Funktionsbeeinträchtigungen wurden ein Morbus Crohn, eine Analfistel, eine entzündlich-rheumatische Erkrankung der Gelenke, eine Funktionsbehinderung beider Ellenbogengelenke sowie eine Funktionsstörung durch Fußfehlform berücksichtigt.
Am 4. Oktober 2017 beantragte die Klägerin die Neufeststellung des GdB und die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens „aG“ (außergewöhnliche Gehbehinderung). Vorgelegt wurde der Bericht des Klinikums S1 über den stationären Aufenthalt vom 5. bis 26. November 2015, wonach im therapeutischen Milieu der psychosomatisch-schmerztherapeutisch arbeitenden Station ein multimodaler Behandlungsansatz verfolgt worden sei. Die medikamentöse Behandlung der Grunderkrankung sei fortgeführt worden. Im Verlauf sei die Anwendung aktiver Schmerzbewältigungsstrategien erlernt worden, sodass eine medikamentöse Behandlung der Schmerzen während des stationären Aufenthalts nicht notwendig gewesen sei. Empfohlen werde die Fortsetzung der erlernten Schmerzbewältigungsstrategien, ein regelmäßiger Schulbesuch und die Wiederaufnahme der Freizeitaktivitäten. Der Beginn einer ambulanten Psychotherapie solle im Verlauf erneut erwogen werden.
Der Bericht des Ukrankenhauses T über den stationären Aufenthalt vom 26. bis 27. September 2017 beschrieb einen akuten Schub des Morbus Crohn. Es sei die erneute Therapie mit dem TNF-alpha Blocker Humira empfohlen worden.
M sah versorgungsärztlich für den Morbus Crohn einen Teil-GdB von 40, für die entzündlich-rheumatische Erkrankung der Gelenke einen Teil-GdB von 20 und für die seelische Störung ebenfalls einen Teil-GdB von 20, sodass sich weiterhin ein Gesamt-GdB von 50 ergebe. Ortsübliche Wegstrecken könnten zurückgelegt werden.
Mit Bescheid vom 13. November 2017 lehnte das LRA den Neufeststellungsantrag und die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens „aG“ ab.
Im Widerspruchsverfahren holte das LRA den Befundschein des M1 ein, der eine deutliche Besserung der Durchfälle und der Schmerzen beschrieb. Das Gehvermögen und die Gehfähigkeit seien nicht eingeschränkt. Ergänzend legte er seinen Befundbericht über die ambulante Untersuchung vom 22. August 2017 vor, wonach sich das Körpergewicht der Klägerin stabil bei 60 kg gezeigt habe. Die Stuhlfrequenz liege bei ein- bis dreimal pro Tag, aktuell käme es zu keinen Blutungen und keinem Schleim. Nach weiterer Untersuchung am 18. Oktober 2017 beschrieb er ein aktuell sehr gutes Ansprechen unter TNF-a Therapie.
Weiter wurden Befundberichte des Klinikums S1 beigezogen. Im Bericht aufgrund ambulanter Vorstellung am 3. August 2016 wurde dargelegt, dass lediglich im Februar eine kurze Episode mit Durchfällen aufgetreten sei. Ansonsten hätten keine Bauchschmerzen, keine Gelenkbeschwerden und keine sonstigen Schmerzen bestanden. Das Schuljahr sei ohne große Probleme beendet worden, die Klägerin sei sportlich weiter aktiv und habe ihre Judo-Aktivitäten ausgebaut. Hierbei werde von keiner Belastungsminderung berichtet. Es bestehe ein erfreulicher Verlauf nach Beendigung der Immunsuppression ohne Reaktivierungszeichen der Morbus Crohn Erkrankung.
S3 wies versorgungsärztlich darauf hin, dass der Ernährungszustand als stabil bezeichnet werde, die Erkrankung sei gut behandelbar, es bestünden keine Schmerzen, sogar eine Neigung zu Verstopfung. Eine langanhaltende Verschlimmerung mit schwerster Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit sei hieraus sicher nicht ableitbar.
Den Widerspruch wies das Regierungspräsidium S1 – Landesversorgungsamt – mit Widerspruchsbescheid vom 19. April 2018 zurück. Über den GdB sei letztmals mit Ausführungsbescheid vom 12. Februar 2016 entschieden worden, eine wesentliche Änderung, die eine Erhöhung des bisherigen GdB rechtfertige, nicht eingetreten. Bezüglich der bereits festgestellten Funktionsstörungen zeigten die aktenkundigen Befundunterlagen, dass diese im Wesentlichen unverändert vorlägen und weiterhin zutreffend bewertet seien. Nach Beginn der Therapie mit Humira sei fachärztlich eine deutliche Besserung der Durchfälle zu verzeichnen. Für die Zuerkennung des Merkzeichens „aG“ verbleibe ohne erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung mit einem Mindest-GdB von 80 kein Raum, wobei schon eine erhebliche Gehbehinderung (Merkzeichen „G“) nicht vorliege.
Am 16. Mai 2018 hat die Klägerin beschränkt auf die Höhe des GdB erneut Klage beim SG erhoben und den Entlassungsbericht des D-Klinikum S4 über die stationäre Behandlung vom 26. bis 30. Januar 2018 vorgelegt. Danach habe ein erneuter Schub des Morbus-Crohn bestanden, unter Hochdosis-Cortison-Therapie habe sich eine leichte Beschwerderegredienz gezeigt. Der Entlassungsbericht des Marienhospitals S1 – Klinik für Neurologie – über den stationären Aufenthalt vom 2. bis 6. Februar 2018 hat Kopf- und Nackenschmerzen am ehesten vom Spannungstyp beschrieben. Die Klägerin sei zu allen Qualitäten voll orientiert, es bestehe keine Aphasie, keine Hyponimie und kein Meningismus. Die Kopfbeweglichkeit sei frei gewesen, die Wirbelsäule nicht klopfschmerzhaft. Arm- und Beinhalteversuch hätten sich regelrecht ohne Muskelatrophie gezeigt. Der Romberg-Stehversuch sei sicher, das Gangbild regelrecht, ebenso der Fersen- und Zehengang. Die Feinmotorik habe sich wie das Berührungsempfinden regelrecht gezeigt. Psychisch sei die Klägerin wach, bewusstseinsklar, zu allen Qualitäten orientiert sowie affektiv und kognitiv adäquat gewesen. Der Ernährungszustand sei normal und der Allgemeinzustand reduziert. Zusammenfassend sei von exazerbierten Spannungskopfschmerzen bei aktueller Belastungssituation im Rahmen der Grunderkrankung auszugehen. Differentialdiagnostisch sei an einen Dehydrationskopfschmerz nach Abführmaßnahmen zu denken. Die zerebrale Bildgebung sowie die Lumbalpunktion hätten keine Hinweise auf ein akutes entzündliches Geschehen ergeben.
Der Beklagte ist der Klage unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme des W entgegengetreten. Danach lasse sich dem aktuellen Entlassungsbericht nur ein akuter Schub des Morbus Crohn, aber keine anhaltende Verschlimmerung entnehmen. Im Bericht des Marienhospitals sei von Kopf- und Nackenschmerzen vom Spannungstyp die Rede, woraus ebenfalls keine anhaltende Gesamt-GdB-relevante Funktionseinschränkung abgeleitet werden könne.
Zur weiteren Sachaufklärung hat das SG sachverständige Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte erhoben.
Der Gastroenterologe M1 hat eine unter Maximaldosis von Adalimumab zufriedenstellende Symptomkontrolle beschrieben. Eine Verschlechterung der klinischen Gesamtsituation könne derzeit geschehen, die Langzeitprognose sei insgesamt ungünstig. Die Bauchschmerzen seien aktuell mittel, die Durchfälle schwer. Aufgrund der Analfistel komme es wiederholt zu sehr schmerzhaften Entleerungen. Es bestehe eine grenzwertige Situation mit fast therapierefraktärem Verlauf. Der Krankheitsverlauf sei schwer günstig zu beeinflussen, aktuell bestehe eine leidlich stabile Situation. Seit August 2017 sei ein schwerer Verlauf nach vorangegangenem symptomarmem Intervall eingetreten, der GdB sei auf 50 bis 60 einzuschätzen. Weiter hat er bereits aktenkundige Befundberichte vorgelegt.
Der Internist I hat ausgeführt, nicht mehr im Ohospital tätig zu sein, aber die wesentlichen Behandlungsdaten erfragt zu haben. Bei der Behandlung durch ihn sei das Asthma ohne Therapie stabil gewesen und es habe sich auch nach Belastung eine normale Lungenfunktion gezeigt.
R1, Ohospital, hat auf eine Behandlung vom 29. Oktober bis 2. Dezember 2016 verwiesen, die nicht von ihm, sondern I durchgeführt worden sei. Es habe sich ein belastungsabhängiges Bronchialasthma gezeigt. Parallel habe zu diesem Zeitpunkt eine chronisch entzündliche Darmerkrankung und eine Anpassungsstörung mit chronischen Schmerz- und Befindlichkeitsstörungen bestanden. Die Komplexität der Beschwerdebilder habe eine erhebliche psychosomatische Komponente im Sinne einer Angsterkrankung suggeriert, die unter einer mehrwöchigen multimodalen stationären Behandlung habe stabilisiert werden können. I habe die Klägerin letztmalig am 2. Dezember 2016 behandelt. Zu diesem Zeitpunkt sei sie komplett beschwerdefrei gewesen, habe keine Asthmamedikamente gebraucht und keine auffälligen Befunde gezeigt. Es sei davon auszugehen, dass das vorübergehende Bronchialasthma ausgeheilt sei. Inwieweit die Klägerin seit Oktober 2017 erneut an einer Atemwegserkrankung leide, könne nicht beurteilt werden. Ergänzend hat er die Befundberichte des I und den Entlassungsbericht über die stationäre Behandlung vom 13. bis 14. Juli 2017 vorgelegt. In letzterem ist ein guter Allgemein- und Ernährungszustand beschrieben. Die Herztöne seien rein und rhythmisch, die Lungen beidseits gut belüftet. Die Schmerzen im Bereich des linken Unterbauchs ließen sich anhand des Koloskopiebefundes nicht erklären, es werde die Durchführung einer Kernspintomographie des Unterbauchs empfohlen. Der bekannte Morbus Crohn habe an Aktivität zugenommen, die Veränderungen seien bislang aber diskret.
Der K, Kinder- und Jugendpsychotherapeut, hat bekundet, die Klägerin seit dem 3. April 2018 zu behandeln. Im Erstvorstellungszeitpunkt habe eine mittelgradig depressive Episode festgestellt werden können, die Symptomatik habe sich im Verlauf gebessert, sodass im dritten Quartal eine rezidivierende affektive Störung explorierbar geblieben sei. Sie sei in ihrer Lebensführung stark beeinträchtigt. Ein altersspezifischer Tagesablauf sei selten möglich oder denkbar. Aufgrund der Fatique-Symptomatik sei eine Fortführung eines regulären Studiums nicht möglich. Zudem werde sie durch die Morbus-Crohn-Symptomatik mit Durchfallschüben und massiven Schmerzen im Bereich des unteren Verdauungstraktes massiv beeinträchtigt. Die Klägerin sei krankheitsbedingt – somatischerseits – darauf angewiesen, immer in Toilettennähe zu sein bzw. müsse in der Lage sein, rasch den Raum zu verlassen und eine Toilette aufzusuchen. Die ärztlicherseits ausgesprochene Empfehlung für das Tragen einer Windel habe sie psychisch massiv belastet. In der Vorgeschichte sei ein rasches notärztliches Eingreifen (z. B. 01/2018 Darmverschluss mit akutem Abdomen) notwendig geworden. Zudem komme die sekundär hinzuzählende psychische Erkrankung, welche gedrückte Stimmung, Interessenverlust und Anhedonie zur Folge habe. Eine Einschätzung des GdB sei aus seiner Position als behandelnder Psychotherapeut nicht möglich. Die Klägerin habe sich bei ihm zu einem Zeitpunkt vorgestellt, zu dem die somatischen Beschwerden teilweise nicht mehr akut gewesen seien. Zur Beurteilung des GdB aus organmedizinischer Sicht werde auf die internistisch-gastroenterologischen Befunde verwiesen. Neben bereits aktenkundigen Befunden hat er den Bericht des D-Klinikums S4 über die stationäre Behandlung am 6. Dezember 2018 vorgelegt. Danach sei die Klägerin in guten Allgemein- und normalen Ernährungszustand aufgenommen worden. Die Aufnahme sei bei linksseitigen Unterbauchschmerzen und Diarrhoe erfolgt. Bei Beschwerdefreiheit am Folgetag nach symptomatischer Therapie mit Analgetika und Flüssigkeit sei am ehesten von einer Gastroenteritis auszugehen. Die Klägerin sei in stabilem Allgemeinzustand entlassen worden.
R2 hat versorgungsärztlich an der bisherigen Einschätzung festgehalten. M1 gehe zwar von einem höheren GdB aus, verweise aber darauf, dass eine Operation bislang habe vermieden werden können. Die Einschätzung des K, dass eine mittelgradige bis schwere soziale Anpassungsstörung vorliege, sei weder nach Lage der Akten noch anhand der Auskunft nachvollziehbar. Nach Auskunft des R1 sei im Ohospital im Juli 2017 letztmalig eine Behandlung durchgeführt worden (Darmspiegelung). Hierbei seien in der aktuellen Krankengeschichte keinerlei Atembeschwerden geschildert worden, sodass hier ohne entsprechende Asthmamedikamente (nicht einmal bedarfsweise) in Verbindung mit dem erhobenen Untersuchungsbefund kein zusätzlicher GdB abgeleitet werden könne.
Daraufhin hat das SG von Amts wegen das internistische Sachverständigengutachten des W aufgrund ambulanter Untersuchung vom 3. Dezember 2019 erhoben. Diesem gegenüber hat die Klägerin berichtet, nachts drei- bis viermal flüssige Stuhlgänge zu haben, tagsüber seien es vier bis sechs. Es bestehe eine Stuhldranginkontinenz, könne sie nicht sofort eine Toilette aufsuchen, gehe Stuhl in die Unterwäsche ab. Es bestünden starke Bauchschmerzen links unten verbunden mit Stuhldrang. Gegen die Unterbauchbeschwerden werde Ibuprofen und manchmal ein Morphin-Präparat eingenommen. Eine vermutlich reaktive Depression werde aktuell bei einem Kinder- und Jugendpsychologen behandelt, Psychopharmaka würden nicht eingesetzt. Das Asthma bereite manchmal Beschwerden beim Atmen. Die Gelenkschmerzen seien in ihrer Stärke von den Beschwerden des Morbus Crohn abhängig, Spannungskopfschmerzen mit Müdigkeit bestünden seit Jahren. Bei einer Körpergröße von 164 cm betrage das Gewicht 65,4 kg, was einem Body-Mass-Index (BMI) von 24,3 entspreche. Kopf und Hals seien frei beweglich gewesen, ebenso die Extremitäten. An der Wirbelsäule habe sich ein Klopfschmerz am lumbosakralen Übergang gezeigt, am Abdomen ein reproduzierbarer Druckschmerz des linken Oberbauchs. Die Herzgeräusche seien rein, die Lunge auskultatorisch frei. Die Bauchschmerzen im linken Unterbauch ließen sich mit dem Morbus Crohn nicht ohne weiteres erklären, ein Dickdarmbefall im linken Hemicolon liege nicht vor. Dass die nachgewiesenen diffus im gesamten Dünndarm verteilten aphtösen Veränderungen Schmerzen verursachten, sei möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich. Eine Besserung durch eine vorgeschlagene Ileocoecalresektion oder Strikturoplastik sei nicht zu erwarten, der Vorschlag sei in der Gesamtschau der Vorgeschichte unsinnig. Insgesamt seien die linksseitigen Unterbauchschmerzen eher dem chronischen Schmerzsyndrom zuzuordnen als dem Morbus Crohn. Sie schränkten die Lebensqualität sicher deutlich ein. Die gravierendste Gesundheitsstörung stelle die massive, Tag und Nacht bestehende Diarrhoe mit Schmerzen und Inkontinenzerscheinungen dar. Die Schmerzen würden durch die mehrfach diagnostizierte chronische Analfissur verstärkt. Eine in den Akten immer wieder erwähnte Morbus Crohn typische Fistel bestehe nicht. Diese Beschwerden imponierten, obwohl der Morbus Crohn maximal therapiert sei. Der Morbus Crohn sei mit einem Teil-GdB von 60 zu bewerten, die übrigen Erkrankungen entzündlich-rheumatische Erkrankung der Gelenke und seelische Störung jeweils mit einem Teil-GdB von 20, sodass sich ein Gesamt-GdB von 70 ergebe. Weitere Gutachten seien nicht erforderlich.
Der Versorgungsarzt W ist dem Sachverständigengutachten entgegengetreten und hat darauf verwiesen, dass der BMI keinerlei Beeinträchtigung des Ernährungszustandes zeige. Wenn dennoch ein Teil-GdB von 40 bereits berücksichtigt sei, umfasse dies auch die nächtlichen Durchfälle, die erst bei schweren Auswirkungen und einer erheblichen Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes gesondert zu berücksichtigen seien.
Der W hat ergänzend gehört dargelegt, dass ein normaler BMI eine Mangelernährung nicht ausschließen könne. Die Mangelernährung sei bei der Klägerin aber nicht der springende Punkt. Das Hauptproblem seien Durchfälle im Rahmen der Grunderkrankung, die auch mehrfach nachts aufträten. Zudem bestehe eine leichte Inkontinenz-Problematik. Beides zusammen führe zu gravierenden Symptomen, die das normale Leben schwer beeinträchtigten. Sie müsse an der Universität mit ihren Dozenten Sondervereinbarungen treffen, um jederzeit auf eine Toilette gehen zu können. Nächtliche Diarrhoen seien ein stark quälendes Symptom, das die allgemeine Leistungsfähigkeit schon allein aufgrund des ständig unterbrochenen Schlafs mindere. Der letzte Satz der Stellungnahme, dass trotz der bestehenden Durchfallneigung das Zurücklegen einer ortsüblichen Wegstrecke möglich sein müsse, sei eine rein subjektive Einschätzung des Versorgungsarztes, die Klägerin berichte etwas anderes.
Den Vergleichsvorschlag des SG auf Feststellung eines GdB von 60 unter Annahme eines – näher unter Verweis auf Rechtsprechung begründeten – Teil-GdB von 50 für den Morbus Crohn hat die Klägerin unter Hinweis darauf ablehnt, dass es eines Teil-GdB von 60 für den Morbus Crohn bedürfe, um den orangefarbenen Parkausweis für Parkerleichterungen für besondere Gruppen zu erhalten. Hierauf sei sie angesichts der imperativen Stuhlgänge zwingend angewiesen. Diese Park-erleichterung werde nur gewährt, wenn für die chronisch-entzündliche Darmerkrankung ein Teil-GdB von 60 angenommen werde.
Der Beklagte hat sich unter Vorlage der Stellungnahme des Versorgungsarztes W dem Vergleichsvorschlag angeschlossen. Den Ausführungen des SG könne nichts stichhaltiges entgegengesetzt werden, sodass vorgeschlagen werde, einen Teil-GdB von 50 für den Morbus Crohn anzunehmen. Mit den Teil-GdB von je 20 für die entzündlich-rheumatische Erkrankung und die seelische Störung/chronisches Schmerzsyndrom sei ein Gesamt-GdB von 60 seit dem 4. Oktober 2017 festzustellen, Nachteilsausgleiche stünden nicht zu.
Am 25. September 2020 hat das SG die Klägerin in nichtöffentlicher Sitzung persönlich angehört (vgl. Protokoll vom gleichen Tag) und auf die beabsichtigte Entscheidung durch Gerichtsbescheid hingewiesen.
Mit Gerichtsbescheid vom 9. Oktober 2020 hat das SG den Bescheid vom 13. November 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2018 abgeändert und den Beklagten verpflichtet, bei der Klägerin einen GdB von 60 seit dem 4. Oktober 2017 festzustellen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass im Funktionssystem „Verdauung“ ein Teil-GdB von 50 anzunehmen sei. Es bestehe eine erhöhte Stuhlfrequenz. Der häufige Stuhlgang führe zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Klägerin im täglichen Leben. Sie leide durch den häufigen Stuhldrang an Müdigkeit und Erschöpfung und lebe mit der ständigen Angst, aufs Klo zu müssen. Auch mit Freunden könne sie sich nur bei sich zu Hause treffen. Auf dem Weg zur Universität sei sie auf S-Bahnen mit einem Klo angewiesen. In dem Erörterungstermin habe sie glaubhaft geschildert, dass sie teilweise die ganze Vorlesung verpasse, da sie zu lange Zeit auf dem Klo verbringe und danach meist sehr erschöpft sei. Die Durchfälle könnten jederzeit plötzlich auftreten, sodass sie bei jeder Aktivität sicherstellen müsse, dass schnell eine Toilette erreichbar sei. Zudem würden die Schmerzen der Klägerin durch die chronische Analfissur verstärkt. Zwar sei die Klägerin durch den häufigen Stuhldrang und die Schmerzen in ihrem alltäglichen Leben eingeschränkt, allerdings seien diese Beeinträchtigungen entgegen der Auffassung des Sachverständigen W nicht mit einem Teil-GdB von 60 zu bewerten. So sei die Klägerin nach den Angaben im Erörterungstermin in der Lage, sich mit Freunden zu treffen und eine Wegstrecke von circa 50 km zur Universität zurückzulegen, auch wenn sie sich hierbei ständig mit der Frage beschäftige, wo sie die Möglichkeit habe, eine Toilette aufzusuchen. Ein Teil-GdB von 40, wie vom Beklagten angenommen, sei dafür zu niedrig. Dieser stütze sich unter anderem darauf, dass der Kräfte- und Ernährungszustand nicht beeinträchtigt sei. Auch wenn Uneinigkeit darüber bestehe, ob die Regelbeispiele alternativ oder kumulativ zu verstehen seien, erscheine es unwahrscheinlich, dass das dauerhaft gehäufte Auftreten von Durchfällen, wie es für den GdB von 50 bis 60 erforderlich sei, ohne Einfluss auf den Kräfte- und Ernährungszustand sein solle. Einen höheren Teil-GdB als 50 für den Morbus Crohn sehe das Gericht jedoch insbesondere vor dem Hintergrund nicht, dass für die damit einhergehenden psychischen Störungen und die chronischen Schmerzen ein weiterer Teil-GdB von 20 berücksichtigt werde. Das Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ sei nämlich mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit bestehe nicht. Die Klägerin habe nach den Darlegungen des sachverständigen Zeugen E zunächst an einer mittelgradig depressiven Episode gelitten, die sich durch therapeutische Intervention gebessert habe. Die Probleme hingen insbesondere mit der Morbus Crohn Erkrankung zusammen. Die Schmerzen und Einschränkungen der Klägerin hätten somit eine adäquate Ursache. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass gerade die Lebensgestaltung der Betroffenen als weiteres Kriterium von Bedeutung sei. Nach ständiger Rechtsprechung werde der Schweregrad von psychischen Erkrankungen und somatoformen Schmerzstörungen aus den daraus resultierenden Defiziten im Hinblick auf die Tagesstrukturierung, das allgemeine Interessenspektrum und die soziale Interaktionsfähigkeit abgeleitet und daran gemessen. Die Klägerin sei nach ihren eigenen Angaben insbesondere aufgrund der Schmerzen häufig erschöpft. Auch die ständige gedankliche Frage, wo sie die Möglichkeit habe, eine Toilette aufzusuchen, schränke sie in ihrer Alltagsgestaltung ein. Bezüglich der Schmerzen gingen die VG davon aus, dass die vorgegebenen GdB-Werte für einzelne Gesundheitsstörungen das damit verbundene Maß an Schmerzen mitbeinhalteten. Die Schmerzen der Klägerin beruhten hauptsächlich auf der Morbus Crohn Erkrankung. In zusätzlicher schmerztherapeutischer Behandlung befinde sie sich nach eigenen Angaben nicht. Der GdB für den Morbus Crohn decke daher schon einen Großteil der Schmerzen ab. In den Funktionssystemen „Arme“ und „Beine“ lasse sich keine Verschlechterung erkennen, weitere Behandlungen seien nicht durchgeführt worden und keine neuen ärztlichen Unterlagen ersichtlich. Die Lungenerkrankung führe zu keinem Teil-GdB, nachdem R1 mitgeteilt habe, dass die Klägerin 2017 vorübergehend an einem Belastungsasthma gelitten habe, das im Verlauf ausgeheilt sei. Ein höherer Gesamt-GdB als 60 lasse sich nicht feststellen.
Am 16. November 2020 hat die Klägerin Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Das SG, dessen medizinische Fachkenntnis nicht dargetan worden sei, habe sich einerseits gegen die Auffassung des Sozialmedizinischen Dienstes ausgesprochen und andererseits gegen die Feststellungen des Sachverständigen. Ein beeinträchtigter Kräfte- und Ernährungszustand sei keine kumulative Tatbestandsvoraussetzung für die Feststellung einer Behinderung mit schweren Auswirkungen. Es sei ein Teil-GdB von 60 anzusetzen und aufgrund der Einschränkungen im Bereich der Psyche, der Orthopädie und der Lungenfunktion, wie sie durch die Beweisaufnahme bestätigt worden seien, zu einem Gesamt-GdB von 70 zu kommen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 9. Oktober 2020 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 13. November 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2018 sowie unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 12. Februar 2016 zu verpflichten, einen Grad der Behinderung von 70 seit dem 4. Oktober 2017 festzustellen,
hilfsweise, den erstinstanzlichen Sachverständigen W zu dem Sachverständigengutachten des F anzuhören,
weiter hilfsweise, gemäß § 109 SGG den Sachverständigen F dazu zu hören, ob er weitere Begutachtungen für erforderlich halte,
und die Anschlussberufung des Beklagten zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen und im Wege der Anschlussberufung, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 9. Oktober 2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Er verweist auf die angefochtene Entscheidung. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat er ergänzend ausgeführt, dass das nach § 109 SGG eingeholte Sachverständigengutachten belege, dass seine ursprüngliche Entscheidung zutreffend gewesen sei.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat das internistisch-gastroenterologische Sachverständigengutachten des F aufgrund ambulanter Untersuchung vom 2. Juli 2021 mit apparativen Untersuchungen vom selben Tag erhoben. Diesem gegenüber hat die Klägerin Unterbauchschmerzen links beschrieben, die stellenweise pochenden Charakter hätten und sich bei Stuhlentleerung besserten. Stuhlgang finde zwei- bis fünfmal täglich und bis zu dreimal nachts statt. Die Konsistenz sei geformt breiig, Blutauflagerungen würden auftreten, wenn die Fissur ausreiße. Die letzten apparativen Untersuchungen hätten keinen auffälligen Befund im Gastrointestinaltrakt ergeben. Die letzte Darmspiegelung im Mai 201 habe eine minimale Rötung im terminalen Ileum, aber keine höhergradige Entzündung oder Verengung ergeben. Bei der Untersuchung seien die Herztöne rein gewesen, pulmonologisch habe ein sonorer Klopfschall und ein vesikuläres Atemgeräusch ohne Rasselgeräusche bestanden. Am Skelett habe sich bei freier Beweglichkeit ein Streckdefizit von 10° in der Ellenbeuge ergeben, der Finger-Boden-Abstand (FBA) habe bei 0 cm gelegen, die Zeichen nach Ott und Schober seien negativ gewesen. Bei einer Körpergröße von 160 cm liege das Gewicht bei 63 kg. Die Sonographie habe in den Unterleibsorganen keine freie abdominelle Flüssigkeit gezeigt, die Harnblase sei leer gewesen. Das Colon sei soweit erkennbar unauffällig, die Wand rechts mit 2 mm grenzwertig dick, aber mit normaler Haustrierung. Der Dünndarm sei regelrecht, nur im terminalen Ileum zeige sich umschrieben eine aufgehobene Schichtung über 2 cm Länge. Die Wandstärke betrage bis 4 mm ohne Umgebungsreaktion. Die Röntgenuntersuchung habe eine ausgeprägt schlanke Herzsilhouette und eine unauffällige Lungengefäßzeichnung ergeben, daneben eine mäßige Hyperkyphose der Brustwirbelsäule (BWS) und Hyperlordose der Lendenwirbelsäule (LWS). In der Spirometrie habe sich kein Hinweis auf eine restriktive oder obstruktive Ventilationsstörung gezeigt. Die letzte Untersuchung beschreibe eine endoskopische Vollremission. Laborchemisch falle eine diskrete entzündliche Konstellation auf, die auf den Morbus Crohn zurückgeführt werden könne. Damit sei die geschilderte Dringlichkeit des Toilettengangs angesichts der zuletzt erhobenen Befunde nicht nachvollziehbar und könne somit eine Reizdarmkomponente der Erkrankung darstellen. Eine genaue Abgrenzung dieser beiden Komponenten erscheine unmöglich. Eine Sakroilitis werde anamnestisch für 2014 angegeben, lasse sich allerdings aktuell klinisch nicht nachvollziehen. Die Bewegungsausmaße der unteren Extremität und des Beckengürtels wiesen keine Defizite auf. Eine obstruktive oder restriktive Ventilationsstörung könne nicht ausgemacht werden. Die Mundwinkelrhagaden könnten im Zusammenhang mit einem Eisenmangel aufgetreten sein, alternativ sei eine Neurodermitis denkbar, allerdings fänden sich keine weiteren Stigmata der Erkrankung.
Die chronisch entzündliche Darmerkrankung diktiere den Alltag der Klägerin und führe zu Beeinträchtigungen in der sozialen Eingliederung bzw. Interaktion. Das Krankheitsgeschehen, wenn auch objektiv weitgehend beherrscht, resultiere in einem gestörten Stuhlverhalten mit Bauchschmerzen, Krämpfen und gehäuften Toilettengängen. Die Verrichtung von Alltagsaufgaben werde durch die Sorge erschwert, zeitnah eine sanitäre Einrichtung zu erreichen. Durch die Fehlzeiten in Schule und Universität sei die Klägerin in ihrem sozialen Umfeld beeinträchtigt. Ein größerer Freundeskreis stehe ihr offenbar nicht zur Verfügung, sodass eine Vereinsamungs- bzw. Rückzugstendenz zu vermuten sei, zumal ihr die Stigmata der chronisch entzündlichen Darmerkrankung eine Teilhabe erschwerten. Diese psychische Alteration müsse somit als Folge der chronisch-entzündlichen Darmerkrankung aufgefasst werden. Die chronisch entzündliche Darmerkrankung sei als mittelschwer zu betrachten, wenn auch unter Therapie aktuell eine Remission bestehe und bisher keine Notwendigkeit zu einer Operation gegeben sei. Von diesem Krankheitsbild sei ein Reizdarmsyndrom als zusätzliche Störung nicht eindeutig zu trennen. Dieses sei ebenso als mittelschwer zu beschreiben, weitere Funktionsstörungen nicht vorhanden. Eine sekundär psychische Komponente könne nur aus Sicht des Reizdarmsyndroms betrachtet und in den Formenkreis der Zwangshandlungen oder Neurosen eingruppiert werden. Eine primäre Psychopathologie sei nicht gegeben. Der Morbus Crohn sei mit einem Einzel-GdB von 40, das Reizdarmsyndrom mit einem Einzel-GdB von 20 und die leichtere psychovegetative oder psychische Störung mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Für das Funktionssystem „Verdauung“ betrage der Teil-GdB 50, sodass sich ein Gesamt-GdB von 60 ergebe.
Aufgrund der begrenzt entzündlichen Ausprägung des Befundes sei im Rahmen eines steroidpflichtigen Schubes bereits früher ein operativer Ansatz angeraten worden. An einer medikamentösen Remissionserhaltung habe dieses Vorgehen nichts ändern, aber das Stuhlverhalten womöglich positiv beeinflussen können. Der Erfolg einer Operation sei nach Ansicht des M1 vor allem im Hinblick auf die beklagten Schmerzen zweifelhaft. Soweit M1 am 15. Januar 2018 eine schwere chronisch entzündliche Darmerkrankung konstatiere, könne diese Erkrankung schubförmig verlaufen, jedoch sei dies als eine zeitlich begrenzte Aussage aufzufassen und nicht als statisch anzusehen. Aktuell könne eine endoskopische Remission unter Behandlung mit einem TNF-Blocker festgestellt werden. Damit stehe das Beschwerdebild mehr im Vordergrund als objektivierbare Parameter. Ein Ernährungsmangelzustand sei ebenso wie ein Kräftemangel zum Untersuchungszeitpunkt nicht festzustellen. Der Einschätzung eines GdB für den Morbus Crohn von 50 bis 60 könne er sich nicht anschließen. Der W ordne die gastroenterologischen Beschwerden eher dem Schmerzsyndrom sei. Dieser Einschätzung könne gefolgt werden, angesichts der endoskopischen Vollremission in Bezug auf den Morbus Crohn könne die Einschätzung des GdB mit 60 aber nicht nachvollzogen werden. Selbstverständlich könne auch das Schmerzsyndrom erhebliche Beeinträchtigungen nach sich ziehen, diese erklärten aber keinen unkontrollierbaren Stuhlgang. Klinisch hätten sich keine Hinweise auf das Vorliegen einer Fistel ergeben, zudem sei in der letzten Endoskopie weder eine Fistel noch eine Fissur bei normalem Sphinktertonus beschrieben worden. Von psychotherapeutischer Seite würden erhebliche Einschränkungen angegeben, die den Alltag und die soziale Integration beeinträchtigten. Die Einschätzung der Kollegen mögen zutreffen, allerdings könne aktuell nur von einer sekundären Fixierung der Beschwerden ausgegangen werden, da das somatische Entzündungsgeschehen weitgehend kontrolliert sei. Eine hieraus resultierende soziale Anpassungsstörung sei gut möglich, entziehe sich aufgrund fehlender Fachkenntnis seiner Einschätzung. In Bezug auf die Lunge lägen derzeit keine Einschränkungen vor und in Bezug auf das Skelett habe keine entzündliche rheumatische Erkrankung ausgemacht werden können. Anamnestisch sei zwar eine Sakroilitis erwähnt, eine Bewegungseinschränkung aktuell aber nicht erkennbar.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 SGG) ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet. Die unselbstständige Anschlussberufung des Beklagten ist nach § 202 SGG i. V. m. § 524 ZPO statthaft (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl. 2020, § 143 Rz. 5 ff.) auch im Übrigen zulässig, insbesondere nicht fristgebunden, und begründet.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Gerichtsbescheid des SG vom 9. Oktober, mit dem auf die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) der Beklagte verpflichtet worden ist, unter Aufhebung des Bescheides vom 13. November 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 95 SGG) vom 19. April 2018 sowie unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 12. Februar 2016 einen GdB von 60 seit dem 4. Oktober 2017 festzustellen und die Klage im Übrigen abgewiesen worden ist. Nachdem der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung zulässig (vgl. oben) Anschlussberufung erhoben hat, ist der Gerichtsbescheid nicht wenigstens teilweise rechtskräftig geworden. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei dieser Klageart grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 2. September 2009 – B 6 KA 34/08 –, juris, Rz. 26; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl. 2020, § 54 Rz. 34), ohne eine solche derjenige der Entscheidung.
Die Unbegründetheit der Berufung und die Begründetheit der Anschlussberufung folgen aus der Unbegründetheit der Klage. Der Bescheid vom 13. November 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten ist, die eine Neufeststellung des GdB rechtfertigt. Tragfähige Befunde hierfür liefert das Sachverständigengutachten des W hierfür nicht und die Befunde des nach § 109 SGG gehörten F geben hierfür ebenfalls keinen Anhalt.
Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten der Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Dabei liegt eine wesentliche Änderung vor, soweit der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nicht mehr so erlassen werden dürfte, wie er ergangen war. Die Änderung muss sich nach dem zugrundeliegenden materiellen Recht auf den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes auswirken. Das ist bei einer tatsächlichen Änderung nur dann der Fall, wenn diese so erheblich ist, dass sie rechtlich zu einer anderen Bewertung führt. Von einer wesentlichen Änderung im Gesundheitszustand ist auszugehen, wenn diese einen um wenigsten 10 veränderten Gesamt-GdB rechtfertigt (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 – B 9 SB 1/03 R –, juris, Rz. 12). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt – teilweise – aufzuheben und durch die zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 1986 – 9a RVs 55/85 –, juris, Rz. 11 m. w. N.). Die Feststellung einer wesentlichen Änderung setzt einen Vergleich der Sach- und Rechtslage bei Erlass des – teilweise – aufzuhebenden Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der Überprüfung voraus (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2010 – B 9 V 2/10 R –, SozR 4-3100 § 35 Nr. 5, Rz. 38 m. w. N.).
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass in den Verhältnissen, wie sie dem maßgeblichen Vergleichsbescheid vom 12. Februar 2016 zugrunde lagen, eine wesentliche Änderung eingetreten ist, die eine Neufeststellung des GdB rechtfertigt.
Der Anspruch richtet sich nach § 152 Abs. 1 und 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) in der aktuellen, seit 1. Januar 2018 geltenden Fassung durch Art. 1 und 26 Abs. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3234). Danach stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein GdB bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat (§ 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Menschen mit Behinderungen sind nach § 2 Abs. 1 SGB IX Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können (Satz 1). Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (Satz 2). Menschen sind im Sinne des Teils 3 des SGB IX schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des GdB maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 153 Abs. 2 SGB IX). Nachdem noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen, somit die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung – VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412), entsprechend (§ 241 Abs. 5 SGB IX). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (vgl. BSG, Urteil vom 1. September 1999 – B 9 V 25/98 R –, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.
Soweit der Antrag sich auf den Zeitraum vor dem 1. Januar 2018 bezieht, richtet sich der Anspruch nach den in diesem Zeitraum geltenden gesetzlichen Vorgaben (vgl. §§ 69 SGB IX ff. a. F.), nach denen ebenso für die Bewertung des GdB die VersMedV und die VG die maßgebenden Beurteilungsgrundlagen waren.
Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als „Alterskrankheiten“ (etwa „Altersdiabetes“ oder „Altersstar“) bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 152 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 – B 9 SB 1/03 R –, juris, Rz. 17 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 – B 9 SB 35/10 B –, juris, Rz. 5).
Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (vgl. BSGE 82, 176 [177 f.]). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.
In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze sowie unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Gesamt-GdB weiterhin mit 50 zu bewerten ist.
Die vorwiegenden Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin liegen im Funktionssystem „Verdauung“ und sind weiterhin mit einem Teil-GdB von 40 zu bewerten, wie ihn der nach § 109 SGG gehörte F ebenfalls gesehen hat.
Nach den VG, Teil B, Nr. 10.2.2 sind chronische Darmstörungen (irritabler Darm, Divertikulose, Divertikulitis, Darmteilresektion) ohne wesentliche Beschwerden und Auswirkungen mit einem GdB von 0 bis 10, mit stärkeren und häufig rezidivierenden oder anhaltenden Symptomen (z. B. Durchfälle, Spasmen) mit einem GdB von 20 bis 30 und mit erheblicher Minderung des Kräfte- und Ernährungszustandes mit einem GdB von 40 bis 50 zu bewerten. Die Colitis ulcerosa und die Crohn Krankheit führen bei geringen Auswirkungen (geringe Beschwerden, keine oder geringe Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes, selten Durchfälle) zu einem GdB von 10 bis 20, mit mittelschweren Auswirkungen (häufig rezidivierende oder länger anhaltende Beschwerden, geringe bis mittelschwere Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes, häufiger Durchfälle) zu einem GdB von 30 bis 40, mit schweren Auswirkungen (anhaltende oder häufig rezidivierende erhebliche Beschwerden, erhebliche Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes, häufige, tägliche, auch nächtliche Durchfälle) zu einem GdB von 50 bis 60 und mit schwerster Auswirkung (häufig rezidivierende oder anhaltende schwere Beschwerden, schwere Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes, ausgeprägte Anämie) zu einem GdB von 70 bis 80. Fisteln, Stenosen, postoperative Folgezustände (z. B. Kurzdarmsyndrom, Stomakomplikationen), extraintestinale Manifestationen (z. B. Arthritiden), bei Kindern auch Wachstums- und Entwicklungsstörungen, sind zusätzlich zu bewerten. Eine Fistel in der Umgebung des Afters ist bei geringer, nicht ständiger Sekretion mit einem GdB von 10 und sonst mit einem GdB von 20 bis 30 zu bewerten.
Bei der Klägerin besteht ein Morbus Crohn, der sich unter Therapie in Remission befindet und hinsichtlich dessen eine Operationsindikation bislang nicht gegeben war. Dies entnimmt der Senat dem Sachverständigengutachten des F, der für den Senat überzeugend dargelegt hat, dass die letzte endoskopische Untersuchung eine Vollremission ergeben hat. Laborchemisch zeigte sich eine diskrete entzündliche Konstellation, die er auf den Morbus Crohn zurückführt.
Soweit die Klägerin einen dringlichen Toilettengang klagt, führt der Sachverständige aus, dass dieser aufgrund der erhobenen Befunde nicht zu erklären ist und ordnet ihn einer Reizdarmkomponente zu, die wiederum – so F weiter – einen unkontrollierbaren Stuhlgang nicht erklärt. Korrespondierend hierzu hat der W bereits dargelegt, dass die geklagten Unterbauchbeschwerden nicht mit dem Morbus Crohn in Verbindung gebracht werden können, da ein Dickdarmbefall im linken Hemicolon nicht vorliegt. Vielmehr ordnet auch er die Beschwerden einem Reizdarmsyndrom zu. Letztlich hat F schlüssig beschrieben, dass es sich bei dem Morbus Crohn um eine Erkrankung handelt, die schubweise verlaufen kann, sodass die Befundberichte des behandelnden M1 keinen Dauerzustand beschreiben, was durch den von dem Sachverständigen erhobenen Befund untermauert wird.
Daneben haben W und F jeweils einen normalen Kräfte- und Ernährungszustand befundet, was ebenfalls gegen eine Höherbewertung des GdB spricht, wie W versorgungsärztlich zu Recht ausgeführt hat. Nach den VG, Teil B, Nr. 10.2 ist nämlich bei organischen und funktionellen Krankheiten des Magen-Darmkanals der GdB nach dem Grad der Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes, der Schwere der Organstörung und der Notwendigkeit besonderer Diätkost zu beurteilen; bei allergisch bedingten Krankheiten ist auch die Vermeidbarkeit der Allergene von Bedeutung. Diese allgemeine Regelung zur Bemessung des GdB bei Magen- Darmkrankheiten ist vorangestellt und beansprucht damit gleichermaßen Geltung für die Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre (Nr. 10.2.1), die Bauchfellverwachsungen (Nr. 10.2.3), Hämorrhoiden (Nr. 10.2.4) sowie die hier einschlägigen chronischen Darmstörungen (Nr. 10.2.2). Diese Vorgaben hat der F bei seiner Einschätzung des GdB beachtet, indem er einerseits den Allgemeinzustand erhoben und andererseits auf den in Remission befindlichen Organbefund verwiesen hat. Bereits letzterer spricht somit gegen eine Höherbewertung des Teil-GdB im Funktionssystem.
Wenn die VG – der einschlägigen Nr. 10.2.2 vorangestellt – fordern, dass der Grad der Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes bei der GdB-Beurteilung zu berücksichtigen ist, bringt die Regelung deutlich zum Ausdruck, dass der Kräfte- und Ernährungszustand, der den Allgemeinzustand mitbestimmt, nicht außen vorgelassen werden kann, wie die Klägerin meint (vgl. auch LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 29. Juni 2010 – L 7 SB 8/05 –, juris, Rz. 63). Dass die in den Klammerzusätzen der Nr. 10.2.2 genannten Merkmale nicht abschließend zu verstehen sein mögen, wie wohl eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) für das LSG Nordrhein-Westfalen ergeben hat, ändert an der Beurteilung nichts. Vielmehr ist in der dortigen Entscheidung ebenfalls darauf hingewiesen worden, dass die Empfehlung zur Prüfung ausgesprochen worden ist, ob trotz häufiger Durchfälle keine Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes vorliegt. Korrespondierend dazu hat der dortige Senat auch ausgeführt, dass es unwahrscheinlich ist, dass das dauerhaft gehäufte Auftreten von Durchfällen ohne Einfluss auf den Kräfte- und Ernährungszustand ist (vgl. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13. Juni 2014 – L 13 SB 371/13 –, juris, Rz. 22). Wenn der W in seiner ergänzenden Stellungnahme darauf hinweist, dass ein normaler BMI eine Mangelernährung nicht ausschließen könne, mag dies grundsätzlich zutreffen, führt im konkreten Fall aber nicht weiter. Der Sachverständige sieht nämlich selbst bei der Klägerin die Mangelernährung nicht als „den springenden Punkt“ an, was durch F untermauert worden ist, der einen Ernährungsmangelzustand ebenso ausgeschlossen hat wie einen Kräftemangel. Dies entspricht im Übrigen auch den aktenkundigen Vorbefunden. So beschreibt das Ohospital 2012 einen ordentlichen Allgemeinzustand, das Klinikum S1 empfiehlt 2015 einen regelmäßigen Schulbesuch und eine Wiederaufnahme der Freizeittätigkeiten und beschreibt 2016, dass die Klägerin ihre sportlichen Aktivitäten (Judo) ausgebaut hat, ohne dass eine Belastungsminderung berichtet worden ist. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die AHP 2008 unter Nr. 26.10 eine der den VG, Teil B, Nr. 10.2.2 entsprechende Vorbemerkung enthalten haben, wonach der Grad der Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes zu berücksichtigen war. Dass es auf den Kräfte- und Ernährungszustand somit nach den AHP nicht entscheidend angekommen sein sollte (so Sächsisches LSG, Urteil vom 25. Mai 2005 – L 6 SB 55/04 –, juris, Rz. 37), überzeugt jedenfalls für die ab 2008 geltenden Fassung der AHP nicht.
Dass der Kräfte- und Ernährungszustand zu berücksichtigen ist, ergibt sich weiter aus den VG, Teil B, Nr. 10.2.2 hinsichtlich der Bewertung der chronischen Darmstörungen, zu denen auch das Reizdarmsyndrom zählt, für die ausschließlich bei einer erheblichen Minderung des Kräfte- und Ernährungszustandes ein Bewertungsrahmen des GdB von 40 bis 50 eröffnet wird.
Dies ist bei der Klägerin insbesondere deshalb von Bedeutung, da sich sowohl aus dem Bericht des Ohospitals 2017 wie aus dem Sachverständigengutachten des W ergibt, dass die linksseitigen Unterbauchbeschwerden nicht dem Morbus Crohn zugeschrieben werden können. F hat dies ebenfalls bestätigt und weitergehend ausgeführt, dass die geschilderte Dringlichkeit des Toilettenganges anhand der erhobenen Befunde nicht nachvollziehbar und einer Reizdarmkomponente zuzuschreiben ist, die ihrerseits keinen unkontrollierten Stuhlgang bedingen kann. Der Sachverständige hat deutlich und für den Senat überzeugend herausgearbeitet, dass die Reizdarmkomponente von der Morbus Crohn Erkrankung nicht abzugrenzen ist und sich die Symptomatik gerade überschneidet. Diese von ihm getroffene medizinische Feststellung berücksichtigt er bei seiner rechtlichen Bewertung des GdB indessen nicht, wenn er einen Einzel-GdB für den Morbus Crohn von 40 und einen Einzel-GdB für das Reizdarmsyndrom von 20 bildet und anschließend hieraus einen Gesamt-GdB von 50 ableitet. Hierbei hätte er vielmehr die bestehenden Überschneidungen zu berücksichtigen gehabt, sodass sich eine Erhöhung nicht rechtfertigt, abgesehen davon, dass ein Einzel-GdB von 20 nicht zwingend erhöhend wirken muss (vgl. VG, Teil A, Nr. 3 d ee).
Der Gesamt-GdB im Funktionssystem „Verdauung“ ist daher mit 40 zu bemessen, wobei berücksichtigt ist, dass die Klägerin in ihrer Alltagsgestaltung durch den geklagten Stuhldrang, gleich worauf dieser letztlich zurückzuführen ist (vgl. oben), beeinträchtigt ist und insbesondere ständig mit dem Gedanken lebt, wo ihr eine sanitäre Anlage zur Verfügung steht. Dies ändert indessen nichts daran, dass sie trotz der Erkrankung ihre Schulausbildung erfolgreich abgeschlossen und ein Lehramtsstudium aufgenommen hat, wobei sie den circa 50 km langen Weg zur Universität mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegt. In diesem Zusammenhang lässt der Senat dahinstehen, dass sich der Vortrag der Klägerin, auf der Fahrt zur Universität auf S-Bahnen angewiesen zu sein, die über eine Toilette verfügen, nicht erschließt, nachdem eine solche Ausstattung – im Gegensatz zu den Regionalverkehrszügen, die aber die Universität nicht unmittelbar anbinden – wohl in S-Bahnen nicht bestehen dürfte.
Daneben hat bereits der W eine in den Akten vorbeschriebene Morbus Crohn typische Fistel verneint und F dies bestätigt. Letzterer hat weiterhin darauf verwiesen, dass sich bei normalem Sphinktertonus keine Fissur zeigte, sodass auch insoweit eine erhöhende Berücksichtigung nicht in Betracht kommt.
Schließlich hat F die Vorgaben der VG berücksichtigt, dass neben den organischen auch funktionelle Beschwerden im Funktionssystem „Verdauung“ zu berücksichtigen sind und nicht in anderen Funktionssystemen, insbesondere nicht im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“. In letzterem ist der Teil-GdB, entsprechend der versorgungsärztlichen Einschätzung, die von beiden Sachverständigen geteilt worden ist, mit 20 zu bewerten.
Nach den VG, Teil B, Nr. 3.7 bedingen Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen in Form leichterer psychovegetativer oder psychischer Störungen einen GdB von 0 bis 20, stärkere Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) einen GdB von 30 bis 40, schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen GdB von 80 bis 100. Die funktionellen Auswirkungen einer psychischen Erkrankung, insbesondere wenn es sich um eine affektive oder neurotische Störung nach F30.- oder F40.- ICD-10 GM handelt, manifestieren sich dabei im psychisch-emotionalen, körperlich-funktionellen und sozial-kommunikativen Bereich (vgl. Philipp, Vorschlag zur diagnoseunabhängigen Ermittlung der MdE bei unfallbedingten psychischen bzw. psychosomatischen Störungen, MedSach 6/2015, S. 255 ff.). Diese drei Leidensebenen hat auch das Bundessozialgericht in seiner Rechtsprechung angesprochen (vgl. BSG, Beschluss vom 10. Juli 2017 – B 9 V 12/17 B –, juris, Rz. 2). Dabei ist für die GdB-Bewertung, da diese die Einbußen in der Teilhabe am Leben in der (allgemeinen) Gesellschaft abbilden soll, vor allem die sozial-kommunikative Ebene maßgeblich (vgl. Senatsurteil vom 12. Januar 2017 – L 6 VH 2746/15 –, juris, Rz. 61). Bei dieser Beurteilung ist auch der Leidensdruck zu würdigen, dem sich der behinderte Mensch ausgesetzt sieht, denn eine „wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit“ meint schon begrifflich eher Einschränkungen in der inneren Gefühlswelt, während Störungen im Umgang mit anderen Menschen eher unter den Begriff der „sozialen Anpassungsschwierigkeiten“ fallen, der ebenfalls in den VG genannt ist. Die Stärke des empfundenen Leidensdrucks äußert sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch und maßgeblich in der Behandlung, die der Betroffene in Anspruch nimmt, um das Leiden zu heilen oder seine Auswirkungen zu lindern. Hiernach kann bei fehlender ärztlicher Behandlung in der Regel nicht davon ausgegangen werden, dass ein diagnostiziertes seelisches Leiden über eine leichtere psychische Störung hinausgeht und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze darstellt (vgl. Senatsurteil vom 22. Februar 2018 – L 6 SB 4718/16 –, juris Rz. 42; vgl. auch LSG Baden- Württemberg, Urteil vom 17. Dezember – L 8 SB 1549/10 –, juris, Rz. 31).
Nach diesen Maßstäben lässt sich eine stärker behindernde Störung mit wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit nicht feststellen. Der K hat in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vielmehr dargelegt, dass die zunächst bestehende mittelgradige depressive Episode unter Therapie gebessert werden konnte und hat weiter darauf verwiesen, dass die Vorstellung bei ihm zu einem Zeitpunkt erfolgte, als die somatischen Beschwerden nicht mehr akut waren. Aus der beschriebenen gedrückten Stimmung und dem geklagten Interessenverlust lässt sich eine stärker behindernde Störung nicht ableiten, wie R2 versorgungsärztlich für den Senat überzeugend dargelegt hat. Dabei muss in rechtlicher Hinsicht auch berücksichtigt werden, worauf das SG bereits hingewiesen hat, dass nach den Vorgaben der VG die üblichen Schmerzen und seelischen Begleiterscheinungen von den in der GdB-Tabelle niedergelegten Sätzen umfasst sind (vgl. VG, Teil A, Nr. 2 i und j) und somit von der Bewertung im Funktionssystem „Verdauung“ mit abgebildet werden. Passend hierzu hat F eine primäre Psychopathologie verneint und nur eine sekundär psychische Komponente aus Sicht des Reizdarmsyndroms gesehen. Dies hat er plausibel damit begründet, dass ein Teil der geklagten Symptomatik durch den Morbus Crohn nicht zu erklären gewesen ist, eine Abgrenzung der Symptomatik aber nicht möglich ist (vgl. bereits oben).
Im Funktionssystem „Atmung“ ist kein Teil-GdB begründet. Soweit im Verwaltungsverfahren ein Teil-GdB in diesem Funktionssystem für ein Asthma (vgl. VG, Teil B, Nr. 8.5) angenommen worden ist, konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass insoweit ein dauerhafter Befund gegeben ist, der mit einem Teil-GdB zu bewerten ist. Die sachverständigen Zeugen I und R1 haben nämlich für den Senat überzeugend dargelegt, dass nur ein vorübergehendes Bronchialasthma bestanden hat, welches ausgeheilt ist. Bereits am 2. Dezember 2016 bestand keine Behandlungsbedürftigkeit mehr und es lagen unauffällige Lungenbefunde vor. Eine weitere lungenfachärztliche Behandlung ist nicht ersichtlich. Der W hat ebenso einen unauffälligen Lungenbefund beschrieben und der F in der Spiroergometrie keinen Hinweis auf eine obstruktive oder restriktive Ventilationsstörung objektivieren können, so dass gutachterlicherseits kein Teil-GdB angenommen wurde.
Letztlich ist im Funktionssystem „Rumpf“ kein Teil-GdB von 20 zu berücksichtigen, wie er der versorgungsärztlichen Beurteilung zu Grunde gelegt worden ist. Insbesondere lässt sich eine entzündlich-rheumatische Krankheit der Gelenke und/oder der Wirbelsäule (vgl. VG, Teil B, Nr. 18.2.1) nicht feststellen. Vielmehr hat der F für den Senat überzeugend dargelegt, dass keine Anzeichen einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung zu befunden waren. Eine Bewegungseinschränkung schließt er schlüssig aus, nachdem am Skelett freie Beweglichkeiten bestanden, der FBA bei 0 cm lag und die Zeichen nach Ott und Schober Normalwerte ergeben haben. Auch der W hat zuvor Kopf und Hals ebenso als frei beweglich befundet, wie die Extremitäten und nur auf einen Klopfschmerz der Wirbelsäule verwiesen. Eine mit einem Teil-GdB zu bewertende Funktionseinschränkung besteht somit nicht.
Bewertungsrelevante Teil-GdB ergeben sich somit nur in den Funktionssystemen „Verdauung“ [Teil-GdB 40] und „Gehirn einschließlich Psyche [Teil-GdB 20]. Ein höherer Gesamt-GdB als 50, wie ihn der Beklagte bereits festgestellt hat, folgt hieraus nicht. Soweit versorgungsärztlich weitere Teil-GdB angenommen worden sind, rechtfertigen sich diese anhand der Funktionsbefunde, wie oben dargelegt, nicht. Ebenso scheidet die Annahme eines höheren Teil-GdB im Funktionssystem „Verdauung“ aufgrund der Befundlage ebenfalls aus (vgl. oben). Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Vortrag der Klägerin, das SG habe von der GdB-Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen mangels eigener Sachkunde nicht abweichen dürfen, fehlgeht. Hierbei handelt es sich gerade nicht um eine medizinische Frage, die der Beurteilung durch Sachverständige obliegt, sondern um eine rechtliche, die vom Gericht vorzunehmen ist. Eine Bindung an die Vorschläge von Sachverständigen oder auch der Versorgungsärzte besteht daher nicht.
Letztlich lässt der Senat offen, inwieweit der Vortrag der Klägerin, der Teil-GdB für den Morbus Crohn müsse mit 60 festgestellt werden, um die Voraussetzungen für den orangefarbenen Parkausweis zu erfüllen, im vorliegenden Verfahren überhaupt relevant ist. Nach § 153 Abs. 1 SGB IX wird nur der Gesamt-GdB festgestellt und nur dessen Feststellung kann folglich in Bindungswirkung erwachsen; Teil-GdB sind hingegen keiner eigenen Feststellung zugänglich (vgl. BSG, Beschluss vom 12. August 2021 – B 9 SB 7/21 BH –, juris, Rz. 9). Dementsprechend entspricht es der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, dass Bindungswirkung nur den im Schwerbehindertenausweis dokumentierten positiven Feststellungen über gesundheitliche Merkmale und den negativen Feststellungen, dass solche Merkmale nicht vorliegen, zukommt, aber keine über die Feststellungen des Schwerbehindertenausweises hinausgehende Bindungswirkung gegeben ist (vgl. Oberverwaltungsgericht [OVG] für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. Dezember 2018 – 8 A 2763/17 –, juris, Rz. 16 und Urteil vom 23. August 2011 – 8 A 2247/10 –, juris, Rz. 84).
Weiterer Ermittlungsbedarf hat nicht bestanden. Der erstinstanzliche W war, entgegen der Auffassung der Klägerin, aufgrund des Sachverständigengutachtens des F nicht deshalb erneut zu hören, weil letzterer zu einer anderen Einschätzung des GdB gelangt ist. Hierbei handelt es sich, wie oben bereits dargelegt, um eine rechtliche Bewertung, die nicht den Sachverständigen obliegt. Im Übrigen führt auch der Umstand, dass Sachverständige in tatsächlicher Hinsicht zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, zu keinem weiteren Ermittlungsbedarf. Die Würdigung unterschiedlicher Gutachtenergebnisse gehört wie die anderer sich widersprechender Beweisergebnisse zur Beweiswürdigung selbst, welche ureigene Aufgabe des Tatsachengerichts ist (vgl. Senatsurteil vom 17. März 2016 – L 6 U 1518/14 –, juris, Rz. 61). Eine Verpflichtung zur Einholung eines weiteren Gutachtens besteht auch bei einander widersprechenden Gutachtenergebnissen im Allgemeinen nicht (vgl. BSG, Beschluss vom 24. März 2005 – B 2 U 368/04 B –, juris, Rz. 5). Vielmehr hat sich das Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung mit den einander entgegenstehenden Ergebnissen auseinanderzusetzen (vgl. BSG, Beschlüsse vom 19. November 2007 – B 5a/5 R 382/06 B –, juris, Rz. 8 und 12. Mai 2015 – B 9 SB 93/14 B –, juris, Rz. 6)
Den Antrag auf ergänzende Anhörung des Sachverständigen F nach § 109 SGG hat der Senat abgelehnt. Soweit die Klägerin meint, F habe die Frage zu beantworten, ob gesonderte Feststellungen z.B. auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet zu treffen sind, zielt diese Frage bereits auf eine reine Ausforschung des Sachverhaltes ab, für die keine Veranlassung besteht. Im Übrigen hat der Sachverständige eine abschließende Beurteilung des Sachverhaltes vorgenommen, ohne hierfür die Notwendigkeit weiterer Erhebungen in den Raum zu stellen. Dieser hat im Übrigen, wie oben ausgeführt, ausdrücklich dargelegt, dass nicht abgegrenzt werden kann, ob – organische – Folgen des Morbus Crohn oder – funktionelle – Folgen eines Reizdarmsyndroms bestünden, wobei er letzteres als sekundäre psychische Komponente wertet, während er eine primäre psychische Störung ausdrücklich verneint. Es wird somit deutlich, dass für die klinische Symptomatik von dem Sachverständigen zwei alternative Ursachen benannt werden, die sich aber gerade klinisch identisch auswirken und damit keine gesonderte Bewertung des GdB rechtfertigen (vgl. oben).
Nachdem der Beklagte den Neufeststellungsantrag daher zu Recht abgelehnt hat, war der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart teilweise aufzuheben und die Klage vollumfänglich abzuweisen. Die Berufung der Klägerin war zurückzuweisen, nachdem sie eine höhere Neufeststellung des GdB nicht beanspruchen kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt das Unterliegen der Klägerin in beiden Instanzen.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.