Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. August 2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.
Der 1970 geborene Kläger hat in der T bis zum 16. Lebensjahr die Schule besucht und diese nach eigenen Angaben ohne Abschluss verlassen. Der Kläger hat keinen Ausbildungsberuf erlernt. Er ist 1993 nach Deutschland eingereist und hat seither als Schreinerhelfer und Produktionsmitarbeiter in einer Fabrik, die Türen herstellt, gearbeitet. Die Tätigkeit wurde zum Oktober 2017 aufgrund der Verlegung der Produktion nach N beendet. Seit März 2017 ist der Kläger arbeitsunfähig erkrankt und hat bis September 2018 Krankengeld bezogen. Seither ist der Kläger arbeitslos gemeldet. Bei ihm ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 70 festgestellt.
In einem Gutachten nach Aktenlage für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg vom 18.07.2018 führte Dr. S aus, das Leistungsvermögen des Klägers sei definitiv auf unter drei Stunden täglich eingeschränkt. Die Einschränkung sei sowohl durch die Epilepsie, den Schlafmangel, die Depression als auch durch die Sarkoidose, die Nierenschwäche und den Diabetes mellitus bedingt. Außerdem bestehe eine hochgradige Einschränkung im Bereich der oberen Extremitäten aufgrund der Bandscheibenvorfälle. In einer sozialmedizinischen gutachterlichen Stellungnahme vom 30.12.2018 für die Bundesagentur für Arbeit schloss sich G dieser Einschätzung an. Aufgrund eines Antrags des Klägers auf Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation veranlasste die Beklagte eine Begutachtung des Klägers durch den Internisten Dr. B, der nach ambulanter Untersuchung in seinem Gutachten vom 07.11.0217 die Diagnosen Lendenwirbelsäulensyndrom ohne radikuläre Symptomatik, Zustand nach Aortenklappenersatz 07/2004 wegen eines kombinierten Aortenvitiums und chronische Niereninsuffizienz bei tubolo-interstitieller Nephritis stellte und sowohl für die Tätigkeit als Schreinerhelfer als auch für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von einem Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr ausging.
Am 24.07.2018 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog Befundberichte der behandelnden Ärzte und das Gutachten des MDK Baden-Württemberg vom 18.07.2018 bei und veranlasste eine Begutachtung durch den Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin Dr. J. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 10.09.2018 nach ambulanter Untersuchung die Diagnosen wiederkehrende lumbale Schmerzen bei vorbeschriebenen degenerativen Veränderungen, endgradige Funktionseinschränkung ohne sensomotorisches Defizit, tubulo-interstitielle Nephritis mit schwerer Funktionsstörung im Stadium II (kompensierte Retention) und Zustand nach Aortenklappenersatz im Juli 2004 wegen kombinierten Aortenvitiums bei guter Herzfunktion, depressive Episode (medikamentös behandelt), Epilepsie (medikamentöse Anfallprophylaxe) und arterielle Hypertonie (medikamentös gut eingestellt). Leichte körperliche Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, Stehen oder Gehen könne der Kläger sechs Stunden und mehr verrichten. Zu meiden seien Wirbelsäulenzwangshaltungen, häufiges Bücken, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, Arbeiten mit erhöhter Unfallgefährdung und unter besonderem Zeitdruck.
Mit Bescheid vom 17.09.2018 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Die Einschränkungen, die sich aus den Krankheiten oder Behinderungen des Klägers ergäben, führten nicht zu einem Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung; der Kläger könne noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein.
Zur Begründung seines hiergegen eingelegten Widerspruchs führte der Kläger aus, schon allein aus den aufgezählten Erkrankungen ergebe sich, dass er nicht mehr in der Lage sei, sechs Stunden täglich einer Arbeit nachzugehen. Zu berücksichtigen sei auch, dass er über sehr geringe Deutschkenntnisse verfüge und keinen Führerschein besitze. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.02.2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 13.03.2019 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, er könne am Arbeitsleben nicht mehr vollschichtig teilnehmen. Die Erkrankungen seien schwerwiegend und würden seine Lebensumstände massiv beeinträchtigen. Schon allein die Diagnosen seien Rechtfertigung für die begehrte Erwerbsminderung. Dies ergebe sich auch aus dem Gutachten des MDK vom 18.07.2018, welches die Beklagte nicht hinreichend berücksichtigt habe. Der Kläger hat die Berichte der SLK-Kliniken F über stationäre Behandlungen vom 13.05.2019 bis zum 16.05.2019, vom 21.05.2019 bis zum 28.05.2019, vom 29.09.2019 bis 06.10.2019 und vom 14.02.2020 bis 21.02.2020 vorgelegt.
Im Rahmen der Beweisaufnahme hat das SG die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen gehört und Gutachten bei dem Internisten Dr. S1 und dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B1 eingeholt.
Der Internist und Kardiologe Dr. M hat berichtet, dass er den Kläger seit 2003 regelmäßig behandle. Zu den nephrologischen Befunden könne er keine Angaben machen; aus kardialer Sicht sei der Kläger in der Lage, eine leichte körperliche Tätigkeit vollschichtig auszuüben. In seiner Stellungnahme vom 13.04.2019 hat der Orthopäde Dr. K angegeben, der Kläger leide seit 2005 an chronischen Wirbelsäulenbeschwerden. Daneben bestehe ein mechanischer Aortenklappenersatz bei Aorteninsuffizienz sowie eine Epilepsie. Eine leichte körperliche Betätigung von sechs Stunden täglich sei möglich, wobei eine verstärkte Belastung des Rückens und der Wirbelsäule, schweres Heben und Tragen sowie Zwangshaltungen und langes Stehen und Sitzen vermieden werden sollten. Der Facharzt für Innere Medizin und Nephrologie Dr. B2 hat unter dem 15.05.2019 über die Behandlung seit 2011 berichtet. Aufgrund der gesamten klinischen Situation sei eine sechsstündige Tätigkeit aus seiner Sicht nicht zu empfehlen. Die Nierenfunktion sei stark eingeschränkt, der Kläger werde derzeit auf die Einleitung einer Dialysetherapie vorbereitet. Eine leichte körperliche Tätigkeit ohne Schichtwechsel und ohne Wärme-/Kälteexposition wäre bis zu vier Stunden am Tag möglich. Dr. K1, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, hat in seiner Aussage vom 07.05.2019 über die psychiatrische Behandlung seit April 2017 berichtet. Die Behandlung erfolge aufgrund der Diagnosen schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome, selbstunsichere Persönlichkeitsstörung und cerebrales Anfallsleiden. Eine Leistungseinschätzung hat Dr. K1 nicht vorgenommen.
Dr. S1 hat nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 27.11.2019 in seinem Gutachten vom 07.12.2019 die Diagnosen Niereninsuffizienz, Zustand nach Aortenklappenersatz, leichte Herzminderleistung sowie Hypertonie angegeben. Die aktenkundigen Laborwerte belegten keine eindeutige Verschlechterungsneigung des Nierenleidens. Gleichwohl sei zur Vorbereitung einer Hämodialyse ein Shunt implantiert worden. Die gegenwärtige Filtrationsrate sowie die Kreatininwerte stünden einer vollschichtigen leichten körperlichen Tätigkeit nicht entgegen. Zu vermeiden seien schwere körperliche Tätigkeiten, Akkord- und Schichtarbeiten, Arbeiten am Band und Einwirkungen von Kälte und Nässe. Relevante Funktionsstörungen aufgrund des Aortenklappenersatzes seien nicht gegeben. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Schreinergehilfe sei nicht mehr möglich; leichte körperliche Tätigkeiten könne der Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Zur weiteren Aufklärung sei eine nervenärztliche Begutachtung sinnvoll.
In seinem Gutachten vom 25.05.2020 nach ambulanter Untersuchung am 14.04.2020 hat Dr. B1 ausgeführt, bei dem Kläger seien eine von jeher vorbestehende Persönlichkeitsakzentuierung mit Neigung zu psychosomatischer Beschwerdebildung, eine dysthyme Verstimmung, eine funktionelle Schlafstörung mit pseudohalluzinatorischer Symptomatik ohne Anhalt für eine Psychose, anamnestisch eine Epilepsie und herzphobisch gefärbte Panikattacken festzustellen. Klinisch wie elektrophysiologisch bestünden keine Anhaltspunkte für eine neurologische oder radikuläre Symptomatik der LWS-Beschwerden. Es bestünden extreme ausgeprägte Hinweise für eine nicht authentische Beschwerdevalidierung bzw. Simulation. Aus nervenärztlicher Sicht könne der Kläger sowohl seinen zuletzt ausgeübten Beruf als auch eine körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausüben. Auszuschließen seien Tätigkeiten unter Zeitdruck, in regelmäßiger nervöser Anspannung, Tätigkeiten auf Leitern oder Gerüsten sowie an unmittelbar gefährdenden Maschinen, Tätigkeiten mit überdurchschnittlichen Anforderungen an die Konfliktfähigkeit, überdurchschnittlich fordernden sozialen Interaktionen oder auch mit Stressfaktoren wie Nacht- oder Wechselschicht. An seiner Einschätzung hat Dr. B1 in einer aufgrund von Einwänden des Klägers veranlassten ergänzenden Stellungnahme vom 13.07.2020 festgehalten.
Nach vorheriger Anhörung hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 19.08.2020 abgewiesen. Die – näher dargelegten – Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung seien nicht erfüllt. Da der Kläger nicht vor dem 02.01.1961 geboren sei, könne er sich von vornherein nicht auf Berufsschutz berufen und sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt breit verweisbar. Der Kläger sei nach Überzeugung des SG noch in der Lage, eine leichte körperliche Tätigkeit bei Beachtung qualitativer Einschränkungen (keine wirbelsäulenbelastende Tätigkeit, kein Heben und Tragen von schweren Lasten, keine Akkordarbeit, keine Nacht- und Wechselschicht, keine Tätigkeit auf Leitern und Gerüsten, keine Tätigkeitsausübung unter Zeitdruck, keine Arbeit an unmittelbar gefährdenden Maschinen, keine Arbeit überdurchschnittlichen Anforderungen an die Konfliktfähigkeit und keine Tätigkeit mit fordernder sozialen Interaktionen) für mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe insbesondere aufgrund der Gutachten des Dr. S1 und des Dr. B1 sowie der sachverständigen Zeugenaussagen des Dr. K und des Dr. M fest, dass der Kläger trotz der vorliegenden Gesundheitsstörungen noch in der Lage sei, sechs Stunden am Tag zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben.
Gegen den ihm am 24.08.2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 23.09.2020 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, das SG habe die diagnostizierte schwere depressive Episode mit selbstunsicherer Persönlichkeit nicht gewürdigt. Mit dieser Diagnose sei zu erklären, dass er nach den objektiven Testungen körperlich zu mehr in der Lage wäre, als er selbst glaube. So habe er zum Beispiel den Belastungstest abbrechen müssen, obwohl die Werte noch im „normalen" Maß gewesen seien. Dies sei jedoch seiner Psyche geschuldet, die ihn glauben lasse, nunmehr an der Belastungsgrenze angelangt zu sein und, wenn er über diese hinaustrete, körperlichen Schaden zu nehmen. Letztendlich habe Dr. B1 auch von Panikattacken gesprochen, die herzphobisch gefärbt seien. Insofern sei sein Verhalten nachvollziehbar. Damit lasse sich auch die von Dr. B1 vorgebrachte Simulationstendenz erklären. Er mache dies nicht bewusst, sondern dies sei einzig und allein seiner schweren psychischen Erkrankung geschuldet. Er habe sozusagen eine mentale Blockade. Auch dieser Umstand habe einen rentenberechtigenden Krankheitswert und sei genauso anzusehen, wie eine organische oder orthopädische Beeinträchtigung/Störung. Letztendlich habe er auch diverse Beeinträchtigungen (Nierenleiden, Herzprobleme, orthopädische Leiden, Epilepsie), die sich allesamt durch die psychische Erkrankung für ihn subjektiv als deutlich gravierender darstellten. Nicht zuletzt auch deshalb, weil gerade die epileptischen Attacken, die über einen langen Zeitraum nicht vorhersehbar zu Tage getreten seien, ihm jegliches Selbstvertrauen in seine Leistungsfähigkeit genommen hätten. Er fühle sich praktisch dauernd in „Hab-Acht"- Stellung, um einem weiteren epileptischen Anfall vorbeugen zu können. In der Gesamtschau sei deshalb festzustellen, dass er nicht vollschichtig und auch nicht teilschichtig erwerbsfähig sei, auch nicht mit qualitativen Leistungseinschränkungen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. August 2020 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 17. September 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Februar 2019 zu verurteilen, ihm bezogen auf eine Antragstellung am 24. Juli 2018 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihr Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren sowie auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid.
Im Rahmen der Beweisaufnahme hat der Senat zunächst den behandelnden Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. K1 schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. In seiner Aussage vom 10.02.2021 hat er ausgeführt, der Kläger werde derzeit aufgrund der Diagnosen rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome, selbstunsichere Persönlichkeit und Grand-Mal-Status behandelt. Psychopathologisch biete er bei agitiert depressiver Stimmungslage, im Affekt nicht ausreichend lenkbar, eine Anhedonie, intermittierende Schlafstörungen, Niedergeschlagenheit und Insuffizienzgefühle. Aufgrund dieser psychischen Beschwerdelast besteht ein Rückzugs- und Vermeidungsverhalten, Einschränkung in der Anpassungs- und Erlebnisfähigkeit, Einschränkung in der Durchhaltefähigkeit und auch Einschränkungen in der sozialen Interaktion sowie bei der Bewältigung allgemeiner Aufgaben und Anforderungen des Alltags. Zudem bestünden Einschränkungen in der Planungs- und Strukturierungsfähigkeit und kognitive Einschränkungen, so dass keine Tätigkeiten ausgeübt werden sollten, die erhöhten psychischen Stress, die Verantwortung für Personen und Maschinen, Überwachung und Steuerung von komplexen Arbeitsvorgängen, Tätigkeiten mit erhöhtem Gefährdungspotential und erhöhten Belastungsfaktoren, Nachtschicht, Wechselschicht oder Zwangshaltungen erforderten.
Der Senat hat dann den Facharzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S2 mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Nach ambulanter Untersuchung des Klägers hat er in seinem Gutachten vom 20.08.2021 ein epileptisches Anfallsleiden, nicht näher spezifizierbar (ICD-10: G 40.9), Dysthymia (ICD-10: F 34.1), einen schädlichen Nikotinkonsum (ICD-10: F 17.1), den Zustand nach mechanischem Aortenklappenersatz 07/2004 wegen kombinierten Aortenvitiums, gute Herzfunktion, orale Antikoagulation, eine chronische Nierenerkrankung, kompensiert, Zustand nach Hämodialyse-Shunt-Anlage 2019, ein Bluthochdruckleiden, medikamentös behandelt, den Verdacht auf ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom und Adipositas Grad I diagnostiziert. Der Kläger könne nach seiner Einschätzung aus neurologischer, psychiatrischer und internistischer Sicht zumindest leichte körperliche Tätigkeiten in verschiedenen Arbeitshaltungen mindestens sechs Stunden arbeitstäglich verrichten. Die Tätigkeiten sollten ausschließlich in Tagesschicht ausgeübt werden. Es bestünden Einschränkungen der geistigen und psychischen Belastbarkeit; Tätigkeiten mit vermehrten Anforderungen an die Konzentration und Reaktion seien nicht vertretbar. Umstellungs- und Anpassungsvermögen seien ausreichend gegeben, das Verantwortungsbewusstsein nicht eingeschränkt. Tätigkeiten mit üblichem Publikumsverkehr seien möglich. Tätigkeiten mit vermehrt psychischen Belastungen seien nicht leidensgerecht. Hierzu gehörten Tätigkeiten mit vermehrt emotionalen Belastungen oder mit einem erhöhten Konfliktpotential. Aufgrund des auch aktenkundigen epileptischen Anfallsleidens seien entsprechende Einschränkungen im qualitativen Leistungsbild zu treffen. Unfallträchtige Arbeiten seien auch wegen der oralen Antikoagulation nicht vertretbar. Eine vermehrte Lärmexposition als psychogener Stressor sei zu vermeiden.
Die Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 30.09.2021, der Kläger mit Schriftsatz vom 06.10.2021 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die nach § 151 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe gemäß § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG vom 19.08.2020 ist nicht zu beanstanden; der Bescheid vom 17.09.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.02.2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbminderung bezogen auf seinen Antrag vom 24.07.2018.
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI.
Eine volle Erwerbsminderung liegt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch dann vor, wenn der Versicherte täglich mindestens drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein kann, der Teilzeitarbeitsmarkt aber verschlossen ist (Gürtner in KassKomm, 115. EL Juli 2021, SGB VI, § 43 Rdnr. 58 und 30 ff.).
Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids ausführlich und zutreffend dargelegt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung hat, weil er noch in der Lage ist, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts bei Beachtung qualitativer Einschränkung wenigstens sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten, und keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, da er nach dem Stichtag des § 240 SGB VI geboren ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens des Klägers uneingeschränkt an und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück.
Eine Erwerbsminderung des Klägers, das heißt ein Absinken seiner beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht belegen. Vielmehr ist der Kläger unter Berücksichtigung aller vorliegenden medizinischen Unterlagen und Gutachten in der Lage, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bei Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen mehr als sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten. Hinsichtlich der Beurteilung des zeitlichen Leistungsvermögens wird – wie ausgeführt – auf die ausführliche Begründung des SG, das sich im Wesentlichen auf die auch für den Senat schlüssigen und überzeugenden Gutachten von Dr. S1 und Dr. B1 sowie die sachverständigen Zeugenaussagen des Dr. K und des Dr. M gestützt hat, Bezug genommen. Ergänzend ist im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren und die im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen lediglich darauf hinzuweisen, dass auch der Senat sich nicht davon überzeugen konnte, dass das quantitative oder qualitative Leistungsvermögen des Klägers in rentenrechtlich relevanter Weise eingeschränkt ist.
Die bisherige Beweisaufnahme wird vielmehr durch das Gutachten des Dr. S2 vom 19.08.2021 vollumfänglich bestätigt. Dr. S2 hat die bei dem Kläger auf neurologischem, psychiatrischem und internistischem Fachgebiet bestehenden Gesundheitsstörungen nochmals umfassend und zusammenfassend gewürdigt, sich ausführlich mit den vorliegenden Vorbefunden und vorliegenden Gutachten auseinandergesetzt und – unter Hinzuziehung einer Dolmetscherin für die türkische Sprache - im Rahmen einer ambulanten Untersuchung selbst Befunde erhoben. Aus den erhobenen Befunden und den vorliegenden Befundberichten hat er für den Senat schlüssig und überzeugend die mitgeteilten Diagnosen abgeleitet, die im Übrigen auch in Übereinstimmung mit den in den Vorgutachten von Dr. B1 und Dr. S1 mitgeteilten Diagnosen stehen. Demnach leidet der Kläger unter einem epileptischen Anfallsleiden, nicht näher spezifizierbar (ICD-10: G 40.9), Dysthymia (ICD-10: F 34.1), schädlichem Nikotinkonsum (ICD-10: F 17.1), dem Zustand nach mechanischem Aortenklappenersatz 07/2004 wegen kombinierten Aortenvitiums (bei guter Herzfunktion und oraler Antikoagulation), einer chronischen Nierenerkrankung (kompensiert, Zustand nach Hämodialyse-Shunt-Anlage 2019), einem Bluthochdruckleiden (medikamentös behandelt), dem Verdacht auf ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom sowie Adipositas Grad I.
Dr. S2 legt für den Senat schlüssig und überzeugend dar, dass der Kläger trotz der von ihm erhobenen Diagnosen in der Lage ist, eine leichte Tätigkeit – unter Berücksichtigung noch näher darzulegender qualitativer Einschränkungen – zumindest sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten. Zunächst legt der Gutachter nachvollziehbar dar, dass der Kläger grundsätzlich eine Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt antreten kann. Der Kläger wies, wie der Gutachter darlegt, eine gute geistige Flexibilität auf, ohne dass kognitive Defizite relevanten Ausmaßes festzustellen gewesen wären. Die psychische Symptomatik ist nach der gutachterlichen Einschätzung nicht derart ausgeprägt bzw. entzieht sich nicht derart der zumutbaren Willensanstrengung, als dass sie ein unüberwindbares Hemmnis für die Aufnahme und Ausführung einer Tätigkeit im Umfang von arbeitstäglich mindestens sechs Stunden darstellen würde. Es zeigte sich keine Antriebsminderung oder psychomotorische Hemmung; eine solche war auch in relevantem Ausmaß nicht den Alltagsschilderungen und dem geschilderten Tagesablauf zu entnehmen. Beim Kläger besteht nach der gutachterlichen Einschätzung auch keine soziale Phobie; das Umstellungs- und Anpassungsvermögen ist nicht eingeschränkt. Der Gutachter geht vielmehr davon aus, dass der Kläger auch grundsätzlich über die erforderliche Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit verfügt, um sich innerhalb von drei Monaten in eine neue Berufstätigkeit einarbeiten zu können. Einschränkungen der Handlungsfähigkeit liegen nicht vor. Der Kläger kann sein Handeln einschätzen und entsprechend reagieren bzw. modifizieren. Die Urteilskraft und die Kritik- und Einsichtsfähigkeit zur eigenen Person und zum sozialen Umfeld sind nicht eingeschränkt. Eine unüberwindbare psychische Hemmung oder Sucht liegt nicht vor. Die psychische Symptomatik entzieht sich nicht der zumutbaren Willensanstrengung. Ausgehend von diesen Befunden und der gutachterlichen Einschätzung kommt Dr. S2 für den Senat überzeugend zu der Einschätzung, dass der Kläger durchaus in der Lage ist, eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt anzutreten. Darüber hinaus konnte Dr. S2 unter Berücksichtigung der Aktenlage, der Anamnese und der jetzt erhobenen Untersuchungsbefunde keinen ausreichenden Grund für die Annahme einer Einschränkung des Durchhaltevermögens bei Berücksichtigung der Einschränkungen in dem qualitativen Leistungsbild feststellen. Die kognitiven Funktionen, insbesondere die Denkfunktionen, sind nicht leistungsrelevant eingeschränkt. Auch ergaben sich keine Einschränkungen der Psychomotorik. Der Kläger ist nach Einschätzung des Gutachters bei zumutbarer Willensanstrengung in der Lage, seinen Tagesablauf angemessen bzw. den Anforderungen entsprechend zu strukturieren. Es bestehen keine Einschränkungen des Zeitmanagements. Auch liegen keine nachvollziehbaren, relevanten Störungen der sozialen Kompetenzen und der Alltagskompetenzen vor. Eine weitgehende, objektivierbare bzw. ausreichend begründbare Einschränkung der Fähigkeit zur Teilhabe an den Aktivitäten des täglichen Lebens beispielsweise in den Bereichen Mobilität, Selbstversorgung, Kommunikation, Antrieb, Konzentrationsfähigkeit, Interesse und Aufmerksamkeit war nicht festzustellen. Eine hirnorganisch bedingte vermehrte Erschöpfbarkeit wie zum Beispiel bei einem ausgeprägten cerebralen Befall der Multiplen Sklerose besteht nicht. Eine auffallende Erschöpftheit war in der Gutachtensituation nicht erkennbar. In dem Elektroenzephalogramm zeigten sich keine Vigilanzschwankungen oder gar -minderungen. Dr. S2 kommt als Facharzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie für den Senat auch überzeugend zu der Einschätzung, dass ein Summationseffekt der Beschwerden bedingt durch Leiden verschiedener Fachgebiete untereinander in dem Ausmaß, dass das zeitliche Leistungsvermögen eingeschränkt wäre, ebenfalls nicht vorliegt. Dem Kläger ist es nach Einschätzung von Dr. S2 keineswegs krankheitsbedingt unmöglich, eine erwerbsorientierte Lebensgestaltung zu realisieren. Eine weitergehende Einschränkung ist auch durch die Epilepsie-Erkrankung, die im Berufungsverfahren nochmals unter Vorlage entsprechender Befundberichte zur Begründung der Erwerbsminderung herangezogen wird, nach dem Gutachten von Dr. S2 nicht gegeben. Dr. S2 führt insofern aus, dass das von ihm durchgeführte Elektroenzephalogramm einen gut ausgeprägten Alpha-Grundrhythmus zeigt. Vigilanzschwankungen oder -minderungen lagen nicht vor. Es zeigten sich in der aktuellen Ableitung keine epilepsietypischen Potentiale. Das sich aus der Aktenlage ergebende epileptische Anfallsleiden konnte nicht näher spezifiziert werden, eine Grand-mal-Epilepsie liegt nach Einschätzung von Dr. S2 nicht vor. Eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens allein aufgrund der Epilepsie-Erkrankung (und der damit verbundenen potentiellen Anfallsgefahr) ist sozialmedizinisch nicht gerechtfertigt (vgl. auch Sozialmedizinische Begutachtung für die gesetzliche Rentenversicherung, DRV Bund (Hrsg.), Seite 531). Dem Anfallsleiden kann, wie auch Dr. S2 ausführt, dadurch Rechnung getragen werden, dass unfallträchtige Arbeiten vermieden werden sollten. Der Kläger kann nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. S2, die in Übereinstimmung mit den Vorgutachten stehen, eine leidensgerechte Tätigkeit mit der erforderlichen Regelmäßigkeit ausüben. Es liegt ein arbeitstägliches Leistungsvermögen ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit von mindestens sechs Stunden unter Berücksichtigung des qualitativen Leistungsbildes auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche vor.
Damit kann der Senat sich nicht davon überzeugen, dass die Erkrankungen des Klägers für sich genommen wie auch insgesamt betrachtet seit der Rentenantragstellung zu einer mindestens sechs Monate andauernden, auch zeitlichen Leistungseinschränkung geführt haben. Die vorliegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen können somit zwar das Spektrum der für den Kläger in Betracht kommenden Tätigkeiten einschränken, sie begründen aber keinen Zweifel an seiner weitgehend normalen betrieblichen Einsatzfähigkeit für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.
Ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung kann vorliegend auch nicht auf die Grundsätze einer schweren spezifischen Leistungsbeeinträchtigung oder einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen gestützt werden. Nach der Rechtsprechung des BSG liegt eine volle Erwerbsminderung ausnahmsweise selbst bei einer mindestens sechsstündigen Erwerbsfähigkeit vor, wenn der Arbeitsmarkt wegen besonderer spezifischer Leistungseinschränkungen als verschlossen anzusehen ist. Dem liegt zugrunde, dass eine Verweisung auf die verbliebene Erwerbsfähigkeit nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten (vgl. BSG, Urteil vom 30.11.1983 - 5a RKn 28/82 -, Juris). Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist bei Versicherten mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. Eine Verweisungstätigkeit ist erst dann zu benennen, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Hinsichtlich der vorhandenen qualitativen Beschränkungen hängt das Bestehen einer Benennungspflicht im Übrigen daher entscheidend von deren Anzahl, Art und Umfang ab, wobei zweckmäßigerweise in zwei Schritten - einerseits unter Beachtung der beim Restleistungsvermögen noch vorhandenen Tätigkeitsfelder, andererseits unter Prüfung der „Qualität" der Einschränkungen (Anzahl, Art und Umfang) - zu klären ist, ob hieraus eine deutliche Verengung des Arbeitsmarktes resultiert (vgl. BSG, Urteile vom 20.08.1997 - 13 RJ 39/96 -, vom 11.05.1999 - B 13 RJ 71/97 -, vom 24.02.1999 - B 5 RJ 30/98 - und vom 09.09.1998 - B 13 RJ 35/97 R -, Juris). Eine spezifische Leistungseinschränkung liegt nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 27.04.1982 - 1 RJ 132/80 -, Juris) jedenfalls dann nicht vor, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne schweres Heben und Tragen von Gegenständen, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag. Der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bedarf es nicht, wenn Tätigkeiten wie das Verpacken leichter Gegenstände, einfache Prüfarbeiten oder die leichte Bedienung von Maschinen noch uneingeschränkt möglich sind. Dass Versicherte, die nur noch körperlich leichte und geistig einfache Tätigkeiten – ggf. unter weiteren gesundheitlichen Einschränkungen – wenigstens sechs Stunden täglich verrichten können, regelmäßig in der Lage sind, „erwerbstätig zu sein“, hat das BSG zuletzt mit Urteil vom 11.12.2019 (- B 13 R 7/18 R -, Juris) bestätigt.
Bei dem Kläger sind die durch Dr. Brandi, Dr. S1 und Dr. S2 benannten qualitativen Einschränkungen des Leistungsvermögens zu berücksichtigen. Zu vermeiden sind schwere körperliche Tätigkeiten, Akkord- und Schichtarbeiten, Arbeiten am Band und Einwirkungen von Kälte und Nässe. Auszuschließen sind darüber hinaus Tätigkeiten unter Zeitdruck, in regelmäßiger nervöser Anspannung, Tätigkeiten auf Leitern oder Gerüsten sowie an unmittelbar gefährdenden Maschinen. Es bestehen Einschränkungen der geistigen und psychischen Belastbarkeit; so sind Tätigkeiten mit vermehrten Anforderungen an die Konzentration und Reaktion nicht vertretbar. Tätigkeiten mit vermehrt psychischen Belastungen sind nicht leidensgerecht. Hierzu gehören Tätigkeiten mit vermehrt emotionalen Belastungen oder mit einem erhöhten Konfliktpotential und mit überdurchschnittlichen Anforderungen an die Konfliktfähigkeit, überdurchschnittlich fordernden sozialen Interaktionen oder auch mit Stressfaktoren wie Nacht- oder Wechselschicht. Tätigkeiten mit üblichem Publikumsverkehr sind möglich. Das Umstellungs- und Anpassungsvermögen ist ausreichend gegeben, das Verantwortungsbewusstsein nicht eingeschränkt. Aufgrund des auch aktenkundigen epileptischen Anfallsleidens sind entsprechende Einschränkungen in dem qualitativen Leistungsbild zu treffen. Unfallträchtige Arbeiten sind auch wegen der oralen Antikoagulation nicht vertretbar. Eine vermehrte Lärmexposition (> 85 dB) als psychogener Stressor ist zu vermeiden. Auch unter Berücksichtigung dieser qualitativen Einschränkungen sind dem Kläger die durch das BSG aufgezeigten Tätigkeitsfelder noch möglich und zumutbar. Wie Dr. S2 darlegt, sind Umstellungs- und Anpassungsvermögen nicht eingeschränkt. Der Kläger verfügt darüber hinaus über eine ausreichend gute geistige Flexibilität und es liegen keine kognitiven Defizite relevanten Ausmaßes vor. Relevante Störungen der (Fein-)Motorik der Hände/Finger oder der Sinnesorgane bestehen nicht. Der Kläger kann aus neurologischer, psychiatrischer und internistischer Sicht zumindest leichte körperliche Tätigkeiten in verschiedenen Arbeitshaltungen verrichten. Dass dem Kläger bislang keine leidensgerechte Arbeit vermittelt werden konnte, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Vermittlung einer grundsätzlich möglichen und leidensgerechten Tätigkeit ist Aufgabe der Bundesagentur für Arbeit. Das Risiko, keinen offenen Arbeitsplatz zu finden, ist nicht von der Renten-, sondern grundsätzlich von der Arbeitslosenversicherung zu tragen (BSG, Urteile vom 25.06.1986 - 4a RJ 55/84 - und vom 11.12.2019 - B 13 R 7/18 R -, Juris). Dem Kläger ist trotz der bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen und der daraus folgenden qualitativen Einschränkungen des Leistungsvermögens ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten eröffnet, sodass keine Summierung ungewöhnlicher oder eine schwere spezifische Leistungseinschränkung vorliegt und keine konkrete Verweisungstätigkeit benannt werden muss.
Der Kläger ist auch trotz der sich auf die Gehfähigkeit auswirkenden Gesundheitsstörungen in der Lage, einen Arbeitsplatz aufzusuchen. Die sog. Wegefähigkeit des Klägers ist nicht in rentenrechtlich relevantem Ausmaß eingeschränkt. Zur Erwerbsfähigkeit gehört auch das Vermögen, einen Arbeitsplatz aufsuchen zu können. Dabei ist nach der Rechtsprechung des BSG ein abstrakter Maßstab anzuwenden. Ein Katalogfall liegt nicht vor, soweit ein Versicherter täglich viermal Wegstrecken von mehr als 500 Metern mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten benutzen kann. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (z.B. Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (BSG, Urteile vom 12.12.2011 - B 13 R 21/10 R - und - B 13 R 79/11 R -, vom 30.01.2002 - B 5 RJ 36/01 R -, Juris m.w.N., vom 17.12.1991 - 13/5 RJ 73/90 -, a.a.O.). Dazu gehört z.B. auch die zumutbare Benutzung eines eigenen Kfz (vgl. BSG, Urteile vom 14.03.2002 - B 13 RJ 25/01 R - und vom 30.11.1965 - 4 RJ 101/62 -, Juris). Der Senat konnte sich von einer rentenrechtlich relevanten Einschränkung der Wegefähigkeit nicht überzeugen. Dr. S2 führt insoweit zusammenfassend und überzeugend aus, dass keine Erkrankungen vorliegen, die die Wegstrecke sozialmedizinisch relevant beschränken würden und die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten ausschließen würden.
Der Kläger hat nach alledem keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.
Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.