Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Beitragseinstufung der Klägerin zur Kranken- und Pflegeversicherung.
Die Klägerin ist seit dem 1. April 2002 bei der Beklagten freiwillig versichert. Der monatliche Beitrag der Klägerin zur Kranken- und Pflegeversicherung betrug, zuletzt festgestellt durch Bescheid vom 21. Juni 2016, 93,22 €.
Mit Bescheid vom 21. September 2016 änderte die Beklagte die Einstufung der Klägerin mit Wirkung zum 1. Oktober 2016 und setzte die beitragspflichtigen Einnahmen der Klägerin auf 4.101,32 € und den Beitrag der Klägerin zur Krankenversicherung auf 638,74 € und zur Pflegeversicherung auf 96,38 € monatlich fest. Zur Begründung der Änderung der Einstufung führte die Beklagte aus, dass sie das festzusetzende Einkommen der Klägerin bislang falsch beurteilt habe.
Am 21. Oktober 2016 erhob die Klägerin Widerspruch. Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie als Rentnerin in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) versichert und daher ihre privaten Einkünfte nicht zu berücksichtigen seien.
Mit Bescheid vom 22. Dezember 2016 setzte die Beklagte mit Wirkung zum 1. Januar 2017 den neuen Beitragssatz für die Pflegeversicherung auf 104,58 € fest, wogegen die Klägerin fristgerecht Widerspruch einlegte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die Klägerin nach den zur damaligen Zeit geltenden Rechtsvorschriften nicht die Vorversicherungszeit für die KVdR erfüllte und daher freiwillig versichert gewesen sei. Nach der Rechtsänderung wäre die Klägerin zum 1. April 2002 versicherungspflichtig in der KVdR geworden. Die Klägerin sei vorher im Februar/März 2002 durch die Beklagte über die bevorstehende Rechtsänderung informiert worden, gleichzeitig seien ihr auch die Vorteile einer Pflegeversicherung und einer freiwilligen Versicherung erklärt worden. Dem Schreiben sei eine Wahlrechtserklärung beigefügt, für den Fall, dass sie sich für eine freiwillige Versicherung entscheiden würde. Die Klägerin erklärte am 8. März 2002, dass sie weiterhin freiwillig versichert sein möchte. Die Beklagte führte weiter aus, dass die Beitragsänderung mit Wirkung zum 1. Oktober 2016 aufgrund der beitragspflichtigen Einnahmen in Höhe von insgesamt 4.101,32 € (3.596,05 € Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und 505,27 € aus Rente der gesetzlichen Rentenversicherung) berechnet worden seien.
Am 30. März 2017 hat die Klägerin Klage erhoben.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass Aspekte des Vertrauensschutzes der Änderung der Einstufung durch die Beklagte entgegenstehen würden. Ferner ist die Klägerin der Auffassung, dass die Beklagte die Änderung der Beitragseinstufung nicht auf eine Rechtsgrundlage stützen könne, bzw. zumindest nicht auf die Vorschrift des § 48 Zehntes Sozialgesetzbuch (SGB X). Die Voraussetzungen des § 48 SGB X seien nicht erfüllt, da es keine Änderungen in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen gegeben habe; die Beklagte habe die bereits seit dem Jahre 2002 bestehende Einnahmen Situation der Kläger der lediglich falsch beurteilt. Des Weiteren behauptet die Klägerin, dass die seinerzeitige Beratung der Beklagten zu einem möglichen Wechsel des Versicherungsverhältnisses im Jahre 2002 die tatsächlichen Nachteile der Fortführung der freiwilligen Versicherung gegenüber der Klägerin nicht deutlich genug aufgezeigt habe, insbesondere auch auf mögliche weitere Gesetzesänderungen nicht hingewiesen worden sei.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Bescheide vom 21. September 2016 und 22. Dezember 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. März 2017 und des Änderungsbescheides vom 16. Januar 2019 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung nimmt die Beklagte Bezug auf die Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid vom 14. März 2017. Ergänzend ist die Beklagte der Auffassung, dass sie zur Änderung der Beitragseinstufung mit Wirkung für die Zukunft berechtigt gewesen sei. Der Klägerin sei durch die fehlerhafte Einstufung zum 1. April 2002 keine besondere Rechtsposition verliehen worden, die ihr nun genommen worden sei. Der Klägerin sei auch zu keiner Zeit seitens der Beklagten erklärt worden, dass sie zukünftig an ihrer fehlerhaften Einstufung festhalte; insoweit sei das Recht zur Änderung der Beitragseinstufung auch nicht verwirkt worden, da keine für eine Verwirkung auslösenden besonderen Umstände vorliegen würden. Der bloße Zeitablauf an sich reiche für eine Verwirkung nicht aus. Die Beklagte habe eine Abwägung vorgenommen zwischen den Interessen der Klägerin an der Aufrechterhaltung der rechtswidrigen Begünstigung durch die Nichtberücksichtigung der Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung und das Interesse der Versichertengemeinschaft an der Herstellung des rechtmäßigen Zustands und der Gleichbehandlung mit anderen freiwillig versicherten Mitgliedern und habe diesem Vorrang gewährt.
Mit Bescheid vom 16. Januar 2019 hat die Beklagte die Beiträge der Klägerin neu berechnet und den monatlichen Gesamtbetrag der Klägerin mit Wirkung zum 1. Januar 2019 zur Krankenversicherung auf 713,98 € und zur Pflegeversicherung auf 138,39 € festgesetzt. Die Festsetzung beruht auf die gesetzliche Anhebung der Beitragssätze zur Pflegeversicherung um 0,5 Prozentpunkte auf 3,05 % zum 1. Januar 2019.
Das Gericht hat die Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid (§ 105 Sozialgerichtsgesetz – SGG) angehört.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte gemäß § 105 Absatz 1 Satz 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Im Rahmen der nach § 105 Absatz 1 Satz 2 erforderlichen Anhörung haben die Beteiligten keine begründeten Einwände gegen eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid vorgebracht.
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die Bescheide der Beklagten vom 21. September 2016 und 22. Dezember 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2017 und des Folgebescheids vom 16. Januar 2019 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Der nach Klageerhebung erlassene Bescheid der Beklagten vom 16. Januar 2019 ist gemäß § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Gemäß § 96 Abs. 1 SGG wird ein nach Klageerhebung erlassener neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Vorliegend hat der nach Erlass des Widerspruchsbescheids ergangene Bescheid vom 16. Januar 2019 die Bescheide der Beklagten vom 21. September 2016 und 22. Dezember 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. März 2017 abgeändert und ersetzt. Der Regelungsgegenstand des Bescheids vom 16. Januar 2019 ist identisch mit dem der angefochtenen Bescheide. Zwar trifft die Regelung des Bescheids vom 16. Januar 2019 den Zeitpunkt ab dem 1. Januar 2019, so dass in zeitlicher Hinsicht keine Übereinstimmung zwischen den Bescheiden vorliegt. Allerdings ändern oder ersetzen Folgebescheide den ursprünglichen Dauerverwaltungsakt, wenn dieser in zeitlicher Hinsicht nicht beschränkt war (vgl. B. Schmidt, Meyer-Ladewig, SGG Kommentar, § 96 Rn. 4 a). Vorliegend handelt es sich bei den angefochtenen Bescheiden um Dauerverwaltungsakte, die keiner zeitlichen Beschränkung unterlagen.
Die Beklagte war gemäß § 45 SGB X dazu berechtigt, mit Bescheid vom 21. September 2016 die Einstufung der Klägerin mit Wirkung zum 1. Oktober 2016 zu ändern. Gemäß § 45 Abs. 1 darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
Vorliegend erfolgte die Beitragseinstufung der Klägerin durch die Beklagte bis zum 21. September 2016, zuletzt festgestellt durch Bescheid vom 21. Juni 2016, fehlerhaft. Gemäß § 240 Abs. 1 SGB V wird die Beitragsbemessung für freiwillig krankenversicherte einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt, § 240 Abs. 1 S. 2 SGB V. Da auch Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen zu den beitragspflichtigen Einnahmen im Sinne des § 240 SGB V und den Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler umfasst sind, allerdings von der Beklagten aufgrund einer falschen Beurteilung nicht berücksichtigt wurden, war der Bescheid vom 21. Juni 2016 rechtswidrig. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit ist der Zeitpunkt des Erlasses des zurückzunehmenden Verwaltungsakts (vgl. Kasseler Kommentar/Steinwedel, SGB X, § 45 Rn. 24); vorliegend somit der 21. Juni 2016. Der als rechtswidrig zurückgenommene Verwaltungsakt muss dabei im Rücknahmebescheid nicht genau bezeichnet sein; es reicht, wenn dem objektiven Empfänger nach den Einzelfallumständen klar sein muss, dass die vollständige Aufhebung der vorherigen Bescheide durch die Behörde gewollt ist (vgl. BSG, Urteil vom 25. Oktober 2017, Az. B 14 AS 9/17 R). Vorliegend hat die Beklagte in dem Bescheid vom 21. September 2016 darauf hingewiesen, dass die bisherige Beitragseinstufung durch sie falsch beurteilt worden sei und sich daher die Einstufung zum 1. Oktober 2016 ändert. Damit war es für die Klägerin nach dem objektiven Empfängerhorizont eindeutig erkennbar, dass die Beklagte die vorherigen Bescheide betreffend die Einstufung der Klägerin vollständig aufgehoben hat. Des Weiteren ist auch die Frist des § 45 Abs. 3 SGB X eingehalten worden. Gemäß § 45 Abs. 3 S. 1 SGB X kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Vorliegend wurde die Frist des § 45 Abs. 3 S. 1 SGB X durch die Beklagte eingehalten. Der Bescheid vom 21. September 2016, in dem die bisherige Einstufung der Klägerin aufgehoben wurde, erfolgte drei Monate nach dem letzten Bescheid vom 21. Juni 2016.
Der Rücknahme der bisherigen Beitragseinstufung der Klägerin steht auch kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand der bisherigen Entscheidungen der Beklagten entgegen. Die Regeltatbestände des § 45 Abs. 2 S. 2 SGB X, bei deren Vorliegen das Vertrauen in der Regel schutzwürdig ist, sind hier nicht gegeben. Folglich ist gemäß § 45 Abs. 2 S. 1 SGB X die Schutzwürdigkeit des Vertrauens durch eine Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme des Verwaltungsakts festzustellen. Im Rahmen der Abwägung ist zu beachten, dass es sich bei dem zurückgenommenen Verwaltungsakt um einen solchen mit Dauerwirkung handelt. Im Falle der Rücknahme eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung liegt ein erhöhtes öffentliches Interesse an der Rücknahme vor, da das öffentliche Interesse an der Beseitigung des rechtswidrigen Zustands durch die stärkere Belastung der Allgemeinheit höher einzuschätzen ist als bei der Gewährung einmaliger Leistungen (vgl. BSG, Urteil vom 11. April 2002, Az. B 3 P 8/01 R). Für das schutzwürdige Vertrauen der Klägerin spricht insbesondere der Umstand, dass die aufgehobene Beitragseinstufung durch die Beklagte über einen langen Zeitraum bestand und die Beklagte über einen langen Zeitraum, trotz Kenntnis der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin, an der fehlerhaften Einstufung festhielt und dies regelmäßig bestätigte. Dennoch überwiegt hier das öffentliche Interesse an der Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsakts. Bei der Beitragseinstufung handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Durch die Nichtberücksichtigung von erheblichem Einkommen der Klägerin durch Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung ist eine erhebliche Belastung und Ungleichheit der Solidargemeinschaft der gesetzlich Krankenversicherten entstanden. Dieser Belastung und Ungleichbehandlung der Solidargemeinschaft können rein finanzielle Interessen der Klägerin nicht entgegengesetzt werden. Darüber hinaus ist zu beachten, dass vorliegend die rechtswidrige Beitragseinstufung der Beklagten durch Bescheid vom 21. September 2016 erst mit Wirkung zum 1. Oktober 2016, mithin mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wurde. Die Klägerin hat damit, trotz der in der Vergangenheit zu niedrig festgesetzten Beitragseinstufungen, keine Nachteile für die Vergangenheit erlitten. Letztlich hat die Beklagte ihre fehlenden Ermessenserwägungen im Rücknahmebescheid vom 21. September 2016 gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X im Klageverfahren mit heilender Wirkung nachgeholt, indem sie das Interesse der Versichertengemeinschaft an der Herstellung des rechtmäßigen Zustands und der Gleichbehandlung mit anderen freiwillig versicherten Mitgliedern den Vorrang vor dem Interesse der Klägerin an der Aufrechterhaltung der rechtswidrigen Begünstigung einräumte.
Soweit die Klägerin vorträgt, dass die seinerzeitige Beratung der Beklagten zu einem möglichen Wechsel des Versicherungsverhältnisses im Jahre 2002 nicht ausführlich genug gewesen, da die Klägerin insbesondere nicht auf mögliche weitere Gesetzesänderungen hingewiesen worden sei, so wird diesbezüglich auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten in dem Widerspruchsbescheid von 14. März 2017 Bezug genommen. Das Gericht schließt sich den Ausführungen der Beklagten an, wonach die Informationspflicht der Beklagten gegenüber der Klägerin seinerzeit nur auf die aktuelle Gesetzeslage und nicht mögliche zukünftige Gesetzesänderungen beschränkt war. Insbesondere wurde die Klägerin durch die Beklagte darauf hingewiesen, dass Mieteinkünfte bei einer freiwilligen Mitgliedschaft im Gegensatz zu einer Pflichtversicherung beitragspflichtig sind. Die Klägerin hatte sich jedoch explizit für den Verbleib in der freiwilligen Versicherung entschieden. Dieser damalige Entschluss der Klägerin kann nun nicht nachträglich dadurch rückwirkend beseitigt werden, in dem der Beklagten mangelnde Aufklärung und Beratung vorgeworfen wird. Es bestand für die Klägerin als Rentnerin keine Versicherungspflicht in der KVdR. Der Klägerin war seinerzeit unbenommen, Beratungen und Vergleichsberechnungen in Anspruch zu nehmen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.