1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
T a t b e s t a n d
Die Klägerin wehrt sich gegen die Beitragsbemessung in der freiwilligen Krankenversicherung. Die 1977 geborene Klägerin war bei der Beklagten vom 01.01.2015 bis zum 30.09.2018 freiwillig krankenversichert. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder. Die Klägerin verfügte während der freiwilligen Mitgliedschaft über Einnahmen aus geringfügiger Beschäftigung und aus selbständiger Tätigkeit. Der Ehemann der Kläger war und ist in der Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten (KVB) versichert.
Mit Bescheid vom 04.01.2017 erhob die Beklagte Beiträge zur Kranken- und im Namen der Pflegekasse zur Pflegeversicherung ab dem 01.01.2017 in Höhe von insgesamt 246,64 €; hiervon entfielen 206,95 € auf die Kranken- und 40,69 € auf die Pflegeversicherung. Bei der Beitragsbemessung legte die Beklagte ein monatliches Arbeitseinkommen aus selbständiger Tätigkeit von 362,00 € sowie ein Familieneinkommen von 1.008,53 € zu Grunde. Die Einnahmen aus der geringfügigen Beschäftigung – einem so genannten „Mini-Job“ - wurden dem Bescheid zu Folge nur für die Berechnung der Beiträge zur Pflegeversicherung berücksichtigt (Bl. 15 der Verwaltungsakte).
Am 25.01.2017 widersprach der Ehemann der Klägerin per E-Mail für die Eheleute der Entscheidung mit der Begründung, dass er als Beamter von der Beihilfe des Bundes betreut werde und in der Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten versichert sei, bei der es sich um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und damit um eine gesetzliche Krankenversicherung handeln würde. Es würden Beiträge dorthin entrichtet. Die Beklagte wurde darum gebeten, die Berechnung darzulegen und die gesetzlichen Grundlagen für die Berechnung mitzuteilen.
Wegen einer Berechnungsänderung in Bezug auf die familienversicherten Kinder änderten Beklagte und Pflegekasse die Beitragsbemessung mit Bescheid vom 13.02.2017 rückwirkend ab dem 01.01.2017 und erhoben einen geringfügig niedrigeren Gesamtbetrag von 245,16 € (Krankenversicherung: 204,83 €; Pflegeversicherung: 40,33 €).
Im Schreiben vom 14.02.2017 erteilte die Beklagte einen Hinweis zur Beitragsberechnung. Sie gab an, dass die Beitragsbemessung auf Grundlage des § 240 Abs. 1 SGB V in Verbindung mit den Einheitlichen Grundsätzen zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) erfolge. Grundsätzlich sei dabei die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Hierzu gehöre auch das Familieneinkommen. Ob das Mitglied über eigene Einnahmen verfüge, sei unerheblich. Nach den Bestimmungen des § 2 Abs. 4 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler würden sich die beitragspflichtigen Einnahmen aus den eigenen Einnahmen des Mitglieds und denen des Ehe- oder Lebenspartners zusammensetzen, wenn er nicht einer Krankenkasse im Sinne des § 4 Abs. 2 SGB V angehöre. Die Beitragseinstufung der Klägerin erfolge seit dem 01.12.2015 auf Grundlage der Nachweise und Angaben zum Umfang der selbstständigen Tätigkeit als nicht hauptberuflich Selbstständige. Auf den weiteren Inhalt des Schreibens - insbesondere die Einstufungsmodalitäten und die zitierten Entscheidungen des Bundessozialgerichts wird Bezug genommen (Bl. 25 der Verwaltungsakte).
Am 13.07.2017 setzte die Beklagte - wiederum auch im Namen der Pflegekasse - für den Zeitraum ab 01.07.2017 die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung fest. Es ergab sich ein monatlicher Gesamtbeitrag von 236,24 € (Bl. 76 der Verwaltungsakte); mit Bescheid vom 20.12.2017 wurde schließlich ein monatlicher Beitrag in Höhe von insgesamt 233,76 € ab 01.01.2018 vorläufig erhoben (Bl. 97 der Verwaltungsakte).
Bereits am 20.07.2017 hatte die Klägerin zusätzlich Widerspruch gegen die Beitragsbescheide ab Juni 2015 erhoben und die Prüfung einer Kostenerstattung beantragt. Hierzu hatte ihr die Beklagte mitgeteilt, dass sie den Widerspruch als Überprüfungsantrag werte und eine Entscheidung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zurückstelle. Mit Schreiben vom 12.02.2018 gab die Pflegekasse gegenüber der Klägerin bekannt, dass sie davon ausgehe, dass sich der Widerspruch auch gegen die Beitragsfestsetzung zur Pflegeversicherung richten würde. Ein gesondertes Widerspruchsverfahren würde deswegen aber nicht durchgeführt werden. Sie sichere aber zu, dass das Ergebnis des Verfahrens in Bezug auf die Krankenversicherung auch für die Beiträge zur Pflegeversicherung umgesetzt würde.
Mit Bescheid vom 04.04.2018 erteilte die Beklagte einen Widerspruchsbescheid. Sie begründete ihre Entscheidung damit, dass die KVB nicht zu den Krankenkassen im Sinne des § 4 SGB V gehöre. Das Bundessozialgericht habe in der Entscheidung vom 12.01.2011 (Az. B 12 KR 11/09 R) klargestellt, dass es sich bei der KVB um ein Sondersystem handele, das weder der privaten noch der gesetzlichen Krankenversicherung zuzurechnen sei, so dass die Einnahmen des Ehemannes als Familieneinkommen bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigen sei.
Unter dem 20.04.2018 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Fulda. Sie hält an ihrer Auffassung in Bezug auf die Zuordnung der KVB zum Kreis der gesetzlichen Krankenversicherung fest.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 04.01.2017 in der Fassung des Bescheides vom 13.02.2017 sowie den Bescheid vom 13.07.2017 und den vorläufigen Bescheid vom 20.12.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2018 aufzuheben, soweit bei der Beitragsbemessung das Einkommen des Ehemannes der Klägerin mit einbezogen worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf den Inhalt ihres Verwaltungsvorgangs, insbesondere auf den Widerspruchsbescheid vom 04.04.2018.
Auf den weiteren Inhalt der Akten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, wird vollumfänglich Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, soweit sich die Klägerin gegen die Bemessung der Beiträge zur Krankenversicherung für den Zeitraum vom 01.01.2017 bis zum 30.09.2018 wehrt. In Bezug auf die Beiträge zur Pflegeversicherung ist das Vorverfahren nicht abgeschlossen. Den Antrag auf Überprüfung der Beitragsbescheide zur Kranken- und Pflegeversicherung und Kostenerstattung für den Zeitraum vom 01.01.2015 bis zum 31.12.2016 haben Beklagte und Pflegekasse noch gar nicht beschieden.
Statthafte Klageart ist die Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Gegenstand des Widerspruchsbescheides ist nicht nur der Bescheid vom 04.01.2017, gegen den der Ehemann der Klägerin Widerspruch erhoben hat, sondern ebenso die Bescheide vom 13.02.2017, 13.07.2017 und der vorläufige Bescheid vom 20.12.2017 gemäß § 86 SGG. Danach wird ein neuer Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens, wenn der (ursprüngliche) Verwaltungsakt während des Vorverfahrens abgeändert wird. Eine Abänderung setzt voraus, dass sich die Regelungsbereiche der Verwaltungsakte zumindest teilweise überschneiden. Der abändernde Bescheid muss den Verfügungssatz des ursprünglichen Bescheides modifizieren (juris-PK-Senger, SGG, Stand: 25.04.2019, § 86, Rn. 17). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Kennzeichnend für die vorgenannten Verwaltungsakte ist ihre Dauerwirkung. Sie erschöpfen sich nicht in einem einmaligen Ge- oder Verbot oder in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage, sondern entfalten Wirkung über die Zeitpunkte ihrer Bekanntgabe beziehungsweise Bindungswirkung hinaus (Hauck/Noftz-Merten, SGB X, Werksstand 11/18, § 48, Rn. 14). So haben die einzelnen Beitragsbescheide solange Gültigkeit, bis sie durch den jeweiligen Folgebescheid (für die Zukunft) abgeändert werden. Abhängig von der Höhe des festgesetzten Beitrages wird die belastende Wirkung der angefochtenen und nach § 86 SGG einbezogenen Verwaltungsaktes dann verstärkt oder verringert. Das gilt auch für den Bescheid vom 13.02.2017, der den angefochtenen Bescheid vom 04.01.2017 allerdings nicht nur teilweise verändert, sondern vielmehr vollständig an dessen Stelle tritt und ihn damit ersetzt. Die Ersetzung gilt als radikalste Form der Abänderung (jurisPK-Senger, a.a.O., Rn. 18).
Unschädlich ist, dass per E-Mail Widerspruch eingelegt worden ist, obgleich der Widerspruch gemäß § 84 Abs. 1 S. 1 SGG schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen ist, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Denn mit der sachlichen Entscheidung wird nicht nur eine Fristverletzung geheilt, sondern auch ein formunwirksam erhobener Widerspruch, wenn der Widerspruch weder durch einen Dritten eingelegt worden ist noch der Verwaltungsakt einen Dritten begünstigt hat (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 84, Rn. 7) und an der Identität und Authentizität des Widersprechenden im Zeitpunkt der Sachentscheidung keine Zweifel mehr bestehen (jurisPK-Gall, SGG, Stand: 15.07.2017, § 84, Rn. 35). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, obgleich das Widerspruchsverfahren zunächst maßgeblich von dem Ehemann der Klägerin initiiert worden ist: „[…] hiermit legen wir Einspruch gegen die Berechnung des Krankenkassenbeitrages meiner Ehefrau […] ein“ (Bl. 16 der Verwaltungsakte). Er ist hier aber nicht als Dritter aufgetreten, sondern als Vertreter der Klägerin. Im Übrigen gebietet auch die Einbeziehung der Änderungsbescheide nach § 86 SGG eine sachliche Entscheidung über das gegen den ursprünglichen Verwaltungsakt (formunwirksam) eingeleitete Widerspruchsverfahren (vgl. jurisPK-Gall, a.a.O., Rn. 46).
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Beitragsbescheide sind nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat das Einkommen des Ehemannes zu Recht bei der Beitragsbemessung der Klägerin während des Bestehens der freiwilligen Mitgliedschaft berücksichtigt. Gemäß § 240 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) V wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Dabei ist nach § 240 Abs. 1 S. 2 HS 1 SGB V sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Auf Grundlage dieses Regelungsauftrags hat der Spitzenverband Bund der Krankenkassen „Einheitliche Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler)“ geschaffen. Diese Grundsätze stellen verbindliche untergesetzliche Normen dar, die über bloßes Verwaltungsbinnenrecht hinausgehen (jurisPK-Padé, SGB V, Stand: 17.12.2020, § 240, Rn. 28). § 240 Abs. 5 SGB V gestattet bei der Beitragsberechnung freiwilliger Mitglieder die Berücksichtigung von Einkommen des Ehegatten oder Lebenspartnern, die nicht einer Krankenkasse nach § 4 Abs. 2 SGB V angehören. Hierzu zählen die Allgemeinen Ortskrankenkassen, Betriebskrankenkassen, Innungskrankenkassen, die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau als Träger der Krankenversicherung der Landwirte, die Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See als Träger der Krankenversicherung (Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See) und Ersatzkassen. § 2 Abs. 4 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler vollzieht diese Möglichkeit nach und bestimmt im Einzelnen die Zusammenrechnung der Einnahmen des Partners mit denjenigen des freiwillig versicherten Mitglieds. Der Ehemann der Klägerin ist in der Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten (KVB) versichert. Diese Versorgung gehört gerade nicht zu den in § 4 Abs. 2 SGB V gelisteten Kassenarten. Die Auffassung der Klägerin, die KVB sei der gesetzlichen Krankenversicherung gleichzustellen beziehungsweise ihr zuzuordnen, weil sie wie die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 4 Abs. 1 SGB V eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, ist unzutreffend. Das gilt auch vor dem Hintergrund, dass der Ehemann der Kläger dorthin Beiträge zu entrichten hat.
Denn mit der abschließenden Aufzählung der in § 4 Abs. 2 SGB V genannten Kassenarten hat der Gesetzgeber entschieden, an den historisch gewachsenen Organisationsstrukturen des deutschen Gesundheitswesens festzuhalten und die gesetzliche Krankenversicherung (nur) von Krankenkassen der traditionellen Kassenarten durchführen zu lassen (jurisPK-Krasney, SGB V, Stand: 15.06.2020, § 4, Rn. 20). So heißt es in dem Entwurf des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen vom 03.05.1988 (Gesundheits-Reformgesetz — GRG) zu § 4 Abs. 1 und Abs. 2 SGB V: „Die Vorschrift beschreibt die organisatorischen Grundstrukturen des gegliederten Systems der GKV mit seiner historisch gewachsenen Gliederung in sieben Kassenarten. Diese Gliederung wird aufrechterhalten. Die Reform erteilt einer Einheitskrankenversicherung und einem staatlichen Gesundheitsdienst eine Absage und bekräftigt das Gestaltungsprinzip“ (BT-Drs. 11/2237, S. 158). Ein redaktionelles Versehen ist ausgeschlossen, zumal die Vorschrift seit ihrem Inkrafttreten am 01.01.1989 zahlreiche Änderungen erfahren hat.
Nicht zuletzt zeigt § 362 SGB V - eingefügt erst durch das Gesetz zum Schutz elektronischer Patientendaten in der Telematikinfrastruktur (Patientendaten-Schutz-Gesetz- PDSG) vom 14. Oktober 2020, in Kraft getreten am 20.10.2020 -, dass der Gesetzgeber die KVB nicht dem Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung zugeordnet wissen wollte. Die Regelung ordnet im Zusammenhang mit der Nutzung der elektronischen Gesundheitskarte die entsprechende Anwendung von SGB V-Normen für Versicherte von Unternehmen der privaten Krankenversicherung, der Postbeamtenkrankenkasse, der Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten, für Polizeivollzugsbeamte der Bundespolizei oder für Soldaten der Bundeswehr an. Die Anordnung wäre entbehrlich, wenn die KVB zur gesetzlichen Krankenversicherung gehören würde. Eine vergleichbare Regelung hat § 291a SGB V in der bis zum 19.10.2020 geltenden Fassung enthalten.
Die Aufzählung der verschiedenen „Versorgungsarten“ macht zwar zugleich deutlich, dass die KVB auch keine private Krankenversicherung ist. Eine Zuordnung zur gesetzlichen Krankenversicherung lässt sich daraus aber nicht herleiten. Letztendlich handelt es sich bei der KVB schlichtweg um ein Sondersystem (vgl. Urteil des BSG vom 21.01.2011, Az. B 12 KR 11/09 R, Rn. 20, zitiert nach juris) mit der Folge, dass das Einkommen des Ehemannes der Klägerin gemäß § 2 Abs. 4 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler bei der Beitragsbemessung berücksichtigungsfähig ist. Die Berechnung selbst ist zu keinem Zeitpunkt in Abrede gestellt worden und damit zwischen den Beteiligten unstreitig. Das hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Gerichts hin noch einmal bekräftigt (Bl. 53 der Gerichtsakte).
Die Klage ist nach alledem abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG.