I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind nicht zu erstatten.
T a t b e s t a n d :
Die Klägerin macht die Übernahme von Bestattungskosten für ihre verstorbenen Mutter, Frau O., geltend.
Die 1969 geborene Klägerin bezieht Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel SGB XII.
Am 19. Mai 2019 verstarb die in M1.-Stadt lebende Mutter der Klägerin. Sie hinterließ als Angehörige ihren Ehemann sowie die Klägerin und den in der Ukraine lebenden Bruder (geb. 1962) der Klägerin. Sowohl die Verstorbene als auch der Ehemann waren ukrainische Staatsbürger.
Die Verstorbene hatte zusammen mit ihrem Ehemann seit Januar 2019 Leistungen nach dem SGB XII (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel SGB XII und Hilfe zur Pflege) vom Bezirk Oberbayern erhalten.
Die Klägerin beauftragte am 20. Mai 2019 die israelitische Kultusgemeinde mit der Bestattung ihrer Mutter und trat einen eventuellen Anspruch auf Leistungen nach § 74 SGB XII an die Kultusgemeinde ab. Zugleich wurde die Kultusgemeinde auch bevollmächtigt, einen Antrag auf Leistung nach § 74 SGB XII beim Träger zu stellen, sowie beauftragt, falls eine Abtretung ausscheide, den Anspruch im Namen der Klägerin geltend zu machen. Diese Unterlagen samt einer Rechnung vom 31. Juli 2019 über 8750 € für die Bestattung übermittelte die Kultusgemeinde am 31. Juli 2019 an die Beklagte (Eingang dort am 2. August 2019).
Am 2. August 2019 stellte auch der Ehemann der Verstorbenen und Vater der Klägerin einen Antrag auf Übernahme der Kosten der Bestattung. Am 21. September 2019 erweiterte der Ehemann den Antrag um die Kosten für ein Grabmal (Angebot der S. vom 17. September 2019 über 3300 €). Am 23. November 2019 verstarb der Vater der Klägerin jedoch. Am 17. Januar 2020 (notariell beglaubigt) hat die Klägerin die Erbschaft nach ihrem Vater ausgeschlagen.
Die Beklagte stellte mit Schreiben vom 29. Januar 2020, gerichtet an die israelitische Kultusgemeinde, das vom Ehemann der Verstorbenen eingeleitete Antragsverfahren (Bestattungskosten der Ehefrau) ein.
In der Folge (Eingang bei der Beklagten am 8. September 2020) übermittelte die Klägerin eine notariell beglaubigte Erklärung vom 4. September 2020, gerichtet an das Amtsgericht M2.-Stadt, wonach sie und ebenso ihr volljähriger Sohn, das Erbe nach ihrer Mutter aus jedem Berufungsgrund ausschlagen. Des Weiteren legte sie auch eine notariell beglaubigte Erklärung (vom 3. September 2020) des in der Ukraine lebenden Bruders vor, wonach auch dieser auf das Erbe nach seiner Mutter verzichtet.
Eine Sachstandsanfrage der israelitischen Kultusgemeinde M3.-Stadt (5. Oktober 2020) beantwortete die Beklagte mit Schreiben vom 8. Oktober 2020 damit, dass im Falle der verstorbenen Frau O. keine Bestattungskosten geleistet würden, weil der alleinige Anspruchsinhaber, der Ehemann, am 23. November 2019 verstorben ist. Ein Sozialhilfeanspruch sei nicht vererbbar. Das Verfahren werde eingestellt. Dieses Schreiben erhielt die Klägerin im Abdruck zur Kenntnis (26. Oktober 20120).
Am 19. November 2020 bestellte sich der Prozessbevollmächtigte. Das der Klägerin übermittelte Schreiben an die Kultusgemeinde sei als Ablehnung des Antrags auf Kostenerstattung zu werten. Dagegen lege die Klägerin Widerspruch ein. Auch ein Sozialhilfeanspruch sei vererbbar, wenn der Hilfebedürftige den Bedarf mit Hilfe eines im Vertrauen auf die spätere Bewilligung vorleistenden Dritten gedeckt habe. Im hiesigen Falle sei daher eine Ausnahme vom Grundsatz der Unvererbbarkeit eines Sozialhilfeanspruchs zu machen. Daneben sei die Klägerin ohnehin auch ordnungsrechtlich zur Bestattung verpflichtet gewesen und ihre Bitte auf Übernahme der Beerdigungskosten sei als Antrag zu werten.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 12. Januar 2021 als unbegründet zurückgewiesen. Allein der Ehemann der Verstorbenen sei verpflichtet gewesen, die Kosten der Bestattung seiner Ehefrau, der Mutter der Klägerin zu tragen. Dieser Anspruch sei aber mit dem Tod des Vaters der Klägerin untergegangen.
Dagegen richtet sich die Klage vom 11. Februar 2021. Die Klägerin sei hilfebedürftig im Sinne des SGB XII, weshalb es für sie nicht zumutbar sei, die Bestattungskosten zu tragen. Sowohl in eigener Person, als auch in der Person des Vaters, in dessen Bestattungspflicht sie nachgerückt sei, sei ein Anspruch auf Übernahme der Beerdigungskosten erfüllt.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 26. Oktober 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberbayern vom 12. Januar 2021 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Bestattungskosten für die Bestattung der Frau O. in Höhe von 8750 € sowie die Kosten für den Grabstein in Höhe von 3300 € zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält ihre Entscheidung für richtig und verweist zur Begründung auf den Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 12. Januar 2021.
Das Gericht hat die Verwaltungsakte des Beklagten beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird hierauf, sowie auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung und ohne die Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Gerichtsbescheid, da der Sachverhalt geklärt ist und die Sache keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art aufweist. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden (§ 105 SGG).
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 iVm Abs. 4, § 56 SGG zulässig. Der Anspruch auf "Übernahme" der Bestattungskosten iS von § 74 SGB XII richtet sich auf Zahlung der erforderlichen Bestattungskosten an den Leistungsempfänger. Eine Beiladung des bzw. der Bestattungsunternehmen gem. § 75 SGG war somit nicht geboten.
Klagegegenstand (§ 95 SGG) ist der Bescheid der Beklagten vom 26. Oktober 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von Oberbayern vom 12. Januar 2021. Streitig ist somit ein Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten für die Frau O., die Mutter der Klägerin, in Höhe von insgesamt 12.050 € (Bestattungskosten der Kultusgemeinde i.H.v. 8750 € und der Kosten für ein Grabmal i.H.v. 3300 €).
1. Ein Anspruch der Klägerin als Rechtsnachfolgerin ihres Vaters scheidet aus.
Ob ein - unterstellter - Anspruch des Vaters aus § 74 SGB XII im Wege der Erbfolge auf die Klägerin übergegangen wäre, kann offenbleiben. Die Klägerin hat das Erbe ihres Vaters ausgeschlagen. Ein Anspruch auf Kostenübernahme aufgrund von erbrechtlicher Rechtsnachfolge scheidet somit ohne weiteres aus.
Ein eventueller Kostenerstattungsanspruch des Vaters der Klägerin ist auch nicht im Wege der Sonderrechtsnachfolge (§§ 56, 57 SGB I) auf sie übergegangen, denn bei dem Anspruch aus § 74 SGB XII handelt es sich um eine einmalige Geldleistung. Eine Sonderrechtsnachfolge nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB I findet aber nur bei laufenden Geldleistungen statt.
2. Auch ein Anspruch aus eigenem Recht besteht nicht.
Ein Anspruch aus eigenem Recht gem. § 74 SGB XII setzt voraus, dass die Klägerin zur Tragung der Kosten der Bestattung verpflichtet war.
Da Gegenstand des Anspruchs nach § 74 SGB XII nicht die Bestattung als solche, sondern der Kostenersatz im Zeitpunkt des Fälligwerdens der jeweiligen Verpflichtungen (vgl. BSG vom 25.8.2011 - B 8 SO 20/10 R = BSGE 109, 61 = SozR 4-3500 § 74 Nr 2 und vom 4.4.2019 - B 8 SO 10/18 R = SozR 4-3500 § 74 Nr 3), ist folglich maßgeblich, ob zum Zeitpunkt des Fälligwerdens der Zahlverpflichtungen (hier: 31. Juli 2019 in Höhe von 8750 € und nach dem 17. September 2019 für ein Grabmal 3300 €) Für die Klägerin eine Stellung als Verpflichtete im Sinne des § 74 SGB XII gegeben ist.
Wann eine Verpflichtung im Sinne von § 74 SGB XII vorliegt, ist in der Vorschrift selbst nicht geregelt; sie kann sich aus erbrechtlichen (§ 1968 BGB), familienrechtlichen (§§ 1360a Abs. 3, 1361 Abs. 4, 1615 Abs. 2, 1615m BGB) und bestattungsrechtlichen Vorschriften (BayBestG i.V.m. BayBestV) ergeben; ggf. kommen auch bestimmte vertraglichen Verpflichtungen in Frage.
a) Vertragliche Verpflichtungen sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Die (zivilrechtliche) Beauftragung des Bestattungsunternehmens, hier der israelitischen Kultusgemeinde und der Steinmetzfirma, gehört nicht zu den Verpflichtungen, die eine Bestattungspflicht im Sinne des § 74 SGB XII begründen (vgl. dazu Siefert in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 74 SGB XII Rnr. 24 - Stand: 07.05.2020).
b) Auch eine erbrechtliche Bestattungspflicht liegt nicht vor. Die Klägerin ist nicht Erbin nach ihrer Mutter geworden und war daher auch nicht nach erbrechtlichen Vorschriften
(§ 1968 BGB) verpflichtet, die Bestattungskosten der Mutter zu tragen.
Vorliegend kommt trotz der ukrainischen Staatsbürgerschaft der Verstorbenen deutsches Erbrecht zur Anwendung. Dies ergibt aus Art. 22 EU-Erbrechtsverordnung Nr.: 650/2012 und aus Art. 70 des Gesetzes der Ukraine "Über das Internationale Privatrecht". Soweit danach die Erblasserin keine Rechtswahl zu Gunsten ihres Heimatrechts getroffen hat, kommt das Recht des letzten ständigen Aufenthalts, hier also deutsches Recht zur Anwendung.
Zwar sieht die gesetzliche Erbfolge in §1924 BGB vor, dass die Klägerin als Tochter Erbin der ersten Ordnung (§ 1924 BGB) ist und damit neben ihrem zu diesem Zeitpunkt noch lebenden Vater, Miterbin geworden wäre. Die Klägerin hat jedoch am 4. September 2020 - trotz Hinweisen der Beklagten, dass eine Kostenübernahme in Frage kommt, wenn der Erbgang nachgewiesen wird (Schreiben vom 6. März 2020 und vom 22. Juli 2020) - die Erbschaft der Verstorbenen ausgeschlagen. Dies haben mit Ausnahme des Ehemanns der Verstorbenen alle als gesetzliche Erben in Betracht kommenden Angehörigen getan.
Folge der Ausschlagung ist jeweils, dass der Erbanfall als nicht erfolgt gilt (§ 1953 Abs. 1 BGB) und damit das Erbe demjenigen anfällt, welcher berufen sein würde, wenn die Ausschlagenden zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätten; der Anfall gilt als mit dem Erbfall erfolgt (§ 1953 Abs. 2 Satz 1 BGB). Im Ergebnis ist somit der Vater der Klägerin mit dem Tod seiner Frau deren Alleinerbe geworden. Eine erbrechtliche Verpflichtung der Klägerin, auf die ein Anspruch aus § 74 SGB XII gestützt werden könnte, besteht daher nicht.
c) Auch eine im Landesrecht enthaltene ordnungsrechtliche Verpflichtung der Klägerin im Sinne des § 74 SGB XII bestand nicht.
Die in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BestG geregelte Verpflichtung, für die Bestattung eines Verstorbenen zu sorgen, obliegt gemäß Art. 15 Abs. 1 und 2 BestG i.V.m. § 15 BestV den in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BestV genannten Angehörigen. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a und b BestV gehören zu den bestattungspflichtigen Angehörigen der Ehemann (Buchstabe a) und die Kinder (Buchstabe b) des Verstorbenen. Nach Art. 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 BestG und § 15 Satz 2 BestV ist insoweit aber eine Reihenfolge unter den Bestattungspflichtigen vorgegeben, die sich aus dem Grad der Verwandtschaft ergibt (BayVGH, B.v. 10.10.2016 - 4 ZB 16.1295 - juris Rn. 10).
Anknüpfend hieran ist nur der nach Bestattungsrecht vorrangig verpflichtete auch Verpflichteter i.S. des § 74 SGB XII; denn Verpflichteter im Sinne des § 74 SGB XII ist nur derjenige, der einer Kostenlast von vornherein nicht ausweichen kann, weil sie ihn rechtlich notwendig trifft (so BSG, Urteil vom 11. September 2020 - B 8 SO 8/19 R -, SozR 4-3500 § 74 Nr 4; BSG vom 28.8.2011 - B 8 SO 20/10 R - BSGE 109, 61 = SozR 4-3500 § 74 Nr. 2, RdNr. 17; BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 23/08 R - BSGE 104, 219 = SozR 4-3500 § 74 Nr. 1, RdNr. 13). Zur Tragung der Bestattungskosten ist bei bestattungsrechtlicher Rangfolge daher nur der vorrangig Bestattungspflichtige verpflichtet, nicht der lediglich nachrangig Verpflichtete; dies gilt auch, wenn die nach Bestattungsrecht lediglich nachrangig verpflichtete Person tatsächlich das Bestattungsunternehmen beauftragt hat.
(LPK-SGB XII/Uwe-Dietmar Berlit, 12. Aufl. 2020, SGB XII § 74 Rn. 6).
Diese Voraussetzung - vorrangige bestattungsrechtliche Verpflichtung- liegt im Fall der Klägerin nicht vor. Auf der Ebene des Ordnungsrechts war der Vater der Klägerin vorrangig verpflichtet (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a i.V. Abs. 2 BestVO), die Bestattung zu besorgen.
Daran hat sich auch nach dem Tod des Vaters nichts geändert. Die ordnungsrechtliche Bestattungspflicht endet mit der vollzogenen Bestattung, namentlich der Beisetzung des Leichnams oder der Asche in der durch das jeweilige Bestattungsrecht vorgesehenen Weise. Die Beisetzung der Mutter der Klägerin ist am 22. Mai 2019 erfolgt, wie aus der Rechnung der israelitischen Kultusgemeinde vom 31. Juli 2019 hervorgeht. Damals lebte der erst am 23. November 2019 verstorbene Vater der Klägerin noch. Gleiches gilt für die Rechnung / Angebot der Firma S. vom 17. September 2019, wobei die Kammer insoweit der Auffassung ist, dass die Anschaffung und Aufstellung eines Grabmals ohnehin nicht mehr dem öffentlich-rechtlichen Gefahrenabwehrtatbestand der Bestattungspflicht zuzurechnen ist. Dies gilt umso mehr, als nach der Beerdigungs- und Friedhofsordnung der israelitischen Kultusgemeinde M3.-Stadt (11. April 2005), dort Abschnitt VI, Grabmale und Einfassungen überhaupt nur nach vorheriger Genehmigung zulässig sind.
Auch ordnungsrechtlich war die Klägerin daher nicht zur Bestattung verpflichtet.
Im Ergebnis ergibt sich somit, dass die Klägerin nicht zur Bestattung im Sinne des § 74 SGB XII verpflichtet war und ein Anspruch auf Kostenübernahme ausscheidet.
Die Kostenentscheidung folgt aus 193 SGG.
Gegen diesen Gerichtsbescheid besteht die Möglichkeit der Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht nach Maßgabe der unten angeführten Rechtsbehelfsbelehrung (§§ 105 Abs. 2, 143, 144 SGG).