Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 22.04.2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) der Klägerin streitig.
Die im Jahr 1969 geborene Klägerin beantragte am 10.12.2015 unter Vorlage diverser ärztlicher Unterlagen beim Beklagten die Feststellung ihres GdB sowie einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr (Merkzeichen G). Der Beklagte holte den Befundbericht des behandelnden Orthopäden Dr. Dr. S vom 16.12.2015 ein. Dr. K berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 18.01.2016 eine Funktionsbehinderung beider Kniegelenke (links operiert) mit einem Einzel-GdB von 20, degenerative Veränderungen und eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit einem Einzel-GdB von 10 sowie eine Bewegungsstörung des linken Hüftgelenks (Bursitis trochanterica) mit keinem Einzel-GdB von mindestens 10 und bewertete den Gesamt-GdB mit 20. Daraufhin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 19.01.2016 den GdB der Klägerin mit 20 seit 10.12.2015 fest und lehnte die Feststellung gesundheitlicher Merkmale als Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen ab.
Hiergegen legte die Klägerin am 16.02.2016 Widerspruch ein, führte unter Hinweis auf ihre Beeinträchtigungen aufgrund der Funktionsstörungen am Bewegungsapparat aus, die Knieerkrankung sei mit einem Einzel-GdB von 50 bis 60 zu bewerten und der Gesamt-GdB sei auf 60 bis 70 zu erhöhen, und reichte weitere ärztliche Unterlagen ein.
Der Beklagte zog die Befundberichte der Gelenk-Klinik G vom 21.01.2016 und vom 24.06.2016 sowie den Entlassungsbericht der S-Klinik Orthopädie K vom 20.07.2016 über die medizinische Rehabilitationsmaßnahme vom 27.06.2016 bis zum 18.07.2016 bei. Dr. F berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 13.10.2016 als Funktionsbeeinträchtigungen eine Funktionsbehinderung beider Kniegelenke (links operiert) mit einem Einzel-GdB von 20 und degenerative Veränderungen und eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sowie ein chronisches Schmerzsyndrom mit einem Einzel-GdB von 20 und bewertete den Gesamt-GdB unter Hinweis auf die in den Befundberichten durchgängig angegebenen Schmerzen und trotz eher geringer funktioneller Beeinträchtigungen mit 30.
Der Beklagte stellte mit Teilabhilfebescheid vom 19.10.2016 den GdB mit 30 seit 10.12.2015 fest und lehnte erneut die Feststellung gesundheitlicher Merkmale (Merkzeichen) ab.
Die Klägerin hielt ihren Widerspruch unter Vorlage des Befundberichtes des Instituts für diagnostische Radiologie F1 über eine am 17.11.2016 gefertigte MRT-Aufnahme der Halswirbelsäule (HWS) aufrecht. Dr. F bestätigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 10.01.2017 die bisherige Bewertung des Gesamt-GdB. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 31.01.2017 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 28.02.2017 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und zunächst die Feststellung eines GdB von mindestens 60 sowie sodann unter dem 22.05.2017 die Zuerkennung des Merkzeichens G begehrt. Sie hat Befundberichte der Gelenk-Klinik G vom 12.01.2017 und vom 06.02.2017 vorgelegt. Weiterhin sind zur Akte gelangt der Befundbericht des Radiologen Dr. J über eine am 21.01.2016 gefertigte MRT-Aufnahme der Lendenwirbelsäule (LWS) und der Operationsbericht der Praxisklinik Z Orthopädie über die am 31.01.2017 durchgeführte percutane Nucleotomie und Nucleoplastie C5/6 und C6/7.
Sodann hat das SG von Amts wegen das Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. R eingeholt, das dieser nach ambulanter Untersuchung der Klägerin (03.08.2018) am 24.08.2018 erstellt hat. Der Sachverständige hat als Diagnosen eine beginnende Varusgonarthrose des rechten Kniegelenks (Stadium Kellgren 1) mit Knorpelveränderung auf der Kniescheibenrückfläche (Chondromalazie Grad II-IV), eine Varusgonarthrose des linken Kniegelenks (Stadium Kellgren 3) mit einer Arthrose der Kniescheibenrückfläche (Chondromalazie Grad II-III) bei Zustand nach Knorpelzelltransplantation, eine Instabilität des linken Kniegelenks bei Zustand nach dreimaliger vorderer Kreuzbandplastik, ein degeneratives Zervikalsyndrom mit zeitweise auftretenden Nervenwurzelreizsymptomen, ein degeneratives Lumbalsyndrom, derzeit ohne Zeichen einer Nervenwurzelreizsymptomatik und eine Ansatztendinose des Musculus gluteus minimus im Bereich des Trochanter major der linken Hüfte aufgeführt. Dr. R hat die Funktionsbehinderung der Kniegelenke mit einem Einzel-GdB von 30, die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit einem Einzel-GdB von 20, die Funktionsbehinderung des linken Hüftgelenks mit einem Einzel-GdB von unter 10 und den Gesamt-GdB mit 40 bewertet. Hiermit werde die aktuelle Situation insbesondere vor dem Hintergrund der seit Jahren bestehenden, immer wieder und insbesondere an den Kniegelenken auftretenden Schmerzen hinreichend gewürdigt. Ein GdB von mindestens 50 sei nicht zu vertreten und die Zuerkennung des Merkzeichens G sei nicht begründet.
Die Klägerin ist dieser Bewertung entgegengetreten und hat darauf hingewiesen, die gutachterliche Untersuchung habe während eines beschwerdefreien Intervalls stattgefunden. Während Dr. R eine Röntgenaufnahme der linken Hüfte vom 13.07.2018 als regelrechten und altersgemäßen Befund angesehen habe, habe ihr behandelnder Orthopäde Dr. K2 anhand dieser Aufnahme eine Hüftdysplasie mit kritischer Überdachung linksseits sowie eine sich linksseitig entwickelnde Arthrose festgestellt. Die von Dr. R festgestellte haltungsbedingte muskuläre Fehlbelastung, die dieser auch auf die einseitige berufliche Belastung mit überwiegendem Sitzen (Schreibtischtätigkeit) zurückgeführt habe, sei trotz regelmäßiger Physiotherapie, Rückentraining und Ausgleichsgymnastik nicht zu beseitigen. Da sämtliche Beeinträchtigungen durchweg linksseitig stärker ausgeprägt seien, wirkten sich diese Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Summe besonders nachteilig aus, was bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen sei.
Dr. J1 hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 17.01.2019 als Behinderungen eine Funktionsbehinderung beider Kniegelenke (links operiert) und Knorpelschäden an beiden Kniegelenken mit einem Einzel-GdB von 30 und degenerative Veränderungen und eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sowie ein chronisches Schmerzsyndrom mit einem Einzel-GdB von 20 berücksichtigt und den Gesamt-GdB mit 30 beurteilt.
Das SG hat sodann den Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. K2 von der Praxisklinik Z Orthopädie schriftlich als sachverständigen Zeugen angehört. Dieser hat am 15.08.2019 mitgeteilt, die Klägerin erstmals am 19.01.2017 und zuletzt am „25.06.2019“ behandelt zu haben. Dr. K2 hat über Schmerzen der Klägerin an der HWS mit Ausstrahlung in den zweiten Finger links, Dysästhesien des Dermatoms links C6, einen lokalen Druckschmerz über Neuroforamen C5-6-7 ohne sensomotorische Ausfälle, Kopfschmerzen zum Teil mit Schwindel und muskuläre Verspannungen berichtet und mitgeteilt, es sei ein Aufbautraining durch Gymnastik, Fascientraining und Krankengymnastik verordnet worden. Durch intensive Physiotherapie und die zeitweise Einnahme von Ibuprofen seien die Beschwerden gelindert worden, die teilweise Ausstrahlung in die Hand sei deutlich besser geworden, die Sensibilitätsstörungen seien rückläufig und bei der letzten Untersuchung am „25.07.2019“ seien die Kopfschmerzen über einen längeren Zeitraum von vier Wochen nicht mehr aufgetreten. Nach der Operation sei es zu einer Verschlechterung gekommen, die sich durch intensive Physiotherapie allmählich gebessert habe. Die anschließende Osteopathie habe noch einmal einen deutlichen Fortschritt gezeigt und dieser Prozess habe sicher bis zum Mai 2019 gedauert. Eine vollständige Beschwerdefreiheit sei dennoch nicht gegeben.
Dr. H hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 11.02.2020 den Einzel-GdB von 20 für die Wirbelsäule und den Gesamt-GdB von 30 bestätigt.
Die Klägerin hat ein Attest der Praxisklinik Z Orthopädie vom 13.02.2020 vorgelegt, in dem als Diagnosen ein Zustand nach Nucleoplastie 2/2017, eine Bandscheibenprotrusion links C6/7 und geringer C5/6 mit Dysästhesien links C6 Dermatom, eine chronische Cervikocephalgia, eine reaktive skoliotische Fehlhaltung, ein Impingement und ein myofasciales Schulter-Nacken-Syndrom sowie Myogelosen genannt werden und die Cervicocephalgie als Ausdruck einer massiven Schmerzchronifizierung der Klägerin beschriebenen wird.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22.04.2020 abgewiesen. Die Klägerin habe weder einen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB noch auf die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens G. Für das Funktionssystem „Beine“ ergebe sich allenfalls ein GdB von 30. Dr. R habe eine Beweglichkeit beider Kniegelenke von 0-0-120° beschrieben. Auch aus dem Befundbericht des Dr. S vom 16.12.2015, den Berichten der Gelenk-Klinik und dem Bericht über das Rehabilitationsverfahren ergäben sich trotz diagnostizierter Gonarthrose ebenfalls keine GdB-relevanten Bewegungseinschränkungen. Zwar seien bei der Klägerin ausgeprägte Knorpelschäden der Kniegelenke in Form einer Chondromalazie Grad II-IV rechts und einer Chondromalazie Grad II-III links radiologisch festgestellt, anhaltende Reizerscheinungen seien jedoch nicht dokumentiert. Trotz der von Dr. S festgestellten Ergussbildungen bzw. Synovialitiden des linken Kniegelenks und der von der Gelenk-Klinik am linken Knie beschriebenen leichten Überwärmung hätten jedoch kein Gelenkerguss und keine Entzündungszeichen festgestellt werden können. Auch aus dem Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik und der Auskunft des sachverständigen Zeugen Dr. K2 ergäben sich keine Anhaltspunkte für anhaltende Reizerscheinungen an den Kniegelenken. Die Beeinträchtigungen an der linken Hüfte führten nicht zu einem GdB von wenigstens 10, da sich im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung klinisch eine uneingeschränkt freie Beweglichkeit gezeigt habe. Zwar habe laut Dr. R die MRT-Aufnahme vom 15.12.2015 eine Ansatztendinose des Musculus gluteus minimus im Bereich des Trochanter major der linken Hüfte gezeigt, hieraus resultierten laut Gutachter jedoch nur leichte, zeitweise auftretende, belastungsabhängige Beschwerden und auch nächtliche Beschwerden beim Liegen auf der linken Körperseite. Auch nach Auskunft des Dr. S habe bei kernspintomographisch nachgewiesener Bursitis trochanterika keine Funktionsbeeinträchtigung des Hüftgelenks bestanden. Für das Funktionssystem „Rumpf“ ergebe sich ein GdB von 20. Nach Angaben des Dr. S seien bei der Klägerin geringfügige degenerative Veränderungen im Bereich der LWS mit nur marginal eingeschränkter Entfaltbarkeit und ohne nervenwurzelbezogene neurologische Ausfälle nachweisbar gewesen. Bei der gutachterlichen Untersuchung durch Dr. R hätten sich nur an der HWS mittelgradige Funktionseinschränkungen gezeigt. Auch Dr. K2 habe über Beschwerden im Bereich der HWS berichtet, wobei sich keine sensomotorischen Ausfälle gezeigt hätten. Die zuletzt im Attest des Dr. K2 vom 13.02.2020 beschriebene massive Schmerzchronifizierung sei im Einzel-GdB miteingeschlossen. Es sei ein Gesamt-GdB von 30 zu bilden, wobei zu berücksichtigen sei, dass der Teil-GdB von 30 für das Funktionssystem „Beine“ eher hoch bemessen und damit nicht voll ausgeschöpft sei. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs G lägen nicht vor.
Gegen den ihr am 05.05.2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 27.05.2020 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Sie hat durch ihre Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom 13.06.2020 vortragen lassen und in der selbst verfassten Stellungnahme vom 22.03.2021 unter Vorlage eines MRT-Befundes des rechten Kniegelenks vom 28.07.2020 sowie eines Sonographie-, Röntgen- und MRT-Befundes des linken Hüftgelenks vom 28.10.2020 ausgeführt, dass ihrer Auffassung nach für die Funktionsstörungen der Kniegelenke ein Einzel-GdB von 40 und für die Funktionsstörungen an der HWS ein Einzel-GdB von 30 gerechtfertigt und unter Berücksichtigung der Funktionsstörungen an der Hüfte der Gesamt-GdB mindestens mit 50 zu bewerten sei.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 22.04.2020 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, unter Abänderung seiner Bescheide vom 19.01.2016 und vom 19.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2017 den GdB mit mindestens 50 ab Antragstellung festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wie dem Gutachten des Dr. R zu entnehmen sei, habe sich während der Untersuchungssituation eine freie Beweglichkeit beider Kniegelenke gezeigt und hätten Reizerscheinungen nicht festgestellt werden können. Ein höherer Teil-GdB als 20 könne unter diesen Gesichtspunkten für die Funktionseinschränkung der Kniegelenke nicht festgestellt werden. Bezüglich der Wirbelsäulenproblematik könne kein höherer Teil-GdB als 20 zuerkannt werden. Schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt oder mindestens mittelgradige funktionelle Auswirkungen im Sinne der Versorgungsmedizinischen Grundsätze hätten sich bei der Klägerin nicht objektivieren lassen.
Der Senat hat von Amts wegen ein Gutachten des Chirurgen und Orthopäden Dr. D eingeholt, das dieser nach ambulanter Untersuchung der Klägerin (05.05.2021) am 15.05.2021 erstellt hat. Der Sachverständige hat auf orthopädischem und unfallchirurgischem Fachgebiet gelegentliche Sensibilitätsstörungen im linken Zeige- und Mittelfinger im Sinne von Kribbelparästhesien entsprechend Dermatom C7 links, eine im Seitenvergleich um 5° verminderte Außenrotationsbeweglichkeit im linken Hüftgelenk (bei 90° gebeugtem Hüftgelenk) und eine muskulär unvollständig kompensierbare vordere Instabilität im linken Kniegelenk beschrieben. Er hat die Einschränkungen in der HWS mit einem Einzel-GdB von 10, die Funktionsstörungen im linken Kniegelenk mit einem Einzel-GdB von 20, die Funktionsstörung im linken Hüftgelenk mit einem Einzel-GdB von 0 und den Gesamt-GdB mit 20 bewertet.
Die Klägerin hat am 23.06.2021 eine selbstverfasste Stellungnahme vorgelegt und sich kritisch zum Gutachten des Dr. D geäußert. Ihre Bevollmächtigte hat am 30.06.2021 noch ausgeführt, den Ausführungen des Dr. D könne insbesondere in Bezug auf die Kniegelenke nicht gefolgt werden, da er Gelenkentzündungen im Knie ausgeschlossen habe, obwohl diese mehrfach ärztlich dokumentiert seien.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte, nach § 151 SGG form- und fristgerechte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist nicht begründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Abänderung des auf die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage der Klägerin im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG ergangenen Gerichtsbescheides des SG vom 22.04.2020 sowie der Bescheide des Beklagten vom 19.01.2016 und vom 19.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2017 sowie die Verurteilung des Beklagten, einen GdB von mindestens 50 ab 10.12.2015 festzustellen. Nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens G. Denn die Klägerin hat mit dem im anwaltlichen Schriftsatz vom 13.06.2020 gestellten Berufungsantrag dieses ursprünglich mit der Klage geltend gemachte Begehren nicht weiterverfolgt.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines GdB von mehr als 30.
Ermächtigungsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Feststellung eines höheren GdB ist § 2 Abs. 1 SGB IX in den bis zum 31.12.2017 und ab dem 01.01.2018 geltenden Fassungen in Verbindung mit § 69 SGB IX in den bis zum 29.12.2016 und 31.12.2017 geltenden Fassungen beziehungsweise in Verbindung mit § 152 Abs. 1 und 3 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung. Im Hinblick auf die den vorliegend zu beurteilenden Zeitraum betreffenden unterschiedlichen Gesetzesfassungen sind diese – da Übergangsregelungen fehlen – nach dem Grundsatz anzuwenden, dass die Entstehung und der Fortbestand des sozialrechtlichen Anspruchs auf Leistungen nach dem Recht zu beurteilen ist, welches zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände jeweils gegolten hat (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 04.09.2013 – B 10 EG 6/12 R, juris, Rn. 36-40; sinngemäß auch BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 9 SB 2/13, juris Rn. 10, 13; Stölting/Greiser in SGb 2015, 135-143).
Nach § 2 Abs. 1 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 2 Abs. 1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung sind Menschen mit Behinderungen Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können, wobei eine Beeinträchtigung in diesem Sinne vorliegt, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.
Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in der bis zum 29.12.2016 geltenden Fassung stellen die für die Durchführung des BVG zuständigen Behörden auf Antrag eines behinderten Menschen in einem besonderen Verfahren das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung gilt ergänzend, dass der GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung festgestellt wird. Als GdB werden dabei nach § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX in der bis zum 29.12.2016 geltenden Fassung, nach § 69 Abs. 1 Satz 5 und 6 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach § 152 Abs. 1 Satz 5 und 6 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung hierbei nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt.
Nach § 70 Abs. 2 SGB IX in der bis zum 29.12.2016 geltenden Fassung wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des GdB und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Nach § 70 Abs. 2 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach § 153 Abs. 2 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung gilt diese Ermächtigung für die allgemeine – also nicht nur für die medizinische – Bewertung des GdB und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen sowie auch für die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit. Zwar ist von dieser Ermächtigung noch kein Gebrauch gemacht worden. Indes bestimmt § 159 Abs. 7 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise § 241 Abs. 5 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung, dass – soweit eine solche Verordnung nicht erlassen ist – die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 17 BVG in der bis zum 30.06.2011 geltenden Fassung beziehungsweise § 30 Abs. 16 BVG in der ab dem 01.07.2011 geltenden Fassung erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten. Mithin ist für die konkrete Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen die ab dem 01.01.2009 an die Stelle der „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz“ (AHP) getretene Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (VersMedV) vom 10.12.2008 (BGBl. I S. 2412), die durch die Verordnungen vom 01.03.2010 (BGBl. I S. 249), 14.07.2010 (BGBl. I S. 928), 17.12.2010 (BGBl. I S. 2124), 28.10.2011 (BGBl. I S. 2153) und 11.10.2012 (BGBl. I S. 2122) sowie die Gesetze vom 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) und 12.12.2019 (BGBl. I S. 2652) geändert worden ist, heranzuziehen. In den VG sind unter anderem die Grundsätze für die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG festgelegt worden. Diese sind nach den VG, Teil A, Nr. 2 auch für die Feststellung des GdB maßgebend. Die VG stellen ihrem Inhalt nach antizipierte Sachverständigengutachten dar. Dabei beruht das für die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe an der Gesellschaft relevante Maß nicht allein auf der Anwendung medizinischen Wissens. Vielmehr ist die Bewertung des GdB auch unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben sowie unter Heranziehung des Sachverstandes anderer Wissenszweige zu entwickeln (BSG, Urteil vom 17.04.2013 – B 9 SB 3/12 R, juris).
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX in den bis zum 29.12.2016 und 31.12.2017 geltenden Fassungen beziehungsweise nach § 152 Abs. 3 Satz 1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Zur Feststellung des GdB werden in einem ersten Schritt die einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen (von der Norm abweichenden) Zuständen nach § 2 Abs. 1 SGB IX und die sich daraus ableitenden, für eine Teilhabebeeinträchtigung bedeutsamen Umstände festgestellt. In einem zweiten Schritt sind diese dann den in den VG genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist dann in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der Gesamt-GdB zu bilden. Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen (sich decken), sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinanderstehen (BSG, Urteil vom 17.04.2013 – B 9 SB 3/12 R, juris). Nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. c ist bei der Bildung des Gesamt-GdB in der Regel von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und sodann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob der Ausgangswert also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen um 10, 20 oder mehr Punkte zu erhöhen ist, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Insoweit führen nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. d, von Ausnahmefällen abgesehen, zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es danach vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Außerdem sind nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. b bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der GdB-Tabelle der VG feste Grade angegeben sind.
Die Bemessung des GdB ist grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe. Dabei hat insbesondere die Feststellung der nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens zu erfolgen (BSG, Urteil vom 17.04.2013 – B 9 SB 3/12 R, juris).
Unter Berücksichtigung der dargelegten Grundsätze hat die Klägerin keinen Anspruch auf die Feststellung eines GdB von mehr als 30.
Die Behinderungen im Funktionssystem „Rumpf“ sind mit keinem höheren Einzel-GdB als 20 zu beurteilen. Der Senat stützt sich hinsichtlich der Befundlage insoweit auf das Gutachten des Dr. D. Aus den vom Sachverständigen angegebenen Bewegungsmaßen für die HWS bei der Vor-/Rückneigung von 50/0/45° (Mindestnormalmaß 50/0/40°, also nicht eingeschränkt), der Seitneigung von 35/0/35° (Mindestnormalmaß 30/0/30°, also im mittleren Normbereich) sowie der Drehung von 60/0/60° (Mindestnormalmaß 60/0/60°, also im unteren Normbereich) und für die Brustwirbelsäule (BWS) und die LWS bei der Seitneigung von 35/0/35° (Mindestnormalmaß 30/0/30°, also im mittleren Normbereich), der Drehung von 30/0/35° (Mindestnormalmaß 30/0/30°, also im unteren bzw. mittleren Normbereich) sowie den Maßen nach Ott von 30/33 cm (Mindestnormalmaß 30/32 cm, also im Normbereich) und Schober von 10/14,5 cm (Mindestnormalmaß 10/15 cm, also um 10% eingeschränkt und einem Finger-Boden-Abstand von 0 cm lassen sich keine funktionellen Auswirkungen in den jeweils in sämtlichen Bewegungsrichtungen frei beweglichen Wirbelsäulenabschnitten HWS und BWS und in der altersentsprechend (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB IX) frei beweglichen LWS ableiten. Dies entspricht auch den von Dr. R anlässlich seiner gutachterlichen Untersuchung vom 03.08.2018 erhobenen Befunden einer völlig uneingeschränkt freien Beweglichkeit von HWS und LWS. Sowohl Dr. D als auch Dr. R haben aufgrund der jeweiligen klinisch-neurologischen Untersuchung aktuell vorhandene, von HWS oder LWS ausgehende Wurzelreizsymptome ausgeschlossen. Eine Versteifung von Wirbelsäulensegmenten im Sinne der VG, Teil B, Nr. 18.9 liegt nicht vor, vielmehr hat es sich bei der am 31.01.2017 in der Praxisklinik Z Orthopädie durchgeführten Implantation von zwei Bandscheibenprothesen laut Dr. R um eine bewegungserhaltende Operation gehandelt. Gestützt auf die Beurteilung des Dr. R hält es auch der Senat ebenso wie Dr. J1 für plausibel, dass wegen der Zwischenraumverschmälerung an C5/6 und C6/7 zeitweise sensible Wurzelreizsymptome auftreten können. Auch Dr. K2 hat von der HWS ausstrahlende sensomotorische Ausfälle beschrieben, die zwischen 2014 und 2017 aufgetreten seien und die im Januar 2018 deutlich besser und im Februar 2019 weiter rückläufig gewesen seien. Auch wenn von der Wirbelsäule ausgehende sensomotorische Störungen aktuell weder von Dr. R noch von Dr. D objektiviert werden konnten, sind sie doch in der Vergangenheit dokumentiert worden, so dass der Senat der Einschätzung des Dr. R, dass abhängig von Haltung, Bewegung und Belastung der HWS zeitweise Schmerzausstrahlungen im Sinne einer sensiblen Wurzelreizsymptomatik ableitbar sind, folgt. Soweit Dr. K2 in seiner Auskunft vom 15.08.2019 über von der HWS ausgehende Schmerzen und über Kopfschmerzen berichtet hat und soweit auch die Klägerin im Verfahren auf das Ausmaß ihrer Schmerzen verwiesen hat, rechtfertigt dies keine Erhöhung des GdB. Zwar kann bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen (z.B. Postdiskotomiesyndrom) nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 ein GdB von 30 in Betracht kommen, ein solches Syndrom ist aber bei der Klägerin zu keinem Zeitpunkt diagnostiziert worden. Außerdem gilt gemäß den VG, Teil A, Nr. 2. Buchst. j., dass die in den Tabellen angegebenen GdB-Werte die üblicherweise vorhandenen Schmerzen miteinschließen und auch erfahrungsgemäß besonders schmerzhafte Zustände berücksichtigen. Nur wenn nach Ort und Ausmaß der pathologischen Veränderungen eine über das übliche Maß hinausgehende Schmerzhaftigkeit nachgewiesen ist, die eine ärztliche Behandlung erfordert, können höhere Werte angesetzt werden. Die Klägerin steht nach ihren eigenen Angaben gegenüber Dr. R bei ihrem Hausarzt Dr. S1 und bei dem Orthopäden Dr. K2 in Behandlung und wird regelmäßig physiotherapeutisch behandelt. Weiter hat sie angegeben, im Fall von Schmerzen in seltenen Fällen Ibuprofen einzunehmen und ansonsten auch über Wochen und Monate ohne Schmerzmittel auszukommen. Damit kann eine besondere Schmerzerkrankung, die gemäß den VG, Teil A, Nr. 2. Buchst. j. eine Erhöhung des GdB rechtfertigen würde, nicht festgestellt werden. Wenn man zugunsten der Klägerin gestützt auf die Einschätzung des Dr. R annimmt, dass abhängig von Haltung, Bewegung und Belastung der HWS zeitweise Schmerzausstrahlungen im Sinne einer sensiblen Wurzelreizsymptomatik auftreten, handelt es sich im Fall der Klägerin maximal um einen nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 mit einem GdB von 20 zu bewertenden Wirbelsäulenschaden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt. Ein nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 einen GdB von 30 bedingender Wirbelsäulenschaden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und über Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) lässt sich nicht feststellen.
Die Behinderungen im Funktionssystem „Beine“ sind mit keinem höheren Einzel-GdB als 30 zu beurteilen.
Der Senat stützt sich bei der Bewertung der Funktionsstörungen an den Hüftgelenken hinsichtlich der klinischen Befundlage auf das Gutachten des medizinischen Sachverständigen Dr. D. Aus den von dem Sachverständigen erhobenen Bewegungsmaßen von 20/0/125° rechts und 20/0/125° links für die Streckung/Beugung (Normalmaß 5-10/0/130°), von 45/0/35° rechts und 45/0/35° links für das Abspreizen und Anführen (Normalmaß 30-45/0/20-30°), von 40/0/30° rechts und 35/0/30° links (also im Seitenvergleich um 5° vermindert) für die Aus- und Einwärtsdrehung mit bei 90° gebeugtem Hüftgelenk (Normalmaß 30-45/0/40-50°) sowie 45/0/35° rechts und 45/0/35° links für die Aus- und Einwärtsdrehung mit gestrecktem Hüftgelenk (Normalmaß 50-60/0/30-40°) sind für die Hüftgelenke keine wesentlichen Funktionseinschränkungen abzuleiten. Denn beide Hüftgelenke sind abgesehen von der gering verminderten Außenrotationsbeweglichkeit des linken Hüftgelenks bei Beugung um 90° frei beweglich. Dieser Befund rechtfertigt nach den VG, Teil B, Nr. 18.14 keinen GdB von mindestens 10, da erst bei einer im Falle der Klägerin nicht feststellbaren Einschränkung der Streckung/Beugung bis zu 0/10/90° die Vergabe eines Einzel-GdB im Rahmen von 10 bis 20 (bei einseitiger Einschränkung) bzw. im Rahmen von 20 bis 30 (bei beidseitiger Einschränkung) möglich ist. Soweit Dr. R unter Bezugnahme auf den radiologischen Befund einer in der Kernspintomographie vom 03.12.2015 erkennbaren Bursitis trochanterica mit Ansatztendinitis am musculus gluteus minimus links zeitweise auftretende belastungsabhängige Beschwerden auch beim nächtlichen Liegen auf der linken Körperseite für plausibel gehalten hat, rechtfertigt dies nach den ausschließlich auf Bewegungseinschränkungen der Hüftgelenke, auf Hüftdysplasien, auf Hüftluxationen oder auf Hüftgelenkresektionen, schnappende Hüfte oder Beinverkürzung abstellenden VG, Teil B, Nr. 18.14 nicht die Zuerkennung eines GdB von mindestens 10.
Der Senat stützt sich bei der Bewertung der Funktionsstörungen an den Kniegelenken hinsichtlich der klinischen Befundlage ebenfalls auf das Gutachten des medizinischen Sachverständigen Dr. D. Danach besteht bei der Klägerin eine regelrechte Kniegelenksilhouette ohne Anhalt für Ergussbildung beidseits, kein Knieverschiebeschmerz beidseits, ein stabiler Kapselbandapparat bei negativem Meniskuszeichen beidseits, rechts keine sagittale Instabilität und eine stabile vordere und hintere Kreuzbandführung (negative Schubladenphänomene, negativer Lachmann-Test, negatives pivot-shift-Zeichen), links eine deutliche Instabilität der vorderen Kreuzbandersatzplastik links im Sinne einer vorderen Schublade 3+ ohne festen Anschlag, ein positiver Lachmann-Test und ein positives pivot-shift-Zeichen bei stabiler hinterer Kreuzbandführung. Aufgrund dieser Befunde hat Dr. D schlüssig und nachvollziehbar die Untersuchungsergebnisse für das rechte Kniegelenk als regelrecht bewertet und am linken Kniegelenk eine muskulär unvollständig kompensierbare Instabilität der Kreuzbandersatzplastik angenommen. Der Sachverständige hat an den Kniegelenken bei Bewegungsmaßen von 0/0/145° rechts und 0/0/145° links für die Streckung/Beugung (Normalmaß 5/0/130°) eine freie Beweglichkeit beidseits festgestellt. Die von Dr. D erhobenen Befunde sind für sich genommen nicht geeignet, eine nach den VG, Teil B, Nr. 18.14 GdB-relevante Bewegungseinschränkung geringen (Streckung/Beugung bis 0/0/90°) oder gar mittleren (z.B. Streckung/Beugung bis 0/10/90°) Grades annehmen zu können. Dr. D und Dr. R haben zwar anhand der aktenkundigen Aufnahmen bildgebender Verfahren sowohl ausgeprägte Knorpelschäden der Kniegelenke (Chondromalazie) als auch kernspintomographisch gesicherte Arthrosen der Kniescheibenrückflächen festgestellt, jedoch liegen weder Beweglichkeitseinschränkungen der Kniegelenke vor, noch sind anhaltende Reizerscheinungen nachgewiesen. Anlässlich der gutachterlichen Untersuchungen durch Dr. R und Dr. D hat sich an beiden Kniegelenken eine reizlose Situation gezeigt. Damit haben die gutachterlichen Feststellungen keine anhaltenden Reizerscheinungen ergeben, die jedoch gemäß den VG, Teil B, Nr. 18.14 Voraussetzung für die Zuerkennung eines GdB von 10 bis 30 (ohne Bewegungseinschränkung) oder gar eines GdB von 20 bis 40 (mit Bewegungseinschränkung) sind. In diesem Zusammenhang hat das SG zutreffend darauf hingewiesen, dass Dr. S zwar im Verwaltungsverfahren mitgeteilt hat, bei den zahlreichen Untersuchungen in seiner Praxis hätten immer wieder Ergussbildungen bzw. Synovialitiden des linken Kniegelenks vorgelegen, dass sich bei der Untersuchung in der Gelenk-Klinik G am linken Knie eine leichte Überwärmung ohne Gelenkerguss und ohne Entzündungszeichen gezeigt hat, dass sich aus dem Rehabilitationsbericht am linken Knie ein reizloser Lokalbefund ohne palpatorisch feststellbaren Erguss sondern lediglich mit sonographisch sichtbarem geringem Resterguss ergeben hat und dass sich aus der Auskunft des Dr. K2 keine Anhaltspunkte für anhaltende Reizerscheinungen an den Kniegelenken ergeben haben. Der Senat teilt die Einschätzung des SG, dass sich der von Dr. R angenommene GdB von 30 vor diesem Hintergrund kaum rechtfertigen lässt. Jedenfalls kommt eine Bewertung des GdB für die Funktionsstörungen an den Kniegelenken mit mehr als 30 nicht in Betracht.
Ausgehend von dem GdB von maximal 30 für die Funktionsstörung an den Kniegelenken und keinem GdB von mindestens 10 für die Funktionsstörung an den Hüftgelenken ergibt sich für das Funktionssystem „Beine“ ein Einzel-GdB von nicht mehr als 30.
Soweit die Klägerin beanstandet hat, der Sachverständige Dr. D habe „im Wesentlichen nur die Gliedmaßen vermessen“, keine eigenen Aufnahmen angefertigt und Fremdaufnahmen nicht hinreichend ausgewertet sowie die Funktionsstörungen an der HWS in Form von Schwindel nicht beachtet, ist auf Folgendes hinzuweisen:
Nach den VG, Teil B, Nr. 18.1 wird die Höhe des GdB für Erkrankungen der Haltungs- und Bewegungsorgane in erster Linie durch die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen (Bewegungsbehinderung, Minderbelastbarkeit) und die Mitbeteiligung anderer Organsysteme bestimmt. Die üblicherweise auftretenden Beschwerden sind dabei mitberücksichtigt. Außergewöhnliche Schmerzen sind gegebenenfalls zusätzlich zu berücksichtigen. Schmerzhafte Bewegungseinschränkungen der Gelenke können schwerwiegender als eine Versteifung sein. Bei Haltungsschäden und/oder degenerativen Veränderungen an Gliedmaßengelenken und an der Wirbelsäule (zum Beispiel Arthrose, Osteochondrose) sind auch Gelenkschwellungen, muskuläre Verspannungen, Kontrakturen oder Atrophien zu berücksichtigen. Mit bildgebenden Verfahren festgestellte Veränderungen (z.B. degenerativer Art) allein rechtfertigen noch nicht die Annahme eines GdB. Die von Dr. D bei der gutachterlichen Untersuchung u.a. vorgenommene Ermittlung von Bewegungsmaßen trägt diesen o.g. Vorgaben der VG Rechnung.
Soweit die Klägerin beanstandet, Dr. D habe keine eigenen Aufnahmen angefertigt und Fremdaufnahmen nicht hinreichend ausgewertet, ist anzumerken, dass der Sachverständige die aktenkundigen digital gespeicherten Kernspintomographie-Aufnahmen beider Kniegelenke vom 28.07.2020 ausgewertet und Ausdrucke dieser Aufnahmen dem Gutachten in der Anlage beigefügt hat. Bezüglich der Hüftgelenke hat Dr. D sowohl die seinem Gutachten in der Anlage beigefügte Beckenübersicht vom 13.07.2018 als auch die in der Senatsakte enthaltene Kernspintomographie-Aufnahme des linken Hüftgelenks vom 28.10.2020 berücksichtigt. Die Kernspintomographie-Aufnahmen der HWS von 17.11.2016 haben Dr. D ebenso vorgelegen wie die im Gutachten des Dr. R enthaltenen Röntgenbilder der HWS vom 03.08.2018 und der LWS vom 03.08.2018. Im Übrigen ist auf die o.g. Vorgaben in den VG hinzuweisen, nach denen die in bildgebenden Verfahren festgestellten Veränderungen (z.B. degenerativer Art) allein noch nicht die Annahme eines GdB rechtfertigen.
Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, Dr. D habe ihre Schwindelbeschwerden nicht hinreichend gewürdigt, ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin laut Dr. K2 zuletzt am 02.11.2017 über Schwindel berichtet hat und dass in der Zeit danach vom behandelnden Orthopäden Schwindelsymptome nicht mehr erwähnt worden sind. Den Gutachten des Dr. R und des Dr. D lässt sich nicht entnehmen, dass die Klägerin bei Erhebung der Anamnese Schwindelbeschwerden angegeben hätte. Zwar hat sie bei Dr. D nach Prüfung der Rückneigebeweglichkeit der HWS über Schwindel geklagt, so dass eine Pause eingelegt wurde und die Klägerin ein Glas Mineralwasser trank. Dafür, dass hieraus Funktionsstörungen folgen, die die Zuerkennung eines GdB rechtfertigen könnten, ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte.
Unter Berücksichtigung der dargelegten Einzel-GdB-Werte von maximal 30 im Funktionssystem „Beine“ und maximal 20 im Funktionssystem „Rumpf“ lässt sich kein höherer Gesamt-GdB als 30 und erst Recht nicht der begehrte Gesamt-GdB von mindestens 50 feststellen. Denn bei der Bildung des Gesamt-GdB ist nach den VG, Teil A, Nr. 2 und 3 von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und ist dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob der Ausgangswert also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen um 10, 20 oder mehr Punkte zu erhöhen ist, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Insoweit führen von Ausnahmefällen abgesehen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Umstände, wie etwa das besonders ungünstige Zusammenwirken von Behinderungen, die eine Ausnahme zulassen, liegen bei der Klägerin nicht vor. Bei der Beurteilung des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung war zu berücksichtigen, dass wie oben dargelegt die von Dr. R vorgenommene Bewertung des Einzel-GdB für die Funktionsstörungen der Kniegelenke mit 30 sehr großzügig ist. Die Bildung eines Gesamt-GdB von mindestens 50 aus diesem bei Beachtung der Vorgaben der VG kaum zu begründenden Einzel-GdB und einem ebenfalls großzügig bemessenen (s.o.) Einzel-GdB von 20 ist nicht gerechtfertigt. Dass der Gesamt-GdB der Klägerin nicht mit mindestens 50 einzuschätzen ist, ergibt sich auch daraus, dass bei der Bemessung des Gesamt-GdB ein Vergleich mit anderen schwerwiegenden Erkrankungsbildern anzustellen ist. Denn nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. b sind bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen unter Berücksichtigung aller sozialmedizinischen Erfahrungen Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzustellen, für die in der GdB-Tabelle der VG feste Grade angegeben sind. So ist ein GdB von 50 beispielsweise nach den VG, Teil B, Nr. 18.13 oder 18.14 bei Verlust eines Armes im Unterarm oder Verlust eines Beines im Unterschenkel bei genügender Funktionstüchtigkeit des Stumpfes und der Gelenke anzunehmen. Das Ausmaß einer solchen doch gravierenden Funktionsbehinderung wird durch die bei der Klägerin dokumentierten Einschränkungen nicht erreicht.
Nach alledem war die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 22.04.2020 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG gegeben ist.