Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 29.09.2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) streitig.
Die 1962 geborene Klägerin beantragte beim Beklagten am 11.11.2016 die Feststellung des GdB. Aktenkundig wurden Arztbriefe der Radiologen Dr. N und Partner vom 08.10.2016 sowie 27.10.2016 und der Neurologin und Psychiaterin Dr. B vom 11.10.2016. Der Beklagte zog den Arztbrief der Abteilung für Innere Medizin des Kreiskrankenhauses E vom 05.11.2013, den Entlassungsbericht der Rehabilitationseinrichtung H vom 20.01.2014 sowie den Arztbrief des Orthopäden Dr. T vom 05.11.2015 bei und holte den Befundbericht der Allgemeinmedizinerin Dr. S-K vom 07.12.2016 ein. Dr. E1 berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 07.01.2017 als Behinderungen eine Spinalkanalstenose und eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit einem Einzel-GdB von 20, eine seelische Störung mit einem Einzel-GdB von 20 sowie eine Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke mit einem Einzel-GdB von 10 und bewertete den Gesamt-GdB mit 30. Der Beklagte stellte mit Bescheid vom 27.01.2017 den GdB mit 30 ab dem 11.11.2016 fest.
Zur Begründung des hiergegen am 02.02.2017 eingelegten Widerspruchs machte die Klägerin geltend, nach ihrem Empfinden seien die psychischen Probleme nicht mit in die Entscheidung einbezogen worden. Aktenkundig wurde das zur Dauer der Arbeitsunfähigkeit eingeholte Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg vom 14.10.2016. Der Beklagte holte den bei ihm am 24.02.2017 eingegangenen Befundbericht der Dr. B ein. Vertragsarzt G berücksichtigte in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 11.03.2017 die seelische Störung mit einem Einzel-GdB von 30 und bewertete unter Aufrechterhaltung der weiteren bislang berücksichtigten Einzel-GdB-Werte den Gesamt-GdB mit 40. Der Beklagte stellte mit Teil-Abhilfebescheid vom 03.04.2017 den GdB mit 40 ab dem 11.11.2016 fest. Sodann ließ die Klägerin von ihrem ehemaligen Prozessbevollmächtigten unter dem 04.05.2017 vortragen, es seien für die Wirbelsäulenerkrankung ein Einzel-GdB von 50, für die Hüftgelenkserkrankung ein Einzel-GdB von 30 und für die psychische Erkrankung samt Schmerzsyndrom ein Einzel-GdB von 30 bis 40 angemessen, so dass der Gesamt-GdB mindestens 50 betrage. Der Beklagte wies den ehemaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Beschluss vom 18.07.2017 als Bevollmächtigten zurück. Mit Widerspruchsbescheid vom 09.05.2018 wies der Beklagte den über den Teil-Abhilfebescheid hinausgehenden Widerspruch zurück.
Hiergegen hat die Klägerin unter Wiederholung ihrer im Widerspruchsverfahren vorgetragenen Begründung durch ihren ehemaligen Prozessbevollmächtigten am 29.05.2018 Klage zum Sozialgericht (SG) Freiburg erhoben. Das SG Freiburg hat den ehemaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Beschluss vom 06.11.2018 als Bevollmächtigten zurückgewiesen.
Das SG Freiburg hat Dr. T unter dem 15.01.2019 und Dr. B unter dem 06.02.2019 schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Dr. T hat die Diagnosen funktionelles Impingement der Schulter links, Tendinitis der langen Bizepssehne links, Rotatorenmanschettentendinose links, Haltungsschwäche der Wirbelsäule, Spinalkanalstenose, Osteochondrose der Halswirbelsäule und Nucleus-pulposus-Prolaps der Halswirbelsäule aufgeführt. Dr. B hat eine wiederkehrende depressive Störung, eine spezifische Phobie und episodische paroxysmale Ängste beschrieben. Sodann hat die Klägerin den Arztbrief der Radiologen Dr. N und Partner vom 03.06.2019 vorgelegt. Dr. K hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 08.07.2019 eine Änderung der bisherigen GdB-Einstufung nicht für begründet erachtet. Die Klägerin hat den Arztbrief des Orthopäden Dr. B1 vom 27.06.2019 und den Bericht des Physiotherapeuten T1 vom 22.07.2019 vorgelegt.
Daraufhin hat das SG Freiburg von Amts wegen das Gutachten des Psychiaters Prof. Dr. E2 vom 07.11.2019 eingeholt. Der Sachverständige hat eine schwere Episode eines depressiven Syndroms mit einem somatischen Syndrom beziehungsweise vom melancholischen Subtyp im Rahmen einer rezidivierenden depressiven Störung diagnostiziert, hierfür den Einzel-GdB mit 40 bewertet und unter Übernahme der bislang für die orthopädischen Erkrankungen vergebenen weiteren Einzel-GdB-Werte den Gesamt-GdB mit 50 eingeschätzt.
Die Klägerin hat das zur Dauer der Arbeitsunfähigkeit eingeholte Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg vom 29.10.2019 vorgelegt. Dr. W hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 05.12.2019 die seelische Störung mit einem Einzel-GdB von 40 und unter Aufrechterhaltung der weiteren bislang berücksichtigten Einzel-GdB-Werte den Gesamt-GdB mit 50 bewertet. Das sodann auf die Feststellung eines GdB von 50 ab 20.09.2019 gerichtete Vergleichsangebot des Beklagten vom 08.01.2020 hat die Klägerin, nachdem sie den Arztbrief der Orthopädin Dr. S vom 21.01.2020 vorgelegt hatte, mit Schreiben vom 13.07.2020, in dem sie ausgeführt hat, unter Mitberücksichtigung der diversen weiteren Erkrankungen sei ein Gesamt-GdB von 70 anzunehmen, abgelehnt.
Das SG Freiburg hat mit Urteil vom 29.09.2020 den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 21.01.2017 und 03.04.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.05.2018 verurteilt, den GdB ab dem 11.11.2016 mit 50 festzustellen, und im Übrigen die Klage abgewiesen. Bei der Klägerin bestehe nach dem Sachverständigengutachten und der Auskunft der sachverständigen Zeugin Dr. B vor allem ein depressives Syndrom mit dem Leiden unter einer schweren depressiven Episode mit somatischem Syndrom. Unter Berücksichtigung der Versorgungsmedizinischen Grundsätze sei der GdB, insoweit sei der Beurteilung des Sachverständigen zu folgen, mit 40 zu bewerten. Bei der Klägerin seien nach den Feststellungen des Sachverständigen bereits erhebliche Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit gegeben. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei das Vorliegen der auf seelischem Gebiet bestehenden ausgeprägten Funktionsbeeinträchtigung nicht erst seit der Untersuchung der Klägerin durch den Sachverständigen am 20.09.2019 gesichert. Aufgrund der von der sachverständigen Zeugin Dr. B mitgeteilten Befunde habe sich die schwergradige Episode der Depression bereits zu Beginn des Jahres 2016 eingestellt. Vom Vorliegen eines Einzel-GdB von 40 wegen der seelischen Erkrankung sei deshalb bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung am 11.11.2016 auszugehen. Bei Mitberücksichtigung der Einzel-GdB-Werte von 20 und 10 wegen der orthopädischen Funktionsbeeinträchtigungen sei der Gesamt-GdB mit 50 ab dem 11.11.2016 zu bewerten. Der Klage sei deshalb insoweit stattzugeben. Im Übrigen sei sie abzuweisen.
Hiergegen hat die Klägerin am 27.10.2020 durch ihren ehemaligen Prozessbevollmächtigten Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Der Senat hat den ehemaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Beschluss vom 17.02.2021 als Bevollmächtigten zurückgewiesen. Eine Begründung der Berufung ist nicht erfolgt.
Die Beteiligten haben keine Anträge gestellt.
Der Senat hat die in dem beim LSG Baden-Württemberg unter dem Aktenzeichen L 8 R 305/19 geführten Verfahren eingeholten Gutachten des Orthopäden Dr. S1 vom 09.03.2020 und des Orthopäden Prof. Dr. S2 vom 04.09.2020 beigezogen. Dr. S1 hat eine Spinalkanalstenose, Foramenstenosen und eine Osteochondrose der Halswirbelsäule, eine Spinalkanalstenose der Lendenwirbelsäule, eine beginnende Coxarthrose rechts, ein Impingementsyndrom der Schultern und eine beginnende Gonarthrose links diagnostiziert und die Klägerin für fähig erachtet, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden wochentäglich auszuüben. Prof. Dr. S2 hat eine schmerzhafte Funktionsbeeinträchtigung im Sinne einer rechtsbetonten Cervicobrachialgie bei deutlichen degenerativen Veränderungen mit Bandscheibenprotrusionen C3 bis C7, Irritationen der Nervenwurzeln C4 und C5 links sowie C6 beidseits, Spinalkanalstenosen und Foramenstenosen C4 bis C7, eine schmerzhafte Funktionsbeeinträchtigung im Sinne einer rechtsbetonten Lumboischialgie bei skoliotischem Haltungsfehler und degenerativen Veränderungen mit Bandscheibenprotrusionen L5/S1, mehrsegmentalen Spondylophyten-Bildungen, Spinalkanalstenosen L3/L4 und L4/L5, eine belastungsabhängig schmerzhafte Funktionsbeeinträchtigung der Hüftgelenke rechts stärker als links bei hüftdysplasiebedingter Coxarthrose sowie eine belastungsabhängig schmerzhafte Funktionsbeeinträchtigung des linken Kniegelenks bei medialbetonter beginnender Gonarthrose diagnostiziert und die Klägerin für fähig erachtet, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch 3 bis unter 6 Stunden wochentäglich auszuüben.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgerechte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist neben der Abänderung des Urteils des SG Freiburg vom 29.09.2020 die weitere Abänderung des Bescheides des Beklagten vom 21.01.2017 in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheides vom 03.04.2017 und des Widerspruchsbescheides vom 09.05.2018 und – unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren, es sei ein Gesamt-GdB von 70 anzunehmen – die Verpflichtung des Beklagten, bei ihr den GdB höher als mit 50 festzustellen. Dieses prozessuale Ziel verfolgt die Klägerin statthafterweise gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines höheren GdB als 50.
Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Feststellung eines höheren GdB ist § 2 Abs. 1 SGB IX in den bis zum 31.12.2017 und ab dem 01.01.2018 geltenden Fassungen in Verbindung mit § 69 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise in Verbindung mit § 152 Abs. 1 und 3 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung. Im Hinblick auf die den vorliegend zu beurteilenden Zeitraum betreffenden unterschiedlichen Gesetzesfassungen sind diese – da Übergangsregelungen fehlen – nach dem Grundsatz anzuwenden, dass die Entstehung und der Fortbestand des sozialrechtlichen Anspruchs auf Leistungen nach dem Recht zu beurteilen ist, welches zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände jeweils gegolten hat (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 04.09.2013 – B 10 EG 6/12 R, Rn. 36-40, juris; sinngemäß auch BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 9 SB 2/13, Rn. 10 und 13, juris; Stölting/Greiser in SGb 2015, 135-143).
Nach § 2 Abs. 1 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 2 Abs. 1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung sind Menschen mit Behinderungen Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können, wobei eine Beeinträchtigung in diesem Sinne vorliegt, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.
Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung gilt ergänzend, dass der GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung festgestellt wird. Als GdB werden dabei nach § 69 Abs. 1 Satz 5 und 6 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach § 152 Abs. 1 Satz 5 und 6 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung hierbei nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt.
Ferner ist nach § 69 Abs. 2 Satz 1 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach § 152 Abs. 2 Satz 1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung eine Feststellung des GdB nicht zu treffen, wenn eine Feststellung über das Vorliegen einer Behinderung und den Grad einer auf ihr beruhenden Erwerbsminderung schon in einem Rentenbescheid, einer entsprechenden Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung oder einer vorläufigen Bescheinigung der für diese Entscheidungen zuständigen Dienststellen getroffen worden ist, es sei denn, dass der behinderte Mensch ein Interesse an anderweitiger Feststellung des GdB glaubhaft macht. Nach § 69 Abs. 2 Satz 2 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach § 152 Abs. 2 Satz 2 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung gilt eine solche Feststellung zugleich als Feststellung des GdB.
Nach § 70 Abs. 2 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach § 153 Abs. 2 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung gilt diese Ermächtigung für die allgemeine – also nicht nur für die medizinische – Bewertung des GdB und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen sowie auch für die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit. Zwar ist von dieser Ermächtigung noch kein Gebrauch gemacht worden. Indes bestimmt § 159 Abs. 7 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise § 241 Abs. 5 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung, dass – soweit eine solche Verordnung nicht erlassen ist – die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 17 BVG in der bis zum 30.06.2011 geltenden Fassung beziehungsweise § 30 Abs. 16 BVG in der ab dem 01.07.2011 geltenden Fassung erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten. Mithin ist für die konkrete Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen die ab dem 01.01.2009 an die Stelle der „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz“ (AHP) getretene Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (VersMedV) vom 10.12.2008 (BGBl. I S. 2412), die durch die Verordnungen vom 01.03.2010 (BGBl. I S. 249), 14.07.2010 (BGBl. I S. 928), 17.12.2010 (BGBl. I S. 2124), 28.10.2011 (BGBl. I S. 2153) und 11.10.2012 (BGBl. I S. 2122) sowie die Gesetze vom 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) und 12.12.2019 (BGBl. I S. 2652) geändert worden ist, heranzuziehen. In den VG sind unter anderem die Grundsätze für die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG festgelegt worden. Diese sind nach den VG, Teil A, Nr. 2 auch für die Feststellung des GdB maßgebend. Die VG stellen ihrem Inhalt nach antizipierte Sachverständigengutachten dar. Dabei beruht das für die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe an der Gesellschaft relevante Maß nicht allein auf der Anwendung medizinischen Wissens. Vielmehr ist die Bewertung des GdB auch unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben sowie unter Heranziehung des Sachverstandes anderer Wissenszweige zu entwickeln (BSG, Urteil vom 17.04.2013 – B 9 SB 3/12 R, juris).
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach § 152 Abs. 3 Satz 1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Zur Feststellung des GdB werden in einem ersten Schritt die einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen (von der Norm abweichenden) Zuständen nach § 2 Abs. 1 SGB IX und die sich daraus ableitenden, für eine Teilhabebeeinträchtigung bedeutsamen Umstände festgestellt. In einem zweiten Schritt sind diese dann den in den VG genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist dann in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der Gesamt-GdB zu bilden. Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen (sich decken), sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinanderstehen (BSG, Urteil vom 17.04.2013 – B 9 SB 3/12 R, juris). Nach den VG, Teil A Nr. 3 Buchst. c ist bei der Bildung des Gesamt-GdB in der Regel von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und sodann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob der Ausgangswert also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen um 10, 20 oder mehr Punkte zu erhöhen ist, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Insoweit führen nach den VG, Teil A Nr. 3 Buchst. d, von Ausnahmefällen abgesehen, zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es danach vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Außerdem sind nach den VG, Teil A Nr. 3 Buchst. b bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der GdB-Tabelle der VG feste Grade angegeben sind.
Die Bemessung des GdB ist grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe. Dabei hat insbesondere die Feststellung der nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens zu erfolgen (BSG, Urteil vom 17.04.2013 – B 9 SB 3/12 R, juris).
Unter Berücksichtigung der dargelegten Grundsätze hat die Klägerin keinen Anspruch auf die Feststellung eines höheren GdB als 50.
Für die Behinderungen im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ ist nach den VG, Teil B, Nr. 3.7 der Einzel-GdB mit 40 zu bewerten. Nach den VG, Teil B, Nr. 3.7 wird bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (zum Beispiel ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB mit 30 bis 40 und bei schweren Störungen (zum Beispiel schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 50 bis 70 bewertet. Überzeugend hat Prof. Dr. E2 in seinem Gutachten dargelegt, dass die von ihm diagnostizierte rezidivierende depressive Störung einen Einzel-GdB von 40 bedingt. Er hat dabei die erheblichen Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit mit einer erschwerten Haushaltsführung, einer Deprimiertheit, einem zum Erliegen gekommenen Sozial- und Privatleben und einer Unmöglichkeit, berufliche Tätigkeiten auszuüben, berücksichtigt, so dass es sich dabei um einen GdB von 30 bis 40 bedingende stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit handelt. Anhaltspunkte für die Annahme einen GdB von 50 bedingender schwerer Störungen mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten bietet sein Gutachten nicht, zumal der Sachverständige im psychischen Befund die Klägerin als wach, bewusstseinsklar, ohne Vigilanzstörungen, zu allen Qualitäten orientiert, ohne Störungen der Merkfähigkeit und des Gedächtnisses, mit geordnetem formalem Gedankengang sowie ohne inhaltliche Denkstörungen und nur mit einer verlangsamten Auffassungsgabe, einer reduzierten Konzentrationsfähigkeit, einer eingeschränkten Schwingungsfähigkeit mit deprimiertem Affekt, einem verminderten Antrieb, einer psychomotorischer Hemmung sowie einem verlangsamten Gedankengang beschrieben hat.
Für die Behinderungen im Funktionssystem „Rumpf“ ist nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 der Einzel-GdB nicht höher als mit 20 zu bewerten. Nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 wird bei Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) der GdB mit 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) der GdB mit 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten der GdB mit 30 bis 40 bewertet. Dr. S1 hat in seinem Gutachten nur eine leicht- bis mäßiggradig eingeschränkte Halswirbelsäulenbeweglichkeit mit einer Seitwärtsneigung von 30/0/30 Grad, einer Seitwärtsdrehung von 60/0/60 Grad, einer Beugung/Streckung von 40/0/20 Grad und nur eine leichtgradig eingeschränkte Lendenwirbelsäulenbeweglichkeit mit einer Seitwärtsneigung von 30/0/30 Grad sowie Maßen nach Ott von 30/32 cm und Schober von 10/15 cm beschrieben. Prof. Dr. S2 hat in seinem Gutachten nur eine endgradig schmerzhafte Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule mit einer Seitwärtsneigung von 40/0/30 Grad, einer Seitwärtsdrehung von 80/0/70 Grad, einer Beugung/Streckung von 60/0/50 Grad sowie für die Brust- und Lendenwirbelsäule eine Seitwärtsneigung von 20/0/30 Grad, eine Seitwärtsdrehung von 30/0/40 Grad sowie Maße nach Ott von 29/30/32 cm und Schober von 10/14 cm beschrieben. Beide Gutachten bieten damit – ausgehend von Normalmaßen für die Halswirbelsäulenbeweglichkeit bei der Seitwärtsneigung von 30-40/0/30-40 Grad, der Seitwärtsdrehung von 60-80/0/60-80 Grad sowie der Beugung/Streckung von 40-50/0/50-70 Grad und für die Brust- und Lendenwirbelsäulenbeweglichkeit bei der Seitwärtsneigung von 30-40/0/30-40 Grad, der Seitwärtsdrehung von 30-50/0/30-50 Grad sowie Maßen nach Ott von 30/32 cm und Schober von 10/14-15 cm – keine Anhaltspunkte für die Annahme einen höheren GdB als 20 bedingender mittelgradiger bis schwerer funktioneller Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten.
Für die Behinderungen im Funktionssystem „Beine“ in Form einer Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke und des linken Kniegelenks ist nach den VG, Teil B, Nr. 18.14 der Einzel-GdB nicht höher als mit 10 zu bewerten. Nach den VG, Teil B, Nr. 18.14 wird bei einer Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke geringen Grades (zum Beispiel Streckung/Beugung bis zu 0/10/90 Grad mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit) einseitig der GdB mit 10 bis 20, beidseitig der GdB mit 20 bis 30 und mittleren Grades (zum Beispiel Streckung/Beugung bis zu 0/30/90 Grad mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit) einseitig der GdB mit 30 und beidseitig der GdB mit 50 sowie bei einer Bewegungseinschränkung im Kniegelenk geringen Grades (zum Beispiel Streckung/Beugung bis 0/0/90 Grad) einseitig der GdB mit 0 bis 10, beidseitig der GdB mit 10 bis 20 und mittleren Grades (zum Beispiel Streckung/Beugung 0/10/90 Grad) einseitig der GdB mit 20 und beidseitig der GdB mit 40 bewertet. Dr. S1 hat in seinem Gutachten nur eine leichtgradig reduzierte Hüftgelenksbeweglichkeit rechts mit einer Streckung/Beugung von 0/0/120 Grad und eine freie Beweglichkeit der Kniegelenke mit einer Streckung/Beugung von 0/0/140 Grad festgestellt. Prof. Dr. S2 hat in seinem Gutachten ausgeführt hat, dass der von ihm erhobene Befund mit dem von Dr. S1 erhobenen Befund übereinstimmt. Mithin bieten beide Gutachten keine Anhaltspunkte für die Annahme einen höheren GdB als 10 bedingender Bewegungseinschränkungen in den Hüft- und Kniegelenken.
Ferner ergeben sich keine Anhaltspunkte für die Annahme eines Einzel-GdB von wenigstens 10 im Funktionssystem „Arme“, zumal Dr. S1 und Prof. Dr. S2 in ihren Gutachten insbesondere eine freie Beweglichkeit beider Schulter- und Ellenbogengelenke beschrieben haben.
Unter Berücksichtigung der dargelegten Einzel-GdB-Werte (Einzel-GdB 40 im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“, kein höherer Einzel-GdB als 20 im Funktionssystem „Rumpf“, kein höherer Einzel-GdB als 10 im Funktionssystem „Beine“) lässt sich der Gesamt-GdB nicht höher als mit 50 feststellen. Denn bei der Bildung des Gesamt-GdB ist nach den VG, Teil A, Nr. 2 und 3 von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und ist dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob der Ausgangswert also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen um 10, 20 oder mehr Punkte zu erhöhen ist, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Insoweit führen von Ausnahmefällen abgesehen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Umstände, wie etwa das besonders ungünstige Zusammenwirken von Behinderungen, die eine Ausnahme zulassen, liegen bei der Klägerin nicht vor. Nach alledem waren die Einzel-GdB-Werte von einmal 40, einmal höchstens 20 und einmal höchstens 10 nicht geeignet, einen Gesamt-GdB von mehr als 50 zu rechtfertigen.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.