Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 10.08.2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung und Rückforderung von Leistungen der Beklagten aus einer Witwenrente streitig.
Die 1940 geborene Klägerin verfügt über Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb. Nachdem der Ehemann der Klägerin am 25.02.1987 verstarb, beantragte die Klägerin am 28.04.1987 die Gewährung einer Hinterbliebenenrente. Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 05.05.1987 mit, dass das Erwerbseinkommen zum Teil auf die Hinterbliebenenrente angerechnet werde. Mit Bescheid vom 20.07.1987 gewährte die Beklagte der Klägerin eine große Witwenrente ab dem 01.03.1987. Der Bescheid enthält auf Seite 3 den Hinweis, dass eine gesetzliche Verpflichtung bestehe, eine Erhöhung oder das Hinzutreten von Einkommen unverzüglich mitzuteilen.
In der Folgezeit schrieb die Beklagte die Klägerin jährlich bis zuletzt 2001 zur Ermittlung des aus ihrer ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit anzurechnenden Einkommens an und bat um die Vorlage von Einkommensnachweisen. Nach Auswertung der jeweils übersandten Unterlagen erließ die Beklagte entsprechende Rentenanpassungsbescheide. Zuletzt berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 06.08.2001 die Witwenrente aufgrund einer Einkommensüberprüfung ab dem 01.07.2001 neu. Am 06.04.2005 erging ein weiterer Rentenanpassungsbescheid aufgrund einer Änderung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Ab dem 01.06.2005 erhielt die Klägerin monatlich 844,73 €. Für die Folgezeit enthält die Verwaltungsakte keine weiteren Vorgänge.
Erst im Mai 2017 fiel der Beklagten bei der Klärung eines Sachverhaltes auf, dass noch die Einkommensanrechnung ab dem 01.07.2001 zu überprüfen war. Die Beklagte bat mit Schreiben vom 31.05.2017 die Klägerin um Übersendung der Steuerbescheide der Jahre 1999 bis 2015.
Der Steuerberater der Klägerin reichte mit Schreiben vom 01.08.2017 die Einkommenssteuerbescheide der Jahre 2001 bis 2013 sowie 2015 ein. Die Steuerbescheide für die Jahre 1999, 2000 und 2014 lägen nicht vor. Darin werden folgende Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgesetzt:
- für das Jahr 2001 ein Verlust aus Gewerbebetrieb von -9.935 DM,
- für das Jahr 2002 ein Verlust aus Gewerbebetrieb von -4.047 DM,
- für das Jahr 2003 ein Gewinn aus Gewerbebetrieb von 1.357 €,
- für das Jahr 2004 ein Gewinn aus Gewerbebetrieb von 18.948 €,
- für das Jahr 2005 ein Gewinn aus Gewerbebetrieb von 11.036 €,
- für das Jahr 2006 ein Verlust aus Gewerbebetrieb von -2.152 €,
- für das Jahr 2007 ein Gewinn aus Gewerbebetrieb von 19.409 €,
- für das Jahr 2008 ein Gewinn aus Gewerbebetrieb von 6.479 €,
- für das Jahr 2009 ein Gewinn aus Gewerbebetrieb von 18.332 €,
- für das Jahr 2010 ein Verlust aus Gewerbebetrieb von -3.743 €,
- für das Jahr 2011 ein Gewinn aus Gewerbebetrieb von 19.375 €,
- für das Jahr 2012 ein Gewinn aus Gewerbebetrieb von 16.312 €,
- für das Jahr 2013 ein Verlust aus Gewerbebetrieb von -265 € und
- für das Jahr 2015 ein Gewinn aus Gewerbebetrieb von 34.170 €.
Das Finanzamt L übersandte mit Schreiben vom 18.08.2017 auf Anforderung der Beklagten die Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 1999, 2000 und 2014. Darin werden folgende Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgesetzt:
- für das Jahr 1999 ein Verlust aus Gewerbebetrieb von -38.868 DM,
- für das Jahr 2000 ein Verlust aus Gewerbebetrieb von -59.613 DM,
- für das Jahr 2014 ein Verlust aus Gewerbebetrieb von -2.558 €,
Die Beklagte berechnete daraufhin die Witwenrente der Klägerin mit Bescheid vom 03.11.2017 ab dem 01.07.2004 mit einem monatlichen Zahlbetrag von 929,28 € ab dem 01.12.2017 neu und stellte für den Zeitraum vom 01.07.2004 bis zum 30.11.2017 eine Überzahlung in Höhe von 14.453,12 € fest. Die Beklagte führte hierzu aus, der Rentenbescheid vom 06.08.2001 werde hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab dem 01.07.2005 nach § 48 SGB X aufgehoben; der überzahlte Betrag sei zu erstatten. Das auf die Rente gemäß § 97 SGB VI anzurechnende Einkommen habe sich geändert, da die Klägerin seit dem Jahr 2003 wieder positive Einkünfte erziele. Hierdurch komme es erstmalig zum 01.07.2005 zur Rentenminderung. Dem Bescheid war eine Anlage mit der jeweiligen aktualisierten Rentenberechnung unter Berücksichtigung des Einkommens beigefügt.
Der zunächst hiergegen erhobene Widerspruch vom 01.12.2017 wurde mit Schreiben des damaligen Bevollmächtigten der Klägerin vom 12.12.2017 wieder zurückgenommen.
Mit Schreiben vom 16.08.2018 beantragte die Klägerin, vertreten durch die jetzige Prozessbevollmächtigte, den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 03.11.2017 nach § 44 SGB X auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen.
Mit Bescheid vom 08.04.2019 teilte die Beklagte daraufhin mit, die Überprüfung des Bescheides vom 03.11.2017 habe ergeben, dass weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Die Rente sei in zutreffender Höhe festgestellt worden. Die Klägerin habe weder neue Beweismittel vorgelegt, noch neue Tatsachen vorgetragen, die geeignet seien, eine für sie günstigere Entscheidung zu treffen.
Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin erhob hiergegen am 10.05.2019 Widerspruch, welchen die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.06.2019 zurückwies und hierbei ausführte, dass das anzurechnende Einkommen zutreffend ermittelt worden sei und die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bescheides vom 03.11.2017 nach § 44 SGB X nicht vorlägen. Der Widerspruchsbescheid wurde der Bevollmächtigten der Klägerin am 21.06.2019 zugestellt.
Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat am 22.07.2019 (Montag) Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Die Beklagte habe im Fall der Klägerin die Frage des Vertrauensschutzes nach § 48 Abs.1 Satz 2 SGB X unberücksichtigt gelassen. Zudem werde nicht davon ausgegangen, dass die Beklagte ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt habe. Der Verwaltungsakte sei zu entnehmen, dass die Klägerin nach Aufforderung der Beklagten jährlich ihre Einkommensbescheinigung eingereicht habe. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte diese Verwaltungspraxis sodann ab 2001 eingestellt habe. Zudem sei entscheidend, ob der Rentenbescheid vom 06.08.2001 eine Belehrung enthalten betreffend die Erzielung von Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit habe. Insofern sei die Frage, ob die Klägerin hier Kenntnis von ihrer Sorgfaltspflicht gehabt habe und hierüber entsprechend von der Beklagten belehrt worden sei.
Die Beklagte hat zur Klageerwiderung angeführt, dass es nach § 44 SGB X nur darauf ankomme, ob dem Betroffenen die entzogene Leistung nach materiellem Recht zugestanden habe und nicht darauf, ob der bestandskräftige Bescheid gegen die vertrauensschützenden Normen der §§ 45,48 SGB X verstoße. Es müsse ein Kausalzusammenhang zwischen der Rechtswidrigkeit des zu überprüfenden Verwaltungsaktes und dem Nichterbringen der an sich zustehenden Sozialleistung bestehen. Die Beklagte hat zudem den Bescheid vom 06.08.2001 eingereicht.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 10.08.2020 abgewiesen. Ein Anspruch auf Überprüfung und Rücknahme des Bescheides vom 03.11.2017 nach § 44 SGB X bestehe nicht. Die Voraussetzungen des § 48 Abs.1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 SGB X seien zum Zeitpunkt des Erlasses des Neuberechnungsbescheids vom 03.11.2017 erfüllt gewesen Die Klägerin habe aus ihrer selbständigen Tätigkeit ausweislich der vorgelegten Nachweise Einkommen erzielt. Dieses habe gemäß der gesetzlichen Regelung zur Einkommensanrechnung auf Renten wegen Todes nach § 97 SGB VI zur Minderung des Anspruchs auf die große Witwenrente geführt. Anhaltspunkte, wonach die Berechnung der Überzahlung durch die Beklagte fehlerhaft erfolgt sei, seien weder ersichtlich, noch vorgetragen. Dementsprechend sei die ursprüngliche Rentengewährung ab dem Zeitpunkt der Erzielung des Einkommens entsprechend aufzuheben gewesen. Bei der hier für die Aufhebung maßgeblichen Regelung des § 48 Abs.2 Nr. 3 SGB X komme es lediglich auf die Erzielung des entsprechenden Einkommens oder Vermögens an. Eine etwaige Kenntnis des Versicherten von der Überzahlung sei ebenso wenig erforderlich wie die Verletzung etwaiger Mitteilungs- oder Sorgfaltspflichten durch den Versicherten. Die Beklagte habe hierbei auch keinen Ermessenspielraum. Objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Ausnahmesituation oder eines atypischen Falles seien vorliegend nicht ersichtlich.
Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat gegen den ihr am 18.08.2020 zugestellten Gerichtsbescheid am 18.09.2020 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden – Württemberg eingelegt.
Sie hat zur Berufungsbegründung vorgetragen, dass das SG das Vorliegen eines atypischen Falls rechtsfehlerhaft verneint habe. Die Beklagte habe Kenntnis von der selbständigen Tätigkeit gehabt. Der Akte sei auch nicht zu entnehmen, dass die Klägerin der Beklagten mitgeteilt hatte, sie habe ihre selbständige Tätigkeit eingestellt. Die Beklagte hätte somit die Überzahlung verhindern können und müssen, sofern die Beklagte mit der Verwaltungspraxis fortgesetzt hätte. Insofern geht die Klägerin davon aus, dass im vorliegenden Fall ein atypischer Fall vorliege, der von dem Gericht nicht ausreichend berücksichtigt und geprüft worden sei.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 10.08.2020 sowie den Bescheid vom 08.04.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vorn 18.06.2019 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 03.11.2017 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hat zur Berufungserwiderung auf das bisherige Vorbringen sowie auf die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheids Bezug genommen.
Die Berichterstatterin hat das Verfahren mit den Beteiligten am 04.08.2021 nichtöffentlich erörtert.
Die Berichterstatterin hat mit Verfügung vom 04.08.2021 einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, demzufolge die Klägerin einen Betrag von 7.226,65 € zahlt und die Beteiligten im Übrigen den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklären. Die Beklagte hat dem Vergleichsvorschlag zugestimmt, die Kläger hat diesen abgelehnt.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 124 Abs. 2 SGG) ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, jedoch nicht begründet. Der Bescheid vom 08.04.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.06.2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Gerichtsbescheid des SG vom 10.08.2020 ist nicht zu beanstanden.
Die Beklagte hat im Ergebnis zu Recht die Zurücknahme des Bescheides vom 03.11.2017 nach § 44 SGB X abgelehnt, soweit darin die Witwenrente der Klägerin neu berechnet wurde und unter Rücknahme des Bescheides vom 06.08.2001 eine Überzahlung von 14.453,12 € festgestellt wurde. Denn der Bescheid vom 03.11.2017 ist rechtmäßig, womit die Voraussetzungen gemäß § 44 SGB X für eine Zurücknahme nicht vorliegen.
Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Die Bestimmung ermöglicht eine Abweichung von der Bindungswirkung sozialrechtlicher Verwaltungsakte. Nach § 44 Abs. 4 SGB X werden im Falle der Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum von vier Jahren vor der Rücknahme bzw. Antragstellung erbracht. Der Zeitpunkt der Rücknahme wird dabei von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (§ 44 Abs. 4 Satz 2 SGB X). Bei einer Rücknahme auf Antrag tritt bei der Berechnung des Zeitraums, für den die Leistungen rückwirkend zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag (§ 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X).
Die Entscheidung der Beklagten im Bescheid vom 03.11.2017 beruht auf § 48 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB X i. V. m. § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind erfüllt. Gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den zum Zeitpunkt seines Erlasses vorgelegenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eine wesentliche Änderung eingetreten ist, mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (§ 48 Abs.1 Satz 2 Nr. 2 SGB X), nach Antragstellung oder Erlass des Bescheides Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder Minderung des Anspruchs geführt haben würde (§ 48 Abs.1 Satz 2 Nr. 3 SGB X) oder der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X).
Die Witwenrente der Klägerin war zuletzt mit Bescheid vom 06.08.2001 unter Anrechnung von Einkommen auf der Grundlage des Einkommens aus dem Jahr 2000 ab dem 01.07.2001 neu berechnet worden. Bei diesem Rentenbescheid handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Danach erfolgten keine Rentenneuberechnungen infolge der Anrechnung von Einkommen mehr.
Der Bescheid vom 06.08.2001 war auch nicht durch den nachfolgenden Rentenbescheid vom 08.04.2005 ersetzt worden und hat daher durch den Erlass des nachfolgenden Bescheides seine Wirksamkeit nicht nach § 39 Abs. 2 SGB X verloren (vgl. Schneider-Danwitz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 39 SGB X Rdnr. 44ff sowie BSG, Urteil vom 23.04.2015 – B 5 RE 19/14 R –,juris Rdnr. 13). Der Regelung im Bescheid vom 08.04.2005, wonach die Witwenrente ab dem 01.04.2005 neu berechnet wird, kann unter Berücksichtigung des entsprechend anwendbaren § 133 BGB nicht entnommen werden, dass die bisherigen Feststellungen zur Einkommensanrechnung durch den Bescheid vom 08.04.2005 ersetzt wurden. Die Witwenrente wurde vielmehr infolge der Änderung des Beitragssatzes zur Kranken- und Pflegeversicherung neu berechnet. Ein weitergehender rechtlicher Bedeutungsgehalt kann dem Verfügungssatz nicht entnommen werden. Ebenso wenig kann dem Bescheid vom 08.04.2005, welcher auch nicht den Bescheid vom 06.08.2001 aufhebt oder zumindest Ausführungen zur Anrechnung von Einkommen enthält, entnommen werden, dass der bisherige Bescheid vom 06.08.2001 nicht mehr gelten soll (vgl. BSG Urteil vom 13.12.2000 - B 5 RJ 42/99 R -, juris Rdnr 15 mwN).
Der Bescheid vom 03.11.2017 enthält auch eine nach § 33 SGB X hinreichend bestimmte Entscheidung über die Rücknahme, da er den Bescheid vom 06.08.2001 aufhebt, die Witwenrente neu berechnet und eine Überzahlung festsetzt (vgl. hierzu zuletzt BSG, Urteil vom 24.06.2020 – B 4 AS 10/20 R –, juris Rdnr. 27). Die Bezeichnung der aufzuhebenden Bescheide ist dagegen keine Frage der Bestimmtheit der Aufhebung, sondern betrifft den Regelungsgehalt (vgl. BSG, Urteil vom 29.11.2012 – B 14 AS 196/11 R –, juris Rdnr. 18ff). Vorliegend hat die Beklagte den maßgeblichen Bescheid vom 06.08.2001 zutreffend genannt. Weitere Verwaltungsentscheidungen über die Anrechnung von Einkommen sind nachfolgend nicht ergangen. Der Bescheid vom 08.04.2005 enthält, wie auch eine Rentenanpassungsmitteilung, keine eigenständige Regelung über das Unterbleiben einer Einkommensanrechnung. Er stellt somit in Bezug auf die Anrechnung von Einkommen auf die Witwerrente keinen Verwaltungsakt dar und musste daher auch nicht gesondert benannt und aufgehoben werden (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20.09.2018 – L 1 R 171/17 –, juris Rdnr. 29).
Der Rentenbewilligungsbescheid vom 06.08.2001 war zum Zeitpunkt seines Erlasses auch rechtmäßig, sodass sich die Rücknahme des Verwaltungsakts nach den Voraussetzungen des § 48 SGB X und nicht nach § 45 SGB X richtet. Die Klägerin hat nach den eingereichten Steuerbescheiden erst seit dem Jahr 2003 wieder positive Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Im Zeitpunkt des Erlasses war somit der Bescheid vom 06.08.2001, welcher von einem negativen Einkommen aus Gewerbebetrieb ausging und daher keine Einkommensanrechnung festsetzte, rechtmäßig. Die Beklagte hat auch zutreffend dargelegt, dass es angesichts der ab dem Jahr 2003 erzielten positiven Einkünfte aus Gewerbebetrieb erstmals ab dem 01.07.2005 zu einer Rentenminderung kommt. Insoweit ist ab dem 01.07.2005 eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Bescheides vom 06.08.2001 vorgelegen haben, eingetreten. Diese Änderung ist auch wesentlich. Nach § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI wird das Einkommen (§§ 18a bis 18e Sozialgesetzbuch Viertes Buch <SGB IV>) von Berechtigten, das mit einer Witwenrente oder Witwerrente zusammentrifft, grundsätzlich hierauf angerechnet. Die näheren Anrechnungsmodalitäten sind dabei in § 97 Abs. 1 Satz 2 SGB VI und § 97 Abs. 2 SGB VI geregelt. Diesen Vorgaben ist die Beklagte nachgekommen. Insoweit wird auf die ausführliche Berechnung im Bescheid vom 03.11.2017 Bezug genommen. Die Klägerin hat auch keine Einwände gegen die konkrete Ermittlung und Anrechnung des Einkommens erhoben.
Die Klägerin hat hiernach in der Zeit ab dem 01.07.2005 bis zum 30.11.2017 Einkommen bezogen, das zur Minderung des Anspruchs auf Witwenrente geführt hat. Dementsprechend findet die Aufhebungsentscheidung der Beklagten ihre Rechtsgrundlage jedenfalls in § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X. Ob im Falle der Klägerin zudem auch die Voraussetzungen der Aufhebungsvorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X (Verletzung einer Mitteilungspflicht) und / oder § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB (zumindest grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides) erfüllt sind, kann dahingestellt bleiben, da bereits die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X vorliegen.
Die Beklagte war auch berechtigt, den Witwenrentenbescheid mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X aufzuheben. Ein sog. atypischer Fall im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X, der eine Ermessensausübung erforderlich gemacht hätte, lag hier entgegen der Auffassung der Klägerin nicht vor. Nach dieser Vorschrift „soll“ der Verwaltungsakt unter den weiteren Voraussetzungen der Nrn. 1 bis 4 aufgehoben werden. Der Begriff „soll“ ist dahin zu verstehen, dass dies grundsätzlich zu erfolgen hat, allerdings dann nicht, wenn ein atypischer Fall vorliegt (Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 48 Rdnr. 35 ff.). Dabei bestimmen die Umstände des Einzelfalles, ob ein atypischer Fall gegeben ist. Die Annahme einer Atypik kommt nur dann in Betracht, wenn der Einzelfall aufgrund seiner besonderen Umstände signifikant von dem Regelfall des Tatbestandes nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X abweicht, der die Aufhebung des Verwaltungsaktes für die Vergangenheit gerade rechtfertigt. Ob der unbestimmte Rechtsbegriff eines atypischen Falles vorliegt, ist gerichtlich zu überprüfen und zu entscheiden (BSG, Urteil vom 29.04.1992 - 7 RAr 4/91 -, juris). Ein atypischer Fall liegt hier nicht vor. Vielmehr liegt der typische Fall vor, dass ein Versicherter eine Sozialleistung erhalten hat, auf die er (in der bewilligten Höhe) wegen eigenen Einkommens keinen Anspruch hatte (vgl. LSG Baden – Württemberg, Urteil vom 06.05.2014 – L 13 R 481/13 -, juris Rdnr. 39ff).
Bei der Beurteilung, ob ein atypischer Fall vorliegt ist zu berücksichtigen, welche der in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X aufgeführten Alternativen erfüllt ist. Bezogen auf die vorliegend einschlägige Tatbestandsvariante des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X ist ein atypischer Fall ausnahmsweise dann anzunehmen, wenn die Behörde durch falsche Angaben in Merkblättern einen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen hatte, wenn der Betroffene die Leistung gutgläubig (z. B. aufgrund behördlicher Auskünfte) verbraucht hat und ohne die entfallene Sozialleistung im Nachhinein vermehrt sozialhilfebedürftig geworden wäre (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.1995, 10 RKg 9/95; LSG Baden - Württemberg, Urteile vom 13.08.2008, L 6 R 5271/07 sowie vom 06.05.2014 – L 13 R 481/13 -, juris a.a.O.). Eine solche Situation wurde von der Klägerin weder vorgetragen, noch ist sie nach Aktenlage ersichtlich (vgl. Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 23.02.2016 – L 7 R 133/15 –, juris Rdnr. 28). Auch allein die Höhe der Rückforderung, die sich aus der Aufhebung der Bewilligung ergibt, ist als Folge der Aufhebung kein Kriterium für die Feststellung eines typischen oder atypischen Falls (LSG Baden - Württemberg, Urteil vom 31.08.2012, Az.: L 4 R 1877/11). Zudem ist die Klägerin bei einer zwangsweisen Beitreibung der Rückforderung der Beklagten durch die Aufrechnungs- und Pfändungsvorschriften des Ersten Buches Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I) geschützt (vgl. LSG Baden – Württemberg, Urteil vom 06.05.2014, a.a.O.).
Der Senat kann auch keinen atypischen Fall infolge eines Mitverschuldens der Beklagten feststellen (vgl. hierzu LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27.08.2020 – L 1 R 121/18 –, juris Rdnr. 44ff sowie LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.03.2017 – L 6 R 183/16 –, juris Rdnr. 39ff). Ein atypischer Fall liegt vorliegend nicht darin, dass die Beklagte ab dem Jahr 2002 die Klägerin nicht mehr aufgefordert hat, ihr Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit nachzuweisen. Dies stellt zwar ein Versäumnis dar, begründet jedoch noch keine außergewöhnliche Pflichtverletzung der Beklagten, welche eine vom Normalfall abweichende Beurteilung rechtfertigt. Denn die primäre Verpflichtung zur Einkommensanzeige obliegt allein der Klägerin (vgl. LSG Baden- Württemberg, Urteil vom 06.05.2014, a.a.O. mwN). Die Mitwirkungsverpflichtung des Leistungsberechtigten, deren Versäumnis Nachteile zur Folge hat, verdeutlicht, dass vom Bürger eigenverantwortliches Handeln gefordert wird. Dadurch wird grundsätzlich eine überwachende und nachforschende Verwaltung entbehrlich. Unterlässt die Verwaltung eine regelmäßige Kontrolle, kann ihr kein Fehlverhalten durch Unterlassen vorgeworfen werden (BSG, Urteil vom 03.07.1991 – 9b RAr 2/90 –, juris, vgl. aber auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.06.2016 – L 10 R 3153/13 –, juris Rdnr. 35ff). Es bedarf daher eines groben Mitverschuldens, welches über ein normales Versäumnis hinausgeht. Dies ist vorliegend nicht gegeben. Die Beklagte hat die Kontrollmaßnahmen nicht von vorneherein unterlassen (vgl. hierzu LSG Baden – Württemberg, Urteil vom 16.06.2016, a.a.O.) sondern, nachdem jahrelang kein positives Einkommen aus dem Gewerbebetrieb erzielt wurde, aus ungeklärten Gründen ab dem Jahr 2002 nicht mehr nachgefragt. Die Klägerin konnte allein durch das Unterlassen der Beklagten nicht darauf vertrauen, dass die Witwenrente auch bei positivem Einkommen weitergezahlt wird. Insofern hat sich ab dem Jahr 2003 eine Änderung in den Verhältnissen eingestellt, deren Meldung primär dem Verantwortungsbereich der Klägerin oblag. Es liegt somit keine Fallkonstellation dergestalt vor, dass die Klägerin aufgrund der Untätigkeit der Beklagten auch für die Erzielung von positivem Einkommen davon ausgehen konnte, dass dieses nicht gemeldet werden muss. Ein atypischer Fall liegt daher nicht vor.
Der Aufhebungs- und Rückforderungsentscheidung der Beklagten stehen zuletzt weder die Zehnjahresfrist noch die sog. Kenntnisnahmefrist von einem Jahr entgegen.
Nach § 48 Abs. 4 i.V.m. § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 SGB X kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nur bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen bzw. aufgehoben werden. Die Frist läuft vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an. Bezüglich der Zehn-Jahres-Frist darf die Verweisung auf § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X nicht dahin verstanden werden, die Zehn-Jahres-Frist gelte nur unter den darin genannten Voraussetzungen der Nummer 1 oder 2. Die Verweisung bedeutet lediglich, dass grundsätzlich zehn Jahre nach einer wesentlichen Änderung eine Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit ausgeschlossen ist (Bayerisches LSG, Urteil vom 10.02.2010, L 13 R 536/08 -, juris). Nach § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X iVm § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X kann jedoch ein Verwaltungsakt auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. Dies ist vorliegend der Fall.
Auch ist die für Aufhebungsentscheidung geltende Jahresfrist eingehalten. Nach § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X gilt § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X entsprechend. Nach dieser Vorschrift muss ein Verwaltungsakt von der zuständigen Behörde innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen zurückgenommen werden, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen. Unter Tatsachen sind dabei alle tatsächlichen Umstände zu verstehen, die zur Aufhebbarkeit des begünstigenden Verwaltungsaktes erforderlich sind. Dies sind zunächst alle Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass ein begünstigender Verwaltungsakt ohne Rechtsgrund erlassen worden ist, also ganz oder teilweise rechtswidrig ist. Dabei kommt es bei einer Überzahlung wegen der Nichtkenntnis der genauen Einkommenshöhe auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnis an (vgl. Schütze in: von Wulffen, SGB X, § 45 Rdnr. 81 mit weiteren Hinweisen insbesondere auf die entsprechende Rechtsprechung des BSG). Die Tatsache der Einkommenserzielung muss dabei bei der für die Sachbearbeitung zuständigen Stelle der Behörde aktenkundig werden (Schütze, a.a.O., Rdnr. 85), da nur diese Stelle prüfen kann, ob die Tatsachen die Rücknahme des betreffenden Verwaltungsaktes rechtfertigen. Nach der Rechtsprechung des BSG beginnt die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 S 2 SGB X erst dann zu laufen, wenn die Behörde entweder objektiv eine sichere Kenntnis der Tatsachen hatte, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen, oder subjektiv von der Richtigkeit und Vollständigkeit der ihr vorliegenden Informationen überzeugt war; dies ist regelmäßig erst nach der gemäß § 24 SGB X durchgeführten Anhörung des Betroffenen der Fall (BSG, Urteil vom 08.02.1996 – 13 RJ 35/94 –, BSGE 77, 295-303, BSG, Urteil vom 25.01.1994 - 7 RAr 14/93 = BSGE 74, 20 = SozR 3-1300 § 48 Nr. 32). Die Beklagte konnte die Prüfung und Neuberechnung erst nach Vorlage sämtlicher Einkommenssteuerbescheide im Zeitraum von 1999 bis 2015 vornehmen. Dies lagen erst nach dem Schreiben des Finanzamtes L vom 18.08.2017 der Beklagten vollständig vor. Die Rücknahmeentscheidung vom 03.11.2017 ist daher innerhalb der Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X ergangen.
Da sonach die Aufhebung der Bewilligung rechtmäßig ist, durfte die Beklagte die überzahlte Leistung nach § 50 Abs. 1 SGB X zurückfordern. Gegen die Berechnung des Erstattungsbetrags sind keine Einwendungen erhoben worden; Berechnungsfehler sind nicht ersichtlich. Der Senat verweist daher insoweit auf die Berechnungen in der Anlage des Bescheides vom 03.11.2017.
Die Klägerin kann sich zuletzt auch nicht auf die Einrede der Verjährung berufen. Der Erstattungsanspruch verjährt gem. § 50 Abs. 4 SGB X in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Erstattungsbescheid unanfechtbar geworden ist. Eine Unanfechtbarkeit ist bislang nicht eingetreten, so dass die Verjährungsfrist noch nicht begonnen hat.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.