L 9 R 2037/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 1512/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 2037/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 8. Mai 2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rücknahme einer Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Beschäftigung der Klägerin als Syndikuspatentanwältin.

Die 1972 geborene Klägerin ist Diplomingenieurin und seit dem 01.04.1997 bei der Firma A-L Deutschland AG (zwischenzeitlich NS and N GmbH & Co. KG, im Folgenden: Beigeladene Ziff. 2) beschäftigt. Sie ist seit dem 24.03.2009 als Patentanwältin zugelassen und als solche auf ihren entsprechenden Antrag hin seit dem 01.08.2010 Mitglied des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg (Beigeladener Ziff. 1). Laut „Anstellungsvertrag für den Führungskreis“ vom 16.03.2012 war Tätigkeits- bzw. Aufgabengebiet ab dem 01.04.2012 das eines „Director Patent Creation“. Laut Ergänzung zum Arbeitsvertrag vom 15.03.2016 wurde die Klägerin als Patentanwältin (Syndikuspatentanwältin) beschäftigt insbesondere mit der Aufgabe, das Unternehmen (inklusive gegebenenfalls verbundener Unternehmen im Sinne des § 15 Aktiengesetz) in Angelegenheiten der Erlangung, Aufrechterhaltung, Verteidigung und Anfechtung gewerblicher Schutzrechte zu beraten und Dritten gegenüber verantwortlich aufzutreten sowie in Angelegenheiten, die zum Geschäftskreis des Patentamts und des Patentgerichts gehören, für das Unternehmen vor dem Patentamt und dem Patentgericht verantwortlich aufzutreten.

Mit Bescheid vom 24.05.2016 wurde die Klägerin von der Patentanwaltskammer nach Anhörung der Beklagten gemäß § 41b Abs. 1 Patentanwaltsordnung (PAO) zusätzlich als Patentanwältin (Syndikuspatentanwältin) bei der Beigeladenen Ziff. 2 zur Patentanwaltschaft zugelassen. Die Zulassung wurde der Klägerin am 12.07.2016 ausgehändigt. Mit Antrag vom 30.03.2016, bei der Beklagten eingegangen am 04.04.2016, beantragte die Klägerin die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches – SGB VI). Laut mitgereichter Bescheinigung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg vom 31.03.2016 war die Klägerin seit dem 01.08.2010 Mitglied im Versorgungswerk (wobei die Ankreuzmöglichkeit „Pflichtmitgliedschaft kraft Gesetzes seit ...“ handschriftlich korrigiert war in „Mitgliedschaft auf Antrag seit 01.08.2010 als Patentanwältin“). Es wurde ferner bestätigt, dass ab Beginn der Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI für Zeiten, für die ohne diese Befreiung Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung zu zahlen wären, einkommensbezogene Pflichtbeiträge analog §§ 157 f. SGB VI zu zahlen seien.

Mit Bescheid vom 07.09.2016 befreite die Beklagte die Klägerin von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung ab Zulassung als Syndikuspatentanwältin (12.07.2016). Die Entscheidung über den Antrag auf rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 231 Abs. 4b SGB VI für den Zeitraum 01.04.2012 bis 12.07.2016 erhalte die Klägerin zu einem späteren Zeitpunkt.

Mit Schreiben vom 12.04.2017 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass man nach Überprüfung ihrer Angelegenheit festgestellt habe, dass sie mit dem Bescheid vom 07.09.2016 zu Unrecht mit Wirkung ab 12.07.2016 von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI befreit worden sei. Die Klägerin sei als Patentanwältin bei der Beigeladenen Ziff. 2 beschäftigt. Aufgrund dieser Beschäftigung in Baden-Württemberg könne keine Pflichtmitgliedschaft in der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung bestehen. Da die Voraussetzungen von Beginn an nicht vorgelegen hätten, beabsichtige sie, den Bescheid vom 07.09.2016 nach § 45 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) zurückzunehmen. Die Klägerin erhalte Gelegenheit zur Äußerung. Mit Schreiben vom 26.04.2017 wies die Klägerin darauf hin, dass für beschäftigte Patentanwälte in Baden-Württemberg das Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg zuständig sei. Aufgrund dieser Beschäftigung in Baden-Württemberg könne keine Pflichtmitgliedschaft in der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung bestehen.

Mit Bescheid vom 21.08.2017 nahm die Beklagte den Bescheid vom 07.09.2016 über die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI von Beginn an zurück. Die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI als Syndikuspatentanwalt/-anwältin setze u.a. voraus, dass eine Beschäftigung in den Bundesländern Bayern, Nordrhein-Westfalen oder Hamburg ausgeübt werde und aufgrund dieser Beschäftigung eine Pflichtmitgliedschaft in der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung bestehe. Tatsächlich übe die Klägerin ihre Beschäftigung in Baden-Württemberg (S) aus und es bestehe lediglich eine Mitgliedschaft auf Antrag im Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg. Eine Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk bestehe nicht. Eine Zulassung als Syndikuspatentanwalt/-anwältin für eine Beschäftigung in S könne nicht zu einer Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 SGB VI führen. Die Klägerin sei daher zu Unrecht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit worden. Die Rücknahme des Bescheides vom 07.09.2016 sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft sei zulässig, weil sich die Klägerin zum einen auf Vertrauen in den Bestand des Bescheides nicht berufen könne (§ 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X) und zum anderen die Fristen des § 45 Abs. 3 und 4 SGB X noch nicht abgelaufen seien. Auch die vorzunehmende pflichtgemäße Prüfung im Rahmen des Ermessens führe zu keinem anderen Ergebnis.

Hiergegen erhob die Klägerin am 08.09.2017 Widerspruch. Zur Begründung trug sie vor, dass sie bereits seit dem 24.03.2009 als Patentanwältin zugelassen und seit dem 01.08.2010 (Pflicht-)Mitglied im Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg geworden sei. Es handele sich um eine Pflichtmitgliedschaft auf Antrag, geregelt in § 6 des baden-württembergischen Rechtsanwaltsversorgungsgesetzes (RAVG BW). Es handele sich dabei nicht um eine Mitgliedschaft aufgrund gesetzlicher Anordnung, aber um eine Mitgliedschaft, die auf einer gesetzlichen Verpflichtung beruhe. Zwar bestehe kein Antragszwang, eine Mitgliedschaft auf Antrag im Sinne des § 6 RAVG BW sei aber ebenfalls eine auf Gesetz beruhende Verpflichtung zur Mitgliedschaft, sobald die entsprechende Mitgliedschaft begründet sei. Entscheidend sei allein, dass die Mitgliedschaft aufgrund der Regelungen in der gesetzeskonformen Satzung des Versorgungswerks nicht beendet werden könne, ohne dass der Beruf oder zumindest die Kanzlei in Baden-Württemberg aufgegeben werde. Das aber würde die Aufgabe der Beschäftigung erfordern, da die Kanzlei des Syndikuspatentanwalts kraft Fiktion dort bestehe, wo die Tätigkeit ausgeübt werde. Es bestehe somit ab Mitgliedschaftsbeginn eine Bindungswirkung der Mitgliedschaft im Versorgungswerk, die sich von einer aufgrund Gesetzes eintretenden Mitgliedschaft nicht unterscheide. Die Antragstellerin habe auch einkommensabhängige Beiträge in das Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg einbezahlt, und zwar seit August 2009. Sie habe Kolleginnen und Kollegen, die ebenfalls aktuell in Baden-Württemberg als bei nichtanwaltlichen Arbeitgebern angestellte Patentanwälte (Syndikuspatentanwälte) sogar rückwirkend von der Rentenversicherungspflicht befreit worden seien, ohne dass eine ähnliche Zurücknahme der Befreiung erfolgt wäre. Diese Verwaltungspraxis binde die Beklagte. Selbst wenn man zu dem Ergebnis gelangen wolle, die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht sei zu Unrecht erfolgt, wäre der Aufhebungsbescheid insoweit rechtswidrig, als er unzulässig rückwirkend die Befreiung von der Versicherungspflicht aufhebe. Die besonderen Voraussetzungen des § 45 Abs. 4 und Abs. 3 SGB X seien nicht erfüllt. Wenn nicht einmal die Beklagte selbst die behauptete Rechtswidrigkeit erkannt habe, könne eine solche Kenntnis mit Sicherheit nicht von einer Syndikuspatentanwältin erwartet werden, die mit dem Sozialversicherungsrecht nichts zu tun habe und in deren Umfeld genau nach entsprechender Praxis befreit worden sei und werde. Der Klägerin sei die Rechtsauffassung der Beklagten zu dem von ihr zu Unrecht gesehenen Befreiungshindernis nicht bekannt gewesen. Sie könne daher nicht bösgläubig gewesen sein.

Mit Bescheid vom 31.01.2018 hob die Beklagte den Bescheid vom 21.08.2017 teilweise auf. Der Bescheid vom 07.09.2016 über die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI werde gemäß § 45 SGB X lediglich für die Zukunft aufgehoben. Eine Kenntnis der Klägerin über eine fehlerhafte Bescheiderteilung könne nicht unterstellt werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.04.2016 wies die Beklagte den Widerspruch – soweit ihm nicht durch den Bescheid vom 31.01.2018 abgeholfen worden sei – zurück. Die Klägerin sei als Syndikuspatentanwältin bei der Beigeladenen Ziff. 2 in S  beschäftigt. In Baden-Württemberg bestehe für Patentanwälte bzw. Syndikuspatentanwälte keine durch Gesetz angeordnete oder auf Gesetz beruhende Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung, sondern lediglich eine Mitgliedschaft auf Antrag. Die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht seien daher nicht erfüllt. Unter Berücksichtigung der Ausführungen der Klägerin in der Widerspruchsbegründung habe dem Widerspruch insoweit abgeholfen werden können, als dass der Bescheid vom 07.09.2016 mit Bescheid vom 31.01.2018 für die Zukunft, ab 06.02.2018 (Tag seiner Bekanntgabe) zurückgenommen worden sei, weil das Vertrauen der Klägerin unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme nicht schutzwürdig sei. Das öffentliche Interesse ergebe sich daraus, dass die Verwaltung die geltenden Gesetze zu beachten habe.

Dagegen hat die Klägerin am 09.05.2018 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass der Befreiungsbescheid vom 07.09.2016 rechtmäßig gewesen sei. Der Bescheid über die Befreiung sei zu Unrecht aufgehoben worden. Soweit die Beklagte darauf abstelle, eine Mitgliedschaft im Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg sei, anders als eine solche in der entsprechenden bayerischen Versorgungseinrichtung, nicht ausreichend, um eine Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI zu rechtfertigen, denn es liege keine Pflichtmitgliedschaft vor, treffe dies nicht zu. Wie bereits im Widerspruchsverfahren vorgetragen, handele es sich dabei nicht um eine Mitgliedschaft aufgrund gesetzlicher Anordnung, aber um eine Mitgliedschaft, die auf einer gesetzlichen Verpflichtung beruhe. Zwar bestehe kein Antragszwang, eine Pflichtmitgliedschaft auf Antrag im Sinne des § 6 RAVG BW sei aber ebenfalls eine auf Gesetz beruhende Verpflichtung zur Mitgliedschaft, sobald die entsprechende Mitgliedschaft einmal begründet sei. Entscheidend sei allein, dass die Mitgliedschaft aufgrund der Regelungen in der gesetzeskonformen Satzung des Versorgungswerks nicht beendet werden könne, ohne dass der Beruf oder zumindest die Kanzlei in Baden-Württemberg aufgegeben werde. Die Satzung des Versorgungswerks sei materielles Gesetz und ihrerseits rechtmäßige Konkretisierung des § 6 RAVG BW. § 9 Abs. 2 der Satzung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg sehe vor, dass Patentanwälte auf Antrag Mitglied würden. § 10 Abs. 5 wiederum regele, dass die Mitgliedschaft (vorbehaltlich einer freiwilligen Fortsetzung nach Abs. 2) eines Patentanwalts auf Antrag ende, wenn die Kanzlei in Baden-Württemberg aufgegeben werde. Diese Voraussetzung erfülle die Klägerin nicht und sie könne sie ohne Aufgabe ihres Arbeitsplatzes nicht erfüllen. Der Sachverhalt unterscheide sich in einem entscheidenden Kriterium von einem vor dem Bundessozialgericht kürzlich entschiedenen Fall (B 5 RE 2/17), in welchem die Klägerin im Bezirk des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Hessen praktiziert habe, in welchem Syndikuspatentanwälte nicht Mitglied werden könnten. Die gesetzliche Regelung der PAO, die zur Beseitigung der Folgen der drei Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 03.04.2014 eingeführt worden sei, diene dem erklärten Ziel, die Befreiungspraxis von vor diesen Entscheidungen wiederherzustellen. Nur deshalb seien die Verfassungsbeschwerden gegen die Urteile nicht angenommen, sondern mit Beschlüssen vom 26.07.2016 zurückgewiesen worden (mit Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 22.07.2016 – 1 BvR 2534/14: Der Sachverhalt hatte sich nach der Erwartung des Bundesverfassungsgerichts an eine gesetzestreue Praxis der Verwaltung und Fachgerichtsbarkeit erledigt).

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Ergänzend zu den Ausführungen im Widerspruchsbescheid hat sie vorgetragen, dass die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI für die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht eine durch Gesetz angeordnete oder auf Gesetz beruhende Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung und damit eine Pflichtmitgliedschaft fordere. Die Klägerin sei als Syndikuspatentanwältin zwar Pflichtmitglied ihrer Berufskammer (hier: Patentanwaltskammer München). Sie sei aber gesetzlich nicht verpflichtet, Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versorgungseinrichtung in Baden-Württemberg zu sein. Nach § 9 der Satzung des Versorgungswerkes der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg sei für Patentanwälte lediglich eine Mitgliedschaft auf Antrag vorgesehen. Hiervon habe die Klägerin Gebrauch gemacht. Eine gesetzliche Mitgliedschaftsverpflichtung, wie von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI gefordert, liege nicht vor. Insofern sei die mit Bescheid vom 07.09.2016 ausgesprochene Befreiung von der Versicherungspflicht zu Recht nach § 45 SGB X zurückgenommen worden.

Mit Urteil vom 08.05.2019 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtene Entscheidung der Beklagten sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie habe keinen Anspruch auf die Aufhebung des Bescheides vom 21.08.2017 in der Fassung des Bescheides vom 31.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.04.2018, die weitere Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ab dem 06.02.2018 und Erstattung der gezahlten Pflichtbeiträge für die Zeit ab 06.02.2018. Die Klägerin übe keine befreiungsfähige Beschäftigung im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 SGB VI aus. Diese Vorschrift gebe versicherungspflichtig Beschäftigten, die gleichzeitig verkammerte Mitglieder einer berufsständischen Versorgungseinrichtung seien, einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nur für die „Beschäftigung, wegen der“ sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versorgungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer seien. Die Klägerin sei zur Patentanwaltschaft zugelassen und als zugelassene Patentanwältin kraft Gesetzes (§ 53 PAO) Pflichtmitglied der in München ansässigen Patentanwaltskammer. Die in Baden-Württemberg als Syndikuspatentanwältin tätige Klägerin sei jedoch nicht aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versorgungseinrichtung. Anders als in Bayern sei in dem RAVG BW eine durch Gesetz angeordnete oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung für Syndikuspatentanwälte nicht vorgesehen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 5 RAVG BW lägen im Falle der Klägerin – unstreitig – nicht vor. Bei der Klägerin bestehe vielmehr eine Pflichtmitgliedschaft auf Antrag nach § 6 RAVG BW. Für Patentanwälte sei in Baden-Württemberg (lediglich) eine Pflichtmitgliedschaft auf Antrag vorgesehen. Eine Pflichtmitgliedschaft auf Antrag stelle aber ihrem Wortlaut nach keine durch Gesetz angeordnete oder auf Gesetz beruhende Verpflichtung dar. Die Mitgliedschaft sei nicht durch ein Gesetz angeordnet und trete nicht durch eine auf Gesetz beruhende Verpflichtung ein, sondern werde erst durch einen Antrag begründet. Demnach sei schon nach dem Wortlaut der Vorschrift des § 6 Abs. 1 SGB VI der Tatbestand der Befreiungsnorm des § 6 Abs. 1 SGB VI nicht erfüllt. In Bayern sei hingegen in Art. 30 des Bayerischen Gesetzes über das öffentliche Versorgungswesen sowie in der Satzung der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberatungsversorgung in § 15 eine Pflichtmitgliedschaft – auch für Patentanwälte – normiert. Die Klägerin habe jedoch keinen Kanzleisitz in Bayern eingerichtet. Die in Baden-Württemberg in § 5 RAVG normierte Pflichtmitgliedschaft auf Antrag erfülle jedoch nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 SGB VI.

Gegen das ihr am 21.05.2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 21.06.2019 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung der Berufung wiederholt und vertieft sie ihren Vortrag aus dem Klageverfahren. Die im Urteil des SG jeweils als Mitgliedschaft auf Antrag bezeichnete Mitgliedschaft der Klägerin im Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg sei eine Pflichtmitgliedschaft auf Antrag. Die Klägerin habe die Wahl gehabt, Mitglied des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg zu werden und habe sich zum August 2010 dazu entschieden. Diese Mitgliedschaft könne sie nun nicht ohne Änderung ihres Berufes beenden. Sie sei mittlerweile Patentanwältin (Syndikuspatentanwältin) im Sinne des § 41a PAO. Ihr Kanzleisitz werde durch eine Fiktion definiert, sie könne ihn also selbst nicht mehr ändern (§ 41d Abs. 4 Satz 1 PAO). Damit sei es ihr nicht möglich, ihre Kanzlei ohne eine Verlegung ihres Arbeitsplatzes, worauf sie als Angestellte keinen Einfluss habe, zu verlegen und damit auch unmöglich, ihre Mitgliedschaft im Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg zu beenden, die ihren planmäßigen Grundstock der Altersversorgung darstelle. Bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Beklagten sei sie gezwungen, Beiträge an die Beklagte in Höhe von zehn Zehnteln des Regelpflichtbeitrags und Beiträge in Höhe weiterer drei Zehntel des Regelpflichtbeitrages an das Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg zu entrichten. Letztere könne sie nicht abändern. Als gleichzeitig Pflichtversicherte in der gesetzlichen Rentenversicherung bezahle sie seit ihrer Zulassung als Patentanwältin (Syndikuspatentanwältin) sogenannte besondere Beiträge, § 13 Abs. 1 der Satzung des Versorgungswerks. Sie sei zwangsweise (weiterhin) Mitglied des Versorgungswerks und müsse über 4.400,00 € jährlich zusätzlich zu den Zahlungen an die Beklagte an das Versorgungswerk entrichten. Dies nach Auffassung der Beklagten aufgrund eines Gesetzes, das komplizierte Versicherungsverläufe vermeiden sollte. Soweit das SG meine, dass die Pflichtmitgliedschaft auf Antrag (§ 6 RAVG BW) keine Pflichtmitgliedschaft im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sei, sei das unzutreffend. In der auch vom SG zitierten Entscheidung des BSG vom 28.06.2018 (B 5 RE 2/17) decke sich der Sachverhalt mit dem hier zu entscheidenden scheinbar, ein Detail aber sei anders: Die Klägerin dieses Verfahrens habe ihren Kanzleisitz nach altem und neuem Recht in Baden-Württemberg, die des Verfahrens B 5 RE 2/17 in Hessen. Unter anderem von der vorliegenden Konstellation grenze das BSG in Rn. 47 den dort zu entscheidenden Fall ab: „... weitere Kanzleisitze in Nordrhein-Westfalen, in der freien und Hansestadt Hamburg, in Brandenburg, Baden-Württemberg oder Sachsen, die aufgrund von Staatsverträgen eine erweiterte Zuständigkeit der Beigeladenen zu 2 begründen oder durch deren landesrechtliche Regelungen eine Pflichtmitgliedschaft auf Antrag in den jeweiligen Rechtsanwaltsversorgungswerken begründet werden kann, bestehen nach den Feststellungen des LSG nicht.“ Die drei Länder Baden-Württemberg, Sachsen und Brandenburg sähen als einzige eine Pflichtmitgliedschaft auf Antrag vor. Das BSG habe – anders als das SG – die Wirkungen dieser Pflichtmitgliedschaft erkannt und daraus die richtigen Schlüsse gezogen: Länder, die einen Staatsvertrag mit Bayern über eine Mitgliedschaft von Patentanwälten mit Kanzleisitz in den jeweiligen Ländern abgeschlossen hätten, beugten der Rechtszersplitterung durch diesen Staatsvertrag vor, die Patentanwälte würden Mitglied der Bayerischen berufsständischen Versorgungseinrichtung. Eine weitere Gruppe Länder, zu denen Baden-Württemberg zähle, habe das Problem nicht, da deren Patentanwälte infolge einer auf Gesetz beruhenden Mitgliedschaft in den eigenen Versorgungswerken pflichtversichert seien. Das SG stelle auf die Begründung der Mitgliedschaft ab, während § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI an das Bestehen einer solchen Mitgliedschaft anknüpfe. Für diese Sichtweise gebe es im Gesetz keine Stütze. Der Zustand sei nach § 6 Abs. 3 RAVG BW der einer Pflichtmitgliedschaft. Die gesetzliche Überschrift lasse hieran keinen Zweifel. Dass das Versorgungswerk in seiner Satzung weniger sorgfältig formuliert habe und seinen § 9 nur mit „Mitgliedschaft auf Antrag“ überschrieben habe, ändere daran nichts, da die Satzung keine Möglichkeit vorsehe, ohne Aufgabe der – bei einer Patentanwältin (Syndikuspatentanwältin) fiktiven – Kanzlei aus dem Versorgungswerk auszuscheiden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 8. Mai 2019 und den Bescheid der Beklagten vom 21. August 2017 in der Fassung des Bescheides vom 31. Januar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. April 2018 aufzuheben,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das SG habe die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die Klägerin sei lediglich „Pflichtmitglied auf Antrag“ des Versorgungswerkes der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg. Es mangele mithin an einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung, Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung zu sein (Pflichtmitgliedschaft im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI). „Gesetz“ im Verständnis des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sei dabei nur ein Gesetz im formellen Sinne, so dass als Rechtsgrundlage nur das RAVG BW in Betracht komme. Das RAVG BW ordne für Patentanwälte jedoch keine Pflichtmitgliedschaft im Sinne des § 6 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI an. Bereits aus dem Wortlaut der maßgeblichen Vorschriften des § 5 RAVG BW („Pflichtmitgliedschaft“) und § 6 RAVG BW („Pflichtmitgliedschaft auf Antrag“) werde der bestehende Unterschied evident. Während nach § 5 RAVG BW automatisch derjenige, der Mitglied der Rechtsanwaltskammer in Baden-Württemberg werde, auch Mitglied des Versorgungswerkes werde, liege der Fall bei der sogenannten „Pflichtmitgliedschaft auf Antrag“ für Patentanwälte mit Kanzleisitz in Baden-Württemberg so, dass sie (nur) auf Antrag in das Versorgungswerk aufgenommen würden, wenn sie den Antrag innerhalb von zwei Jahren nach ihrer Zulassung zur Patentanwaltschaft stellten und bei Antragstellung das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten, § 6 Abs. 2 RAVG BW. Da die Klägerin nicht Mitglied der Rechtsanwaltskammer sei, lägen in ihrer Person die Voraussetzungen des § 5 RAVG BW nicht vor. Die Klägerin sei als zugelassene Patentanwältin mit Kanzleisitz in Baden-Württemberg aufgrund ihres Antrags seit dem 01.08.2010 Mitglied des Versorgungswerkes nach § 6 Abs. 2 RAVG BW. Dem sei aber eben keine gesetzliche Verpflichtung, sondern ein ausdrücklicher Antrag der Klägerin vorausgegangen, so dass sie eine gesetzliche Dispositionsbefugnis über ihren Beitritt zum Versorgungswerk gehabt habe. Der Gesetzgeber stelle die Entscheidung über die Begründung einer Mitgliedschaft im Versorgungswerk in das Ermessen des Einzelnen, indem diesem die Möglichkeit, nicht aber die Pflicht zur Mitgliedschaft eröffnet werde. Allein die durch Gesetz eingeräumte Möglichkeit, auf Antrag (Pflicht-)Mitglied in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung zu werden, rechtfertige nicht, eine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 SGB VI zu erteilen. Die von Klägerseite zitierte BSG-Entscheidung (B 5 RE 2/17 R) treffe zur Qualität einer solchen „Pflichtmitgliedschaft auf Antrag“ im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal „aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung“ im Sinne des § 6 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI hingegen keine Aussage. Die klägerische Argumentation finde daher weder Stütze im Gesetz noch in der Rechtsprechung.

Der Senat hat die Verwaltungsakten der Beklagten beigezogen und die Arbeitgeberin der Klägerin (Beigeladene Ziff. 2) und das Versorgungswerk für Rechtsanwälte in Baden-Württemberg (Beigeladener Ziff. 1) zum Verfahren beigeladen. Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt. In der Sache hält der Beigeladene Ziff. 1 die Auffassung der Beklagten, die Mitgliedschaft der Klägerin sei keine Pflichtmitgliedschaft, für unzutreffend. Auch eine Mitgliedschaft nach § 5 der Satzung sei eine Pflichtmitgliedschaft, obwohl sie allein darauf beruhe, dass sie durch Antrag auf Zulassung als Rechtsanwalt bei der Rechtsanwaltskammer entstehe. § 6 RAVG BW benenne die Mitgliedschaft der Klägerin ausdrücklich als Pflichtmitgliedschaft, so (wie) bei der Beklagten nach § 4 SGB VI Pflichtmitgliedschaft entstehe. Dadurch entstehe bei der Beklagten ebenso eine „durch Gesetz angeordnete oder auf Gesetz beruhende“ Verpflichtung zur Mitgliedschaft. Die Voraussetzung des § 6 SGB VI sei damit erfüllt. Die Beigeladene Ziff. 1 hat sich der Auffassung des Beigeladenen Ziff. 2 angeschlossen und ergänzend darauf hingewiesen, dass sie Standorte sowohl in M als auch in S habe. Eine unterschiedliche Behandlung von Syndikusrechts- und Syndikuspatenanwälten bei gleichem Aufgabengebiet sei weder nachvollziehbar noch geboten. Für sie sei es ein Standortfaktor, ob bei ihr beschäftigte Patentanwälte von der Rentenversicherungspflicht befreit werden könnten oder nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die nach § 151 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe gemäß § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil des SG vom 08.05.2019 ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 21.08.2017 in der Gestalt des Bescheides vom 31.01.2018 sowie des Widerspruchsbescheides vom 09.04.2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Streitgegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 21.08.2017 in der Fassung des Bescheides vom 31.01.2018, mit dem die Beklagte den Bescheid vom 07.09.2016 über die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI mit Wirkung ab 12.07.2016 für die Zukunft aufgehoben hat.

Rechtsgrundlage für die Aufhebung ist § 45 Abs. 1, Abs. 2 bis 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Gemäß § 45 Abs. 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

  1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
  2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat,
  3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat

Gemäß § 45 Abs. 3 SGB X kann ein rechtwidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Abs. 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden.

Das SG hat mit zutreffenden Gründen dargelegt, dass die Klägerin als abhängig beschäftigte Syndikuspatentanwältin bei der Beigeladenen Ziff. 2 keine befreiungsfähige Beschäftigung i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI ausübt. Der Senat sieht deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist auszuführen, dass auch der erweiterte und vertiefte Vortrag der Klägerin im Berufungsverfahren nicht geeignet ist, zu einem anderen Ergebnis zu gelangen.

Rechtsgrundlage für die von der Beklagten vorgenommene Befreiung von der Versicherungspflicht ist § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI: Danach werden von der Versicherungspflicht Beschäftigte für die Beschäftigung befreit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn a) am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat, b) für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und c) aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist.

Als Syndikuspatentanwältin ist die Klägerin Pflichtmitglied in der Patentanwaltskammer. Dies wird angeordnet durch § 53 PAO: Gemäß § 53 Abs. 2 Nr. 1 PAO sind Mitglieder der Patentanwaltskammern Personen, die von ihr zur Patentanwaltschaft zugelassen oder von ihr aufgenommen wurden.  Syndikuspatentanwälte werden wie Patentanwälte mit der Zulassung Mitglied der Patentanwaltskammer (§§ 18 Abs. 3, 41a, 41 b Abs. 4 PAO). Die Klägerin erfüllt damit zweifellos und unstreitig das Tatbestandsmerkmal „kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer“.

Die Klägerin ist jedoch auch nach der Überzeugung des Senats nicht wegen ihrer Beschäftigung bei der Beigeladenen Ziff. 2 „aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung“ Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI.

Die Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beigeladenen Ziff. 1 folgt nicht bereits aus § 5 Abs. 1 bis 3 RAVG BW (überschrieben mit „Pflichtmitgliedschaft“): Denn danach ist Mitglied des Versorgungswerks nur, wer bei Inkrafttreten des Gesetzes Mitglied einer Rechtsanwaltskammer in Baden-Württemberg war oder es nach diesem Zeitpunkt geworden ist. Die Klägerin ist allerdings nicht Mitglied einer Rechtsanwaltskammer in Baden-Württemberg, sondern Mitglied der Patentanwaltskammer mit Sitz in M.

Gemäß § 6 RAVG BW (überschrieben mit „Pflichtmitgliedschaft auf Antrag“) werden Mitglieder der Rechtsanwaltskammern in Baden-Württemberg, die nicht gemäß § 5 Abs. 1 bis 3 Mitglied des Versorgungswerks sind, Notare zur hauptberuflichen Amtsausübung mit Amtssitz in Baden-Württemberg sowie Patentanwälte mit Kanzleisitz in Baden-Württemberg auf Antrag in das Versorgungswerk aufgenommen, wenn sie beim Inkrafttreten des Gesetzes das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Der Antrag ist innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zu stellen (Abs. 1). Patentanwälte mit Kanzleisitz in Baden-Württemberg werden ferner auf Antrag in das Versorgungswerk aufgenommen, wenn sie den Antrag innerhalb von zwei Jahren nach der Zulassung zur Patentanwaltschaft stellen (Abs. 2 Satz 1).

Diese gesetzlichen Vorgaben sind entsprechend in der Satzung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg umgesetzt (§ 5: Mitgliedschaft kraft Gesetzes, § 9 Mitgliedschaft auf Antrag).

Die Klägerin ist auf ihren entsprechenden Antrag hin ab dem 01.08.2010 als Patentanwältin Mitglied des Versorgungswerks der Beigeladenen Ziff. 1 geworden. Das folgt aus dem Vortrag der Klägerin ebenso wie aus der mit dem Befreiungsantrag der Beklagten vorgelegten Bescheinigung des Versorgungswerks vom 31.03.2016.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass die so bestätigte Mitgliedschaft (Mitgliedschaft auf Antrag als Patentanwältin ab dem 01.08.2010) auch eine Mitgliedschaft der Klägerin als Syndikuspatentanwältin ab der entsprechenden Zulassung umfasst (dass insoweit zwischen verschiedenen Tätigkeiten, insbesondere versicherungspflichtigen Beschäftigungen und selbständigen Tätigkeiten zu unterscheiden ist, hat das BSG wiederholt entschieden, vgl. nur BSG, Urteil vom 28.06.2018 - B 5 RE 2/17 R -, juris Rn. 36 ff., 40; siehe auch BSG, Urteil vom 22.03.2018 - B 5 RE 12/17 B -, juris Rn. 28), übt die Klägerin bei der Beigeladenen Ziff. 2 keine befreiungsfähige Beschäftigung i.S.v. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI aus. Es besteht auch nach der Überzeugung des Senats keine Mitgliedschaft bei der Beigeladenen Ziff. 1, die entsprechend den Vorgaben des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI durch Gesetz angeordnet ist oder sich aus einer auf Gesetz beruhenden Verpflichtung ergibt. Das folgt aus dem Wortlaut der Vorschrift ebenso wie aus dem Normzweck und der Entstehungsgeschichte.

Die Auffassung der Klägerin, die „Pflichtmitgliedschaft auf Antrag“ i.S.d. § 6 RAVG BW sei ebenso wie die „Pflichtmitgliedschaft“ i.S.d. § 5 RAVG eine auf Gesetz beruhende Verpflichtung zur Mitgliedschaft, sobald sie einmal begründet sei, überzeugt den Senat nicht. Denn das SG hat zutreffend dargelegt, dass eine Pflichtmitgliedschaft auf Antrag schon dem Wortlaut nach keine durch Gesetz angeordnete ist. Sie ist nicht durch gesetzliche Anordnung ohne jegliche Möglichkeit einer Beeinflussung durch die Klägerin entstanden, sondern erst auf ihre eigenständige Willensentscheidung hin, die sich durch eine entsprechende Antragstellung bei der Beigeladenen Ziff. 1 und die daran anschließende Aufnahme manifestiert hat. Zwar trifft es zu, dass nach den Vorgaben in § 10 Abs. 5 der Satzung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg eine einmal begründete Mitgliedschaft auf Antrag nur auf erneuten Antrag hin endet, wenn die Kanzlei in Baden-Württemberg aufgegeben wird. Es besteht also anders als z.B. in anderen Bundesländern, deren landesrechtliche Regelungen Möglichkeiten einer freiwilligen Mitgliedschaft vorsehen, keine Möglichkeit, die einmal durch Antrag begründete Mitgliedschaft ebenso frei wieder zu kündigen (vgl. beispielhaft die Regelungen in der Satzung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Hessen: Dort endet eine freiwillige Mitgliedschaft u.a. durch schriftliche Erklärung des freiwilligen Mitglieds, § 11 Abs. 2 Nr. 3 der Satzung. Allerdings ist insoweit zu berücksichtigen, dass die dort normierte freiwillige Mitgliedschaft gemäß § 11 Abs. 1 der Satzung nur für diejenigen Mitglieder in Betracht kommt, deren Pflichtmitgliedschaft endet; Patentanwälte/Syndikusanwälte gehören dort überhaupt nicht zum Kreis potentieller Pflichtmitglieder). Diese Beschränkung der Möglichkeit, eine einmal für den Beitritt zum Versorgungswerk getroffene Entscheidung wieder zu revidieren (was im RAVG BW mit der Bezeichnung als „Pflichtmitgliedschaft auf Antrag“ zum Ausdruck kommen soll), macht jedoch die erst auf Antrag begründete Mitgliedschaft nicht zu einer gesetzlichen Mitgliedschaft. Denn es bleibt dabei, dass die Klägerin über das „Ob“ ihrer Mitgliedschaft mit ihrem Aufnahmeantrag selbst disponieren konnte und disponiert hat. Die damit verbundenen Folgen – auch etwa Beschränkungen der Möglichkeit, das Versorgungswerk wieder zu verlassen – konnte sie übersehen und im Rahmen ihrer Entscheidungsfindung berücksichtigen.

Auch der Hinweis der Klägerin in diesem Zusammenhang, das SG stelle fälschlicherweise auf die Begründung der Mitgliedschaft ab, während § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI an das Bestehen einer solchen Mitgliedschaft anknüpfe – wobei der Zustand nach § 6 Abs. 3 RAVG BW der einer Pflichtmitgliedschaft sei – vermag nicht zu überzeugen. Insbesondere die Gleichsetzung der im RAVG BW so bezeichneten „Pflichtmitgliedschaft auf Antrag“ (in der Satzung lediglich „Mitgliedschaft auf Antrag“) mit einer durch Gesetz angeordneten Mitgliedschaft i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI erscheint aus den dargelegten Gründen nicht zwingend. Schließlich wurde die Mitgliedschaft der Klägerin auch in der bereits angeführten Bescheinigung des Versorgungswerks ausdrücklich als „Mitgliedschaft auf Antrag“ bescheinigt – die eigentlich vorgegebene Antwortmöglichkeit „Pflichtmitgliedschaft kraft Gesetzes“ wurde handschriftlich gestrichen bzw. korrigiert.

Dass das BSG mit seinen Ausführungen in seinem Urteil vom 28.06.2018 (B 5 RE 2/17 R, Rn. 47) nach klägerischer Auffassung „die Wirkungen der Pflichtmitgliedschaft erkannt und daraus die richtigen Schlüsse gezogen hat“, vermag der Senat nicht in dieser Eindeutigkeit zu sehen. Zwar hat das BSG in der angeführten Passage ausgeführt, dass die dortige Klägerin, eine bei einem Arbeitgeber in Hessen angestellte Patentanwältin, weitere Kanzleisitze in Nordrhein-Westfalen, in der Freien und Hansestadt Hamburg, in Brandenburg, Baden-Württemberg oder Sachsen, die aufgrund von Staatsverträgen eine erweiterte Zuständigkeit des Bayerischen Versorgungswerks oder durch landesrechtliche Regelungen eine Pflichtmitgliedschaft auf Antrag in den jeweiligen Rechtsanwaltsversorgungswerken der Bundesländer begründen könne, nicht habe. Diese Ausführungen versteht die Klägerin dahingehend, dass nach Auffassung des BSG Patentanwälte in Baden-Württemberg infolge einer auf Gesetz beruhenden Mitgliedschaft im Versorgungswerk pflichtversichert seien (einen „Fingerzeig“ in die Richtung, dass auch das BSG einer durch Antrag begründeten Pflichtmitgliedschaft zumindest nach dem seit dem 01.01.2016 geltenden Recht Relevanz zusprechen wollte, sieht auch Möller, Pat. Mitt. 2019, 155, 157, der allerdings in seinem Fazit die Rechtslage insoweit als derzeit „unklar“ bezeichnet). Selbst wenn dies so wäre, sieht sich der Senat hierdurch nicht an einer anderen Auffassung gehindert, zumal die Ausführungen des BSG im Rahmen eines obiter dictum erfolgt sind und somit nicht entscheidungserheblich waren. Denn das BSG hat in anderen Zusammenhängen betont, dass der Annahme einer freiwilligen Mitgliedschaft nicht entgegensteht, dass diese zwar durch einen Antrag des Versicherten begründet wird, rechtlich jedoch im Einzelfall gleichwohl als Pflichtmitgliedschaft ausgestaltet ist. Denn die landesrechtliche Ausgestaltung der Rechte und Pflichten freiwilliger Mitglieder im Vergleich zu Pflichtmitgliedern sei gerade nicht Anknüpfungspunkt des Anspruchs auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI (vgl. nur BSG, Urteil vom 09.03.2005 - B 12 RA 8/03 R -, juris - bezogen auf die Folgen der freiwilligen Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer; hierzu zustimmende Anmerkung Welti, SGb 2006, 104 ff.). Wieso insoweit etwas Anderes für eine Mitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk gelten sollte, ist nicht ersichtlich.

Hinsichtlich des Zwecks der Befreiungsregelung, Doppelversorgung bzw. doppelte Verpflichtungen zur Beitragszahlung zu vermeiden, ist zu konstatieren, dass die betroffenen Versicherten ebenso wie im Falle einer gesetzlich begründeten Mitgliedschaft u.U. auch im Falle einer auf Antrag beruhenden Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung mit einer doppelten Beitragszahlung belastet sein können. Dies deutet die Klägerin mit ihrer Argumentation an, dass sie bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Beklagten und des SG gezwungen sei, Beiträge an die Beklagte in Höhe von 10/10 des Regelpflichtbeitrags und an die Beigeladene Ziff. 1 in Höhe weiterer 3/10 des Regelpflichtbeitrags zu entrichten. Anders als bei der gesetzlich begründeten Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung beruht diese Belastung jedoch auf einer freien und durch die Antragstellung zum Ausdruck gebrachten Entscheidung des Versicherten. Insoweit ist die in Baden-Württemberg so bezeichnete „Pflichtmitgliedschaft auf Antrag“ eher einer freiwilligen Mitgliedschaft zuzuordnen als einer gesetzlich begründeten Pflichtmitgliedschaft (so ohne weitere Diskussion auch Fitzner, PatMitt 2017, 315, 316; im Ergebnis auch Bayerisches LSG, Urteil vom 23.05.2007 – L 16 R 10/06 -, juris Rn. 18: entgegen der Auffassung des Klägers sei nicht maßgeblich, ob für ihn ein Austritt zu wirtschaftlich akzeptablen Bedingungen aus der von ihm aufgrund einer freien Willensentscheidung entstandenen Mitgliedschaft beim Versorgungswerk für Rechtsanwälte in Baden-Württemberg möglich sei; entscheidend sei vielmehr, ob eine durch Gesetz angeordnete Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer Versorgungseinrichtung bestehe, was beim Kläger nicht der Fall sei; ebenso SG Aachen, Urteil vom 25.08.2009 - S 23 R 10/07 -, juris Rn. 14 m.w.N., SG Stuttgart, Urteil vom 13.08.2014 - S 21 R 3010/12 -, unveröffentlicht; siehe auch Gürtler in Kasseler Kommentar, § 6 SGB VI, Rn. 8, 9).

Auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift spricht nicht für die Auffassung der Klägerin: Der Gesetzgeber hat die Änderung des § 6 Abs. 1 SGB VI mit Wirkung zum 01.01.1995, wonach künftig Voraussetzung für eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung künftig nicht nur die Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk, sondern auch die Pflichtmitgliedschaft in der jeweiligen Berufskammer sein sollte, wie folgt begründet:

„Schon bisher eröffnete eine (bloße) freiwillige Mitgliedschaft im berufsständischen Versorgungswerk nicht ein Befreiungsrecht, da in derartigen Fällen eine doppelte Beitragszahlungspflicht (zur gesetzlichen Rentenversicherung und zur berufsständischen Versorgung) erst durch eine freiwillige Entscheidung der Betroffenen entstand. Die Neufassung trägt diesem Regelungsziel für die Fälle Rechnung, in denen die Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Versorgung auf einer (nur) freiwilligen Zugehörigkeit zur Berufskammer beruht, d.h. für die Fälle, in denen eine doppelte Beitragszahlungspflicht letztlich Folge einer freien Disposition der Betroffen ist. Den Mitgliedern von berufsständischen Versorgungswerken steht somit ein Recht auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung künftig nur zu, wenn sie kraft gesetzlich zwingend vorgeschriebener Verpflichtung Pflichtmitglied der berufsständischen Kammer sind. Ein Befreiungsrecht ist somit künftig auch dann nicht gegeben, wenn die Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer etwa auf Antrag herbeigeführt werden könnte oder wenn in den jeweiligen kammerrechtlichen Regelungen die freiwillige Mitgliedschaft im Wege einer Fiktion der Pflichtmitgliedschaft gleichgestellt werden sollte.“

Ausschlaggebend für den Gesetzgeber war demnach nicht das Bestehen einer Mitgliedschaft bzw. deren Ausgestaltung im Einzelnen, sondern die Frage, ob eine eventuelle doppelte Beitragszahlungspflicht erst durch eine freiwillige Entscheidung der Betroffenen entsteht. Dies spricht gegen die oben referierte Rechtsauffassung der Klägerin. Zwar beziehen sich die Ausführungen des Gesetzgebers auf die Frage des Vorliegens einer gesetzlichen Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer, nicht unmittelbar auf eine solche in einem berufsständischen Versorgungswerk. Der zugrundeliegende Gedanke – Beitragszahlungspflicht als Folge einer freien Disposition der Betroffenen oder einer gesetzlichen Regelung – ist jedoch auf die vorliegende Konstellation übertragbar.

Der Befreiungsbescheid vom 07.09.2016, mit dem die Beklagte die Befreiung der Klägerin von der Rentenversicherungspflicht ausgesprochen hat, war demnach von Anfang an rechtswidrig.

Auch die weiteren Voraussetzungen für eine Aufhebung nach § 45 SGB X sind erfüllt. Die Beklagte hat die Aufhebungsfrist des § 45 Absatz 3 SGB X (zwei Jahre nach Bekanntgabe) eingehalten. Sie ist (mit dem Teilabhilfebescheid im Widerspruchsverfahren) auch zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin zunächst auf den Bestand des Befreiungsbescheides vertrauen durfte und eine Rücknahme der Befreiung nur für die Zukunft erfolgen konnte. Hinsichtlich der Zukunft überwiegt – wie die Beklagte im angefochtenen Widerspruchsbescheid zutreffend ausgeführt hat – das Interesse an der Einhaltung der gesetzlichen Regelungen. Nicht rückgängig zu machende Vermögensdispositionen hat die Klägerin nicht getroffen (§ 45 Abs. 2 SGB X).

Aus einer Gesamtschau der (knappen) Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden vom 21.08.2017 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 31.01.2018 und des Widerspruchsbescheides vom 09.04.2018 wird (noch) hinreichend deutlich, dass die Beklagte erkannt hat, dass ihr hinsichtlich der Rücknahme Ermessen zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 31.10.1992 – 7 Rar 60/89 -, juris Rn. 35 f.) und dass sie dieses Ermessen auch ausüben wollte. Denn die Beklagte hat dargelegt, dass im Rahmen der Abwägung und unter Berücksichtigung der Ausführungen der Klägerin deren Interesse am Bestand der (rechtswidrig) erfolgten Befreiung von der Versicherungspflicht hinter das öffentliche Interesse an der Einhaltung der geltenden Gesetze zurückzustehen hat. Das ist auch nach Einschätzung des Senats nicht zu beanstanden.

Damit war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Die Rechtsfrage, ob eine auf Landesrecht beruhende Pflichtmitgliedschaft auf Antrag in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung eine durch Gesetz angeordnete oder auf Gesetz beruhende Verpflichtung im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI darstellt, stellt eine bislang höchstrichterlich nicht geklärte Rechtsfrage dar, deren Klärung über den Einzelfall hinaus im allgemeinen Interesse liegt.

Rechtskraft
Aus
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