Die Berufungen des Klägers gegen die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Mannheim vom 16.05.2018 und vom 17.05.2018 werden zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch in den Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines Zahnverlustes im Oberkiefer und einer Hörminderung als Unfallfolge streitig.
Der 1950 geborene Kläger erlitt am 27.07.1993 in seiner versicherten Tätigkeit als Taxifahrer einen Auffahrunfall, bei dem er sich eine Halswirbelsäulendistorsion zuzog.
Am 29.07.1993 und am 12.08.1993 befand er sich wegen einer Gingivitis im Bereich der Zähne 12 und 13 in Behandlung bei der Zahnärztin S. Anlässlich einer erneuten Behandlung am 09.11.1993 diagnostizierte S eine ulzerierende, nekrotisierende Gingivitis.
Anschließend und in den Jahren danach befand sich der Kläger bei zahlreichen Zahnärzten und Oralchirurgen in Behandlung und zwar u.a. zunächst ab dem 05.10.1994 bei S1 („erhebliche Lockerung der Brücke im Oberkiefer rechts bei gleichzeitigen Beschwerden aus dem Formenkreis der Myoarthropathie“), ab dem 25.11.1994 bei Z (Extraktion der Zähne 12, 13, 16, 24, 25, 28) und ab 23.12.1994 bei E und H (Röntgenbild: massiver parodontaler Knochenabbau distal 11). Die Untersuchung an der Universitätsklinik M, Poliklinik für zahnärztliche Chirurgie am 15.02.1995 ergab röntgenologisch vertikale Einbrüche an den Zähnen 11 und 21. Eine Erhaltungsmöglichkeit wurde ausweislich der Behandlungsdokumentation ausgeschlossen. Im Oktober 1995 wurde der Zahn 11 durch J, D.D.S, in D, Texas, USA, extrahiert.
Mit Schreiben vom 16.11.1997 beantragte der Kläger die „Neufeststellung des Unfallschadens vom 27.07.1993“ und führte zur Begründung aus, durch den Aufprall im Rahmen des Unfalls habe er 1994 und 1995 Zähne im Oberkiefer verloren.
Die Beklagte holte daraufhin zunächst Stellungnahmen der den Kläger behandelnden Ärzte und sodann ein unfallchirurgisches Gutachten bei W ein. In seinem Gutachten vom 29.09.1998 verneinte dieser überdauernde Unfallfolgen auf seinem Fachgebiet. Zudem veranlasste die Beklagte eine Begutachtung des Klägers durch N, Direktor der Poliklinik für Zahnärztliche Chirurgie am Zentrum der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde des Klinikums der Universität F (Tag der Begutachtung 18.02.1999). Nach Auswertung der Röntgenbefunde der Zahnärztin S vom 24.10.1986, der Praxis R vom 02.03.1992, des Zahnarztes Z vom 29.11.1994, der Dres. E und H vom 23.12.1994, der Uniklinik M vom 15.02.1995 und vom 01.06.1995 und der Zahnarztpraxis Dres. R/S1 vom 26.01.1999 gab N an, der Verlust der zur Diskussion stehenden Oberkieferzähne sei nicht auf das Unfallereignis vom 27.07.1993, sondern auf eine progrediente marginale Parodontopathie – am Zahn 12 in Kombination mit einer apikalen Ostitis nach endodontischer Behandlung – zurückzuführen. Ein Zahnverlust durch Spätfolgen einer traumatischen Längsfraktur oder einer traumatischen Brückendezementierung mit folgender Sekundärkaries könne mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Vielmehr könne anhand der Röntgenbilder eine Destruktion des Zahnhalteapparates demonstriert werden, wie sie für eine marginale Parodontopathie typisch sei.
Mit Bescheid vom 11.06.1999 lehnte die Beklagte einen Rentenanspruch ab. Eine MdE in rentenberechtigendem Grad bestehe nicht. Auf chirurgischem Fachgebiet hätten keine Unfallfolgen festgestellt werden können. Das zahnärztlich-oralchirurgische Gutachten habe ergeben, dass es bei dem Arbeitsunfall vom 27.07.1993 nicht zu einer Zahn- und Kieferschädigung gekommen sei. Auch eine Regulierung des unfallfremden Zahnschadens werde abgelehnt. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.06.2000 zurück.
Die deswegen zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage (S 3 U 1586/00) mit der der Kläger u.a. die Feststellung der „Schädigung im Bereich des Oberkiefers, insbesondere des Zahnverlusts“ als Folge des Arbeitsunfalls vom 27.07.1993 begehrte, wies das SG mit Urteil vom 26.02.2004 ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, Folgen des Unfalls vom 27.07.1993 seien nicht festzustellen. Dies ergebe sich in Bezug auf Zahnschäden insbesondere aus dem überzeugenden und schlüssigen Gutachten des N.
Die hiergegen zum dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhobene Berufung (L 10 U 2094/04) wurde, nachdem der 10. Senat auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG ein Sachverständigengutachten bei dem Arzt für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie F1 eingeholt hatte, zurückgewiesen (Urteil vom 23.11.2006). Die hiergegen zum Bundessozialgericht (BSG) eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision blieb erfolglos (Beschluss des BSG vom 10.07.2007, B 2 U 357/06 B).
Im Jahr 2011 ließ der Kläger von der Unfallkasse Baden-Württemberg (UKBW) an die Beklagte ein Gutachten des Facharztes für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde H1 (Gutachten vom 26.09.2011) übersenden. Hintergrund dieses Gutachtens war ein bei der UKBW gestellter Antrag des Klägers auf Hörgeräteversorgung wegen Schwerhörigkeit, die er auf ein in die Zuständigkeit der UKBW fallendes Unfallereignis vom 16.07.2001 zurückführte. In diesem Gutachten gab H die Diagnosen einer gering- bis mittelgradigen Schwerhörigkeit rechts und eine Normalhörigkeit links an und führte zur Ursächlichkeit der Schwerhörigkeit aus, eine „traumatogen bedingte Luxation der Gehörknöchelkette/Otosklerose“ könne nicht sicher ausgeschlossen werden.
Mit Schreiben vom 07.08.2016, das mit „Unfall vom 27.07.1993“ überschrieben war, erklärte der Kläger, N und F1 hätten durch die mangelnde Mitwirkung seiner behandelnden Ärzte, insbesondere des Z, keine brauchbaren Gutachten erstellen können, um seine Zahnschäden aufklären zu können. Er beantrage Zahnfilme und OPG, die Z in der Zeit ab dem 12.07.1985 und damit „innerhalb und außerhalb des angeschuldigten Zahnschadens“ angefertigt habe, den Gutachtern nunmehr vorzulegen, damit diese Berücksichtigung finden könnten und den Zahnschaden vom 27.07.1993 beweisen könnten. Die Bilder befänden sich derzeit wegen eines Revisionsverfahrens, an dem er beteiligt sei, beim Bundesgerichtshof (BGH). Darüber hinaus beantragte er, „den angeschuldigten Hörschaden seines Unfalls vom 27.07.1993 anzuerkennen.“ In der Anlage übersandte er einen Kostenvoranschlag für eine Hörgeräteversorgung vom 29.07.2016. Mit Schreiben vom 22.09.2016 übersandte der Kläger zudem einen Befundbericht des HNO-Arztes M1 vom 22.09.2016, der eine beidseitige hochtonbetonte Innenohrschwerhörigkeit diagnostiziert hatte.
Die Beklagte wertete dies als Überprüfungsantrag in Bezug auf den Bescheid vom 11.06.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.06.2000 und bat mit an den BGH gerichtetem Schreiben vom 28.09.2016 um Übersendung der dort nach Angabe des Klägers vorliegenden Röntgenaufnahmen des Kopfes des Klägers. Daraufhin erklärte der BGH mit Schreiben 13.10.2016 und vom 11.10.2016, angesichts umfangreicher Anlagen mit zahlreichen Röntgenbildern könne nicht ermittelt werden, welche Unterlagen von Relevanz wären.
Mit Schreiben vom 12.10.2016 legte der Kläger den Widerspruchsbescheid der UKBW vom 25.04.2012 vor, der die Ablehnung einer Hörgeräteversorgung im Zusammenhang mit dem Unfallereignis vom 16.07.2001 zum Gegenstand hatte. Zur Begründung hieß es in dem Bescheid, nach der beratungsärztlichen Stellungnahme des H1 spreche alles für eine schicksalhafte, anlagebedingte und damit unfallunabhängige Schwerhörigkeit.
Mit Bescheid vom 03.11.2016 lehnte die Beklagte den Antrag auf „Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheides über Ablehnung einer Rente vom 11.06.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.06.2000“ ab. Die Voraussetzungen für eine erneute Sachprüfung seien nicht gegeben gewesen. Aus dem Überprüfungsantrag hätten sich keine Hinweise dafür ergeben, dass bei Erlass des Bescheides vom 11.06.1999 das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erwiesen habe. Der Kläger habe keine neuen Beweismittel vorgelegt, die einen unfallbedingten Zahnschaden belegten.
Mit weiterem Bescheid vom 03.11.2016 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits als Folge des Arbeitsunfalls vom 27.07.1993 ab. Zur Begründung führte sie aus, bei dem Unfall sei es zu einer Distorsion der Halswirbelsäule gekommen. Es fänden sich keine Hinweise, dass es auch zu einer Verletzung des Hörorgans gekommen sei. Die Schallempfindungsschwerhörigkeit sei deshalb nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen.
Zur Begründung seines gegen die Ablehnung des bezüglich der Zahnschäden gestellten Überprüfungsantrags erhobenen Widerspruchs führte der Kläger sinngemäß im Wesentlichen aus, vor dem Unfall seien am 15.03.1993 und am 22.03.1993 durch das Gesundheitsamt H3 Untersuchungen durchgeführt worden. Dort seien keine Beschwerden der angeschuldigten Zähne festgestellt worden.
Zur Begründung seines gegen die Ablehnung der Anerkennung der Schallempfindungsschwerhörigkeit als Unfallfolge gerichteten Widerspruchs führte er aus, er sei am 12.03.1993 amtsärztlich untersucht worden. Damals sei das Hör- und Sehvermögen normal gewesen, ebenso wie dies E1 zuvor in der A-klinik bestätigt habe. Dem Widerspruch legte er ein von S2 unterzeichnetes Attest über eine amtsärztliche Untersuchung vom 12.03.1993 bei, wonach bei der körperlichen Untersuchung das Seh- und Hörvermögen normal gewesen waren.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.04.2017 wies die Beklagte den Widerspruch gegen die Ablehnung des Überprüfungsantrags zurück. Nach Überprüfung des bindend gewordenen Verwaltungsaktes vom 11.06.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.06.2000 hätten sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass das Recht unrichtig angewandt worden sei. Auch dem Widerspruchsvorbingen ließen sich keine neuen Gesichtspunkte entnehmen. Röntgenunterlagen von Z seien schon 1999 angefordert worden. Zudem seien im Rahmen der gutachterlichen Beurteilung des N bildgebende Aufnahmen aus den Jahren 1986 bis 1999 berücksichtigt worden.
Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 26.04.2017 wies die Beklagte den Widerspruch gegen die Ablehnung der Anerkennung der Schallempfindungsschwerhörigkeit als Unfallfolge zurück. Aus einem von der UKBW übersandten Gutachten aus dem Jahr 2011 gehe hervor, dass der Kläger erstmals im Jahr 2001, also acht Jahre nach dem Unfall vom 27.07.1993 eine Hörminderung rechts bemerkt habe. Eine Hörminderung links habe er erst im Jahr 2006 angegeben. Aufgrund des erheblichen zeitlichen Abstandes von acht Jahren zwischen dem Unfall vom 27.07.1993 und dem erstmaligen Auftreten von Hörbeeinträchtigungen sowie dem fehlenden Nachweis traumatisch bedingter Verletzungen der Ohren/des Hörorgans nach dem angeschuldigten Unfall bestehe kein hinreichend wahrscheinlicher Ursachenzusammenhang zwischen der beidseitigen Schallempfindungsschwerhörigkeit und dem Unfallereignis vom 27.07.1993. Zudem sei dem Widerspruchsbescheid der UKBW zu entnehmen, dass die Hörminderung nach dem Ergebnis der dortigen fachärztlichen Auswertung keine traumatisch bedingte Ursache habe, sondern dass die Befunde für eine schicksalhafte und damit unfallunabhängige Erkrankung in Form einer sog. Otosklerose sprächen.
Die Widerspruchsbescheide wurden dem Kläger am 19.05.2017 mit Postzustellurkunde zugestellt.
Der Kläger hat gegen die die Zahnbeschwerden betreffende Entscheidung am 29.05.2017 Klage zum SG erhoben (S 14 U 1635/17) und wörtlich beantragt, „die Behandlungskosten für den unfallbedingten Verlust der Zähne 24, 25, 11, 12 und 13 zu übernehmen.“ Zur Begründung hat er ausgeführt, es gebe zahnärztliche Röntgenaufnahmen seines Gebisszustandes vor und nach dem Unfall aus dem Jahr 1993, die das Zahntrauma belegten. Die Beklagte habe sich geweigert, die Unterlagen anzufordern. Mit gerichtlichem Hinweis vom 29.11.2017 hat das SG darauf hingewiesen, dass es die Klage für unzulässig halte, nachdem der Kläger die Übernahme von Behandlungskosten begehre, obwohl dies nicht Gegenstand der angegriffenen Bescheide gewesen sei. Zugleich hat das SG die Beteiligten zu einer beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
Der Kläger hat gegen die den Hörschaden betreffende Entscheidung am 19.06.2017 Klage zum SG erhoben (S 14 U 1859/17) und wörtlich beantragt, „die Behandlungskosten für die unfallbedingte Hörminderung rechts in Höhe von 1100 Euro zu übernehmen“. Es existierten weitere Röntgenaufnahmen seines Schädels, die das „Trauma mit der angeschuldigten Hörminderung rechts“ belegten. Mit gerichtlichem Hinweis vom 29.11.2017 hat das SG darauf hingewiesen, dass es die Klage für unzulässig halte, nachdem der Kläger die Übernahme von Behandlungskosten begehre, obwohl dies nicht Gegenstand der angegriffenen Bescheide gewesen sei. Zugleich hat das SG die Beteiligten zu einer beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
Mit Gerichtsbescheid vom 16.05.2018 hat das SG die die Zahnbehandlung betreffende Klage abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, da eine Entscheidung der Beklagten über die Übernahme der Zahnbehandlungskosten fehle.
Mit Gerichtsbescheid vom 17.05.2018 hat das SG auch die den Hörschaden betreffende Klage abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, da eine Entscheidung der Beklagten über die Übernahme der für die Hörminderung anfallenden Behandlungskosten fehle.
Beide Gerichtsbescheide sind dem Kläger am 23.05.2018 zugestellt worden.
Mit am Montag, den 25.06.2018 beim LSG eingegangenen Schreiben hat der Kläger gegen den „Gerichtsbescheid vom 17.05.2018 – Az. S 14 U 1859/18“ Berufung „wegen Übernahme meiner Zahnbehandlungskosten infolge des Arbeitsunfalls vom 27.07.1993“ und „wegen der Hörminderung rechts infolge des Arbeitsunfalls vom 27.07.1993“ Berufung zum LSG eingelegt.
Nach Aufforderung des Senats vom 12.07.2018, das genaue Datum und das genaue Aktenzeichen der angegriffenen Entscheidungen vorzulegen, hat der Kläger mit zwei Schreiben vom 23.01.2019 sinngemäß erklärt, die Berufung beziehe sich auf den Gerichtsbescheid vom 16.05.2018 (S 14 U 1635/17) und auf den Gerichtsbescheid vom 17.05.2018 (S 14 U 1859/17). Seine Unfallschäden seien noch heute eine Hörminderung und im Oberkiefer Verletzungen seiner Zähne mit späterem Verlust von Zähnen und Implantaten. Zudem hat er Heil- und Kostenpläne für Zahnbehandlungen und ein Attest von E1 vom 12.05.2012 vorgelegt, demzufolge er zweimal in Verkehrsunfälle verwickelt gewesen sei und jedes Mal ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten habe. Im Anschluss an das Unfallgeschehen sei es zu einer Verschlechterung seines Hörvermögens gekommen, die am 28.04.2011 das Ausmaß einer mittelgradigen Hochtonschwerhörigkeit gehabt habe. Zumindest für das rechte Ohr könne dies als unfallbedingt angesehen werden.
Das Schreiben vom 23.01.2019 ist zunächst als weitere Berufung gewertet und unter dem Az. L 3 U 324/19 geführt worden. Der Kläger hat dieses Verfahren am 23.10.2019 für erledigt erklärt und zur Begründung ausgeführt, sowohl der Gerichtsbescheid vom 16.05.2018, als auch der vom 17.05.2018 seien Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens L 3 U 2235/18.
Zu seiner weiteren Berufungsbegründung hat der Kläger ausgeführt, die angegriffenen Gerichtsbescheide verletzten sein Recht auf rechtliches Gehör. Er hätte zwar richtiger Weise einen Antrag auf Feststellung von Unfallfolgen stellen müssen. In der Sache habe sich sein Klagebegehren in beiden Verfahren genau hierauf bezogen. Regelungsgegenstand der angefochtenen Bescheide sei jeweils die Anerkennung von Unfallfolgen gewesen. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der gebotenen Auslegung seines Vortrags unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes sei klar gewesen, dass er tatsächlich die Anerkennung der Zahnschäden und des Hörschadens als Unfallfolge begehrt habe. Das SG hätte auf eine sachdienliche Antragsstellung hinweisen müssen. Der Hinweis des SG vom 29.11.2017 auf die angebliche Unzulässigkeit genüge diesen Anforderungen nicht, weil sich hieraus nicht das Erfordernis der Antragsumstellung ergebe. Vor diesem Hintergrund sei der Gerichtsbescheid gem. § 159 Abs. 1 SGG aufzuheben und die Sache an das SG zurückzuverweisen. Im Übrigen stelle eine Änderung seiner Anträge keine Klageänderung dar, weil sich hierdurch nicht der zugrundeliegende Lebenssachverhalt ändere.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 16.05.2018 und den Bescheid der Beklagten vom 03.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.04.2017 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11.06.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.06.2000 zu verpflichten, den Verlust der Zähne im Oberkiefer als Unfallfolge des Arbeitsunfalls vom 27.07.1993 festzustellen, und
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 17.05.2018 und den Bescheid der Beklagten vom 03.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.04.2017 aufzuheben und die beidseitige Hörminderung als Unfallfolge des Arbeitsunfalls vom 27.07.1993 festzustellen,
hilfsweise zum Beweis der Tatsache, dass die geltend gemachten Zahnschäden einschließlich Folgeschäden sowie die eingetretene Hörminderung Folgen des Arbeitsunfalls vom 27.07.1993 sind, ein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufungen des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffenen Entscheidungen für zutreffend.
Der Senat hat die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der UKBW beigezogen und die für die UKBW abgegebene beratungsärztliche Stellungnahme des H2 vom 06.02.2012, die er zu dem Gutachten des H1 vom 26.09.2010 abgegeben hatte, zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.
Zuletzt hat der Kläger mit per Fax am 22.06.2021 beim LSG eingegangenen Schriftsatz vom 21.06.2021 vorgetragen, H1 habe in seinem Gutachten deutlich zum Ausdruck gebracht, dass eine traumatogene Verursachung der Hörschädigung hinreichend wahrscheinlich sei. Dabei habe dieser berücksichtigt, dass es keinerlei Anzeichen für eine Hörschädigung gegeben habe. Auch spiele es keine Rolle, ob eine Otosklerose oder eine Luxation der Gehörknöchelchenkette vorgelegen habe, weil er die Feststellung einer Hörminderung und nicht einer Otosklerose als Unfallfolge beantragt habe. Zudem habe H2 seine Auffassung maßgeblich damit begründet, dass er, der Kläger, bei der Anamnese durch H1 unwahre Angaben gemacht habe, ohne zu konkretisieren um welche Angaben es sich gehandelt habe und inwieweit dies Auswirkungen auf die Kausalität gehabt haben solle.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthaften sowie nach § 151 SGG form- und fristgerecht erhobenen und auch im Übrigen zulässigen Berufungen des Klägers sind unbegründet.
Der Senat konnte in der Sache entscheiden und war nicht gehalten, den Rechtsstreit nach § 159 Abs. 1 SGG an das SG zurückzuverweisen. Nach dieser Vorschrift kann das LSG durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn 1. dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, 2. das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Nachdem eine weitere aufwändige Amtsermittlung nicht notwendig gewesen ist, sind keine Gründe ersichtlich, die im Rahmen der nach § 159 Abs. 1 SGG zu treffenden Ermessensentscheidung für eine Zurückverweisung sprechen könnten.
Gegenstand des Berufungsverfahrens sind der Gerichtsbescheid vom 16.05.2018 und der Bescheid vom 03.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.04.2017, mit dem die Beklagte die Abänderung des Bescheides vom 11.06.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.06.2000 und die Feststellung der Zahnschäden als Folge des Unfallereignisses vom 27.07.1993 abgelehnt hat, sowie der Gerichtsbescheid vom 17.05.2017 und der Bescheid vom 03.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.04.2017, mit dem die Beklagte die Anerkennung des Schallempfindungsschwerhörigkeit als Unfallfolge abgelehnt hat.
1. Die Klagen sind zulässig.
a) Der Kläger konnte die Anträge seiner im Berufungsverfahren im Wege der objektiven Klagehäufung geltend gemachten Klagen von dem vor dem SG wörtlich gestellten Leistungsbegehren auf Feststellungsbegehren umstellen, die er zutreffend im Wege einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (Anerkennung des Verlusts der Zähne im Oberkiefer als Unfallfolge, Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X) bzw. einer Anfechtungs- und Feststellungsklage (Anerkennung der beidseitigen Hörminderung als Unfallfolge) verfolgt. Hierin liegt keine Klageänderung i.S.d. § 99 Abs. 1 SGG. Vielmehr handelt es sich um eine nach § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG zu beurteilende Antragsumstellung. Nach dieser Vorschrift ist es nicht als Änderung der Klage anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrunds der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird. Hiervon wird auch die Situation erfasst, wenn ein Kläger auf ein sinngemäß schon im ursprünglichen Antrag enthaltenes Begehren umstellt (BSG, Urteil vom 30.11.2016 – B 12 KR 6/15 R, juris Rn. 10; BSG, Urteil vom 07.02.2007 – B 6 KA 6/06 R, juris Rn. 13; B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 99 Rn. 4a; Guttenberger in: jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 99 SGG Rn. 35).
b) Vorliegend hat der Kläger ohne Änderung des Klagegrundes seine Anträge auf ein sinngemäß schon im ursprünglichen Antrag enthaltenes Begehren umgestellt.
aa) Sein vor dem SG ursprünglich wörtlich gestellter Antrag hat sich zwar sowohl in dem Verfahren S 14 U 1635/17, als auch in dem Verfahrens S 14 U 1859/17 auf die Übernahme von Behandlungskosten bezogen. An diese wörtlichen Anträge ist der Senat aber gem. § 123 SGG nicht gebunden. Nach dieser Vorschrift entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Bei unklaren Anträgen muss das Gericht mit den Beteiligten klären, was gewollt ist, und vor allem bei – wie hier in der ersten Instanz – nicht rechtskundig vertretenen Beteiligten darauf hinwirken, dass sachdienliche und klare Anträge gestellt werden (§ 106 Abs. 1, § 112 Abs. 2 Satz 2 SGG; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 123 Rn. 3; Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 112 Rn. 8). Im Übrigen ist das Gewollte, also das mit der Klage oder der Berufung verfolgte Prozessziel, bei nicht eindeutigen Anträgen im Wege der Auslegung festzustellen (vgl. etwa BSG, Urteil vom 22.03.1988 – 8/5a RKn 11/87, juris Rn. 11; BSG, Urteil vom 08.12.2010 – B 6 KA 38/09 R, juris Rn. 17). In entsprechender Anwendung der Auslegungsregel des § 133 BGB ist der wirkliche Wille zu erforschen. Dabei sind nicht nur der Wortlaut, sondern auch die sonstigen Umstände des Falles, die für das Gericht und die anderen Beteiligten erkennbar sind, zu berücksichtigen (vgl. nur BSG, Urteil vom 25.06.2002 – B 11 AL 23/02 R, juris 21; BSG, Beschluss vom 08.11.2005 – B 1 KR 76/05 B, juris Rn. 6). Im Zweifel ist der Antrag unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsprinzips so auszulegen, dass das Begehren des Klägers möglichst weitgehend zum Tragen kommt (vgl. etwa BSG, Urteil vom 06.04.2011 – B 4 AS 119/10 R, juris Rn. 29; BSG, Urteil vom 24.04.2008 – B 9/9a SB 10/06 R, juris Rn. 16).
bb) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hat sich auch das erstinstanzliche Begehren auf die Anerkennung der Unfallfolgen bezogen. Denn aus beiden Klagebegründungsschriften vom 29.05.2017 (S 14 U 1635/17) und vom 19.06.2017 (S 14 U 1859/17) geht hervor, dass es dem Kläger in der Sache – jedenfalls auch – um die Anerkennung der Zahnschäden und der Hörminderung als Unfallfolge geht.
(1) In Bezug auf den Rechtsstreit S 14 U 1635/17 ergibt sich dies insbesondere aus dem Umstand, dass der Kläger als Grund seiner Klage „wegen okklusalem Trauma (…) infolge des Unfalls vom 27.07.1993“ angegeben hat und in seinem weiteren Vorbringen die Beiziehung von Unterlagen begehrt hat, die den seiner Meinung nach bestehenden ursächlichen Zusammenhang zwischen den Zahnschäden und dem Unfallereignis belegen sollen. Mit dieser Begründung macht er implizit die Voraussetzungen der Anerkennung einer Arbeitsunfallfolge geltend. Nur dies – und nicht die Übernahme von Behandlungskosten – ist Gegenstand des der Klage vorangegangenen Verwaltungsverfahrens gewesen. So hat er bereits mit dem Schreiben vom 07.08.2016 – ebenso wie in seiner Klageschrift – die Beiziehung weiterer Röntgenbilder beantragt, um „den erlittenen Zahnschaden vom 27.07.1993“ nachzuweisen. Dies hat die Beklagte zutreffend als Überprüfungsantrag des Bescheides vom 11.06.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.06.2000 ausgelegt, mit dem sie nicht nur Rentenzahlungen wegen des Unfallereignisses, sondern auch das Vorliegen von Zahn- und Kieferschäden als Unfallfolgen abgelehnt hatte. Nachdem sich der im erstinstanzlichen Verfahren anwaltlich nicht vertretene Kläger in dem Rechtsstreit S 14 U 1635/17 ausdrücklich gegen den den Überprüfungsantrag ablehnenden Bescheid vom 03.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.04.2017 wendet, wird unter Berücksichtigung seines übrigen Vorbringens deutlich, dass sich sein Klagebegehren nicht nur auf den wörtlich gestellten und mangels vorangegangener Verwaltungsentscheidung unzulässigen Antrag auf Übernahme von Behandlungskosten bezieht, sondern auch auf die Anerkennung der Zahnschäden als Unfallfolge im Wege des Überprüfungsverfahrens. Diese Auslegung gebietet im Übrigen auch der Meistbegünstigungsgrundsatz, weil nur das so verstandene Begehren mit der Klage zulässiger Weise verfolgt werden kann.
(2) Dieselben Erwägungen gelten für den Rechtsstreit S 14 U 1859/17. Auch dort hat der Kläger die Klage „wegen (…) Hörschaden (…) infolge des Unfalls vom 27.07.1993“ erhoben und auf Unterlagen verwiesen, die das „Trauma mit der angeschuldigten Hörminderung rechts“ belegen sollten. Ebenso hatte das dem Rechtsstreit S 14 U 1859/17 vorangegangene Verwaltungsverfahren allein die Anerkennung der Hörminderung als Unfallfolge zum Gegenstand und der Kläger hat sich mit seiner Klage ausdrücklich gegen diesen die Anerkennung als Unfallfolge ablehnenden Bescheid gewendet.
2. In der Sache haben die Berufungen keinen Erfolg.
a) Die Beklagte hat den Überprüfungsantrag vom 07.08.2016 zu Recht abgelehnt. Der Bescheid vom 03.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.04.2017 ist rechtmäßig.
aa) Rechtsgrundlage des Überprüfungsbegehrens ist § 44 SGB X. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Das Gebot zur rückwirkenden Rücknahme gilt nicht in bestimmten Fällen einer Bösgläubigkeit (Abs. 1 Satz 2 a.a.O.), für die hier indes keine Anhaltspunkte bestehen. Im Übrigen „kann“ (Ermessen) der anfänglich rechtswidrige Verwaltungsakt auch in sonstigen Fällen, d.h. außerhalb des Abs. 1 Satz 1 a.a.O., für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Abs. 2 Satz 2 a.a.O.).
Im vorliegenden Fall findet § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X Anwendung. Ein „sonstiger Fall“ i.S. des nachrangigen § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X liegt nicht vor, weil sich der Kläger für sein Rücknahmebegehren bereits auf den vorrangigen § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X berufen kann, der sich – neben zu Unrecht erhobener Beiträge – nur auf solche bindenden Verwaltungsakte bezieht, die unmittelbar Ansprüche auf nachträglich erbringbare „Sozialleistungen“ (§ 11 Satz 1 SGB I) im Sinne der §§ 3 ff. und 18 ff. SGB I ablehnen. Im Ausgangsbescheid vom 11.06.1999 hatte die Beklagte nicht nur die Feststellung des Zahnschadens als Unfallfolge, sondern auch eine „Regulierung des unfallfremden Zahnschadens“ verneint, sodass Sozialleistungen abgelehnt worden sind. Dadurch ist der Anwendungsbereich des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X insoweit eröffnet (vgl. BSG, Urteil vom 06.09.2018 – B 2 U 10/17 R, juris Rn. 10).
Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen. Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der betroffene Bürger einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSG, Urteil vom 05.09.2006 – B 2 U 24/05 R, juris Rn. 12). Dabei bestimmt der Antrag grundsätzlich den Umfang des Prüfauftrags der Verwaltung im Hinblick darauf, ob bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden ist (BSG, Urteil vom 12.10.2016 – B 4 AS 37/15 R, juris Rn. 13). Entsprechend dem Umfang des Vorbringens des Versicherten muss sie in eine erneute Prüfung eintreten und den Antragsteller bescheiden (BSG, Urteil vom 05.09.2006 – B 2 U 24/05 R, juris Rn. 12).
bb) Vorliegend hat der Kläger mit seinem Überprüfungsantrag vom 07.08.2016 die Tatbestandsalternative des unrichtigen Sachverhalts geltend gemacht, da es ihm um die Beiziehung und Berücksichtigung der „damals nicht zur Verfügung gestandenen Röntgenbilder“ gegangen ist.
cc) Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X in der Tatbestandsvariante des „unrichtigen Sachverhalts“ liegen nicht vor. Der Kläger hat zur Begründung der Fehlerhaftigkeit der Ausgangsentscheidung im Kern eine fehlende Gegenüberstellung der bildgebenden Befunde seines Gebisses aus der Zeit vor und nach dem Unfallereignis behauptet. Eben eine solche Auswertung von Röntgenbildern aus der Zeit vor und nach dem Unfallereignis hat N in seinem Gutachten vom 29.03.1999, das der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet hat, aber vorgenommen. Denn er hat aus der Zeit vor dem Unfallereignis das OPG vom 24.10.1986 (Praxis S) und das OPG vom 02.03.1992 (Praxis R) und aus der Zeit nach dem Unfallereignis die EZA vom 29.11.1994 (Z), die EZA vom 23.12.1994 (Dres. E/H), die EZA vom 15.02.1995 und das OPG vom 01.06.1995 (Uniklinik M) und das OPG vom 26.01.1999 (Dres. R/S1) berücksichtigt. Bereits auf den deutlich vor dem Unfallereignis angefertigten Bildern aus den Jahren 1986 und 1992 hat sich ausweislich der überzeugenden Ausführung des N ein generalisierter horizontaler Knochenabbau im Ober- und Unterkiefer gezeigt, der im zeitlichen Verlauf progredient gewesen ist, was sich auch auf den weiteren von N ausgewerteten, die Zeit nach dem Unfallereignis betreffenden Röntgenbildern bestätigt hat (A-Id 156, S. 5). N hat diese in der Bildgebung festgestellte, voranschreitende Destruktion des Zahnhalteapparates überzeugend als typisches Bild einer unfallunabhängigen marginalen Parodontopathie gewertet, die er als Ursache des Zahnverlustes gewertet hat. Angesichts dieser Einschätzung, an deren Richtigkeit der Senat keine Zweifel hat, steht für den Senat die Unfallunabhängigkeit des Zahnschadens fest und es hat kein Anlass zur Beiziehung weiterer Röntgenbefunde aus der Zeit vor dem Unfall bestanden. Es ist nicht nachvollziehbar, welche anderen Erkenntnisse sich hieraus ergeben sollten, nachdem das Vorliegen eines den Zahnverlust begründenden, unfallunabhängigen Vorschadens feststeht. Entsprechende Anhaltspunkte ergeben sich auch nicht aus dem unsubstantiierten Vorbringen des Klägers, weshalb dieses den Senat nicht zu weiteren, „ins Blaue hinein“ führenden Amtsermittlungen verpflichtet hat (vgl. BSG, Urteil vom 18.02.2010 – B 4 AS 29/09 R, juris Rn. 31, Berchtold, SGG, 6. Aufl. 2021, § 1 Rn. 23).
Auch soweit der Kläger zuletzt hilfsweise die Einholung eines Sachverständigengutachtens „zum Beweis der Tatsache, dass die geltend gemachten Zahnschäden einschließlich Folgeschäden (…) Folgen des Arbeitsunfalls vom 27.07.1993 sind“ beantragt hatte, hat sich der Senat nicht zu weiteren Ermittlungen gedrängt gesehen. Von einer Beweisaufnahme darf das Gericht absehen bzw. es darf einen Beweisantrag ablehnen, wenn es auf die ungeklärte Tatsache nicht ankommt, wenn sie also als wahr unterstellt werden kann, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet oder unerreichbar ist, wenn die behauptete Tatsache oder ihr Fehlen bereits erwiesen oder wenn die Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist (vgl. BSG, Urteil vom 06.05.2010 – B 13 R 134/08 R, juris Rn. 21; BSG, Urteil vom 07.04.2011 – B 9 SB 47/10 B, juris Rn. 4; BSG, Urteil vom 19.10.2011 – B 13 R 33/11 R, juris Rn. 24; B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 103 Rn. 8). Vorliegend konnte der Beweisantrag abgelehnt werden, weil das Fehlen der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist. Wie dargestellt, steht nach den überzeugenden Ausführungen des N fest, dass die beim Kläger bestehenden Zahnschäden nicht ursächlich auf dem Unfallereignis vom 27.07.1993 beruhen und damit die vom Kläger behauptete Unfallursächlichkeit nicht besteht.
b) Auch die Anerkennung der Hörminderung als Folge des Arbeitsunfalls hat die Beklagte zu Recht durch den Bescheid vom 03.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.04.2017 abgelehnt. Die Hörminderung ist keine Unfallfolge des Unfallereignisses vom 27.07.1993.
aa) Eine Gesundheitsstörung ist Unfallfolge eines Versicherungsfalls im Sinne des § 8 SGB VII (im engeren Sinne), wenn sie durch den Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls wesentlich verursacht worden ist. Der Anspruch setzt grundsätzlich das „objektive“, d.h. aus der nachträglichen Sicht eines optimalen Beobachters, Vorliegen einer Gesundheitsstörung voraus, die spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls verursacht worden ist (BSG, Urteil vom 06.09.2018 – B 2 U 16/17 R, juris Rn. 14). Ob ein Gesundheitsschaden dem Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls als Unfallfolge im engeren Sinn zuzurechnen ist (sog. haftungsausfüllende Kausalität), beurteilt sich nach der Zurechnungslehre der Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.2009 – B 2 U 18/07 R, juris Rn. 12; BSG vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R, juris Rn. 12 ff.). Die Zurechnung erfolgt danach in zwei Schritten:
Erstens ist die Verursachung der weiteren Schädigung durch den Gesundheitserstschaden im naturwissenschaftlich-naturphilosophischen Sinne festzustellen. Ob die Ursache-Wirkung-Beziehung besteht, beurteilt sich nach der Bedingungstheorie. Nach ihr ist eine Bedingung dann notwendige Ursache einer Wirkung, wenn sie aus dem konkret vorliegenden Geschehensablauf nach dem jeweiligen Stand der einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse (Erfahrungssätze) nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine-qua-non). Ob die versicherte Verrichtung bzw. der auf der Verrichtung kausal beruhende Gesundheitserstschaden Ursache für den (weiteren) Gesundheitsschaden ist und diesen objektiv (mit-)verursacht hat, ist eine rein tatsächliche Frage (vgl. BSG, Urteil vom 07.05.2019 – B 2 U 34/17 R, juris Rn. 23, 33). Sie muss aus der nachträglichen Sicht (ex post) nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand des Fach- und Erfahrungswissens über Kausalbeziehungen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten (gegebenenfalls unter Einholung von Sachverständigengutachten) beantwortet werden (vgl. BSG, Urteil vom 26.06.2014 – B 2 U 4/13 R, juris Rn. 25). Das schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen (BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R, juris Rn. 17). Der je nach Fallgestaltung ggfs. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen muss als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden. Für die Feststellung des naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhangs genügt der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Dieser ist erfüllt, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht; allein die Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs genügt dagegen nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R, juris Rn. 20; BSG, Urteil vom 18.01.2011 – B 2 U 5/10 R, juris Rn. 20; BSG, Urteil vom 15.05.2012 – B 2 U 31/11 R, juris Rn. 34).
Ist der Gesundheitserstschaden in diesem Sinne eine notwendige Bedingung des weiteren Gesundheitsschadens, wird dieser ihm aber nur dann zugerechnet, wenn er ihn wesentlich (ausreichend: mit-) verursacht hat. Bei dieser reinen Rechtsfrage nach der „Wesentlichkeit“ der versicherten Verrichtung für den Erfolg der Einwirkung muss entschieden werden, ob sich durch das versicherte Handeln ein Risiko verwirklicht hat, gegen das der jeweils erfüllte Versicherungstatbestand gerade Schutz gewähren soll (BSG, Urteil vom 17.12.2015 – B 2 U 8/14 R, juris Rn. 20; BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R, juris Rn. 15 ff. m.w.N; BSG, Urteil vom 05.07.2011 – B 2 U 17/10 R, juris Rn. 28 ff.).
bb) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die beim Kläger ausweislich des im Wege des Urkundsbeweises verwerteten Befundberichts des Facharztes für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde M1 vom 22.09.2016 bestehende beidseitige Schallempfindungsschwerhörigkeit beruht nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit rechtlich wesentlich auf dem Unfallereignis vom 27.07.1993.
(1) Es kann dahinstehen, ob es bei dem Unfallereignis vom 27.07.1993 überhaupt zu einem Gesundheitserstschaden gekommen ist, der geeignet gewesen wäre, eine Schwerhörigkeit auszulösen.
(2) Jedenfalls beruht die beim Kläger nunmehr bestehende Schallempfindungsschwerhörigkeit nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf dem Unfallereignis vom 27.07.1993. Dies entnimmt der Senat der im Wege des Urkundsbeweises verwerteten beratungsärztlichen Stellungnahme des H2 vom 06.02.2012. In seiner Stellungnahme hat H2 überzeugend dargelegt, dass sich eine traumatogen verursachte Schallleitungsstörung nicht hinreichend wahrscheinlich machen lässt. In Auseinandersetzung mit dem Gutachten des Facharztes für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde H1 vom 29.06.2010, in dem dieser ausgeführt hatte, eine traumatogen verursachte Luxation der Gehörknöchelchenkette/Otosklerose sei nicht sicher auszuschließen, hat H2 überzeugend dargelegt, dass die beim Kläger im Rahmen des Gutachtens erhobenen Befunde viel eher mit einer auf endogenen Faktoren beruhenden Otosklerose zu vereinbaren sind, als mit einer traumabedingten Luxation der Gehörknöchelchenkette. Typisch für eine Luxation der Gehörknöchelchenkette ist eine breite Schalleitungskomponente von bis zu 60 dB, wobei eine erhebliche Knochen-Luftleitungsdifferenz pathognomonisch für das Krankheitsbild ist. Einen derartigen Befund hat H1 beim Kläger nicht erhoben. Ausweislich des von H1 aufgezeichneten Tonaudiogramms hat der Unterschied zwischen Knochen- und Luftleitungskurve nur 10, maximal 15 dB betragen und ist damit deutlich zu gering ausgeprägt gewesen. Auch hat keine breite Schallleitungskomponente bestanden, nachdem im Jahr 2011 nur der tiefe bis mittlere Frequenzbereich betroffen gewesen ist. Vielmehr hat H2 die erhobenen Befunde gut nachvollziehbar für mit einer nicht traumatogen bedingten Otosklerose vereinbar bewertet, bei der es zunächst nur zu einer geringen Differenz der Knochen-Luftleitungsschwelle kommt, wie sie beim Kläger bestanden hat. Vor diesem Hintergrund ist es überzeugend, dass H2 eine traumatogene Verursachung nicht für hinreichend wahrscheinlich gehalten hat, weshalb sich der Senat dieser Einschätzung anschließt und seiner Urteilsbildung zugrunde legt.
Soweit der Kläger zuletzt mit Schriftsatz vom 21.06.2021 vorgetragen hat, H1 habe eine traumatogene Verursachung der Hörschädigung für hinreichend wahrscheinlich gehalten, ist dies nicht zutreffend. Vielmehr hat H1 angegeben, die traumatogene Verursachung „sei nicht sicher auszuschließen“, was nicht mit dem Maßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit gleichgesetzt werden kann. Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich die Unfallursächlichkeit auch nicht damit begründen, dass H1 „keine Anzeichen für eine ererbte Hörschädigung“ festgestellt habe. Weder hat H1 eine solche Feststellung ausdrücklich getroffen, noch schließt eine fehlende erbliche Vorbelastung eine intrinsische Genese der Hörminderung aus. Nicht nachvollziehbar ist das klägerische Vorbringen, soweit der Kläger ausgeführt hat, es spiele keine Rolle, ob Ursache der Hörminderung eine Otosklerose oder eine Luxation der Gehörknöchelchen sei. Da es sich nach den überzeugenden Ausführungen des H2 bei einer Otosklerose um eine anlagebedingte und damit unfallunabhängige Erkrankung handelt, kommt es für die Frage des Ursachenzusammenhangs entscheidend auf die Genese der Hörminderung an. Auch ist es unzutreffend, dass H2 – wie der Kläger vorgetragen hat – seine Auffassung maßgeblich damit begründet habe, dass der Kläger bei der Anamnese unwahre Angaben gemacht habe. Vielmehr hat H2 seine Auffassung, wie oben dargestellt, entscheidend auf die von H1 erhobenen Befunde gestützt, die maßgeblich gegen eine traumatische Verursachung gesprochen haben.
Die Bewertung des H2 hat auch für den vorliegenden Rechtsstreit Gültigkeit. Zwar ist Anlass der Begutachtung durch H1 – und damit auch der beratungsärztlichen Stellungnahme des H2 – der Unfall vom 16.07.2001 und nicht das hier streitgegenständliche Unfallereignis vom 27.07.1993 gewesen. Da aber die Stellungnahme des H2 die Frage der traumatogenen Verursachung der Schallempfindungsschwerhörigkeit losgelöst vom konkreten Unfallhergang beantwortet hat und außerdem der Stellungnahme Befunde zugrunde gelegen haben, die zeitlich deutlich nach dem Ereignis von 1993 erhoben worden sind und dementsprechend etwaige bereits 1993 verursachte Schäden des Gehörs mitumfasst hätten, konnte der Senat diese Stellungnahme auch seiner den Unfall aus dem Jahr 1993 betreffenden Entscheidungsfindung zugrunde legen.
Die vom Kläger vorgelegten Befundunterlagen begründen keine andere Bewertung. M1 hat in seinem Befundbericht vom 22.09.2016 eine Schallempfindungsschwerhörigkeit diagnostiziert, ohne sich zu deren Ursächlichkeit zu äußern. Soweit E1 in der vom Kläger vorgelegten Stellungnahme vom 12.05.2012 angegeben hat, zumindest für das rechte Ohr könne die Hochtonschwerhörigkeit als unfallbedingt angesehen werden, nachdem der Kläger in den letzten 15 Jahren bei zwei Verkehrsunfällen Schädelhirntraumen erlitten habe und es im Anschluss an das Unfallereignis zur Verschlechterung seines Hörvermögens gekommen sei, sieht der Senat diese nicht weiter begründete Behauptung durch die überzeugende und gut begründete Stellungnahme des H2 für widerlegt an, zumal ein durch das in Streit stehende Unfallereignis verursachtes Schädelhirntrauma nicht erwiesen ist. Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich auch aus dem Bericht über die am 12.03.1993 und damit vor dem Unfallereignis vom 27.07.1993 durchgeführte amtsärztliche Untersuchung, wonach zum Untersuchungszeitpunkt das Hörvermögen normal gewesen ist nicht, dass die im Jahr 2016 bestehende Schwerhörigkeit auf dem streitigen Unfallereignis beruht. Anlass für weitere Amtsermittlungen hat vor diesem Hintergrund nicht bestanden. Insbesondere ist der Senat nicht gehalten gewesen, nicht näher bezeichnete Röntgenbilder beizuziehen.
Der Senat musste auch nicht dem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Antrag des Klägers entsprechen, zum Beweis der Tatsache, dass die eingetretene Hörminderung Folge des Arbeitsunfalls vom 27.07.1993 ist, ein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen. Da der Senat aus den dargestellten Gründen gestützt auf das Gutachten des H1 und die dazu erstattete beratungsärztliche Stellungnahme des H2 davon überzeugt ist, dass die Hörminderung nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ursächlich auf das Unfallereignis vom 27.07.1993 zurückgeführt werden kann, steht bereits das Fehlen der behaupteten Tatsache fest, weshalb weitere Amtsermittlungen nicht erfolgen mussten.
Nach alledem war die Berufung sowohl gegen den Gerichtsbescheid vom 16.05.2018 als auch gegen den Gerichtsbescheid vom 17.05.2018 zurückzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
4. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG gegeben ist.