S 7 KR 661/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Konstanz (BWB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 7 KR 661/21
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für häusliche Krankenpflege (Richten der Medikamente) in einer Einrichtung der Wohnungslosenhilfe.

 

Der 1949 geborene Kläger lebt in einer Einrichtung des Beigeladenen. Er beantragte bei der Beklagten häusliche Krankenpflege vom 18.05.2020 bis 01.06.2020 (Richten von Medikamenten einmal wöchentlich). Der Beklagten wurde die Verordnung des Facharztes für Allgemeinmedizin, für Psychiatrie und Psychotherapie S. vom 14.05.2020 vorgelegt. Mit Bescheid vom 02.06.2020 lehnte die Beklagte die Gewährung der Leistungen ab. Die häusliche Krankenpflege könne nach den gesetzlichen Bestimmungen nur in einem „Haushalt“ geleistet worden. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Es handele sich um eine stationäre Einrichtung der Eingliederungshilfe. Beim Richten der Medikamente handele es sich um eine einfachste Maßnahme der Behandlungspflege, für die es keiner besonderen Sachkunde und Fertigkeit bedürfe. Das Richten der Medikamente sei somit durch die Einrichtung sicherzustellen. Das Schreiben beinhaltet keine Rechtsmittelbelehrung. Am 17.11.2020 legte der Kläger Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 23.11.2020 nahm die Beklagte eine Anhörung des Klägers vor. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 03.03.2021 als unbegründet zurück.

 

Am 24.03.2021 hat der Kläger Klage bei dem Sozialgericht Konstanz erhoben. Der Kläger hat die Rechnung der Sozialstation J. vom 29.09.2021 über einen Betrag von insgesamt 34,38 € vorgelegt. Ferner ist der Rahmenvertrag nach § 79 Abs. 1 des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XII) zu den Akten gereicht worden.

 

Der Kläger beantragt,

 

            die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.06.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2021 zu verurteilen, ihm die Kosten für häusliche Krankenpflege für den Zeitraum 18.05.2020 bis 01.06.2020 zu erstatten, hilfsweise die Berufung zuzulassen.

 

 

Die Beklagte beantragt,

 

            die Klage abzuweisen, hilfsweise die Berufung zuzulassen.

 

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

 

Die Beklagte hat vorgetragen, einfachste Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege, für die es keiner besonderen Sachkunde oder Fertigkeiten bedürfe, seien in der Regel untrennbar mit der Gewährung von Eingliederungshilfe durch den Sozialhilfeträger in einer stationären Einrichtung verbunden und daher objektiv bereits Bestandteil der Eingliederungshilfe.

 

Der Beigeladene hat Angaben zum Unterstützungsbedarf des Klägers gemacht und dargelegt, seit Jahren verändere sich die Altersstruktur der Bewohnerschaft auf dem D. Der Altersdurchschnitt der gesamten Einrichtung liege mittlerweile bei 60 Jahren. Die erforderlichen zusätzlichen medizinischen Tätigkeiten hätten einen stark erhöhten personellen Aufwand, der in einer Wohnungsloseneinrichtung nicht über die Vergütungssätze gemäß §§ 67ff refinanziert sei. 2019 sei nach einer Begehung durch die Heimaufsicht beim Landratsamt R. eine Ergänzungsvereinbarung für den Seniorenbereich angestrebt worden, um eine angemessene Personalausstattung zu erreichen. Dies sei abgelehnt worden. In der Begründung werde unter anderem ausgeführt, ein höherer Personalbedarf solle über externe Leistungen der Kranken- und Pflegekassen ausgeglichen werden.

 

Die Beklagte hat hierzu ausgeführt, angesichts der berichteten strukturellen Veränderungen im Bereich der Hilfebedarf für die immer älter werdenden Bewohner wäre im Einzelfall zu klären, ob die Bewohner in der Einrichtung der Eingliederungshilfe noch richtig untergebracht seien. Alternativ wäre eine Veränderung der Angebotsstruktur zu prüfen.

 

Auf Anfrage des Gerichts hat der Kläger seinen Heimvertrag mit dem Beigeladenen vorgelegt. Darin wird unter § 3 persönliche Hilfe unter anderem ausgeführt, die Angebote der Hilfe würden insbesondere die folgenden, nicht abschließend aufgeführten Leistungen, orientiert am persönlichen Bedarf im Einzelfall, den Vereinbarungen aus der Hilfeplanung und dem zugeordneten Betreuungsschüssel umfassen. Genannt ist unter anderem: Hilfe bei der gesundheitlichen Versorgung: Vorbeugende Gesundheitshilfe und Förderung einer gesundheitsbewussten Lebensweise; Unterstützung beim Erhalt von Fähigkeiten zur individuellen Hygiene; regelmäßige Arztsprechstunden im Haus (vorbehaltlich von Vereinbarungen mit entsprechenden Ärzten); Hilfe/Begleitung und Kontakt zu Ärzten; Unterstützung bei der Medikamenteneinnahme bzw. bei behandlungspflegerischen Maßnahmen; bei Bedarf Organisation und Vermittlung von häuslicher Krankenpflege; Besuche im Krankenhaus; Informationen über ambulante Beratungsstellen; Selbsthilfegruppen, sozialpsychiatrische Dienste, Suchtkliniken, Rehabilitationseinrichtungen, Pflegeheimen u.ä.; Hilfen bei der Beantragung von Kuren und Reha-Maßnahmen. Der Kläger und der Beigeladene haben ferner auf Anfrage des Gerichts mitgeteilt, Absprachen mit der Sozialstation, wie mit der Rechnung verfahren werde, wenn die Beklagte die Kosten nicht zu zahlen habe, gebe es nicht. Der Beigeladene hat vorgetragen, das stationäre Angebot des D. sei keine Einrichtung der Eingliederungshilfe, sondern eine Einrichtung der Wohnungsnotfallhilfe.

 

In der mündlichen Verhandlung vom 30.03.2022 ist für den Kläger mitgeteilt worden, der D. erbringe das Richten der Medikamente nicht mehr. Es werde laufend durch die Sozialstation vorgenommen. Die Einrichtung habe auch nicht die entsprechenden Fachkräfte. Die Leistungen würden weiter in Anspruch genommen, die Rechnungen seien unbezahlt. Für den Beigeladenen ist ausgeführt worden, früher sei das Richten der Medikamente bei Bewohnern durch die Einrichtung erbracht worden. In der jetzigen Situation könne das aber nicht mehr geleistet werden.

 

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakte Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

 

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Rechnung der Sozialstation J. vom 29.09.2021.

 

Gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) erhalten die Versicherten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Nach § 13 Abs. 1 SGB V darf die Krankenkasse anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht. Gemäß § 13 Abs. 3 S. 1 und 2 SGB V sind, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet.

 

Versicherte erhalten gemäß § 37 Abs. 2 SGB V in der vom 01.01.2017 bis 28.10.2020 geltenden und im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung (a.F.) in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. § 10 der Werkstättenverordnung bleibt unberührt. Der Anspruch nach Satz 1 besteht über die dort genannten Fälle hinaus ausnahmsweise auch für solche Versicherte in zugelassenen Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 43 des Elften Buches, die auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben. Die Satzung kann bestimmen, dass die Krankenkasse zusätzlich zur Behandlungspflege nach Satz 1 als häusliche Krankenpflege auch Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung erbringt. Die Satzung kann dabei Dauer und Umfang der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung nach Satz 4 bestimmen. Leistungen nach den Sätzen 4 und 5 sind nach Eintritt von Pflegebedürftigkeit mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne des Elften Buches nicht zulässig. Versicherte, die nicht auf Dauer in Einrichtungen nach § 71 Abs. 2 oder 4 des Elften Buches aufgenommen sind, erhalten Leistungen nach Satz 1 und den Sätzen 4 bis 6 auch dann, wenn ihr Haushalt nicht mehr besteht und ihnen nur zur Durchführung der Behandlungspflege vorübergehender Aufenthalt in einer Einrichtung oder in einer anderen geeigneten Unterkunft zur Verfügung gestellt wird. Versicherte erhalten in stationären Einrichtungen im Sinne des § 43a des Elften Buches Leistungen nach Satz 1, wenn der Bedarf an Behandlungspflege eine ständige Überwachung und Versorgung durch eine qualifizierte Pflegefachkraft erfordert.

 

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der Kosten für das Richten der Medikamente im Zeitraum 18.05.2020 bis 01.06.2020. Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V setzt zunächst einen Sach- oder Dienstleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse (Primäranspruch) voraus (vgl. jurisPK-SGB V, Stand 20.12.2021, § 13 Rn. 52). Das Richten der Medikamente kann grundsätzlich eine Leistung der häuslichen Krankenpflege im Sinne des § 37 Abs. 2 SGB V sein (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.09.2020 – L 1 KR 146/18 - Rn. 23).  Das Gericht geht auch davon aus, dass es sich bei der Wohnungsloseneinrichtung des Beigeladenen, in der sich der Kläger aufhält, um einen „geeigneten Ort“ im Sinne des § 37 Abs. 2 SGB V handelt, in dem grundsätzlich häusliche Krankenpflege als Behandlungspflege zu erbringen ist. Denn weder der Gesetzgebungshistorie, noch dem Wortlaut der Bestimmung noch dem Zweck der Regelung, Lücken im Zwischenbereich von ambulanter und stationärer Versorgung zu vermeiden, lässt sich entnehmen, dass stationäre Einrichtungen etwa der Eingliederungshilfe grundsätzlich für Leistungen häuslicher Krankenpflege gemäß § 37 Abs. 2 SGB V nicht in Betracht kommen (vgl. Bundesozialgericht, Urteil vom 25.02.2015 – B 3 KR 11/14 R - Rn. 11ff). Der Anspruch auf medizinische Behandlungspflege gegen die Beklagte ist aber insoweit zu beschränken, als der Kläger nach den gesetzlichen Bestimmungen die Leistung von der Einrichtung selbst verlangen kann. Entscheidend für die Leistungspflichten der Einrichtung ist das in den Vereinbarungen nach den gesetzlichen Regelungen festgelegte Ziel und der Zweck der Einrichtung, ihr Aufgabenprofil, die vorgesehene sächliche und personelle Ausstattung sowie der zu betreuende Personenkreis (vgl. Bundesozialgericht, Urteil vom 25.02.2015, a.a.O. Rn. 20ff). Das Bundesozialgericht ist für die im dortigen Fall zu entscheidende Konstellation einer Einrichtung der Wohnungslosenhilfe als Einrichtung der Eingliederungshilfe auf der Grundlage des § 55 SGB XII a.F. unter Berücksichtigung der Verträge nach §§ 75ff SGB XII davon ausgegangen, dass die Einrichtung einfachste Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege, für die es keiner besonderen medizinischen Sachkunde oder medizinischer Fertigkeiten bedarf und die daher regelmäßig von dem in der Einrichtung beschäftigten Personal wie von jedem erwachsenen Haushaltsangehörigen ohne Weiteres ausgeführt werden können, zu erbringen hat (vgl. Bundesozialgericht, Urteil vom 25.02.2015, a.a.O. Rn. 31). Das Gericht schließt sich dieser Auffassung an und nimmt durch die Reform des Eingliederungshilferechts zum 01.01.2020 durch das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen – Bundesteilhabegesetz (BTHG) – BGBl. I 2016, 3234 - für den vorliegenden Fall auch keine relevante Änderung an. Zwar wurde mit der Reform die Unterscheidung zwischen ambulanten und stationären Einrichtungen aufgegeben (vgl. Hauck/Noftz SGB XII, Stand November 2020, § 75 Rn. 3). Hinsichtlich der Verpflichtung der hier gegebenen Einrichtung der Wohnungslosenhilfe, einfachste Maßnahmen der Behandlungspflege zu erbringen, hat sich jedoch nichts geändert. Auch der Kläger im vorliegenden Fall erhält Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach §§ 67ff SGB XII in Form der stationären Unterbringung in der Einrichtung des Beigeladenen. Nicht entscheidend ist im Ergebnis die Frage der Einordnung der Einrichtung des Beigeladenen seit der Neuregelung des Eingliederungshilferechts zum 01.01.2020 als externer Leistungserbringer des Sozialhilfeträgers im Sinne des § 75 SGB XII oder des Eingliederungshilfeträgers gemäß §§ 123ff des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX). In jedem Fall gilt im konkreten Fall der auf der Basis des damals geltenden § 55 SGB XII sowie der §§ 75ff SGB XII geschlossene Rahmenvertrag weiter (vgl. auch zu der weitgehend einheitlichen Gestaltung des Vertragsrechts nach § 75ff SGB XII und nach § 123ff SGB IX auch Hauck/Noftz SGB XII a.a.O. § 75 Rn. 2).

 

Der D. erbringt seine Leistungen zum einen auf der Grundlage des Rahmenvertrags nach § 79 Abs. 1 SGB XII vom 15.12.1998 in der aktualisierten Fassung vom 22.11.2012 einschließlich Ergänzungen vom 14.12.2017 und 06.11.2018 zu den Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII für Baden-Württemberg für stationäre und teilstationäre Einrichtungen und Dienste. Dieser Rahmenvertrag regelt nach § 1 Abs. 1 S. 1 die Rahmenbedingungen für den Abschluss von Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII (Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarungen) über die Gewährung von Leistungen der Sozialhilfe für stationäre, teilstationäre und ambulante Angebote in und durch Einrichtungen und Dienste, die Übernahme der Vergütungen und die Maßstäbe für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen. Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen werden nach § 2 S. 1 des Vertrages zwischen dem Leistungserbringer oder seinem Verband und dem Träger der Sozialhilfe nach den in diesem Vertrag festgelegten Kriterien vereinbart. Für die Leistungen voll- oder teilstationärer Angebotsformen nach dem SGB XII werden nach § 3 Abs. 2 des Rahmenvertrages differenziert nach Zielgruppen Leistungstypen gebildet (Anlage 1). Die Leistungen beinhalten gemäß § 5 des Rahmenvertrages bei stationären und teilstationären Angeboten Unterkunft und Verpflegung, Maßnahmen, räumliche und sächliche Ausstattung. Gemäß § 8 Abs. 1 des Rahmenvertrages sind Inhalt der Maßnahmen die im Einzelfall erforderlichen Hilfen, insbesondere bei stationären und teilstationären Angeboten Hilfe zur Eingliederung von Menschen mit Behinderungen, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten. Diese Leistungen beinhalten gemäß § 10 Abs. 1 des Rahmenvertrages insbesondere Beratung, Betreuung, Förderung und Pflege. Die personelle Ausstattung und die Qualifikation richten sich nach dem Bedarf der Leistungsberechtigten und den Erfordernissen der einzelnen Leistungstypen der Einrichtung sowie den Erfordernissen der ambulanten Leistungsangebote. Bei stationären und teilstationären Angeboten müssen sie, bei ambulanten Angeboten sollen sie den allgemeinen fachlichen Erkenntnissen und Notwendigkeiten für die jeweiligen Gruppen von Leistungsberechtigten mit vergleichbarem Hilfebedarf entsprechen. Der hier maßgebende Leistungstyp III.1.2 umfasst nach der Anlage 1 zum Rahmenvertrag Beratung, Anleitung und Unterstützung bei der Gestaltung des Tagesablaufs, ggf. durch geeignete tagesstrukturierende Maßnahmen, Unterkunft und Sicherstellung der Verpflegung, Erstellung und Fortschreibung des Hilfeplans, (befristete) Übernahme von Tätigkeiten der täglichen Versorgung, Anleitung und Unterstützung bei der Umsetzung des Hilfeplans, Bewusstmachen der Ursachen der sozialen Schwierigkeiten, Anleitung und Unterstützung bei Milderung bzw. Überwindung der Schwierigkeiten in den Lebensbereichen: Wohnen, Arbeit, soziale Beziehung, Gestaltung des Alltags, Anleitung und Unterstützung bei der Wohnungs- und Arbeitssuche sowie ggf. Überleitung in andere Leistungsangebote.

 

Zum anderen werden in § 3 des Vertrages über persönliche Hilfe und Wohnen (Stationäre Hilfen) zwischen dem Beigeladenen und dem Kläger vom 14.02.2020 die Angebote der Hilfe geregelt. Diese umfassen danach einen Katalog von im Folgenden nicht abschließend aufgeführten Leistungen, orientiert am persönlichen Bedarf im Einzelfall, den Vereinbarungen aus der Hilfeplanung und dem zugeordneten Betreuungsschlüssel. Unter den konkret benannten Leistungen sind unter dem Stichwort „Hilfe bei der gesundheitlichen Versorgung: Vorbeugende Gesundheitshilfe und Förderung einer gesundheitsbewussten Lebensweise; Unterstützung beim Erhalt von Fähigkeiten zur individuellen Hygiene; regelmäßige Arztsprechstunden im Haus (vorbehaltlich von Vereinbarungen mit entsprechenden Ärzten); Hilfe/Begleitung und Kontakt zu Ärzten; Unterstützung bei der Medikamenteneinnahme bzw. bei behandlungspflegerischen Maßnahmen; bei Bedarf Organisation und Vermittlung von häuslicher Krankenpflege; Besuche im Krankenhaus; Informationen über ambulante Beratungsstellen; Selbsthilfegruppen, sozialpsychiatrische Dienste, Suchtkliniken, Rehabilitationseinrichtungen, Pflegeheimen u.ä.; Hilfen bei der Beantragung von Kuren und Reha-Maßnahmen“ genannt.

 

Für das Gericht ergibt sich aus diesen vertraglichen Grundlagen, dass Maßnahmen einfachster Behandlungspflege wie das Richten der Medikamente durch die Einrichtung selbst geschuldet sind. So sind nach § 8 Abs. 1 des Rahmenvertrages die im Einzelfall erforderlichen Hilfen, auch Hilfe zur Pflege zu gewähren. Der Leistungstyp III.1.2 umfasst die (befristete) Übernahme von Tätigkeiten der täglichen Versorgung, ferner Anleitung und Unterstützung bei Milderung bzw. Überwindung der Schwierigkeiten im Bereich der Gestaltung des Alltags. Im Vertrag über persönliche Hilfe und Wohnen zwischen der Beigeladenen und dem Kläger ist ausdrücklich die Unterstützung bei der Medikamenteneinnahme bzw. bei behandlungspflegerischen Maßnahmen genannt. Damit sieht das Gericht für das Richten der Medikamente erst recht eine Zuständigkeit der Einrichtung des Beigeladenen. Ob der D. diese Leistung durch eigene Mitarbeiter erbringt oder extern vergibt, bleibt seiner Entscheidung überlassen. Die Erbringung der streitgegenständlichen Leistung durch die Einrichtung des Beigeladenen entspricht dem Ziel der Unterstützung der Bewohner der stationären Einrichtung bei den Verrichtungen des täglichen Lebens (vgl. Bundesozialgericht, Urteil vom 25.02.2015, a.a.O. Rn. 27, 33). Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Reform durch das Bundesteilhabegesetz für externe Leistungserbringer sowohl für den Sozialhilfeträger nach §§ 75ff SGB XII einerseits wie für den Eingliederungshilfeträger nach §§ 123ff SGB IX andererseits.

 

Der von dem Beigeladenen vorgetragene Umstand, dass sich aufgrund der Änderungen hinsichtlich der Bewohnerstruktur eine erhebliche Mehrbelastung ergeben hat, ändert nichts an der Zuständigkeit des Beigeladenen. Auch die in der mündlichen Verhandlung angesprochene Problematik, dass das Richten der Medikamente bei den Bewohnern der Einrichtung des Beigeladenen aufgrund ihrer besonderen Problematik wegen häufigerer Wechsel von Medikamenten, zwischenzeitlichen Krankenhausaufenthalten etc. einen Mehraufwand verursacht, führt nicht dazu, dass nicht von einer Maßnahme einfachster Behandlungspflege auszugehen wäre. Letztlich geht es, wie auch in der mündlichen Verhandlung deutlich wurde, um das Verteilen der Medikamente in die Wochenbox nach dem jeweils aktuellen Medikamentenplan. Der Beigeladene kann seinen entsprechenden höheren Bedarf im Rahmen der Vergütungsvereinbarung geltend machen bzw., worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat, eine Veränderung der Angebotsstruktur prüfen. Zum anderen ist, wie die Beklagte ebenfalls dargelegt hat, im Einzelfall zu prüfen, ob die jeweiligen Bewohner in der Einrichtung des Beigeladenen richtigerweise untergebracht werden sollen.

 

Die weiteren Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V brauchten angesichts des fehlenden Primäranspruchs des Klägers auf häusliche Krankenpflege in Form des Richtens der Medikamente in der Einrichtung des Beigeladenen daher nicht weitergehend geprüft zu werden. Die Klage war somit abzuweisen.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen, der keinen Antrag gestellt hat, sind nicht zu erstatten (vgl. auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Auflage 2020 § 193 Rn. 11a).

 

Das Gericht hat die Berufung gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung im Hinblick auf die Frage der Auswirkungen der Reform des Eingliederungshilferechts auf Ansprüche auf häusliche Krankenpflege in Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe zugelassen.

 

 

Rechtskraft
Aus
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