Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 03.08.2021 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Klageverfahren, in dem der Erlass einer Restforderung streitig ist.
Die am 00.00.1954 geborene Klägerin bezog bis Januar 2019 von dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Aus der Zeit dieses Leistungsbezugs hat der Beklagte noch Restforderungen aus bestandskräftigen Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden sowie aus einem Darlehensbescheid in einer Gesamthöhe von 5167,96 Euro. Die Darlehensforderung wurde zuletzt mit einer monatlichen Rate von 15,00 Euro, die Rückforderung aus den Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden mit einer monatlichen Rate von 50,00 Euro getilgt. Mit Schreiben vom 03.06.2020 beantragte die Klägerin den Erlass der Restforderung. Sie bezog zu diesem Zeitpunkt eine Altersrente in Höhe von 943,30 Euro monatlich und Leistungen nach dem Wohngeldgesetz in Höhe von 103,00 Euro. Ihre monatlichen Kosten der Unterkunft und Heizung lagen bei 610,00 Euro. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 15.01.2021 ab. Die Klägerin legte hiergegen mit Schreiben vom 22.01.2021 Widerspruch ein. Sie habe aufgrund der Corona-Pandemie ihren Minijob und damit ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von ca. 450,00 Euro verloren und lebe aktuell unter dem Existenzminimum. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.01.2021 zurück. Die Einziehung berechtigter Forderungen sei grundsätzlich vom Gesetzgeber gewollt. Kurzfristige Hinderungsgründe (z.B. Corona Pandemie) oder Einkommen in Höhe der Grundsicherung seien kein Hinderungsgrund. Die Forderung sei bereits vor Beginn der Corona Pandemie entstanden und es bestehe zudem die Möglichkeit, mit der Zentralkasse eine individuelle Ratenzahlung zu vereinbaren und diese der persönlichen Situation anzupassen. Hinsichtlich der Frage, ob Ansprüche erlassen werden, bestehe Ermessen. Der Beklagte sei dazu verpflichtet, wirtschaftlich zu handeln und – auch im Interesse der Gemeinschaft der Steuerzahler – bestehende Forderungen vollständig und zeitnah zu erheben.
Die Klägerin hat hiergegen am 18.02.2021 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben und beantragt, ihr PKH zu gewähren. Im Februar 2020 habe sie ihren Nebenjob verloren und finde als älterer, schwerbehinderter Mensch keine Arbeit mehr. Aus gesundheitlichen Gründen sei sie auch nicht mehr dazu in der Lage, einer Nebentätigkeit nachzugehen. Die Rückforderung gehe auf ihre damalige Arbeitsunfähigkeit zurück. Sie habe nicht grob fahrlässig gehandelt, sondern dem Beklagten immer alle Unterlagen zu dem von ihr bezogenen Krankengeld vorgelegt. Der Beklagte habe sie aber nicht zur Kenntnis genommen. Ihre finanzielle Lage sei ohne den Nebenjob äußerst angespannt. Sie habe zwischenzeitlich einen Antrag auf Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) bei der Stadt R gestellt.
Auf den diesbezüglichen Antrag hat die Stadt R der Klägerin mit Bescheid vom 01.07.2021 Grundsicherungsleistungen in Höhe von monatlich 122,63 Euro bewilligt.
Mit Beschluss vom 03.08.2021 hat das SG den Antrag auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts abgelehnt. Zur Begründung hat es auf die angefochtenen Bescheide verwiesen und ergänzt, dass die Ausführungen der Klägerin zu ihrer aktuellen und zukünftigen wirtschaftlichen Situation nachvollziehbar seien, sich daraus aber nicht ergebe, dass die Einziehung der Forderung generell unbillig sei. Ob die Forderung durchsetzbar sei, lasse die Kammer ausdrücklich offen.
Gegen den ihr am 17.08.2021 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 30.08.2021 Beschwerde eingelegt. Sie lebe am absoluten Existenzminimum und ihre gesundheitliche Lage habe sich weiter verschlechtert. Der Beklagte habe sein Ermessen bei der Ablehnung des Antrags nicht zutreffend ausgeübt. Sie sei bereit, das Darlehen in monatlichen Raten von 10,00 Euro zu tilgen, wenn der Beklagte ihr die Restforderung im Übrigen erlasse.
Der Beklagte hat darauf verwiesen, dass die Entscheidung nach § 44 SGB II in seinem Ermessen liege und er dieses Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt habe.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Gewährung von PKH zu Recht abgelehnt.
PKH wird nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m § 114 Abs. Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) unter anderem nur gewährt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht nach vorläufiger Prüfung den Rechtsstandpunkt des Klägers für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Dies hat das SG zu Recht verneint.
Rechtsgrundlage für den von der Klägerin begehrten Forderungserlass ist § 44 SGB II. Danach dürfen die Träger der Leistungen nach dem SGB II Ansprüche erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Die Vorschrift eröffnet die Möglichkeit, besondere persönliche Umstände zu berücksichtigen (Erlass wegen persönlicher Unbilligkeit) und ist auch dann als Billigkeitsmaßnahme angezeigt, wenn die Anwendung einer in ihren generalisierenden Wirkungen verfassungsmäßigen Regelung im Einzelfall zu Grundrechtsverstößen führt, solange nicht die Geltung des Gesetzes unterlaufen wird (Erlass wegen sachlicher Unbilligkeit). Davon ist vor allem auszugehen, wenn die Geltendmachung eines Anspruchs im Einzelfall zwar dem Wortlaut einer Vorschrift entspricht, sie aber nach dem Zweck des zugrunde liegenden Gesetzes nicht zu rechtfertigen ist (vgl. dazu Bundessozialgericht – BSG –), Urteil vom 25.04.2018 – B 14 AS 15/17 R, Rn. 28 ff. bei juris). § 44 SGB II vermittelt insoweit einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Forderungserlass (BSG, aaO, Rn. 32 bei juris). Ob der Begriff der Unbilligkeit dabei gerichtlich voll überprüfbar ist, ist umstritten (vgl. hierzu Landessozialgericht – LSG –) Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.02.2021 – L 7 AS 898/20, Rn. 32 bei juris; Becker, Veränderung von Ansprüchen durch Stundung, Niederschlagung und Erlass, SGB 2018, 129, 133)).
Eine ermessensfehlerfreie Entscheidung des Beklagten ist hier erfolgt. Dabei kann dahinstehen, ob der Begriff der Unbilligkeit gerichtlich voll überprüfbar ist, weil die Einziehung der Forderung nicht unbillig im Sinne von § 44 SGB II ist. Eine sachliche Unbilligkeit liegt nicht vor, weil die Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs nach § 50 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) den Wertungen des zugrunde liegenden Gesetzes nicht zuwiderläuft. Die Regelungen der §§ 45, 48 und 50 SGB X sollen vielmehr gerade sicherstellen, dass dem Leistungsempfänger nur die rechtmäßig zustehenden Leistungen verbleiben. Auch die Verpflichtung, ein Darlehen zurückzuzahlen, entspricht der gesetzlichen Wertung, vgl. § 42 a SGB II, und stellt keinen Grundrechtsverstoß dar.
Auch eine persönliche Unbilligkeit ist nicht ersichtlich. Sie kann vorliegen, wenn sich der Schuldner in einer Notlage befindet und zu besorgen ist, dass die Weiterverfolgung des Anspruchs zu einer Existenzgefährdung führt. Das kann der Fall sein, wenn ohne den Erlass der notwendige Lebensunterhalt vorübergehend oder dauernd nicht mehr bestritten werden kann. Eine Unterdeckung unter die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts allein genügt hierfür allerdings nicht, weil die in § 42a Abs. 2 und § 43 SGB II vorgesehene Aufrechnung eine solche Unterdeckung gerade vorsieht (vgl. Kemper in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Aufl. 2021, § 44 Rn.10 m.w.N.).
Eine entsprechende Existenzgefährdung durch die Einziehung der Forderung ist nicht gegeben. Die Klägerin hatte im Zeitpunkt des Antrags auf Erlass neben ihrer Rente Anspruch auf Gewährung existenzsichernder Leistungen nach dem SGB XII. Diese Leistungen sind ihr zwischenzeitlich auch bewilligt worden. Ein Forderungseinzug durch Verrechnung (vgl. §§ 52, 51 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - SGB I) und eine damit verbundene Verschlechterung ihrer finanziellen Situation ist deshalb nicht zu befürchten, weil die Verrechnung mit Leistungen nach dem SGB XII – anders als die Aufrechnung gem. § 43 SGB II bei Bezug von Leistungen nach dem SGB II – nicht möglich ist. Auch eine Pfändung dieser Leistungen oder der Rente der Klägerin ist nicht zulässig, weil ihre Einkünfte unterhalb der Pfändungsfreigrenzen liegen. Der Lebensunterhalt der Klägerin ist damit auch ohne den Erlass der Forderung weiterhin gesichert.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten (§ 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.