L 12 AS 1706/20 ZVW

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 6 AS 2498/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AS 1706/20 ZVW
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 10.01.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungs- und Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rücknahme und Erstattung von nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) zunächst gewährten Grundsicherungsleistungen wegen nicht angegebenen Vermögens für die Zeit vom 02.04. bis 30.09.2013.

Die am 00.00.1970 geborene Klägerin bewohnte zumindest seit 01.01.2013 zusammen mit ihrem Ehemann (geb. 00.00.1969) und den gemeinsamen Kindern L (geb. am 00.00.1997) und C (geb. am 00.00.2010) ein im Eigentum der Klägerin und ihres Ehemannes stehendes Hausgrundstück (Wohnfläche ca. 141 qm, Grundstücksfläche: ca. 211 qm). Für das Objekt fielen monatliche Schuldzinsen i.H.v. 251,47 Euro, ein Heizkostenabschlag von 53,00 Euro und sonstige monatliche Nebenkosten i.H.v. 145,65 Euro, zusammen 450,12 Euro an. Der Ehemann der Klägerin ist verstorben; ausweislich der Sterbeurkunde trat der Todeszeitpunkt in der Zeit zwischen 29.03.2013 und 01.04.2013 ein.

Der verstorbene Ehemann der Klägerin gab zum 31.12.2012 eine sich nicht rentierende selbständige Tätigkeit auf, die Klägerin befand sich in Elternzeit und hatte kein Einkommen, so dass der Familie ab dem 01.01.2013 zunächst nur Einkommen in Form von Kindergeld i.H.v. 2 x 184,00 Euro zur Verfügung stand. Zum 12.03.2013 nahm der Ehemann der Klägerin eine abhängige Beschäftigung auf, das Einkommen floss im April 2013 zu (949,02 Euro brutto bzw. 598,96 Euro netto). Die Klägerin übernahm auf Bitten ihres Arbeitgebers während der Elternzeit eine befristete Tätigkeit (14.01. bis 31.03.2013). Aus dieser Tätigkeit floss ihr das Einkommen aus März 2013 im April 2013 i.H.v. 968,23 Euro brutto, entspricht 772,90 Euro netto, zu.

Die Klägerin verfügte während der Streitzeit über Vermögen in Form eines Bausparvertrages bei der M mit einem Wert zum 01.04.2013 von 464,62 Euro, zum 01.05.2013 und in den Folgemonaten i.H.v. 498,88 Euro. Ferner unterhielt sie ein Aktiendepot bei der Deutschen Bank. Auf diesem befanden sich S Fondanteile mit einem Wert von 831,98 Euro, ferner 157 Aktien der U AG, deren Wert am 01.04.2013 6.690,24 Euro, am 01.05.2013 6.571,24 Euro, am 01.06.2013 7.727,54 Euro, am 01.07.2013 7.338,49 Euro, am 01.08.2013 8.368,83 Euro und am 01.09.2013 8.146,10 Euro betrug. Es gab in einzelnen Monaten noch Guthaben auf den der Klägerin zuzurechnenden Girokonten (am 01.04.2013 337,58 Euro, am 01.05.2013 1.208,39 Euro, am 01.06.2013 226,25 Euro, am 01.07.2013 1.142,65 Euro, am 01.08.2013 746,69 Euro und am 01.09.2013 917,41 Euro).

Die Tochter L verfügte während der gesamten Streitzeit über einen nicht gekündigten Bausparvertrag bei der M mit einem Wert von 5.293,45 Euro. Die Bausparverträge der Klägerin und ihrer Tochter waren binnen einer Frist von sechs Monaten kündbar, die angesparten Beträge wären dann ausgekehrt worden.

Am 03.01.2013 beantragte der verstorbene Ehemann der Klägerin in Absprache mit dieser für sich und seine Familie Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Er machte in der Anlage VM des Formantrags Angaben zum Vermögen der vorgenannten Bedarfsgemeinschaftsmitglieder. Er beantwortete unter anderem die Frage 2.4: „Besitzen Sie oder eine in der Bedarfsgemeinschaft lebende Person Sparbriefe/sonstige Wertpapiere (z.B. Aktien, Fond-Anteile u.a. usw.)?“ mit „Nein“. Ebenfalls mit „Nein“ beantwortete er die Frage 2.6: „Besitzen Sie oder eine in der Bedarfsgemeinschaft lebende Person Bausparverträge?“.

Auf Grundlage dieser Angaben und weiterer hereingereichter Belege bewilligte der Beklagte der Klägerin, ihrem verstorbenen Ehemann und den gemeinsamen Kindern mit Bescheid vom 01.02.2013 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 19.03.2013 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Die Leistungsbewilligung wurde anlässlich der Tätigkeitsaufnahme des verstorbenen Ehemannes mit Bescheid vom 21.03.2013 für die Zeit ab 01.04.2013 ganz aufgehoben. Mit Bescheid vom selben Tage kam es zunächst zu einer vorläufigen Bewilligung geringerer Leistungen für die Zeit ab 01.04.2013 bis 30.09.2013. Mit Bescheid vom 08.04.2013 setzte der Beklagte unter Berücksichtigung des Versterbens des Ehemannes die Leistungen für die Zeit vom 01.05. bis 30.09.2013 für die Klägerin und die mit ihr zusammenlebenden Kinder endgültig fest. Er korrigierte diese Leistungsbewilligung zugunsten der Klägerin und ihrer Kinder mit Änderungsbescheid vom 17.04.2013 auf einen monatlichen Leistungsbetrag von 991,75 Euro, wobei er das Beschäftigungsende der Klägerin berücksichtigte. Mit Bescheid vom 23.04.2013 erfolgte die endgültige Leistungsbewilligung für April 2013 unter Berücksichtigung des Einkommens der Klägerin und ihres verstorbenen Ehemannes (Gesamtbetrag: 478,43 Euro).

Gegen die Bescheide vom 17. und 23.04.2013 legte die Klägerin am 23.05.2013 Widerspruch ein. Die Leistungsbewilligung reiche nach dem Versterben ihres Ehemannes nicht aus. Die Finanzierung des selbstbewohnten Hausgrundstücks und des angeschafften Autos könnten nicht sichergestellt werden.

Den Widerspruch verwarf der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.06.2013 unter der Annahme, der Widerspruch sei erst am 28.05.2013 eingelegt worden, als unzulässig.

Hiergegen hat die Klägerin am 11.07.2013 Klage erhoben, mit der sie zunächst ihr Begehren auf die Gewährung höherer Leistungen weiterverfolgte.

Aufgrund eines Datenabgleichs und entsprechend eingeholter Auskünfte von Banken und Versicherungsgesellschaften erfuhr der Beklagte bis Ende Januar 2014 vom genauen Umfang der oben aufgeführten und weiteren im Erstantrag nicht angegebenen Aktiendepots, Konten und Bausparverträgen der Klägerin, ihres verstorbenen Ehemannes und ihrer Tochter L.

Mit Schreiben vom 17.04.2014 hörte der Beklagte die Klägerin zu einer beabsichtigten Rücknahme der Leistungsbewilligung für die Klägerin und ihre Kinder für die Zeit vom 02.04. bis 30.09.2013 an. Der Klägerin wurde wie folgt vorgehalten: „Sie verfügten bei der M unter der Nr. 01 über einen Bausparvertrag mit einem Guthaben von 464,92 Euro. Bei der Deutschen Bank verfügten Sie unter der Nr. 02 über ein Konto aus dem Nachlass Ihres am 01.04.2013 verstorbenen Mannes mit einem Guthaben zwischen 337,58 Euro und 128,39 Euro. Dessen Endguthaben von 884,54 Euro wurde am 03.06.2013 Ihrem Kto. 03 bei der Sparkasse F gutgeschrieben. Bei der Sparkasse F verfügten Sie unter der Nr. 03 sowie unter deren Nr.  04 über Konten mit einem differenzierenden Guthaben mit bis zu einem Guthaben von insgesamt 3.700,00 Euro. Dem letztgenannten Konto wurde am 27.03.2013 ein Barumsatz von 1.900,00 Euro, am 10.05.2013 ein Barumsatz von 500,00 Euro, am 23.05.2013 ein Barumsatz von 2.000,00 Euro und am 22.07.2013 ein Barumsatz von 2.300,00 Euro gutgeschrieben. Außerdem verfügen Sie über 157 U AG Namensaktien im Wert von mindestens 6.500,58 Euro (Stand 01.01.2013) sowie über ein S Bank Depot 05 mit einem Wert zum 01.01.2013 von 831,98 Euro. Mit den nachgewiesenen Vermögensverhältnissen einschließlich der gutgeschriebenen Barumsätze sind Sie und Ihre Kinder nicht hilfebedürftig im Sinne des § 9 SGB II, so dass ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nicht mehr besteht. Die fehlerhafte Bewilligung ist erfolgt, weil Sie im Antrag vom 03.01.2013 zumindest grob fahrlässig falsche und unvollständige Angaben gemacht haben, in dem Sie Ihr Eigentum an Aktien und Fondanteilen verschwiegen haben“.

Zur Anhörung nahm die Klägerin keine Stellung.

Mit Bescheid vom 14.05.2014 hob der Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 02.04. bis 30.09.2013 für die Klägerin und ihre Kinder auf und forderte die Erstattung der erhaltenen Leistungen sowie der ausgelegten Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung. Die Erstattungsforderung für die Klägerin betrug 3.814,83 EUR.

Mit Schreiben vom 21.07.2014 wandte sich die Klägerin an den Beklagten und verwies auf ihre persönliche Situation nach dem plötzlichen Versterben ihres Ehemannes. Sie habe nur eine Vollmacht von ihren Eltern für das Bankkonto 04. Sie bitte um Prüfung und Einstellung der Angelegenheit.

Die Klägerin fügte ihrem Schreiben eine auf den 23.06.2013 datierte Bestätigung des Herrn R „zur Vorlage beim Jobcenter“ bei, in der dieser erklärte, der Klägerin und ihrem Ehemann einen Betrag von 18.500,00 Euro unter der Bedingung ausgeliehen zu haben, dass der Betrag bis zum 31.12.2015 zurückzuzahlen sei.

Daraufhin teilte der Beklagte der Klägerin unter dem 19.08.2014 mit, dass das auf ihren Konten befindliche Guthaben ebenso wie die U-Aktien als ihr Eigentum im Rahmen der Berücksichtigung von Vermögen auf die SGB-II-Leistungen anzurechnen sei. Gleiches gelte für die Barumsätze. Diese seien zu verschiedenen Zeiträumen in unterschiedlicher Höhe getätigt worden und es sei nicht ersichtlich, dass es sich hierbei um lediglich gewährte Darlehen handele.

In einem weiteren Schreiben vom 15.09.2014 erklärte die Klägerin, dass ihr nicht bekannt sei, welche Barumsätze der Beklagte meine. Es lägen Darstellungen vor, die sie nicht nachvollziehen könne.

Hinsichtlich des Bescheides vom 14.05.2014, für den sie geltend macht, dass er nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des vor dem Sozialgericht bezüglich der Bescheide vom 17. und 23.04.2013 anhängigen Klageverfahrens geworden sei, hat die anwaltlich vertretene Klägerin erstmalig am 25.11.2015 eingewendet, dass die Aktien nicht ihrem, sondern dem Vermögen ihres Vaters, des Zeugen B, zuzurechnen seien.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 23.04.2013 und unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2013 und unter Einbeziehung und Aufhebung des Bescheids vom 14.05.2014 zu verurteilen, ihr weitere Leistungen zu zahlen, das heißt Kosten für Strom, Gas, Wasser, Grundsteuer, Abfallentsorgung, Versicherung für Gebäude, Hausrat, Kfz-Versicherung, Kfz-Steuer, Kosten für Musikschule, Nachhilfe, Schoko-Ticket, Rechtsschutz, Telefonkosten.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Ansicht geäußert, dass der angefochtene Bescheid vom 14.05.2014 rechtmäßig sei.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 10.01.2017 die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 14.05.2014 sei rechtmäßig. Es habe im streitigen Zeitraum keine Bedürftigkeit bestanden. Es gebe auch keine Möglichkeit, das Aktienguthaben nicht zu berücksichtigen. Im Übrigen sei der Bescheid vom 14.05.2014 bestandskräftig. Dieser sei nicht Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Die Streitgegenstände der Klage und des Bescheides lägen (inhaltlich) viel zu weit auseinander. Im Ausgangsverfahren ginge es um eine einfache Zulässigkeitsfrage. Der Aufhebungsbescheid habe einen ganz anderen Regelungsgehalt.

Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 25.01.2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 06.02.2017 Berufung eingelegt, die zunächst unter dem Az. L 12 AS 238/17 vor dem Senat anhängig war. Die Klägerin hat ihr Begehren auf Gewährung höherer Leistungen mit Schriftsatz vom 24.11.2017 zurückgenommen. Sie wolle sich nur noch gegen den Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 14.05.2014 wenden. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei dieser Bescheid Gegenstand des Verfahrens geworden. Eine Aufhebung der Leistungsbewilligung komme jedoch nicht in Betracht. Ihr, der Klägerin, könne keine grobe Fahrlässigkeit hinsichtlich der Nichtangabe des Aktiendepots vorgeworfen werden, denn sie und ihr Vater [gemeint ist wohl der Ehemann] hätten das Depot nicht als eigenes Vermögen, sondern als solches des Vaters angesehen. Sie hätte die Aktien für ihren Vater gekauft. Sie stünden in dessen Eigentum. Richtig sei allerdings, dass objektive Unterlagen hierfür nicht eingereicht werden könnten. Es könne vorliegend auch nicht vermutet werden, dass sie aus dem Vermögen ihrer Tochter Leistungen erhalten würde. Das Vermögen ihrer Tochter übersteige zwar den ihr nach dem SGB II zustehenden Freibetrag. Es sei aber angemessen, auf die insofern günstigeren Regelungen des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII), insbesondere die Empfehlungen zu § 39 SGB XII, abzustellen.

Die Klägerin hat beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Duisburg vom 10.01.2017, den Bescheid des Beklagten vom 14.05.2014 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hat weiterhin die Auffassung vertreten, dass der Bescheid vom 14.05.2014 rechtmäßig sei. Unterlagen, dass es sich bei dem (Aktien-)Vermögen um ein verdecktes Treuhandkonto handele, seien bislang nicht vorgelegt worden. Die Klägerin habe mindestens grob fahrlässig gehandelt, sie müsse sich das Handeln ihres Ehemannes zurechnen lassen.

Der Senat hat in einem Erörterungstermin am 07.02.2018 die Klägerin zum Sachverhalt befragt. Diese hat angegeben, das Depot bei der Deutschen Bank ca. 1990/1992 eröffnet zu haben. Sie habe das damals für ihren Vater getan. Das liefe auf Vertrauensbasis in der Familie. Sie habe damals die Aktien als Mitarbeiterin von U günstiger erhalten. Der Vater habe ihr das Geld für den Kauf gegeben. 2014 seien die Aktien dann verkauft worden. Das Geld habe ihr Vater aber nicht ausgezahlt bekommen. Der Vater habe die Aktien verkaufen wollen, um in ihr Haus zu investieren. Es habe noch offene Darlehen gegeben, die sie sehr belastet hätten. Ihre Eltern hätten die Darlehen mit dem Aktienverkauf ablösen wollen. Die Dividende, die aus den Aktien erwirtschaftet worden sei, habe der Vater bekommen. Sie habe ihm dieses Geld in bar gegeben oder es sei mit einer Auslage ihrerseits verrechnet worden.

Ferner hat der Senat im Erörterungstermin am 07.02.2018 Beweis erhoben durch Vernehmung des Vaters der Klägerin. Dieser hat ausgesagt, dass die Klägerin die Aktien für ihn gekauft habe. Er habe ihr die Aktien dann zurückgegeben, weil sie sich in der Familie gegenseitig unterstützten. Wovon er die Aktien bezahlt habe, wisse er nicht mehr. Das sei zu lange her. Dividenden habe er für die Aktien jedoch nicht erhalten. Die habe er der Tochter überlassen, damit diese ihre Schulden habe bezahlen können. Wenn seine Tochter keine Darlehensschulden gehabt hätte, hätte er die Aktien auch für sich gewollt. Er habe sich entschlossen, ihr die Aktien zu geben, zu dem Zeitpunkt als sie verschuldet gewesen sei.

Der Senat hat die Klägerin in einem weiteren Erörterungstermin am 20.06.2018 zu den (fehlenden) Angaben zum Vermögen in Form der Bausparverträge befragt. Sie hat unter anderem angegeben, dass sie sich nicht erklären könne, warum ihr Ehemann im Antragsformular auf die Frage, ob Bausparverträge vorhanden seien, ein „Nein“ angekreuzt habe. Ihr Ehemann sei ja auf dem Amt gewesen.

Eine noch im Schriftsatz vom 24.11.2017 erklärte Klageerweiterung zu ihren Kindern hat die Klägerin im Erörterungstermin am 20.06.2018 wieder zurückgenommen.

Die Klägerin ist vom Senat in der mündlichen Verhandlung am 14.11.2018 ergänzend zu den Umständen der SGB-II-Antragstellung und dem Bausparvermögen sowie dem Aktiendepot befragt worden. Sie hat unter anderem ausgeführt, dass sie ihrem Ehemann alle wesentlichen Unterlagen für die Antragstellung beim Beklagten mitgegeben habe, etwa die Unterlagen zu ihrem Bausparvertrag. Hinsichtlich des Depots habe sie nichts beigefügt, weil es ja nicht in ihrem Eigentum stehe.

Der geladene Zeuge B ist zu dem Termin am 14.11.2018 aus gesundheitlichen Gründen nicht erschienen.

Der Senat hat die Berufung durch Urteil vom 14.11.2018 zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Der Bescheid vom 14.05.2014 sei gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Der Bescheid sei formell rechtmäßig, insbesondere sei die Anhörung ordnungsgemäß erfolgt. Der Bescheid sei auch materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Bewilligung nach § 40 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2 SGB II i.V.m. § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) i.V.m. § 330 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) lägen vor. Die Klägerin sei nicht hilfebedürftig i.S.d. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 i.V.m. § 9 SGB II gewesen, weil ihr jedenfalls das Bausparvermögen ihrer Tochter, das die Freibeträge übersteige, nach der Vermutungsregelung des § 9 Abs. 5 SGB II zuzurechnen sei. Die Klägerin habe mit ihrer Tochter in einer Haushaltsgemeinschaft gelebt und die Erbringung von Unterhaltsleistungen an die Klägerin könne von ihrer Tochter erwartet werden. Höheren Freibeträgen in Analogie zum SGB XII stehe die Regelung des § 7 Abs. 2 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) entgegen. Vor diesem Hintergrund könne dahinstehen, ob die U-Aktien als Vermögen der Klägerin zu berücksichtigen seien. Die Klägerin könne sich auf Vertrauensschutz nicht berufen, weil sie sich die wissentlich falschen Angaben ihres verstorbenen Ehemannes zurechnen lassen müsse.

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat das BSG die Revision zugelassen (Beschluss vom 30.10.2019), auf die anschließende Revision der Klägerin das Urteil des Senats vom 14.11.2018 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an den Senat zurückverwiesen (Urteil vom 03.09.2020, B 14 AS 55/19 R). Der Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 14.05.2014 sei gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Entgegen der Ansicht des LSG sei die Hilfebedürftigkeit der Klägerin nicht aufgrund der Regelung des § 9 Abs. 5 SGB II als entfallen anzusehen. Es sei schon zweifelhaft, ob erwartet werden könne, dass die Klägerin aus dem Vermögen ihrer minderjährigen Tochter unterstützt werde. Denn es sei familienrechtlich grundsätzlich pflichtwidrig, wenn Eltern Geld des Kindes für eigene Zwecke gebrauchen würden. Letztlich könne dies aber offenbleiben, weil die Vermutungsregelung des § 9 Abs. 5 SGB II nicht eingreife, wenn feststehe, dass keine Unterstützung (in Form von Einkommen nach § 11 SGB II) geleistet worden sei, weil dann die Rechtsvermutung widerlegt sei. Dies sei hier der Fall, weil nach den Feststellungen des LSG der Kontostand des Bausparkontos über die gesamte streitbefangene Zeit unverändert und der Bausparvertrag auch nicht gekündigt worden sei. Ob die Klägerin aufgrund eigenen Vermögens, insbesondere aufgrund des Aktiendepots, im Leistungszeitraum nicht hilfebedürftig gewesen sei, müsse das LSG nach der Zurückverweisung noch aufklären, weshalb das BSG selbst nicht abschließend entscheiden könne. Das LSG habe dann auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden.

Nach der Zurückverweisung hat der Senat durch den vormals zuständigen Berichterstatter die Klägerbevollmächtigten in einem Schreiben vom 23.11.2020 aufgefordert, die aktuelle Anschrift des Vaters der Klägerin mitzuteilen. Ferner sollte mitgeteilt werden, ob die Klägerin Geschwister habe; ggf. sollten deren Namen und Anschriften angegeben werden. Schließlich wurde auch um Übersendung eines Verlaufs des Bausparvertrages der Tochter der Klägerin gebeten.

Nachdem hierauf keine Reaktion erfolgt war, hat der Berichterstatter die Klägerbevollmächtigten mit Schreiben vom 17.12.2020, zugestellt am 22.12.2020, aufgefordert, die aktuelle Anschrift der Eltern der Klägerin mitzuteilen. Ferner solle angegeben werden, ob die Klägerin Geschwister habe. Ggf. sollten deren Namen und ladungsfähige Anschriften übermittelt werden. Ferner sollte eine Dokumentation über den Verlauf/Verbleib der Verwendung des Bausparvertrages der Tochter L sowie des Aktiendepots jeweils für die Zeit seit dem 01.01.2013 übersendet werden. In diesem Schreiben wurde darauf hingewiesen, dass die Berufung gemäß § 156 Abs. 2 S. 1 SGG als zurückgenommen gelte, wenn die Angaben binnen drei Monaten nach Zustellung der Anfrage nicht vollständig gemacht und/oder die angeforderten Unterlagen nicht vollständig vorgelegt würden.

Mit Schriftsatz vom 23.02.2021 haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Anschriften der Eltern der Klägerin mitgeteilt. Es sei nicht verständlich, welche Bedeutung die Namen und Anschriften der Geschwister der Klägerin sowie der Bausparvertrag der Tochter haben sollten. Man habe das BSG so verstanden, dass dieser Bausparvertrag keine Rolle spiele. Man bitte um Mitteilung, welche Bedeutung der Vertrag noch haben solle. Die Unterlagen zum Aktiendepot würden zusammengestellt und fristgerecht übersendet.

Mit Schreiben vom 25.02.2021 hat der Berichterstatter des Senats darauf hingewiesen, dass der Senat weiterhin zur Hilfebedürftigkeit der Klägerin ermitteln werde. Es bleibe insofern bei der Auflage vom 17.12.2020.

Die Klägerin hat ferner einen Kontoauszug übersendet, aus dem hervorgeht, dass die U-Aktien am 28.03.2014 mit einem Wert von 10.471,62 Euro und die S-Fondanteile am 01.04.2014 mit einem Wert von 954,56 Euro ihrem Girokonto gutgeschrieben wurden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 10.01.2017 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 14.05.2014 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,                              

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hat sich seit der Zurückverweisung der Rechtssache nicht weiter inhaltlich geäußert.

Mit richterlicher Verfügung vom 28.06.2021 ist die Klägerin aufgefordert worden, bis zum 31.07.2021 alle Tatsachen anzugeben, über die noch Beweis erhoben werden soll, und die entsprechenden Beweismittel anzugeben. Das gelte insbesondere zu dem Themenkomplex „Zuordnung des Vermögens in Form von Aktien und Fondanteilen zum Vermögen des Vaters der Klägerin“. Sie werde darauf hingewiesen, dass das Gericht Erklärungen und Beweismittel, die nach der gesetzten Frist vorgebracht würden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlung entscheiden könne. Die Klägerin hat daraufhin unter dem 06.07.2021 mitgeteilt, dass ihr Vater als Zeuge zum Themenkomplex der Zuordnung der Aktien und Fondanteile gehört werden könne.

Der Senat hat die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung ergänzend befragt und ihren Vater als Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses der Befragung und Zeugenvernehmung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 15.12.2021 verwiesen.

Hinsichtlich des weiteren Inhalts des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten und die Gerichtsakte Bezug genommen. Die Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen.

 

Entscheidungsgründe

A. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist – wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 14.11.2018 dargelegt hat – allein der Bescheid vom 14.05.2014, soweit die Klägerin betroffen ist. Soweit sich der Bescheid auf deren Kinder L und C bezieht, ist er bestandskräftig. Der Bescheid ist sowohl hinsichtlich der Rücknahme als auch der Erstattungsverfügung gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des zum Zeitpunkt des Erlasses bereits anhängigen Klageverfahrens geworden. Ursprünglich waren Gegenstand des Klageverfahrens die Bescheide des Beklagten vom 17. und 23.04.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2013, mit denen auch der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II endgültig für die Zeit vom 01.04 bis 30.09.2013 gewährt worden sind. Bezüglich dieser Bescheide hat die Klägerin das erstinstanzliche Klageverfahren als kombiniertes Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsbegehren unter dem 11.07.2013 anhängig gemacht. Während des Klageverfahrens hat sodann der Beklagte den Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 14.05.2014 erlassen. Dieser ersetzt im Sinne von § 96 Abs. 1 SGG die ursprüngliche Bewilligung für die Zeit ab dem 02.04.2013 (so auch BSG Urteil vom 03.09.2020, B 14 AS 55/19 R, Rn. 12 ff., juris). Aufhebungs- bzw. Rücknahmebescheide sind typische nach § 96 SGG in das Klageverfahren einzubeziehende Bescheide (Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 96 Rn. 5).

Der Bescheid ist allerdings nur insoweit Gegenstand des Klageverfahrens geworden, als er gegenüber der Klägerin die Rücknahme der Leistungsbewilligung und Erstattung der Überzahlung verfügt. Denn allein die Klägerin war Beteiligte des erstinstanzlichen Verfahrens. Die Klageerhebung erfolgte nur in ihrem Namen und nicht auch in Vertretung der minderjährigen Kinder. Insofern ist der Wortlaut der zu Protokoll gegebenen Klage vom 11.07.2013 eindeutig. Entsprechend hat die Klägerin die erst im Berufungsverfahren erklärte Klageerweiterung zu ihren Kindern (im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 20.06.2018) wieder zurückgenommen.

Das ursprünglich von der Klägerin verfolgte Verpflichtungs- und Leistungsbegehren ist von ihr im Berufungsverfahren ebenfalls zurückgenommen worden (mit Schriftsatz vom 24.11.2017), so dass nur noch das Anfechtungsbegehren hinsichtlich des Bescheides vom 14.05.2014 zur Prüfung steht.

B. Die Berufung ist zulässig.

I. Die Berufung ist allein angesichts der Höhe der Erstattungsforderung von 3.814,83 Euro kraft Gesetzes ohne Zulassung statthaft (§§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG).

II. Die Klägerin hat ihre Berufung auch fristgerecht eingelegt. Gegen das ihren Bevollmächtigten am 25.01.2017 zugestellte Urteil des Sozialgerichts hat die Klägerin am 06.02.2017 und damit innerhalb der maßgeblichen Monatsfrist nach § 151 Abs. 1 SGG Berufung eingelegt.

III. Die Berufung ist weiter rechtshängig. Die Rechtshängigkeit ist nicht nach § 156 Abs. 2 SGG entfallen. Danach gilt die Berufung als zurückgenommen, wenn der Berufungskläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt (S. 1). Der Berufungskläger ist in der Aufforderung auf die Rechtsfolgen hinzuweisen, die sich aus S. 1 und gegebenenfalls aus § 197a Abs. 1 S. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 155 Abs. 2 VwGO ergeben (S. 2). Das Gericht stellt durch Beschluss fest, dass die Berufung als zurückgenommen gilt (S. 3). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Die materiellen Voraussetzungen für den Erlass der Betreibensaufforderung lagen bei rückschauender Betrachtung nicht vor, weil im Zeitpunkt der Versendung der Aufforderung nicht vom Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses der Klägerin ausgegangen werden konnte. Zur Wahrung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) hat § 156 Abs. 2 SGG Ausnahmecharakter. Die Anwendung der Rücknahmefiktion setzt voraus, dass bereits zum Zeitpunkt des Erlasses der Aufforderung, das Verfahren zu betreiben, unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls sachlich begründete Anhaltspunkte vorliegen, die den sicheren Schluss zulassen, dass einem Beteiligten an einer Sachentscheidung des Gerichts nicht mehr gelegen ist. Bei der Gesamtwürdigung sind sowohl die Umstände vor und nach Erlass der Betreibensaufforderung als auch das Verhalten des Berufungsführers zu berücksichtigen. „Unkooperatives Verhalten“ allein genügt nicht, um den Wegfall des Rechtsschutzinteresses annehmen zu können; es genügen auch nicht allgemein jegliche Verletzungen von Mitwirkungsobliegenheiten; vielmehr ist nur das Unterlassen solcher prozessualer Handlungen oder Äußerungen beachtlich, die z.B. für die Feststellung von Tatsachen bedeutsam sind, die das Gericht nach seiner Rechtsansicht für entscheidungserheblich und deren Klärung es für notwendig hält (vgl. zum Voranstehenden BSG Beschluss vom 28.11.2019, B 7 AY 2/18 B, Rn. 8 ff. m.w.N., juris).

Unter Berücksichtigung dieses – wegen des Justizgewährungsanspruchs – strengen Maßstabs ist festzustellen, dass im Zeitpunkt der Betreibensaufforderung am 17.12.2020 konkrete Anhaltspunkte zum Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses der Klägerin nicht vorgelegen haben. Dem steht bereits entgegen, dass die Klägerin durch die Nichtzulassungsbeschwerde und anschließende Revision beim BSG ihr Rechtsschutzbedürfnis ausreichend zum Ausdruck gebracht hat und nicht davon auszugehen war, dass dieses nach der erfolgreichen Revision entfallen wäre. Vom Wegfall dieses Rechtsschutzbedürfnisses konnte auch nicht ausgegangen werden, nachdem die Klägerin auf das erste Schreiben des Berichterstatters vom 23.11.2020 keine Reaktion gezeigt hatte. Ferner war der erreichte Verfahrensstand zu berücksichtigen. Aus dem vorangegangenen Berufungsverfahren stand bereits die Zeugenvernehmung des Vaters der Klägerin als taugliches Beweismittel fest. Folgerichtig hat der Senat keinen deklaratorischen Beschluss nach § 156 Abs. 2 S. 3 SGG erlassen, sondern das Berufungsverfahren streitig fortgeführt.

C. Die Berufung ist jedoch unbegründet.

I. Die Klage ist zwar zulässig.

1. Statthaft ist die reine Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 SGG, weil die Klägerin damit ihr Rechtsschutzziel, keine Erstattung an den Beklagten leisten zu müssen, vollständig erreichen kann.

2. Die Klagefrist nach § 87 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 SGG ist gewahrt. Gegen den Widerspruchsbescheid vom 10.06.2013 hat die Klägerin am 11.07.2013 zur Niederschrift des Urkundsbeamten des Sozialgerichts Klage erhoben. Der Widerspruchsbescheid ist per einfacher Post (ohne Ab-Vermerk) an die Klägerin versandt worden. Da der Widerspruchsbescheid der Klägerin aber frühestens am 11.06.2013 zugegangen sein kann, ist die hier maßgebliche Monatsfrist zur Erhebung der Klage in jedem Fall gewahrt.

II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat sie im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 14.05.2014 ist nicht rechtswidrig und beschwert die Klägerin nicht i.S.d. § 54 Abs. 2 S. 1 SGG.

1. Der Bescheid vom 14.05.2014 ist formell rechtmäßig. Die Klägerin ist vor Erlass des Bescheides im Sinne von § 24 Abs. 1 SGB X mit Schreiben vom 17.04.2014 zu der beabsichtigten Rücknahme der Leistungsgewährung und dem Erstattungsverlangen angehört worden. Dabei hat der Beklagte auch ausdrücklich auf das Vermögen in Form der Aktien, des Bausparvertrages der Klägerin und der Guthaben auf den Girokonten sowie auf den subjektiven Fahrlässigkeitsvorwurf Bezug genommen.

2. Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.

a. Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Bewilligungsbescheide ist § 40 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 3 SGB II (in der hier aufgrund des Rücknahmezeitpunktes maßgeblichen Fassung vom 13.05.2011; vgl. BSG Urteil vom 25.04.2018, B 4 AS 29/17 R, Rn. 10, juris) i.V.m. § 45 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III. Nach § 45 Abs. 1 SGB X ist ein begünstigender Verwaltungsakt, soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Abs. 2 - 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückzunehmen. Der Begünstigte kann sich dabei nicht auf Vertrauen in den Bestand des Verwaltungsaktes berufen, wenn dieser auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X), oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X). Der begünstigende Verwaltungsakt ist dann nach § 45 Abs. 4 S. 1 und 2 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III innerhalb eines Jahres ab Kenntnis der Rücknahmegründe mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

aa. Die die Klägerin begünstigenden Bewilligungsentscheidungen vom 8., 17. und 23.04.2013 waren zum Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig. Die Klägerin war nicht hilfebedürftig i.S.v. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 i.V.m. § 9 SGB II. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen (§ 11 ff. SGB II) oder Vermögen (§ 12 SGB II) sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

(1) Der Bausparvertrag der Tochter der Klägerin L stellt dabei kein Vermögen dar, das der Klägerin nach § 9 Abs. 5 SGB II zugeordnet werden könnte. Insoweit verweist der Senat auf die entsprechenden Ausführungen des BSG in seinem zurückverweisenden Urteil vom 03.09.2020 (B 14 AS 55/19 R, Rn. 22 ff., juris). Eine Bindung an die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts gemäß § 170 Abs. 5 SGG besteht zwar nicht bei veränderter Tatsachengrundlage (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 170 Rn. 11a m.w.N.). Anhaltspunkte für eine solche veränderte Tatsachengrundlage hinsichtlich des Bausparvertrages der Tochter der Klägerin im streitigen Zeitraum sind jedoch nicht ersichtlich. Vielmehr blieb der Stand des Bausparkontos während des Streitzeitraums unverändert und der Bausparvertrag wurde nicht gekündigt.

(2) Allerdings hat die Klägerin selbst über Vermögen nach § 12 SGB II verfügt, das ihrer Hilfebedürftigkeit entgegenstand.

(a) Nach § 12 Abs. 1 und 4 SGB II sind als Vermögen alle verwertbaren Vermögensgegenstände mit ihrem Verkehrswert zu berücksichtigen, soweit das Vermögen die Vermögensfreibeträge nach § 12 Abs. 2 SGB II übersteigt. Vermögensgegenstände, die einen Ausnahmetatbestand nach § 12 Abs. 3 SGB II erfüllen, sind dabei als Schonvermögen nicht zu berücksichtigen.

Die Vermögensfreibeträge für die Klägerin und ihren in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Sohn nach § 12 Abs. 2 S. 1 Nrn. 1 und 4 SGB II betragen 7.800,00 Euro für den Zeitraum April bis August 2013 und 7.950,00 Euro für den September 2013. Dies ergibt sich aus dem Grundfreibetrag für die 1970 geborene Klägerin von 6.300,00 Euro (42 x 150,00 Euro) bzw. 6.450,00 Euro (43 x 150,00 Euro) ab September 2013 und aus den Freibeträgen für die Klägerin und ihren Sohn nach § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 SGB II in Höhe von 1.500,00 Euro (2 x 750,00 Euro). Ein Freibetrag für notwendige Anschaffungen nach § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 SGB II für die Tochter der Klägerin kommt dagegen nicht in Betracht. Der Freibetrag wird grundsätzlich für alle Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft addiert und den vorhandenen Vermögenswerten gegenübergestellt, so dass bei Kindern ohne eigenes Vermögen deren 750 Euro-Freibetrag den Eltern zugerechnet werden kann und umgekehrt (vgl. Geiger in Münder/Geiger, SGB II, 7. Auflage 2021, § 12 Rn. 45). Wenn das Kind dagegen Vermögen besitzt, darf eine Übertragung des (nicht ausgeschöpften) Freibetrags nur dann auf die Eltern erfolgen, wenn das Vermögen des Kindes dessen Grundfreibetrag nicht oder um weniger als 750,00 Euro übersteigt (vgl. dazu auch Fachliche Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 12 SGB II, Rn. 12.23, abrufbar unter: https://www.arbeitsagentur.de/datei/dok_ba015849.pdf). Hier hat aber die Tochter der Klägerin eigenes Vermögen in Form ihres Bausparvertrages i.H.v. 5.293,45 Euro, das den Freibetrag nach § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 SGB II vollständig übersteigt. Eine Übertragung des Grundfreibetrags der Tochter auf die Klägerin darf daher nicht erfolgen. Auch der Freibetrag für beide Kinder nach § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a SGB II bleibt unberücksichtigt. Die Norm sieht nämlich keinen „Kinderfreibetrag“ vor, sondern bezieht sich ausschließlich auf das Kind selbst und das bei ihm tatsächlich vorhandene Vermögen; nicht verbrauchte Freibetragsreste können damit nicht auf andere Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft übertragen werden (BSG Urteil vom 13.05.2009, B 4 AS 58/08 R, Rn. 19, juris).

Die Klägerin übersteigt mit ihrem Vermögen den oben genannten maßgeblichen Freibetrag von 7.800,00 Euro bzw. 7.950,00 Euro. Zu berücksichtigen sind Vermögensanlagen der Klägerin in Form ihres Bausparvertrages bei der LBS mit einem Wert von 464,62 Euro zum 01.04.2013 sowie von 498,88 Euro in den Folgemonaten, ferner S-Fondanteile mit einem Wert von 831,98 Euro und Barumsätzen auf den der Klägerin zuzurechnenden Konten zwischen 226,25 Euro und 1.208,39 Euro. Der Verkehrswert der 157 U-Aktien entsprach zwischen April und September 2013 einem Betrag von 6.571,24 Euro bis 8.368,83 Euro. Der Klägerin stand insgesamt Vermögen im Streitzeitraum wie folgt zur Verfügung:

 

01.04.

01.05.

01.06.

01.07.

01.08.

01.09.

Guthaben auf den Girokonten

337,58

1.208,39

226,25

1.142,65

746,69

917,41

Bausparvertrag der Klägerin

464,62

498,88

498,88

498,88

498,88

498,88

S-Fondanteile

831,98

831,98

831,98

831,98

831,98

831,98

U-Aktien

6.690,24

6.571,24

7.727,54

7.338,49

8.368,83

8.146,10

Gesamt

8.324,42

9.110,49

9.284,65

9.812,00

10.446,38

10.394,37

Es handelt sich bei allen in der Tabelle genannten Beträgen um Eurobeträge.

 

Da die Klägerin damit Vermögen zwischen 8.324,84 Euro und 10.446,38 Euro besaß, ist die Vermögensfreigrenze jeweils überschritten.

Die Anrechnung des Vermögens gilt dabei für den gesamten Streitzeitraum, da das Vermögen in Form der Aktien und des Bausparguthabens nicht verbraucht wurde und in den jeweiligen Monaten des relevanten Zeitraums jeweils in voller Höhe wieder zur Verfügung stand. Ein fiktiver Vermögensverbrauch ist nicht zu berücksichtigen (vgl. BSG Urteil vom 25.04.2018, B 4 AS 29/17 R, Rn. 18 ff., juris; BSG Beschluss vom 30.07.2008, B 14 AS 14/08 B, Rn. 5, juris). Die Berücksichtigung eines fiktiven Vermögensverbrauchs scheidet sowohl in Sachverhalten einer Antragsbewilligung als auch in Sachverhalten einer Rücknahme- und Erstattungssituation – wie hier – aus (vgl. Sächsisches LSG Urteil vom 18.05.2017, L 3 AS 758/16, Rn. 45, juris).

(b) Bei den U-Aktien auf dem Depot der Klägerin bei der Deutschen Bank handelt es sich um Vermögen der Klägerin.

(aa) Die Zuordnung von Vermögen richtet sich nach den insoweit maßgeblichen zivilrechtlichen Grundsätzen (vgl. BSG Urteil vom 24.05.2006, B 11a AL 7/05 R, Rn. 25, juris; BVerwG Urteil vom 04.09.2008, 5 C 12/08, Rn. 12, juris). Inhaber eines Wertpapierdepotkontos ist dabei regelmäßig derjenige, der gemäß der Vereinbarung mit der Bank Kontoinhaber werden sollte (BVerwG, a.a.O. m.w.N. zur Rspr. des BGH). Dies war die Klägerin.

(bb) Zwar ist grundsätzlich in der Rechtsprechung anerkannt, dass in Fällen, in denen Eltern, Großeltern oder familiär besonders verbundene Personen Vermögen auf den Namen minderjähriger Kinder auf einem Sparbuch anlegen, die jeweils handelnden Volljährigen selbst Inhaber dieser Vermögenswerte bleiben. Wenn ein naher Angehöriger ein Sparbuch auf den Namen eines Kindes anlegt, ohne das Sparbuch aus der Hand zu geben, ist aus diesem Verhalten in der Regel zu schließen, dass der Zuwendende sich die Verfügung über das Sparguthaben bis zu seinem Tode vorbehalten will (BGH Urteil vom 18.01.2005, X ZR 264/02, Rn. 10, juris). In diesem Fall kann nur der tatsächliche Besitzer des Sparbuches, nicht aber derjenige, auf dessen Namen das Sparguthaben angelegt wurde, über den Sparbetrag verfügen. Diese in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze lassen sich indes nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Denn die 1970 geborene Klägerin war bei Einrichtung des Wertpapierdepotkontos nicht mehr minderjährig. Sie hat angegeben, das Depot etwa 1990 bzw. 1992 eröffnet zu haben, also zu einem Zeitpunkt, zu dem sie bereits volljährig war. Die Klägerin hat das Depot auch selbst handelnd und in ihrem eigenen Namen angelegt. Insofern verfügte sie über die volle eigenständige Handlungsfreiheit. Sie war daher im Außenverhältnis Forderungsinhaberin in Bezug auf den Wertpapierbestand des Depots. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass die Klägerin angegeben hat, ihrem Vater bei Bedarf ihre Bankkarte zu ihrem Girokonto gegeben zu haben. Zum einen hat der Vater der Klägerin unstreitig keinen Zugriff auf das Wertpapierdepotkonto selbst gehabt. Zum anderen hat die Klägerin allein darüber entschieden, ob und wann sie ihm ihre Bankkarte zu ihrem Girokonto übergibt. Der Fall ist insoweit nicht mit einem Sachverhalt vergleichbar, bei welchem ein Dritter ein Sparbuch besitzt und verwahrt.

(cc) Das Vermögen auf dem Wertpapierdepot bei der Deutschen Bank ist der Klägerin auch wirtschaftlich zuzurechnen.

Ist grundsätzlich von einer Forderungsinhaberschaft der Klägerin gegenüber der Deutschen Bank auszugehen, so ist – unter Heranziehung der allgemeinen zivilrechtlichen Auslegungsgrundsätze – in Bezug auf den konkreten Einzelfall entscheidend, welche Vereinbarungen mit welchem Inhalt zwischen den Beteiligten getroffen worden sind und wie sich diese auf die Vermögensinhaberschaft auswirken (vgl. BSG Urteil vom 28.08.2007, B 7/7a AL 10/06 R, Rn. 9, juris). Die Vermögensinhaberschaft hängt im Rahmen eines bestehenden Sozialrechtsverhältnisses nicht von dem gesetzten Rechtsschein ab (BSG Urteil vom 24.05.2006, B 11a AL 49/05 R, Rn. 22, juris; LSG NRW Beschluss vom 17.07.2008, L 20 B 42/08 AS, L 20 B 32/08 AS ER, Rn. 25, juris). Sie kann im Fall eines „verdeckten Treuhandverhältnisses“ hinsichtlich eines Wertpapierdepots durchaus anderen Personen als dem Kontoinhaber zustehen (vgl. BSG Urteil vom 28.08.2007, B 7/7a AL 10/06 R, Rn. 16, juris).

Ein Treuhandvertrag ist dadurch gekennzeichnet, dass der Treugeber dem Treuhänder Vermögensrechte überträgt, ihn aber in der Ausübung der sich daraus im Außenverhältnis ergebenden Rechtsmacht im Innenverhältnis nach Maßgabe der schuldrechtlichen Treuhandvereinbarung beschränkt (BSG Urteil vom 25.01.2006, B 12 KR 30/04 R, Rn. 25, juris; BVerwG Urteil vom 04.09.2008, 5 C 12/08, Rn. 18 m.w.N., juris). Es kommt insoweit nicht darauf an, dass die Treuhand offengelegt wird, einem Missbrauch kann dadurch begegnet werden, dass an einen Nachweis der Aussonderung von Vermögen strenge Anforderungen gestellt werden (BSG Urteil vom 24.05.2006, B 11a AL 7/05 R, Rn. 24, juris; vgl. auch LSG NRW Urteil vom 23.06.2009, L 1 AS 31/08, Rn. 19, juris, m.w.N.; LSG NRW Beschluss vom 17.07.2008, L 20 B 42/08 AS, L 20 B 32/08 AS ER, Rn. 32, juris; LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 23.02.2011, L 13 AS 155/08, Rn. 32, juris). Der hilfebedürftige Treuhänder ist Inhaber eines Vermögensrechts, aber er ist zugleich mit einer schuldrechtlichen (Herausgabe-)Verpflichtung belastet, die, wenn sie nicht unmittelbar auf einem Vermögensgegenstand lastet, grundsätzlich erst bei der Frage der Verwertbarkeit oder Zumutbarkeit Berücksichtigung finden kann (BSG Urteil vom 28.08.2007, B 7/7a AL 10/06 R, Rn. 16, juris).

Es gibt aber keinen typischen Treuhandvertrag mit stets gleicher Ausgestaltung; vielmehr bestimmt der Einzelfall die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten (LSG NRW Beschluss vom 17.07.2008, L 20 B 42/08 AS, L 20 B 32/08 AS ER, Rn. 32 m.w.N., juris). Hierbei kommt es auf alle Umstände des Einzelfalles an. Da die relevanten Aspekte oft – und so auch hier – in familiären Beziehungen wurzeln oder sich als innere Tatsachen darstellen, sind ergänzend äußerlich erkennbare Merkmale als Beweisanzeichen (Indizien) heranzuziehen, und die zivilrechtliche Wirksamkeit ist ggf. zu überprüfen (BVerwG Urteil vom 04.09.2008, 5C 12/08, Rn. 19 ff., juris; LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 23.02.2011, L 13 AS 155/08, Rn. 33, juris). Eine rechtlich anzuerkennende Treuhandschaft unter Familienangehörigen setzt insgesamt voraus, dass das Treugut nachweislich vom Treugeber stammt. Ferner muss sich aus einer schuldrechtlichen Vereinbarung zwischen Treugeber und Treuhänder ergeben, dass die mit der rechtlichen Inhaberstellung verbundene Verfügungsmacht im Innenverhältnis zugunsten des Treugebers eingeschränkt ist. Die Treuhandabrede muss die Weisungsbefugnis des Treugebers gegenüber dem Treuhänder und dessen Verpflichtung zur jederzeitigen Rückgabe des Treugutes zum Gegenstand haben. Die Vereinbarung eines entsprechenden Auftrags- oder Geschäftsbesorgungsverhältnisses muss ernsthaft gewollt sein und es muss eine konkrete, mit rechtsgeschäftlichem Bindungswillen zustande gekommene Absprache nachgewiesen werden. Dabei muss das Handeln des Treuhänders im fremden Interesse wegen der vom zivilrechtlichen Eigentum abweichenden Zurechnungsfolge eindeutig erkennbar sein (BVerwG, Urteil vom 04.09.2008, 5 C 12/08, Rn. 18, juris). Wenn lediglich eine moralische Verpflichtung, nicht aber eine rechtliche Bindung besteht, kann eine Treuhandabrede nicht ohne Weiteres angenommen werden. Treuhandverhältnisse unter nahen Angehörigen sind nur anzuerkennen, wenn der Treuhandvertrag und seine tatsächliche Durchführung in allen wesentlichen Punkten dem entsprechen, was zwischen fremden Dritten üblich ist (vgl. LSG NRW Urteil vom 23.06.2009, L 1 AS 31/08, Rn. 19, juris m.w.N.).

Der Senat konnte im Rahmen der freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§§ 103, 128 Abs. 1 SGG) nicht mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststellen, dass ein Treuhandverhältnis zwischen der Klägerin und ihrem Vater über die streitigen U-Aktien nach Maßgabe der voranstehenden Bewertungskriterien bestanden hat (dazu (aaa)). Die Nichterweislichkeit dieser Tatsache geht ausnahmsweise zu Lasten der Klägerin, weil sie insoweit ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt hat (dazu (bbb)).

(aaa) Es kann nicht vom Vorliegen einer Treuhandvereinbarung mit Rechtsbindungswillen zwischen der Klägerin und ihrem Vater ausgegangen werden.

Die Beweggründe für eine derartige Treuhandkonstruktion mögen für sich genommen zwar noch nachvollziehbar sein, weil die Klägerin insofern nachvollziehbar dargelegt hat, dass es damals ein Angebot nur für Mitarbeiter der U AG gab, günstiger an entsprechende Aktien der Firma zu gelangen. Es wäre daher denkbar, dass die Klägerin erst nach Rücksprache mit ihrem Vater entsprechende Aktien gekauft hat.

Andererseits liegen keine ausreichenden Beweise und Beweisanzeichen vor, um die Treuhand-Konstruktion zu objektivieren. Die bestehenden Indizien sprechen vielmehr für das Gegenteil einer Treuhandabrede mit Rechtsbindungswillen. Zunächst ist festzuhalten, dass schriftliche Vereinbarungen zwischen der Klägerin und ihrem Vater hinsichtlich eines etwaigen Treuhandverhältnisses – unstreitig – nicht existieren. Auch andere schriftliche Aufzeichnungen und Unterlagen, die eine Treuhandabrede dokumentieren oder zumindest plausibel erscheinen lassen würden, wie etwa eine schriftliche Korrespondenz zwischen der Klägerin und ihrem Vater vor und nach dem Aktienkauf oder Bewegungen zwischen den Konten der Klägerin und denen ihres Vaters, liegen nicht vor.

Sowohl die Klägerin als auch ihr Vater behaupten, dass das Treugut vom Vater stammt und stets unstreitig gewesen sei, dass die Aktien dem Vater gehörten. Gegen diese Behauptung spricht aber, dass der Ankauf der Aktien durch Abzug vom Gehalt der Klägerin erfolgte und kein Ausgleich dieses Abzugs durch den Vater stattfand. Die Angaben des Vaters der Klägerin hierzu sind auch widersprüchlich. Während er noch im Rahmen seiner Vernehmung im Erörterungstermin am 07.02.2018 sowie zu Beginn der Befragung durch den Senat im Verhandlungstermin am 15.12.2021 ausdrücklich erklärt hat, seiner Tochter den Kaufpreis zum Erwerb der Aktien gegeben zu haben, hat er auf Vorhalt des Senats, dass seine Tochter zuvor etwas anderes erklärt habe, angegeben, dass dies auch so gewesen sein könne und er daran keine Erinnerung mehr habe. Auch die Angaben der Klägerin zu den Umständen des Aktienankaufs sind nicht frei von Widersprüchen. Während sie noch im Rahmen ihrer Anhörung im Erörterungstermin am 07.02.2018 ausgeführt hat, ihr Vater hätte ihr das Geld zum Kauf der Aktien in bar gegeben, hat sie im Verhandlungstermin am 15.12.2021 ausgeführt, dass der Ankauf durch Abzug von ihrem Gehalt erfolgt sei.

Es ist daher bereits zweifelhaft, ob das Treugut jemals wirtschaftlich dem Vermögen des Vaters zuzuordnen war. Die Klägerin hat zwar in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass sie damals im Haus ihrer Eltern gelebt habe und damals alle dort wohnenden Kinder ihr Einkommen den Eltern zur Verfügung gestellt hätten. Sie habe das Geld auf ihrem Girokonto im Wesentlichen nicht selber abgehoben, sondern ihr Vater, dem sie zu diesem Zweck ihre Bankkarte zur Verfügung gestellt habe. Anhand dieser Darstellung der Klägerin lässt sich aber nicht eindeutig feststellen, welches Guthaben auf ihrem Konto, das sie selbst erwirtschaftet hatte, ihr verblieben ist und verbleiben sollte und welches zur freien Verfügung der Eltern stand. Dass nur ihr Vater im Besitz ihrer Giro-Bankkarte gewesen wäre, hat die Klägerin gerade nicht behauptet. Vielmehr ist nach ihrem Vortrag davon auszugehen, dass sie ihren Eltern nur einen Teil ihres Geldguthabens zur Verfügung gestellt hat. Ihr ergänzender Vortrag in der mündlichen Verhandlung am 15.12.2021, dass sie selbst keine Aktien gekauft habe, weil sie Aktien als Risikosache empfinde, wird durch den Ankauf von S-Fondanteilen relativiert. Auch der Umstand, dass die Klägerin sowohl die U-Aktien als auch die S-Fondanteile auf einem einzigen Depot verwaltet hat, ohne die U-Aktien zu separieren und ohne dem Vater eine Verfügungsberechtigung für das Wertpapierdepotkonto einzuräumen, spricht gegen eine (klare) wirtschaftliche Zuordnung der U-Aktien zum Vermögen des Vaters der Klägerin.

Eine Dividendenausschüttung zu Gunsten des Vaters der Klägerin, die ein gewichtiges Indiz für eine Aktieninhaberschaft des Vaters sein könnte, konnte der Senat ebenfalls nicht feststellen. Die Klägerin hat eine solche behauptet und angegeben, dass sie das Geld aus der jährlichen Dividendenausschüttung ihren Eltern entweder persönlich ausgehändigt oder aber mit Auslagen verrechnet habe. Der Vater der Klägerin hat im Rahmen seiner Zeugenvernehmung durch den Senat aber ausgeführt, dass er nicht mehr wisse, wer die Dividendenzahlungen erhalten habe. Im Übrigen hatte der Vater der Klägerin noch im Erörterungstermin am 07.02.2018 bekräftigt, keine Dividende erhalten zu haben. Damit lässt sich der Vortrag der Klägerin zu den Ausschüttungen der Dividende an ihren Vater nicht bestätigen. Andere Unterlagen, die etwaige Weiterleitungen der Ausschüttungen an die Eltern bestätigten, oder Belege zu den angegebenen Verrechnungen hat die Klägerin nicht vorgelegt. Die Klägerin hat damit etwaige Verrechnungen weder dem Grunde noch der Höhe nach konkretisiert.

Gegen eine Treuhandabrede spricht ferner, dass es nach dem Aktienankauf keinen Austausch zwischen der Klägerin und ihrem Vater hinsichtlich der Entwicklung der Aktienkurse gegeben hat. Der Vater der Klägerin hat im Rahmen seiner Befragung durch den Senat erklärt, nicht mit seiner Tochter darüber gesprochen zu haben. Er habe aber von Kollegen, die bei U beschäftigt gewesen seien, von dem Wert der Aktien erfahren. Mit seiner Tochter habe er keine konkreten Absprachen zu dem Depot getroffen. Dies lässt eine konkrete, mit rechtsgeschäftlichem Bindungswillen zustande gekommene Absprache zweifelhaft erscheinen. Den Vortrag der Klägerin und ihres Vaters unterstellt, kann eine moralische Verpflichtung aus der familiären Verbundenheit bestanden haben, nicht aber ohne Weiteres eine rechtliche Bindung der Klägerin im Innenverhältnis zu ihrem Vater. Einem Vergleich mit einer Treuhandabrede unter Fremden halten die von der Klägerin und ihrem Vater dargelegten Vereinbarungen nicht stand.

Auch der Vortrag der Klägerin, dass ihr Vater immer auf ihre Anfrage gesagt habe, dass er die Aktien für eine spätere Rentenzeit liegen lassen wolle, ist nicht ohne Weiteres verständlich. Der Vater der Klägerin war in der hier streitigen Zeit (April bis September 2013) immerhin schon ca. 67 Jahre alt, ohne dass sich überhaupt die Frage gestellt hätte, ob er die Aktien verkaufen wolle.

Der Umstand, dass die U-Aktien bei der Antragstellung von dem Ehemann der Klägerin nicht angegeben wurden, kann nicht zu Gunsten der Klägerin gewertet werden. Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang zwar angegeben, dass ihr die Aktien nicht bewusst gewesen seien, weil sie nicht ihr gehört hätten. Dies ist jedoch kein taugliches Indiz für die Annahme eines Fremdvermögens, sondern als innere Tatsache nicht objektivierbar. Es ist auch zu berücksichtigen, dass der Ehemann der Klägerin den Antrag nach Absprache mit ihr eingereicht hat, ohne überhaupt Vermögen der Klägerin, worunter auch die S-Fondanteile oder der Bausparvertrag der Klägerin gehörten, anzugeben. Eine formal ordnungsgemäße und nachvollziehbare Antragstellung hätte aus der Sicht der Klägerin erfordert, die U-Aktien anzugeben und gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass diese Aktien zwar auf ihrem Wertpapierdepot vorhanden seien, aber ihrem Vater gehörten. Dies hat die Klägerin bzw. der von ihr bevollmächtigte Ehemann nicht getan.

Gegen ein mit Rechtsbindungswillen abgeschlossenes Treuhandverhältnis spricht auch, dass die Klägerin erst mit anwaltlichem Schreiben vom 25.11.2015 im bereits anhängigen Klageverfahren eingewendet hat, dass die U-Aktien nicht ihrem, sondern dem Vermögen ihres Vaters zuzurechnen seien. Die Klägerin hat weder auf das Anhörungsschreiben des Beklagten vom 17.04.2014 noch auf den Bescheid vom 14.05.2014 entsprechende Einwände erhoben, obwohl der Beklagte bereits in diesen Schreiben ausdrücklich erklärt hatte, dass die Klägerin Inhaberin der U-Aktien sei. Die Klägerin hat sich zwar mit eigens verfassten Schreiben vom 21.07.2014 und 15.09.2014 an den Beklagten gewandt, die Aktien aber gar nicht erwähnt. Wenn sie und ihr Vater davon ausgegangen wären, dass die Aktien dem Vater gehörten, wäre es lebensnah gewesen, wenn die Klägerin zumindest diesen Punkt aufgegriffen und richtiggestellt hätte. Eine plausible Erklärung für das Fehlen einer zeitlich frühen Richtigstellung im Schreiben vom 21.07.2014 hat die Klägerin auch nicht auf Vorhalt des Senats im Rahmen ihrer ergänzenden Befragung in der mündlichen Verhandlung am 15.12.2021 geben können. Allein der Hinweis darauf, dass ihr das wohl nicht präsent gewesen sei, ist wenig überzeugend, zumal es sich bei der Klägerin um eine ausgebildete Rechtsanwaltsgehilfin und kaufmännische Angestellte handelt, die in solchen Vermögensangelegenheiten ausreichend erfahren ist.

Weitere Ermittlungen von Amts wegen zur Prüfung des Vorliegens eines Treuhandverhältnisses zwischen der Klägerin und ihrem Vater waren nicht erforderlich und möglich. Die Klägerin hat auf ausdrückliche Aufforderung des Senats zu dem aufklärungs- und beweisbedürftigen Punkt (Zuordnung des Vermögens in Form von Aktien und Fondanteilen zum Vermögen des Vaters der Klägerin) unter Fristsetzung bis zum 31.07.2021 und unter Hinweis auf die Möglichkeit der Präklusion verspäteten Vorbringens (vgl. § 153 Abs. 1 SGG i.V.m. § 106a Abs. 2 und 3 SGG) nur auf die Vernehmung ihres Vaters als Zeugen verwiesen. Damit wären nach § 153 Abs. 1 SGG i.V.m. § 106a Abs. 3 S. 1 SGG weitere Erklärungen und von der Klägerin genannte Beweismittel wegen der eingetretenen Präklusionswirkung ohnehin zurückzuweisen gewesen. 

(bbb) Der Umstand, dass sich nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten nicht feststellen lässt, ob eine wirksame Treuhandabrede vorlag, geht zu Lasten der Klägerin. Allgemein gilt, dass die Unerweislichkeit einer Tatsache im Zweifel zu Lasten desjenigen Beteiligten geht, der aus ihr eine ihm günstige Rechtsfolge herleitet (st. Rspr., vgl. nur BSG Urteil vom 24.05.2006, B 11a AL 7/05 R, Rn. 32 m.w.N., juris). Da im vorliegenden Fall die Rechtmäßigkeit eines Rücknahme- und Erstattungsbescheides auf der Grundlage des § 45 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III im Streit steht, trifft grundsätzlich den Beklagten die objektive Beweislast für das Vorliegen der Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Bewilligungsbescheides (vgl. BSG a.a.O.) und damit auch für die Frage der Hilfebedürftigkeit der Klägerin.

Der Nachweis der fehlenden Hilfebedürftigkeit der Klägerin ist aber als erbracht anzusehen, weil diese ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt hat. In bestimmten Fällen legt die Rechtsprechung dem Gegner des primär beweisbelasteten Beteiligten eine sekundäre Darlegungslast auf, nämlich vor allem dann, wenn ein beweisbelasteter Beteiligter außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufes steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind (BGH Urteil vom 11.06.1990, II ZR 159/89, Rn. 10 m.w.N., juris). Kann einer sekundären Darlegungslast nicht entsprochen werden, wird der Prozessgegner so gestellt, als habe er seiner (primären) Beweislast genügt. Nur in dem Falle, dass einer sekundären Darlegungslast entsprochen werden kann, ist es wieder Sache des Anspruchstellers, die für die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung notwendigen Umstände darzulegen und nachzuweisen (vgl. BGH Urteil vom 27.07.2017, I ZR 68/16, Rn. 13 m.w.N., juris; vgl. auch Senatsurteil vom 08.09.2021, L 12 AS 2077/18, zur Veröffentlichung vorgesehen, und LSG NRW Urteil vom 14.09.2017, L 19 AS 360/17, Rn. 51, juris). Der Geschehensablauf der von der Klägerin behaupteten Treuhandabrede hat sich allein in ihrer Sphäre ereignet, ohne dass der Beklagte Kenntnis von den maßgebenden Tatsachen besitzen kann. Insoweit geht es zu Lasten der Klägerin, dass mangels substantiierten Vortrags und entsprechender Nachweise weder die Begründung noch die Fortführung eines mit Rechtsbindungswillen geschlossenen familiären Treuhandverhältnisses festgestellt werden kann, sondern die oben genannten Indizien vielmehr eher für das Gegenteil sprechen.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass man mit guten Gründen auch eine Beweislastumkehr zu Lasten der Klägerin begründen könnte. Dies ist immer dann gerechtfertigt, wenn in der persönlichen Sphäre oder in der Verantwortungssphäre des Leistungsberechtigten wurzelnde Vorgänge nicht mehr aufklärbar sind, d.h., wenn eine besondere Beweisnähe zum Leistungsberechtigten vorliegt (vgl. BSG Urteile vom 24.05.2006, B 11a AL 7/05 R, Rn. 33 m.w.N., juris, und vom 24.11.2010, B 11 AL 35/09 R, Rn. 22, juris). Eine der Klägerin anzulastende Beweisnähe ergibt sich daraus, dass sie bei der Antragstellung Angaben zu dem streitigen Wertpapierdepot sowie zu anderem Vermögen unterlassen hat mit der Folge der Erschwerung der Aufklärung in späteren Jahren.

(c) Eine Verwertungspflicht hinsichtlich der U-Aktien stellt keine „besondere Härte“ im Sinne des § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 SGB II dar. Danach sind als Vermögen nicht zu berücksichtigen Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde. Wann von einer solchen „besonderen Härte“ auszugehen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, wobei maßgebend nur außergewöhnliche Umstände sein können, die nicht durch die ausdrücklichen Freistellungen über das Schonvermögen und die Absetzungsbeträge nach § 12 Abs. 2 SGB II erfasst werden (BSG Urteil vom 16.05.2007, B 11b AS 37/06 R, Rn. 34, juris). Es sind daher nur besondere, bei anderen Hilfebedürftigen regelmäßig nicht anzutreffende Umstände beachtlich und in ihrem Zusammenwirken zu prüfen (BSG a.a.O., Rn. 35, juris). Eine besondere Härte i.S.d. § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 SGB II kann sich auch aus den besonderen persönlichen Umständen ergeben, die mit der Vermögensverwertung verbunden sind, etwa schwerwiegende familiäre Konfliktsituationen (vgl. BSG Urteil vom 06.05.2010, B 14 AS 2/09 R, Rn. 27, juris). Insoweit – so das BSG – sei aber nicht nachvollziehbar, warum die Geltendmachung eines Anspruchs bei tatsächlich bestehender Hilfebedürftigkeit (im dortigen Fall ging es um einen Pflichtteilsberechtigten) innerhalb eines intakten Familienverbandes stets als „Affront“ empfunden werden sollte. Anders könne die Situation aber zu beurteilen sein, wenn besondere Umstände hinzutreten (BSG, a.a.O., Rn. 29, juris). Familiäre Belange könnten auch im SGB II unter Härtegesichtspunkten zu einer Vermögensfreistellung führen. Das setze aber voraus, dass die Geltendmachung der Forderung sich aufgrund außergewöhnlicher Umstände in besonderer Weise belastend auf den Familienverband auswirke. Eine solche Belastung könne sich auch aus persönlichen Umständen oder den wirtschaftlichen Verhältnissen des Erben ergeben, etwa wenn eine nachhaltige Störung des Familienfriedens zu befürchten wäre (BSG, a.a.O., Rn. 30, juris). Derartige Besonderheiten sind jedoch, selbst wenn das Geld zum Ankauf der Aktien dem damaligen Familieneinkommen zuzurechnen wäre, nicht erkennbar und wurden nicht vorgetragen. Gerade der Verkauf der U-Aktien im März 2014 spricht gegen eine unzumutbare Härte. Damit haben die Klägerin und ihre Eltern hinlänglich zum Ausdruck gebracht, dass die Verwendung des Geldes aus dem Aktienverkauf zur Schuldentilgung nicht geeignet war, den Familienfrieden (nachhaltig) zu stören. Dass dies bei einer Verwendung des Geldes zum Bestreiten des Lebensunterhalts für die Klägerin und ihre Kinder im Streitzeitraum anders gewesen wäre, ist nicht ersichtlich. Vielmehr spricht der wiederholt von der Klägerin und ihrem Vater betonte gegenseitige Familienbeistand dafür, dass das Aktienvermögen in zumutbarer Weise bereits im Streitzeitraum für den Lebensunterhalt der Klägerin und ihrer Kinder hätte verwendet werden können.

bb. Die Klägerin kann sich nicht auf schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand der Leistungsbewilligungen durch die Bescheide vom 08., 17. und 23.04.2013 berufen.

Nach § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X kann sich der Begünstigte nicht auf Vertrauensschutz berufen, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Angaben im Sinne dieser Vorschrift sind nur Tatsachenangaben, die einer unmittelbaren Klärung im Wege der Beweisaufnahme zugänglich sind (BSG Urteil vom 09.10.2012, B 5 R 8/12 R, Rn. 27, juris). Vorsätzlich sind wissentlich und willentlich falsch gemachte Angaben, entweder mit sicherem Wissen (direkter Vorsatz) oder mit Inkaufnahme (bedingter Vorsatz) der Unrichtigkeit. Grobe Fahrlässigkeit liegt nach der Legaldefinition des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 HS 2 SGB X vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Maßgebend dafür ist die persönliche Einsichtsfähigkeit des Begünstigten, also ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab (st. Rspr., z.B. BSG Urteile vom 13.12.1972, 7 RKg 9/69, Rn. 14, juris; und vom 01.07.2010, B 13 R 77/09 R, Rn. 32 m.w.N., juris). Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt danach, wer schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (st. Rspr., z.B. BSG Urteil vom 11.06.1987, 7 RAr 105/85, Rn. 18, juris). Entscheidend ist danach das individuelle Vermögen, die Fehlerhaftigkeit der gemachten Angabe erkennen zu können.

Die Leistungsbewilligungen beruhen hier auf Angaben, die zumindest grob fahrlässig unrichtig gemacht wurden. So hat der verstorbene Ehemann der Klägerin bei der Beantragung im Januar 2013 weder die Aktien noch die S-Fondanteile oder die Bausparverträge der Klägerin und der gemeinsamen Tochter angegeben; er hat die Frage im Antragsformular, ob Aktien, Fondsanteile oder Bausparverträge im Besitz der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft vorhanden seien, mit „Nein“ beantwortet. Dabei müssen dem Ehemann der Klägerin mindestens die Bausparverträge seiner Frau und der gemeinsamen Tochter sowie die S-Fondanteile bekannt gewesen sein, so dass er diese jedenfalls wissentlich verschwiegen hat. Da der verstorbene Ehemann der Klägerin die Beantragung im Wissen und in Absprache mit der Klägerin vorgenommen hat, geht der Senat hinsichtlich der U-Aktien mindestens von einer grob fahrlässigen unrichtigen Angabe im Sinne des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X aus. Diese Falschangabe ist der Klägerin zuzurechnen. Insofern war der Senat bereits in seinem Urteil vom 14.11.2018 von einer Bevollmächtigung des verstorbenen Ehemannes ausgegangen, ohne dass das BSG dies in seinem zurückverweisenden Urteil vom 03.09.2020 (B 14 AS 55/19 R) beanstandet oder rechtlich anders qualifiziert hätte.

Der Umstand, dass das Antragsformular an vielen Stellen Eintragungen in grüner Farbe enthält, die nicht der Ehemann der Klägerin selbst, sondern der antragsaufnehmende Sachbearbeiter vorgenommen hat, ändert an der vorgenannten Bewertung nichts. Der Ehemann der Klägerin hat in dem Antragsformular vom 30.01.2013 ausdrücklich durch seine Unterschrift auch die Richtigkeit der mit grüner Farbe vorgenommenen Ergänzungen des Sachbearbeiters bestätigt.

Der Senat weist ergänzend darauf hin, dass die näheren Umstände der Bevollmächtigung des Ehemanns der Klägerin nicht aufgeklärt werden mussten. Denn dieser hat als Vertreter der Klägerin zumindest im Rahmen einer Duldungsvollmacht gehandelt (§ 13 Abs. 1 SGB X). Wer es duldet, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt, muss sich nach den Grundsätzen der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht dessen Verhalten zurechnen lassen, selbst wenn er keinen Bevollmächtigungswillen gehabt hätte (vgl. BSG Urteil vom 08.12.2020, B 4 AS 46/20 R, Rn. 26 m.w.N., juris; vgl. auch LSG Hamburg Urteil vom 28.06.2018, L 4 AS 130/17, Rn. 46, juris; Schütze in Schütze, SGB X, 9. Auflage 2020, § 45 Rn. 58 f.). Das Handeln des Vertreters ist dem Vertretenen dann nach §§ 164 Abs. 1, 166 Abs. 1, 278 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zuzurechnen (BSG, a.a.O.). Es besteht keine Veranlassung, denjenigen, der für sich durch einen Dritten handeln lässt, besser zu stellen als denjenigen, der selbst handelt.

Die Klägerin hat angegeben, dass sie und ihr verstorbener Ehemann ihre finanziellen Angelegenheiten gemeinsam geregelt hätten, sie konnte aber nicht sagen, ob er auch Kenntnis von den U-Aktien gehabt hat. Es kommt aber nicht entscheidend darauf an, ob der verstorbene Ehemann der Klägerin als Vertreter die Angaben zu den U-Aktien selbst pflichtwidrig unterlassen hat, ob er also selbst Kenntnis vom Bestehen des U-Aktiendepots gehabt hat. Die objektiv unrichtigen bzw. unvollständigen Angaben des Ehemanns auf dem Antragsformular können der Klägerin jedenfalls wie ein eigener Fehler zugerechnet werden, weil sie deren Fehlerhaftigkeit hätte erkennen können (vgl. Schütze in Schütze, SGB X, 9. Auflage 2020, § 45 Rn. 58). Das folgt bereits daraus, dass die Klägerin als ausgebildete Rechtsanwaltsgehilfin und kaufmännische Angestellte in geschäftlichen Angelegenheiten nicht unerfahren ist und wusste, dass sich Aktien mit einem beträchtlichen Wert auf ihrem Wertpapierdepotkonto befanden. Anderenfalls liefe die gesetzgeberische Intention, das Vertrauen in den Bestand des ursprünglichen (Bewilligungs-)Bescheides an enge Voraussetzungen zu knüpfen, ins Leere, wenn – wie hier – die Kenntnis oder das Kennenmüssen des Vertreters nicht mehr aufklärbar ist, ein subjektiver Sorgfaltspflichtverstoß des Vertretenen aber feststeht. Insofern lassen die objektiv unrichtigen bzw. unvollständigen Angaben des Ehemannes der Klägerin sowie die mindestens grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin von der Pflichtwidrigkeit dieser Angaben keinen Raum für Vertrauensschutz nach § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X.

Auf die Frage, ob auch der Tatbestand des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X (Kenntnis oder Kennenmüssen der Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Verwaltungsaktes) erfüllt ist, kommt es nicht mehr an.

cc. Nach § 45 Abs. 4 S. 1 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III waren alle Bewilligungsentscheidungen mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben, ohne dass Ermessen auszuüben gewesen wäre (vgl. Düe in Brand, SGB III, 9. Auflage 2021, § 330 Rn. 22; Kaminski in BeckOK Sozialrecht, 63. Edition, Stand: 01.12.2021, § 330 SGB III Rn. 14).

dd. Das Fristerfordernis nach § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X ist ebenso erfüllt. Danach kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nur zurückgenommen werden, wenn die Behörde den Rücknahmebescheid innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen erlässt. Die Frist beginnt daher mit der Kenntnis der Rücknahmegründe. Hierzu gehören jedenfalls die Tatsachen, aus denen sich die Rechtswidrigkeit des früheren Verwaltungsakts ergibt. Diese Frist ist gewahrt. Aufgrund eines Datenabgleichs und entsprechend eingeholter Auskünfte von Banken und Versicherungsgesellschaften erlangte der Beklagte erst Ende Januar 2014 Kenntnis vom genauen Umfang der im Erstantrag nicht angegebenen Aktiendepots, Konten und Bausparverträge der Klägerin, ihres verstorbenen Ehemannes und ihrer Tochter L. Der Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 14.05.2014 wurde damit binnen der maßgeblichen Jahresfrist erlassen.

b. Rechtsgrundlage des Erstattungsverwaltungsaktes ist § 40 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nrn. 3 und 5 SGB II (i.d.F. vom 13.05.2011) i.V.m. § 50 Abs. 1 SGB X und i.V.m § 335 Abs. 1 SGB III.

D. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 S. 1, 193 Abs. 1 S. 1 SGG. Der Senat entscheidet dabei auch über die Kosten des vorangegangenen Revisionsverfahrens, weil das BSG eine diesbezügliche Kostenentscheidung dem Senat überlassen hat.

E. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), bestehen nicht.

 

Rechtskraft
Aus
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