L 3 U 278/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3.
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 2307/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 278/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 16.12.2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls streitig.

Unter dem 12.08.2010 zeigte die B GEK bei der Beklagten ein sich am 02.06.2010 zugetragenes Ereignis als Arbeitsunfall des im Jahr 1968 geborenen Klägers an. Nach Einholung vom Kläger ausgefüllter Unfallfragebögen und Stellungnahmen seines damaligen Arbeitgebers lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2011 die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab, da der Unfall nicht erwiesen sei. Im Laufe des hiergegen gerichteten Klageverfahrens gelangten weitere Unfallschilderungen zu den Akten und erfolgte in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht (SG) Ulm eine Zeugenvernehmung. Sodann wies das SG Ulm die unter dem Aktenzeichen S 2 U 4372/11 geführte Klage mit Urteil vom 19.12.2014 ab. Hiergegen legte der Kläger Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg ein. Nachdem weitere Unfallschilderungen zu den Akten gelangt waren, erklärte der Kläger im Rahmen des beim LSG Baden-Württemberg am 01.04.2016 durchgeführten Erörterungstermins, er habe am 02.06.2010 an der Kabine eines L-Autokrans in einer Halle gearbeitet. Als er von dem Kran heruntergewollt habe, sei die Leiter weggerutscht. Er habe sich noch an einer Stange an der Kabine festhalten können und sei mit der Seite des Rückens an die Kabine angeschlagen. Anschließend sei er auf den Boden heruntergefallen. Er habe sofort Schmerzen im Rücken und in den Knien gespürt. Anschließend sei der Kran nach draußen gefahren worden, wo dieser von einem Kollegen teleskopiert worden sei. Er sei die Leiter zur Kabine des Krans hochgestiegen, um zu dem Kollegen zu gelangen. In dem Moment sei der Kran umgekippt. Er sei von der Leiter etwa eineinhalb Meter heruntergesprungen oder gefallen und habe wieder starke Schmerzen im Rücken verspürt. Daraufhin schlossen die Beteiligten in dem unter dem Aktenzeichen L 8 U 473/15 geführten Verfahren am 01.04.2016 einen Vergleich dahingehend, dass der Kläger die Berufung zurücknahm und die Beklagte sich verpflichtete, den Bescheid vom 21.03.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2011 unter der Maßgabe zu überprüfen, dass die protokollierten Angaben des Klägers als wahr unterstellt würden.

Aus den im vorangegangenen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren sowie im nunmehr fortgeführten Verwaltungsverfahren aktenkundig gewordenen medizinischen Unterlagen ergeben sich in Bezug auf die Lendenwirbelsäule für die Zeit vor dem Unfallereignis nach den Vorerkrankungsverzeichnissen vom 21.02.2014 und 04.05.2016 Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen Lumboischialgien für die Zeit vom 26.04.2002 bis zum 03.05.2002, vom 25.10.2002 bis zum 29.10.2002, vom 04.08.2004 bis zum 06.08.2004, vom 22.09.2004 bis zum 31.10.2004, vom 22.05.2006 bis zum 26.05.2006, vom 20.07.2006 bis zum 28.07.2006 und vom 02.08.2007 bis zum 08.08.2007 und ausweislich einer Behandlungsübersicht für die Zeit vom 21.04.2008 bis zum 09.02.2015 Angaben des Klägers am 21.04.2008 über rezidivierende Lumboischialgien im Rahmen eines Lendenwirbelsäulensyndroms. Der Allgemeinmediziner R hat in seiner vom SG Ulm eingeholten Zeugenauskunft vom 15.05.2014 angegeben, der Kläger sei ab dem 03.05.2010 bis zum Ende des Jahres 2010 durchschnittlich alle ein bis zwei Wochen in seiner Sprechstunde gewesen. Initialer Anlass seien zunehmende Beschwerden nach Operation eines Bandscheibenvorfalls in der Halswirbelsäule gewesen. Zu zunehmenden Beschwerden der Lendenwirbelsäule sei es „ab der zweiten Monatshälfte des Mai 2010“ gekommen. Führend sei im Jahr 2010 die Beschwerdezunahme im Bereich der „vorgeschädigten“ Lendenwirbelsäule gewesen. Er hatte bereits in seinem Befundbericht vom 01.08.2010 ausgeführt, der Kläger habe „seit April 2010“ ständige Probleme am Arbeitsplatz, da eine Trittleiter zum Besteigen des Arbeitsobjekts ständig entfernt würde und es wegen des mehrmals täglichen Springens aus der Höhe zu zunehmenden Lendenwirbelsäulenbeschwerden gekommen sei. Außerdem hatte er in seinem Attest vom 09.08.2011 angegeben, der Kläger habe sich „seit Anfang Mai 2010“ wegen Rückenbeschwerden in seiner Behandlung befunden.

Für die Zeit nach dem Unfallereignis ergibt sich aus den medizinischen Unterlagen folgender Untersuchungs- und Behandlungsverlauf:

So hat der Allgemeinmediziner R in seiner vom SG Ulm eingeholten Zeugenauskunft vom 15.05.2014 auch angegeben, wegen der zunehmenden Beschwerden der Lendenwirbelsäule ab der zweiten Monatshälfte des Mai 2010 sei am 11.06.2010, an dem der Kläger von einem betrieblichen Vorfall berichtet habe, mit einer medikamentösen Schmerztherapie begonnen und im weiteren Verlauf Physiotherapie rezeptiert worden. Er gab in seinem Attest vom 26.07.2010 an, durch das ständige Herunterspringen von Fahrzeugen seien Schädigungen im Bereich der Lendenwirbelsäule hinzugetreten. In seiner Stellungnahme vom 15.02.2011 legte er dar, im Jahr 2010 sei die Beschwerdezunahme im Bereich der „vorgeschädigten“ Lendenwirbelsäule führend, ferner sei ab Mitte Juni 2010 die arbeitsrechtliche Auseinandersetzung im Sinne einer pathologischen Belastungsreaktion deutlich auffällig geworden.

Der Radiologe Dr. K diagnostizierte in seinem Arztbrief vom 30.06.2010 aufgrund der durchgeführten magnetresonanztomographischen Untersuchung der Lendenwirbelsäule eine breitbasige semizirkuläre Bandscheibenprotrusion LWK4/5 mit Kontakt zu den Wurzeln L5 beidseits ohne wesentliche Einengung der Foramina, eine leichte linkslaterale intraforaminale Bandscheibenprotrusion LWK3/5 mit initialem Kontakt zur Wurzel L3 linksseitig, einen Anulus-Fibrosus-Einriss mediolinkslateral BWK12/LWK1 mit begleitender linkslateraler bis lateral reichender Protrusion und leichter Einengung des Foramens ohne Kontakt zum Myelon sowie eine hypertrophe Spondylarthrose LWK4/SWK1 ohne wesentliche Einengung der entsprechenden Foramina beziehungsweise des Spinalkanals. Daraufhin führte der Neurochirurg Dr. K1 in seinem Arztbrief vom 12.07.2010 aus, es bestünden Schmerzen im Rücken „seit 2 Monaten“, die Wirbelsäule sei nicht bewegungseingeschränkt, es zeige sich ein unauffälliger Lokalbefund, es zeigten sich keine Paresen oder Sensibilitätsstörungen. Sodann erfolgte ausweislich des dortigen Entlassungsberichts vom 14.10.2010 im Universitäts- und Rehabilitationsklinikum Ulm in der Zeit vom 20.09.2010 bis zum 12.10.2010 eine Rehabilitationsmaßnahme. Diagnostiziert wurden in Bezug auf die Lendenwirbelsäule eine Lumboischialgie links bei Bandscheibenprotrusion LWK4/5 mit Wurzelreiz L5 beidseits, eine Bandscheibenprotrusion L3/4 mit Wurzelreiz L3 links sowie hypertropher Spondylarthrose L4-S1 und ein chronisches Schmerzsyndrom. Nach dem Arztbrief des Dr. G vom 26.10.2010 erfolgte durch ihn eine röntgengeführte lumbale Facettenblockade. Der Radiologe Dr. K diagnostizierte in seinem Arztbrief vom 10.11.2010 aufgrund der durchgeführten magnetresonanztomographischen Untersuchung der Lendenwirbelsäule eine Osteochondrose L4/5 und breitbasige mediane Bandscheibenprotrusion mit Verengung des Recessus lateralis beidseits, eine flache linkslaterale intraforaminale Bandscheibenprotrusion L3/4, eine Osteochondrose und eine zirkuläre links mediolateralbetonte Bandscheibenprotrusion BWK12/LWK1 sowie beginnende Spondylarthrosen der unteren Lendenwirbelsäule und führte aus, es handele sich um keine wesentliche Befundänderung im Vergleich zu der am 30.06.2010 erfolgten Voruntersuchung. Die Weiterbehandlung erfolgte ausweislich der Arztbriefe vom 18.11.2010 und 28.12.2010 bei Dr. G. Der Radiologe F diagnostizierte in seinem Arztbrief vom 11.01.2011 aufgrund der durchgeführten myelographischen Untersuchung der Lendenwirbelsäule einen deutlichen mediobilateralen Bandscheibenprolaps LWK4/5 mit regelrechter Füllung der Wurzeltaschen L5 beidseits und nur geringen intraforaminalen Anteilen, eine geringe mediobilaterale Bandscheibenprotrusion LWK3/4 und LWK5/SWK1 jeweils ohne Nachweis einer signifikanten Spinalkanalstenose, mäßiggradige Spondylarthrosen der dargestellten Segmente mit Hypertrophie der Ligamenta flava mit Punctum maximum LWK4/5 sowie eine Osteochondrose LWK4/5 und führte aus, es liege kein Nachweis einer Spondylolisthesis auch unter Provokation vor. Eine Besprechung des weiteren Vorgehens erfolgte ausweislich seines Arztbriefs vom 25.01.2011 bei Dr. G. Es erfolgte nach dem Operationsbericht des Dr. G vom 20.06.2011 eine operative Bandscheibenausräumung L4/5 links und eine knöcherne sowie ligamentäre Wurzeldekompression L5, nach dem Entlassungsbericht der F-klinik B vom 27.07.2011 eine dortige Rehabilitationsmaßnahme in der Zeit vom 06.07.2011 bis zum 27.07.2011, nach dem Operationsbericht der Dres. G und K1 vom 08.12.2011 ein weiterer operativer Eingriff an L4/5 und nach dem Operationsbericht des Dr. G vom 12.03.2012 sowie dem Entlassungsbericht der O-klinik L vom 16.03.2012 eine Spondylodese L4/5 im Rahmen des dortigen stationären Aufenthalts vom 11.03.2012 bis zum 16.03.2012. Eine weitere Rehabilitationsmaßnahme erfolgte nach dem Entlassungsbericht der Klinik im H W vom 28.06.2012 in der Zeit vom 31.05.2012 bis zum 18.06.2012. Die Weiterbehandlung erfolgte nach seinen Attesten vom 20.11.2012 und 13.03.2013 beim Allgemeinmediziner R. Sodann erfolgte nach dem Entlassungsbericht der Z-Klinik B1 vom 13.11.2013 unter anderem wegen sonstigen Reaktionen auf eine schwere Belastung und einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren eine Rehabilitationsmaßnahme in der Zeit vom 09.10.2013 bis zum 06.11.2013. Aktenkundig wurden ferner das in einem Schwerbehindertenverfahren eingeholte Gutachten des Orthopäden Dr. R1 vom 23.11.2013 sowie die Befundberichte des Psychologischen Psychotherapeuten Dr. T vom 13.03.2015 und 05.06.2016.

Die Beklagte holte in der Folge das Zusatzgutachten des Radiologen Dr. G1 vom 05.10.2016 und das unfallchirurgische Gutachten des Prof. Dr. B2, Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik M, vom 07.10.2016 ein. Dr. Gä1 führte nach Durchführung einer magnetresonanztomographischen Untersuchung aus, es bestünden geringe degenerative Veränderungen und kein Nachweis eines relevanten Bandscheibenvorfalls. Prof. Dr. B2 legte dar, in den magnetresonanztomographischen Befunden vom 30.06.2010 und 10.11.2010 fehlten Zeichen einer frischen Wirbelsäulenverletzung in Form von Einblutungen im muskulären oder spinalen Bereich oder in den Bereich des Bandapparates und finde man kein Bone-bruise sowie keine Zeichen einer Knochenschädigung. Er führte ferner aus, dass das Unfallereignis zu einer Lendenwirbelsäulenprellung und einer Knieprellung links geführt habe. Der Kläger leide eindeutig unfallunabhängig unter degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule mit Osteochondrose L4/5 und mediolateralem Bandscheibenvorfall L4/5 links, welche eine Bandscheibenoperation, eine Dekompressionsoperation und eine Spondylodese im Bereich L4/5 bedingt und zu Funktionseinschränkungen der Lendenwirbelsäule und einer chronischen Schmerzsymptomatik geführt hätten. Für das Ausmaß der vorliegenden krankhaften Veränderungen mit Versteifungsoperation seien naturgemäß anlagebedingte Faktoren ursächlich. Das Unfallereignis sei auch nicht geeignet gewesen, die Bandscheibenschädigung maßgeblich oder richtungsweisend zu verschlimmern. Die Beklagte holte außerdem das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. N vom 16.12.2016 ein. Dieser führte aus, dass der Kläger unfallunabhängig unter einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren mit einer depressiven Begleitsymptomatik leide. Es bestehe darüber hinaus eine paranoid-querulatorische Persönlichkeitsakzentuierung. Eine Verletzung nervaler Strukturen im Bereich der Wirbelsäule oder der unteren Extremität sei nicht zu verifizieren. Eine primäre seelische Reaktion auf das Unfallereignis sei in keiner Weise dokumentiert und könne auch dem Vortrag des Klägers nicht entnommen werden. Eine unfallbedingte sekundäre psychoreaktive Störung wäre nur nachvollziehbar, wenn das Unfallereignis zu anhaltenden und gravierenden körperlichen Schäden geführt hätte, was aber weder auf neurologischem noch auf unfallchirurgischem Fachgebiet der Fall gewesen sei.

Die Beklagte erkannte mit Bescheid vom 02.02.2017 das Ereignis vom 02.06.2010 als Arbeitsunfall an und lehnte die Gewährung einer Rente ab. Der Arbeitsunfall habe zu einer folgenlos ausgeheilten Prellung der Lendenwirbelsäule sowie einer folgenlos ausgeheilten Prellung des linken Knies geführt. Unfallunabhängig bestünden verschleißbedingte Veränderungen der Lendenwirbelsäule mit Osteochondrose LWK4/5 und Bandscheibenvorfall LWK4/5 links, Bandscheibenoperationen und eine Dekompressionsoperation sowie eine Wirbelsäulenverblockung im Bereich LWK4/5, dadurch bedingte Funktionseinschränkungen der Lendenwirbelsäule, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren und begleitender depressiver Symptomatik und Wirbelkörperverblockung im Bereich der Halswirbelsäule HWK5-7.

Hiergegen erhob der Kläger am 06.02.2017 Widerspruch ein. Neben bereits aktenkundigen Unterlagen legte er den Entlassungsbericht des Krankenhauses l/L vom 10.07.2008 vor. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.07.2017 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 28.07.2017 Klage zum SG Ulm erhoben. Die Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule und der Kniegelenke sowie die psychischen Beeinträchtigungen seien ausschließlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen. Vor dem Arbeitsunfall hätten keinerlei entsprechende Probleme bestanden. Er hat die die Diagnostizierung und Behandlung von Halswirbelsäulenbeschwerden bestätigenden Arztbriefe des Dr. K vom 19.10.2004, des Orthopäden Dr. K2 vom 12.10.2004 sowie 26.10.2004 und der Neurologin Dr. O-O vom 22.10.2004 vorgelegt.

Das SG Ulm hat auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers die Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. L vom 17.08.2018 und des Orthopäden Dr. R1 vom 26.08.2018 eingeholt. Dr. L hat ein schmerzhaftes Wirbelsäulensyndrom mit ausstrahlenden Schmerzen L5 links und vertebragenen Kopfschmerzen, eine Epikondylitis medialis beidseits sowie eine rezidivierende depressive Störung und Angst diagnostiziert und ausgeführt, auf nervenärztlichem Fachgebiet ergebe sich kein belastbarer Hinweis auf eine persistierende Folge des Unfallereignisses. Primär nach dem Unfall seien neurologische Defizite, eine traumatische Schädigung neuraler Strukturen im Bereich einzelner lumbaler Nervenwurzeln beziehungsweise der aufsteigenden oder absteigenden Rückenmarksbahnen nicht dokumentiert. Es seien also zeitnah nach dem Unfall keine wirbelsäulenassoziierten Störungen neuraler Strukturen und auch keine relevanten psychiatrischen Auffälligkeiten beschrieben. Letztere hätten ebenso wie die lumbalen Wurzelreizerscheinungen im Laufe der Zeit ab 2011 zugenommen. Eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei auf seinem Fachgebiet nicht zu begründen. Dr. R1 hat dargelegt, die am 30.06.2010 und 10.11.2010 gefertigten magnetresonanztomographischen Aufnahmen zeigten eine degenerative Veränderung der Bandscheibe L4/5 im Sinne einer black disc als Zeichen fehlender Hydrierung und damit eines schon länger währenden Prozesses, keine ligamentären Veränderungen, keine frischen traumatischen Läsionen und keine Einblutungen. Eine initiale Behandlung und Beurteilung durch einen Durchgangsarzt sei nicht erfolgt. Er ist zu der Einschätzung gelangt, dass die aktuellen Beschwerden des Klägers im Bereich der Lendenwirbelsäule nicht auf den Arbeitsunfall zurückzuführen seien. Bereits vor dem Unfall hätten nachweislich degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule vorgelegen. Darüber hinaus hätten in der magnetresonanztomographischen Untersuchung vom 30.06.2010 keinerlei Zeichen frischer Verletzungen nachgewiesen werden können. Den Ausführungen von Prof. Dr. B2 in dessen Gutachten sei zuzustimmen.

Sodann hat das Gericht zunächst auf die Möglichkeit der Einholung eines Gutachtens auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hingewiesen, woraufhin der Kläger die Erstattung eines weiteren Gutachtens durch den Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. S beantragt hat. Daraufhin hat das SG Ulm darauf hingewiesen, dass an dem Hinweis auf die Möglichkeit der Einholung eines weiteren Gutachtens nicht mehr festgehalten werde, da das diesbezügliche Antragsrecht den Verfahrensbeteiligten in einem Rechtsstreit grundsätzlich nur einmal zustehe.

Ferner hat das SG Ulm das in einem Schwerbehindertenrechtsstreit eingeholte Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. K3 vom 01.11.2018 beigezogen. Dieser hat darin eine Persönlichkeitsstörung mit emotional instabilen, querulatorischen und paranoiden Zügen, welche über viele Jahre, wahrscheinlich bis in die Jugend, zurückzuverfolgen sei, diagnostiziert. Vor diesem Hintergrund habe sich eine Somatisierungsstörung mit multiplen Schmerzsymptomen entwickelt.

Das SG Ulm hat mit Gerichtsbescheid vom 16.12.2020 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 02.06.2010, da als Unfallfolge mit der hierfür erforderlichen Wahrscheinlichkeit lediglich Prellungen der Lendenwirbelsäule und des linken Kniegelenks nachgewiesen seien, welche nicht zu einer feststellbaren MdE führten. Ein Kausalzusammenhang zwischen den Beschwerden des Klägers im Bereich der Lendenwirbelsäule, des linken Kniegelenks und auf nervenärztlichem Fachgebiet und dem Arbeitsunfall könne nicht festgestellt werden. Für diese Überzeugung stütze sich das Gericht auf die überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. B2 und Dr. R1 auf unfallchirurgisch-orthopädischem Fachgebiet sowie von Dr. N und Dr. L auf nervenärztlichem Fachgebiet.

Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 11.01.2021 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 21.01.2021 Berufung zum LSG Baden-Württemberg eingelegt. Durch den Arbeitsunfall leide er sowohl unter Schmerzen mit Bewegungseinschränkungen in der Lendenwirbelsäule sowie im linken Kniegelenk als auch unter einer chronischen Schmerzstörung sowie psychischen Beeinträchtigungen. Aus den vorliegenden magnetresonanztomographischen Befunden ergebe sich, dass es bei dem Unfall nicht lediglich zu einer Prellung gekommen sei. Die Beschwerden seien nicht auf degenerative Veränderungen zurückzuführen. Aus dem Vorerkrankungsverzeichnis ergebe sich, dass er vor dem Unfall aufgrund der Lendenwirbelsäule nicht in ärztlicher Behandlung gewesen sei und keinerlei Beschwerden gehabt habe. Vor dem Unfall sei lediglich eine Behandlung aufgrund von Beeinträchtigungen in der Halswirbelsäule erfolgt. Dr. G habe nach dem Unfall aufgrund der Röntgenbilder den Verdacht auf eine Instabilität geäußert, der sich dann auch bestätigt habe, weswegen die von ihm empfohlenen Operationen an der Lendenwirbelsäule durchgeführt worden seien. Durch diese erheblichen Beeinträchtigungen sei auch der psychische Gesundheitszustand zunehmend schlechter geworden. Die vorliegenden Arztberichte bestätigten, dass er sowohl unter einer psychischen Erkrankung als auch einer chronischen Schmerzstörung leide. Soweit eine Persönlichkeitsakzentuierung bereits im Jugendalter bestanden habe, heiße dies nicht, dass der Unfall nicht zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes geführt haben könnte. Bis zu dem Unfall sei er berufstätig gewesen. Seitdem sei er auf die zwischenzeitlich gewährte Erwerbsminderungsrente angewiesen. Auch habe Dr. Lang ausgeführt, dass im Laufe der Zeit die psychischen Beeinträchtigungen ab 2011 zugenommen hätten. Dies deute darauf hin, dass diese durch den Unfall verursacht beziehungsweise zumindest verschlimmert worden seien. Ein weiteres Gutachten sei erforderlich, da insbesondere das Gutachten des Dr. R1 nicht überzeugend sei, zumal das SG Ulm einen Hinweis auf ein weiteres Gutachten auf seinen Antrag und sein Kostenrisiko gegeben habe.

Der Kläger hat im Laufe des Berufungsverfahrens neben bereits aktenkundigen Unterlagen die Diagnostizierung und Behandlung von Halswirbelsäulenbeschwerden sowie seit dem Unfall von Lendenwirbelsäulenbeschwerden und psychischen Erkrankungen bestätigende Arztbriefe des Dr. K2 vom 21.10.2004 sowie 15.04.2008, des Chirurgen Dr. D vom 13.08.2007, der Neurologin und Psychiaterin Dr. K-S vom 13.03.2008 sowie 23.04.2008, des Dr. G vom 21.04.2008, 01.07.2008, 10.07.2008, 31.05.2011, 12.07.2011, 19.01.2012, 02.12.2012 sowie 01.12.2017, des Psychologischen Psychotherapeuten Dr. T vom 08.07.2014 sowie 13.03.2015, des Allgemeinmediziners R vom 20.12.2014 und des Dr. K vom 31.07.2019 sowie dessen Arztbriefe vom 01.12.2012 über eine magnetresonanztomographische und röntgenologische Untersuchung der Lendenwirbelsäule und des Orthopäden Dr. K4 vom 30.05.2018 unter anderem über Beschwerden an den oberen Extremitäten vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 16.12.2020 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 02.02.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2017 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Unfalls vom 02.06.2010 eine Verletztenrente in gesetzlicher Höhe nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 v. H. zu gewähren, hilfsweise 1. den „Hausarzt Dr. R“,  H., insbesondere zu der Frage, welche Diagnosen bezüglich seiner Arbeitsunfähigkeit im Bereich der Wirbelsäule gestellt wurden, 2. den Operateur Dr. G, B zu den nachgereichten MRT- und CT-Befunden sowie 3. die Radiologische Gemeinschaftspraxis Dr. K,  B4 als sachverständige Zeugen zu befragen, hilfsweise gemäß § 109 SGG ein Gutachten bei Dr. S, Kreisklinik G2,  G2, auf orthopädischem Fachgebiet einzuholen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Berufungsbegründung belege nicht, dass zwischen den dargestellten Beschwerden des Klägers und dem Arbeitsunfall ein rechtlich wesentlicher Ursachenzusammenhang bestehe. Die im Berufungsverfahren vorgelegten medizinischen Dokumentationen eigneten sich dazu nicht.

Im Rahmen des am 16.06.2021 stattgefundenen Erörterungstermins haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgerechte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Aufhebung des Gerichtsbescheides des SG Ulm vom 16.12.2020, die Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 02.02.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2017 und die Verurteilung der Beklagten, dem Kläger wegen der Folgen des Unfalls vom 02.06.2010 eine Verletztenrente in gesetzlicher Höhe nach einer MdE um mindestens 20 v. H. zu gewähren. Dieses Ziel verfolgt der Kläger zulässigerweise mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 und 4 SGG.

Rechtsgrundlage für die Gewährung einer Verletztenrente ist § 56 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SGB VII, wonach Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente haben und sich die MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens richtet. Nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII werden Renten an Versicherte von dem Tag an gezahlt, der auf den Tag folgt, an dem der Anspruch auf Verletztengeld endet.

Nach § 7 Abs. 1 SGB VII sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.

Ein Arbeitsunfall im Sinne des § 8 SGB VII setzt voraus, dass die verletzte Person durch eine Verrichtung vor dem Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb „Versicherte“ ist (versicherte Tätigkeit). Verrichtung ist jedes konkrete Handeln der versicherten Person, das objektiv seiner Art nach von Dritten beobachtbar und subjektiv zumindest auch auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist. Die Verrichtung muss den Unfall als ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität). Durch das Unfallereignis muss wiederum ein Gesundheitserstschaden objektiv und rechtlich wesentlich herbeigeführt worden sein (haftungsbegründende Kausalität) (BSG, Urteil vom 07.05.2019 – B 2 U 34/17 R, juris Rn. 16-33).

Für die Berücksichtigung eines Gesundheitsschadens als Folge eines Arbeitsunfalls im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII und damit bei der Bemessung der MdE ist im Regelfall erforderlich, dass die Gesundheitsstörung durch den Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls wesentlich verursacht worden ist (haftungsausfüllende Kausalität). Der Anspruch setzt grundsätzlich das „objektive“, das heißt aus der nachträglichen Sicht eines optimalen Beobachters, Vorliegen einer Gesundheitsstörung voraus, die spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls verursacht worden ist (BSG, Urteil vom 06.09.2018 – B 2 U 16/17 R, juris Rn. 14). Ob ein Gesundheitsschaden dem Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls als Unfallfolge im engeren Sinn zuzurechnen ist, beurteilt sich nach der Zurechnungslehre der Theorie der wesentlichen Bedingung in zwei Schritten (BSG, Urteil vom 17.02.2009 – B 2 U 18/07 R, juris Rn. 12; BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R, juris Rn. 12 ff.).

Auf der ersten Stufe der Kausalitätsprüfung ist die Verursachung der weiteren Schädigung durch den Gesundheitserstschaden im naturwissenschaftlich-naturphilosophischen Sinne festzustellen. Ob die Ursache-Wirkung-Beziehung besteht, beurteilt sich nach der Bedingungstheorie. Nach ihr ist eine Bedingung dann notwendige Ursache einer Wirkung, wenn sie aus dem konkret vorliegenden Geschehensablauf nach dem jeweiligen Stand der einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse (Erfahrungssätze) nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine-qua-non). Ob die versicherte Verrichtung beziehungsweise der auf der Verrichtung kausal beruhende Gesundheitserstschaden Ursache für den (weiteren) Gesundheitsschaden ist und diesen objektiv (mit-)verursacht hat, ist eine rein tatsächliche Frage (BSG, Urteil vom 07.05.2019 – B 2 U 34/17 R, juris Rn. 23, 33). Sie muss aus der nachträglichen Sicht nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand des Fach- und Erfahrungswissens über Kausalbeziehungen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten (gegebenenfalls unter Einholung von Sachverständigengutachten) beantwortet werden (BSG, Urteil vom 26.06.2014 – B 2 U 4/13 R, juris Rn. 25). Das schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen (BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R, juris Rn. 17). Der je nach Fallgestaltung gegebenenfalls aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen muss als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden. Für die Feststellung des naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhangs genügt der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Dieser ist erfüllt, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht; allein die Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs genügt dagegen nicht (BSG, Urteil vom 15.05.2012 – B 2 U 31/11 R, juris Rn. 34; BSG, Urteil vom 18.01.2011 – B 2 U 5/10 R, juris Rn. 20; BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R, juris Rn. 20). Es gelten die allgemeinen Regeln der materiellen Beweislast. Danach trägt derjenige, der ein Recht – hier Feststellung einer Gesundheitsstörung als Unfallfolge – für sich beansprucht, nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Ermittlung die materielle Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen dieses Rechts (BSG, Urteil vom 31.01.2012 – B 2 U 2/11 R, juris, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 18.11.2008 – B 2 U 27/07 R, juris; BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R, juris).

Ist der Gesundheitserstschaden in diesem Sinne eine notwendige Bedingung des weiteren Gesundheitsschadens, wird dieser ihm aber auf der zweiten Stufe der Kausalitätsprüfung nur dann zugerechnet, wenn er ihn wesentlich (ausreichend: mit-)verursacht hat. Bei dieser reinen Rechtsfrage nach der „Wesentlichkeit“ der versicherten Verrichtung für den Erfolg der Einwirkung muss entschieden werden, ob sich durch das versicherte Handeln ein Risiko verwirklicht hat, gegen das der jeweils erfüllte Versicherungstatbestand gerade Schutz gewähren soll (BSG, Urteil vom 17.12.2015 – B 2 U 8/14 R, juris Rn. 20; BSG, Urteil vom 05.07.2011 – B 2 U 17/10 R, juris Rn. 28 ff.; BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R, juris Rn. 15 ff.).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hat der Kläger keinen Anspruch auf Verletztenrente.

Der Kläger ist nach seinen in dem beim LSG Baden-Württemberg in dem unter dem Aktenzeichen L 8 U 473/15 anhängig gewesenen Verfahren durchgeführten Erörterungstermin gemachten Angaben, zu deren Wahrunterstellung sich die Beklagte im Wege des am 01.04.2016 geschlossenen Vergleichs verpflichtet hat, am 02.06.2010 im Rahmen seiner nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII unfallversicherten Beschäftigung (versicherte Tätigkeit) zunächst beim Absteigen von einem Kran ausgerutscht und sodann von dem kippenden Kran heruntergesprungen (Unfallkausalität) und hat sodann beim Aufkommen auf dem Boden sofort Schmerzen im Rücken und in den Kniegelenken verspürt (zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis) und hierdurch (haftungsbegründende Kausalität) eine Prellung der Lendenwirbelsäule und des linken Kniegelenks (Gesundheitserstschaden) und damit nach der insoweit bestandskräftigen Feststellung im Bescheid der Beklagten vom 02.02.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2017 einen Arbeitsunfall im Sinne des § 7 Abs. 1 in Verbindung mit § 8 Abs. 1 SGB VII erlitten.

Nach den Gutachten von Prof. Dr. B2, Dr. N, Dr. R1 und Dr. L sind keine hierauf wesentlich ursächlich zurückführbaren Folgen verblieben.

Zutreffend hat das SG Ulm in seinem Gerichtsbescheid dargelegt, dass und warum die Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule, des linken Kniegelenks und auf nervenärztlichem Fachgebiet nicht wesentlich ursächlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen sind, mithin ein zur Gewährung einer Verletztenrente berechtigender Gesundheitsdauerschaden, der über die 26. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus eine MdE um 20 v. H. bedingt, nicht gegeben ist.

Gegen einen wesentlich ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und den Gesundheitsstörungen in der Lendenwirbelsäule spricht, dass nach dem Gutachten des Prof. Dr. B2 in den magnetresonanztomographischen Befunden vom 30.06.2010 und 10.11.2010 Zeichen einer frischen Wirbelsäulenverletzung in Form von Einblutungen im muskulären oder spinalen Bereich oder in den Bereich des Bandapparates fehlen, man kein Bone-bruise sowie keine Zeichen einer Knochenschädigung findet und der Kläger eindeutig unter unfallunabhängigen degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule mit Osteochondrose L4/5 und mediolateralem Bandscheibenvorfall L4/5 links, welche eine Bandscheibenoperation, eine Dekompressionsoperation und eine Spondylodese im Bereich L4/5 bedingt und zu Funktionseinschränkungen der Lendenwirbelsäule und einer chronischen Schmerzsymptomatik geführt haben, leidet und der Arbeitsunfall auch nicht geeignet gewesen ist, die Bandscheibenschädigung maßgeblich oder richtungsweisend zu verschlimmern. Ferner hat Dr. N in seinem Gutachten überzeugend ausgeführt, dass eine Verletzung nervaler Strukturen im Bereich der Wirbelsäule oder der unteren Extremität nicht zu verifizieren ist. Diese überzeugende gutachterliche Einschätzung hat durch das auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers eingeholte Gutachten des Dr. R1 ihre Bestätigung gefunden, indem dieser dargelegt hat, dass die am 30.06.2010 und 10.11.2010 gefertigten magnetresonanztomographischen Aufnahmen eine degenerative Veränderung der Bandscheibe L4/5 im Sinne einer black disc als Zeichen fehlender Hydrierung und damit eines schon länger währenden Prozesses, jedoch keine ligamentären Veränderungen, keine frischen traumatischen Läsionen und keine Einblutungen gezeigt haben. Der Sachverständige hat darüber hinaus zutreffend darauf hingewiesen, dass eine initiale Behandlung und Beurteilung durch einen Durchgangsarzt nicht erfolgt ist. Im Übrigen hat auch Dr. L überzeugend dargelegt, dass neurologische Defizite, eine traumatische Schädigung neuraler Strukturen im Bereich einzelner lumbaler Nervenwurzeln beziehungsweise der aufsteigenden oder absteigenden Rückenmarksbahnen nicht dokumentiert sind, also zeitnah nach dem Arbeitsunfall keine wirbelsäulenassoziierten Störungen neuraler Strukturen nachgewiesen worden sind und die lumbalen Wurzelreizerscheinungen erst im Laufe der Zeit ab 2011 zugenommen haben.

Ferner liegt nach den Gutachten von Prof. Dr. B2 und Dr. R1 ein Gesundheitsschaden im linken Kniegelenk nicht vor.

Gegen einen wesentlich ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und den Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem Fachgebiet spricht, dass nach dem Gutachten des Dr. N bei dem unter einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren mit einer depressiven Begleitsymptomatik und – auch nach dem Gutachten des Dr. K3 – einer paranoid-querulatorischen Persönlichkeitsakzentuierung leidenden Kläger eine primäre seelische Reaktion auf das Unfallereignis in keiner Weise dokumentiert ist und dessen Vortrag nicht entnommen werden konnte und das Unfallereignis zu keinen anhaltenden und gravierenden körperlichen Schäden, auf die eine unfallbedingte sekundäre psychoreaktive Störung nachvollziehbar zurückgeführt werden könnte, geführt hat. Diese sehr gut nachvollziehbare gutachterliche Beurteilung hat durch das auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers eingeholte Gutachten des Dr. L ihre Bestätigung gefunden, indem dieser dargelegt hat, dass primär nach dem Arbeitsunfall keine relevanten psychiatrischen Auffälligkeiten beschrieben worden sind und solche erst im Laufe der Zeit ab 2011 zugenommen haben. Zu folgen ist auch der Einschätzung des Dr. N, wonach die im Zentrum des Denkens des Klägers stehenden negativen Erfahrungen mit dem ehemaligen Arbeitgeber, den Kollegen und verschiedenen Institutionen zum allgemeinen Lebensrisiko gehören und deshalb nicht als unfallbedingte ursächliche Faktoren verstanden werden können.

Der Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren führt zu keiner anderen Einschätzung. Selbst wenn es zuträfe, dass der Kläger vor dem Arbeitsunfall nur wegen Halswirbelsäulenbeschwerden und nicht wegen Lendenwirbelsäulenbeschwerden in ärztlicher Behandlung gewesen wäre und keinerlei Beschwerden gehabt hätte – wogegen allerdings die Eintragungen in den Vorerkrankungsverzeichnissen und die Angaben des Allgemeinmediziners R in seiner vom SG Ulm eingeholten Zeugenauskunft vom 15.05.2014, zu zunehmenden Beschwerden der Lendenwirbelsäule sei es „ab der zweiten Monatshälfte des Mai 2010“ gekommen, in seinem Befundbericht vom 01.08.2010, der Kläger habe „seit April 2010“ ständige Probleme am Arbeitsplatz, da eine Trittleiter zum Besteigen des Arbeitsobjekts ständig entfernt würde und es sei wegen des mehrmals täglichen Springens aus der Höhe zu zunehmenden Lendenwirbelsäulenbeschwerden gekommen, in seiner Stellungnahme vom 15.02.2011, im Jahr 2010 sei die Beschwerdezunahme im Bereich der „vorgeschädigten“ Lendenwirbelsäule führend, sowie in seinem Attest vom 09.08.2011, der Kläger habe sich „seit Anfang Mai 2010“ wegen Rückenbeschwerden in seiner Behandlung befunden, sprechen –, würde dies nicht zu einer anderen Kausalitätsbeurteilung führen, da sich – wie oben bereits dargelegt – bereits aus den am 30.06.2010 und 10.11.2010 gefertigten magnetresonanztomographischen Aufnahmen eine degenerative Veränderung der Bandscheibe L4/5 ergibt und mithin der Arbeitsunfall weder hierfür noch für die von Dr. G im weiteren Verlauf angenommene Instabilität und deswegen durchgeführten Operationen an der Lendenwirbelsäule kausal gewesen sein kann. Insoweit, als der Kläger darauf hinweist, dass die Ausführungen des Dr. L, dass im Laufe der Zeit die psychischen Beeinträchtigungen ab 2011 zugenommen hätten, darauf hindeuteten, dass diese durch den Unfall verursacht beziehungsweise zumindest verschlimmert worden seien, handelt es sich dabei allenfalls um eine Möglichkeit, die sich aber nach den Gutachten von Dr. N und Dr L nicht zu einer Wahrscheinlichkeit verdichtet hat.

Auch die vom Kläger im Laufe des Berufungsverfahrens vorgelegten Unterlagen führen zu keiner anderen Einschätzung. Zwar ergibt sich aus den Arztbriefen des Dr. K2 vom 21.10.2004 sowie 15.04.2008, des Dr. D vom 13.08.2007, der Dr. K-S vom 13.03.2008 sowie 23.04.2008 und des Dr. G vom 21.04.2008, 01.07.2008 sowie 10.07.2008, dass der Kläger vor dem Unfallereignis dort wegen Halswirbelsäulenbeschwerden behandelt worden ist. Für maßgeblich erachtet der Senat allerdings – wie oben dargelegt – die am 30.06.2010 und 10.11.2010 gefertigten und eine Vorerkrankung in der Lendenwirbelsäule bestätigenden magnetresonanztomographischen Aufnahmen. Ferner rechtfertigen die ebenfalls im Berufungsverfahren vorgelegten Arztbriefe des Dr. G vom 31.05.2011, 12.07.2011, 19.01.2012, 02.12.2012 sowie 01.12.2017, des Dr. T vom 08.07.2014 sowie 15.06.2015, des Allgemeinmediziners R vom 20.12.2014, des Dr. K vom 01.12.2012 sowie 31.07.2019 und des Orthopäden Dr. K4 vom 30.05.2018 keine andere Beurteilung.

Nach alledem hat der Kläger keinen Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um 20 v. H.

Die hilfsweise vom Kläger verfolgten Beweisanträge sind abzulehnen. Der Allgemeinmediziner R war nicht als sachverständiger Zeuge zu der Frage zu hören, welche Diagnosen bezüglich der Arbeitsunfähigkeit des Klägers im Bereich der Wirbelsäule gestellt worden sind. Denn – wie oben bereits ausgeführt – hat maßgebliche Bedeutung für die vorliegend zu beantwortende Kausalitätsfrage nicht, ob der Kläger vor dem Arbeitsunfall wegen Lendenwirbelsäulenbeschwerden in Behandlung und/oder arbeitsunfähig gewesen ist, sondern dass die am 30.06.2010 und 10.11.2010 gefertigten magnetresonanztomographischen Aufnahmen eine Vorerkrankung in der Lendenwirbelsäule bestätigt haben. Ferner war es nicht erforderlich, Dr. G zu den nachgereichten magnetresonanztomographischen und computertomographischen Befunden zu hören, da eine Auswertung der am 30.06.2010 und 10.11.2010 gefertigten magnetresonanztomographischen Aufnahmen bereits in den Gutachten von Prof. Dr. B2 und Dr. R1 erfolgt ist und der Senat keinerlei Zweifel an der Richtigkeit der hieraus gezogenen Schlussfolgerungen der Sachverständigen hat. Aus demselben Grund war auch eine Arztauskunft des Dr. K nicht einzuholen. Der Antrag auf Einholung eines orthopädischen Gutachtens beim Orthopäden Dr. S gemäß § 109 SGG war ebenfalls abzulehnen, da das Antragsrecht nach § 109 SGG insoweit verbraucht ist, weil dem Antrag nach § 109 SGG durch Einholung des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Dr. Lang und des orthopädischen Gutachtens des Dr. R1 bereits entsprochen worden ist. Da das in zweiter Instanz beantragte Gutachten ebenfalls ein Orthopäde erstellen soll, ist vorliegend auch kein besonderer Grund dafür ersichtlich, dem Kläger ausnahmsweise das Antragsrecht nach § 109 SGG auch in der zweiten Instanz erneut zuzubilligen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 109 Rn. 10b, 11b).

Nach alledem war die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Ulm vom 16.12.2020 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG gegeben ist.

 

 

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