Zur abhängigen Beschäftigung der Tätigkeit einer Ärztin für einen Anbieter von Gesundheitstagen bei einem Arbeitgeber.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom
19. November 2018 geändert.
Der Bescheid der Beklagten vom 17. April 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Oktober 2014 wird aufgehoben, soweit dort für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. bei der Klägerin am 14. Juni 2013 und vom 16. September 2013 bis 20. September 2013 eine Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung festgelegt worden ist. Es wird festgestellt, dass für diese Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. eine Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung nicht bestanden hat.
Im Übrigen werden die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Vor-, Klage- und Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 3/4 und die Beklagte zu 1/4 mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
T a t b e s t a n d
Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1. in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung während zweier Einsätze (14. Juni 2013 und vom 16. bis 20. September 2013).
Die Klägerin, die dauerhaft nur angestelltes kaufmännisch-verwaltendes Personal beschäftigt, bietet Vorsorgeuntersuchungen als Präventivmaßnahmen in Form von Reihenuntersuchungen für Unternehmen an, die als Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern während der Arbeitszeit in den Arbeitsräumen Untersuchungen auf bestimmte Gesundheitsrisiken hin ermöglichen. Die Kosten trägt der jeweilige Arbeitgeber als Kunde der Klägerin, ggfs unter Kostenbeteiligung eines weiteren Kostenträgers, zB einer Krankenkasse. In diesen Screenings werden Auffälligkeiten gesucht und je nach Befund den betroffenen Arbeitnehmern mitgeteilt, verbunden mit der Empfehlung, sich bei einem Facharzt eigener Wahl tiefergehend untersuchen zu lassen. Für diese „Gesundheitstage“ stellt die Klägerin die medizinischen Geräte zur Verfügung und sie organisiert die entsprechenden Fachärzte, indem sie in Kontakt mit bundesweit ansässigen Fachärzten und Arzt-Vermittlungsagenturen steht und Ärzte nach Bedarf bucht.
Die Klägerin schloss unter Koordination der P (Krankenkasse) mit der G GmbH (bei jeweils hälftiger Kostentragung derselben) Verträge zu dem Angebot mit dem Thema „Diabetes Mellitus mittels AGE-Reader und „Point of Care“-Gerät zur BZ-Bemessung“. Dieses Screeningangebot beinhaltete die Durchführung der Untersuchungen in dem Unternehmen durch spezialisierte Ärzte, die Dokumentation der erhobenen Befunde in doppelter Ausführung, inklusive einer anonymisierten Version für die statistische Auswertung, die Anlieferung und Abholung der notwendigen Untersuchungstechnik bei acht Stunden Screening pro Tag. Die Verträge wurden für den 14. Juni 2013 und die Zeit vom 16. bis 20. September 2013 geschlossen.
Die 1982 geborene Beigeladene zu 1. war im Jahr 2013 vom 3. Juni bis 28. Juni 2013 unentgeltlich als Praktikantin sowie vom 1. August 2013 bis 30. Juni 2014 unentgeltlich als Volontärin im Universitätsklinikum E tätig und erhielt seit 2011 ein Forschungsstipendium durch eine Stiftung (mtl 1.600,00 EUR zzgl Sachkostenpauschale iHv mtl 150,00 EUR). Daneben war sie als Ärztin bei D (Z GmbH <Z>; jetzt L) für die Vermittlung an Auftraggeber registriert.
Vermittelt über diese Plattform war die Beigeladene zu 1. ua für die Klägerin tätig, um die vorgenannte Verträge mit der G GmbH zu erfüllen. Dem Einsatz der Beigeladenen zu 1. am 14. Juni 2013 lag dabei ein Honorarvertrag mit der Klägerin zugrunde (Nr 28369; Abschlussdatum unbekannt), in dem ein Honorarstundensatz von 70,00 EUR sowie als Unterkunftspauschale Spesen pro Tag in Höhe von 40,00 EUR exklusive Unterkunft, inklusive Berufshaftpflichtversicherung und exklusive Verpflegung vereinbart waren. Ein Einsatzort für den 14. Juni 2013 war dort nicht vereinbart, wurde jedoch nach Vertragsschluss per Email seitens der Klägerin hinsichtlich Ort und Zeitrahmen (8:00 Uhr bis 17:00 Uhr) konkretisiert. Die Klägerin ließ der Beigeladenen zu 1. einen AGE-Reader nebst Kurzanleitung sowie eine Beschreibung des Untersuchungsablaufs
Diabetes-Screening und den – anonymen – Erhebungsbogen für Diabetes-MellitusPrävention zukommen. Dem Einsatz der Beigeladenen zu 1. vom 16. bis 20. September 2013 lag der Honorarvertrag Nr 29748 zugrunde, in dem ebenfalls ein Honorarstundensatz in Höhe von 70,00 EUR, als Unterkunftspauschale Spesen pro Tag in Höhe von 40,00 EUR exklusive Unterkunft, inklusive Berufshaftpflichtversicherung und exklusive Verpflegung sowie als Sonstiges der Einsatzort vereinbart waren. Mit § 2 der Honorarverträge wurden die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Z – Geschäftsbereich Medizin – zur Kenntnis genommen und akzeptiert. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen – Stand 1. Januar 2012 (AGB) – lagen beiden Honorarverträgen bei. Nach § 2 AGB vermittelt die Z medizinisches Personal (Auftragnehmer) aus einer eigenen Datenbank an den Auftraggeber. Diese steht beiden Parteien während des Vermittlungsprozesses, während des Einsatzes und nach dem Einsatz als Ansprechpartner zur Verfügung. Sie vermittelt die wesentlichen vertraglichen Konditionen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer, wozu namentlich Einsatzdauer, Einsatzort, Qualifikation, Berufshaftpflichtversicherung und das Honorar gehören. Die vertraglichen Eckpunkte werden durch die Z schriftlich festgelegt und von Auftraggeber und Auftragnehmer unterzeichnet. Der Leistungsaustausch zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer erfolgt im Rahmen einer unmittelbaren Beziehung zwischen diesen. Die Ausübung der Tätigkeit des Auftragnehmers ist nach den Vertragsbestimmungen freiberuflich und zeitlich begrenzt. Nach § 3 der AGB übernimmt die Z weder für die Qualität der erbrachten Leistung noch die Verfügbarkeit des vermittelten Personals die Haftung, außer ihr würde im Rahmen der übernommenen Obliegenheiten Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zur Last fallen. Nach § 4 der AGB wird die Leistung des Auftragnehmers wöchentlich oder nach Absprache abgerechnet. Der Auftragnehmer erhält einen Abrechnungsbogen, der vom Auftraggeber zu unterzeichnen ist. Auf der Grundlage des Abrechnungsbogens erstellt die Z die Honorarabrechnung. Für die Vermittlung eines Arztes/einer Pflegekraft erhält die Z eine Provision auf der Grundlage des gültigen Abrechnungsverzeichnisses.
Dementsprechend untersuchte die Beigeladene zu 1. am 14. Juni 2013 und vom 16. bis 20. September 2013 jeweils acht Stunden Mitarbeiter der G_________________GmbH, die ein freiwilliges Diabetesscreening durchführen wollten und die Uhrzeit dafür selbst bestimmten. Die Beigeladene zu 1. meldete Funde anonym über Dokumentationsbögen an die Klägerin, die für ihre Kunden eine Auswertung erstellte. Die Beigeladene zu 1. arbeitete dabei jeweils allein, trug eigene Bereichskleidung (Kasak, Hose, Kittel, Namensschild, Schuhe) und trat nicht als Mitarbeiterin der Klägerin auf. Vereinbarungen zu Ruf- und Bereitschaftsdienst, eine Pflicht zur Übernahme von Urlaubsvertretungen sowie einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gab es nicht; im Bedarfsfall haftete die Berufshaftpflichtversicherung.
Für die Einsätze am 14. Juni 2013 und vom 16. bis 20. September 2013 füllte die Beigeladene zu 1. außerdem jeweils den von der Z gestellten Abrechnungsbogen für Honorareinsätze aus (Tagdienst von 8:00 Uhr bis 17:00 Uhr, mit Pause 8 Stunden) und erstellte jeweils eine an die Klägerin adressierte Rechnung, auf der sie ihre Kontodaten angab. Beide Rechnungen enthielten den Aufdruck „Mit freundlicher Unterstützung, Ihr D Team – Vermittlungsagentur für medizinische Honorartätigkeiten“. Sie berechnete für den 14. Juni 2013 acht Stunden zu je 70,00 EUR sowie eine Unterkunftspauschale in Höhe von 40,00 EUR, insgesamt 600,00 EUR, und für den Einsatz vom 16. bis 20. September 2013 vierzig Stunden zu je 70,00 EUR sowie eine Unterkunftspauschale für fünf Tage in Höhe von je 40,00 EUR, insgesamt 3.000,00 EUR. Die Klägerin zahlte das Honorar direkt auf das Konto der Beigeladenen zu 1. Die Provision an die Z zahlte die Klägerin.
Die Klägerin und die Beigeladene zu 1. beantragten am 18. November 2013 bei der Beklagten die Feststellung, dass für die beiden Einsätze als Honorarärztin im Jahr 2013 keine Beschäftigung vorlag. Beide gaben an, dass die Beigeladene zu 1. keinen Weisungen unterlegen habe und die Beigeladene zu 1. das fachliche Letztentscheidungsrecht gehabt habe. Die Beigeladene zu 1. teilte mit, keine festen Arbeitszeiten einhalten zu müssen, bei Verhinderung die Agentur D zu informieren, die einen Vertreter einsetze, und dass die Klägerin für die Tätigkeit des Honorarvertreters hafte. Die Klägerin erklärte, die Beigeladene zu 1. habe sich verpflichtet, an einem bestimmten Tag, zu einer bestimmten Uhrzeit an einem vereinbarten Ort zu sein und bei Verhinderung für Ersatz zu sorgen. Die gebuchten Ärzte müssten nicht die von ihr – der Klägerin – vorgehaltenen Geräte nutzen, sondern könnten auch eigene Geräte mitbringen. Die Gepflogenheiten der Beigeladenen zu 1. seien ihr nicht bekannt.
Nach Anhörung stellte die Beklagte mit Bescheid vom 17. April 2014 fest, dass während der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. für die Klägerin am 14. Juni 2013 und vom 16. bis 20. September 2013 aufgrund des Vorliegens eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden habe. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung relevanten Tatsachen würden die Merkmale eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses überwiegen. Die Untersuchungen seien am Betriebssitz der Kunden der Klägerin erfolgt, so dass der Ort der Tätigkeit vorgegeben sei. An den Betriebskosten sei die Beigeladene zu 1. nicht beteiligt gewesen und sie sei auf Stundenbasis vergütet worden, sei funktionsgerecht dienend in einer fremden Arbeitsorganisation – den von der Klägerin organisierten Reihenuntersuchungen – tätig gewesen, habe nur in geringem Umfang eigene Betriebsmittel eingesetzt und die vorhandenen Geräte nutzen können. Eigenes Kapital mit Verlustrisiko habe sie nicht eingesetzt. Die Klägerin habe für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. gehaftet. Gegenüber diesen Merkmalen würden die fehlende Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung, das fachliche Letztentscheidungsrecht der Beigeladenen zu 1., die Befristung des Vertrages und die fehlende Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern der Klägerin zurücktreten. Der Beigeladenen zu 1. gegenüber erließ die Beklagte einen gleichlautend begründeten Bescheid vom 17. April 2014.
Gegen den ihr bekannt gegebenen Bescheid legte die Klägerin am 30. April 2014 Widerspruch ein. Darüber informierte die Beklagte die Beigeladene zu 1. mit Schreiben vom 6. Mai 2014. Die Klägerin führte aus, es liege in der Natur der Sache, die Untersuchungen am Betriebssitz ihres Kunden durchzuführen. Da auch Handwerker am Ort der notwendigen Werkleistung erscheinen, spreche dieser Umstand nicht für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Die Beigeladene zu 1. trage ein typisches Risiko für den Verlust der Vergütung, da sie im Verhinderungsfall für Ersatz sorgen müsse. Der Einsatz von Kapital sei bei Dienstleistungen – wie der ärztlichen Beratung – im Wesentlichen nicht zu erwarten. Insgesamt sei der Betriebsmitteleinsatz gering; es könne daher nicht darauf abgestellt werden, die Beigeladene zu 1. habe nur Arbeitskleidung eingesetzt. Die Beigeladene zu 1. sei weder weisungsgebunden noch eingegliedert gewesen, da sie – die Klägerin – mangels Fachkompetenz keine fachlichen Weisungen habe erteilen können und weder Vorgaben zur zeitlichen Struktur noch zu qualitativen Mindestanforderungen aufgestellt habe.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31. Oktober 2014 zurück. Ergänzend führte sie aus, dass Ärzte regelmäßig keinen detaillierten Weisungen hinsichtlich der Art und Weise der Ausübung der Tätigkeit unterliegen. In der vereinbarten Zeit habe die Beigeladene zu 1. Arbeitszeit und Patientenaufkommen nicht selbst bestimmen können. Das Vorenthalten von Entgeltfortzahlungen im Urlaubs- und Krankheitsfall stehe einer abhängigen Beschäftigung nicht entgegen. Die Beklagte informierte die Beigeladene zu 1. über die Zurückweisung des Widerspruchs.
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Dagegen hat sich die am 2. Dezember 2014 bei dem Sozialgericht Schleswig eingegangene und am 14. September 2018 an das Sozialgericht Kiel verwiesene Klage der Klägerin gerichtet. Die Klägerin hat insbesondere bekräftigt, der Beigeladenen zu 1. keine Weisungen erteilt und sie nicht in ihren Betriebsablauf integriert zu haben. Sie selbst sei in anonymisierter Form über die Befunde unterrichtet worden, ohne dass eine umfassende Berichtspflicht bestanden habe. Das Honorar sei frei verhandelt und nicht einseitig bestimmt worden. Ein Unternehmerrisiko der Beigeladenen zu 1. habe darin gelegen, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, und sie hafte mittels ihrer Berufshaftpflichtversicherung. Die Beigeladene zu 1. habe zwar keine Betriebsstätte, sei aber auch nicht in ihren – der Klägerin – Räumen tätig geworden. Aus diesen Umständen und fehlenden Entgeltfortzahlungsansprüchen im Krankheitsfall und bei Urlaub hat die Klägerin geschlossen, dass zu der Beigeladenen zu 1. kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis bestanden habe, da die Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit überwiegen würden.
Das Sozialgericht Kiel hat der Klage mit Urteil vom 19. November 2018 stattgegeben und den Bescheid der Beklagten vom 17. April 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 2014 aufgehoben sowie festgestellt, dass eine aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 7 Abs 1 SGB IV begründete Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. bei der Klägerin am 14. Juni 2013 und vom 16. bis 20. September 2013 nicht bestanden hat. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, die Beigeladene zu 1. sei nicht in den Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen, sondern habe Untersuchungen im Rahmen von betrieblichen Gesundheitstagen bei Firmen durchgeführt, welche die Klägerin mit der Organisation dieser Veranstaltungen beauftragt hatten. Die Tätigkeit habe die Beigeladene zu 1. nicht in der Betriebsstätte der Klägerin, sondern in den Betrieben ihrer Auftraggeber durchgeführt, die auch die Patienten auswählten. Dabei sei sie weder weisungsgebunden noch eingegliedert gewesen, habe nicht an Besprechungen teilgenommen und nicht bei der Klägerin erscheinen müssen. Soweit die Klägerin medizinische Geräte und Hilfsmittel zur Verfügung gestellt habe, habe keine Pflicht bestanden, diese zu nutzen. Überdies sei die Beigeladene zu 1. nicht ausschließlich für die Klägerin tätig gewesen, sondern auch für Dritte. Dass der Ort der Tätigkeit vorgegeben sei, sei tätigkeitsimmanent gewesen und nicht von entscheidendem Gewicht. Die Geringfügigkeit des unternehmerischen Risikos folge daraus, dass kein wesentlicher Kapitaleinsatz erfolge.
Gegen das ihr am 4. Dezember 2018 zugestellte Urteil richtet sich die am 21. Dezember
2018 eingelegte Berufung der Beklagten. Sie hält an ihrer Auffassung fest und betont, die Beigeladene zu 1. sei als Erfüllungsgehilfin eingesetzt worden, damit die Klägerin ihre Aufträge Dritten gegenüber erfüllen könne.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 19. November 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin wiederholt ihre Argumentation und bekräftigt ihr Vorbringen zur fehlenden funktionsgerecht dienenden Eingliederung der Beigeladenen zu 1. Lediglich Ort und Zeit seien auftragsimmanent vorgegeben gewesen. Insbesondere spreche die Höhe des Stundenhonorars für eine selbstständige Tätigkeit, da sie Eigenvorsorge erlaube. Die Beigeladene zu 1. sei Mitglied der Ärztekammer. Sie selbst sei Verpflichtungen gegenüber dem Auftraggeber eingegangen, die mehr erforderten als die Bereitstellung ärztlichen Sachverstands. Auch aus dem Vertragsverhältnis der Klägerin mit ihren Kunden könne nicht der Schluss gezogen werden, die Erfüllung der Aufgaben könne nur in abhängiger Beschäftigung zur Klägerin erfolgen.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge vorgelegen. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die aktenkundigen Unterlagen und Schriftsätze Bezug genommen. Sie sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und auch überwiegend begründet.
Zu Unrecht hat das SG die streitbefangenen Bescheide der Beklagten insgesamt aufgehoben und festgestellt, dass für die Beigeladenen zu 1. vorliegend keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung bestanden hat. Insoweit ist die Klage abzuweisen gewesen.
Im Übrigen (keine Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1. nach dem Recht der Arbeitsförderung) ist das Urteil des SG aber nicht zu beanstanden, sodass die Berufung insoweit keinen Erfolg haben konnte.
- Gegenstand des Verfahrens ist der gegenüber der Klägerin erlassene Bescheid der Beklagten vom 17. April 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 2014. Streitig ist idZ die Feststellung der Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1. in der Tätigkeit für die Klägerin am 14. Juni 2013 und vom 16. bis 20. September 2013 durch die Beklagte in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Abs 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), in der gesetzlichen Pflegeversicherung nach § 20 Abs 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI), in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) und nach dem Recht der Arbeitsförderung nach § 25 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III).
- Die Beigeladene zu 1. war bei der Klägerin am 14. Juni 2013 und vom 16. bis 20. September 2013 abhängig beschäftigt mit Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, der gesetzlichen Pflegeversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung, nicht jedoch nach dem Recht der Arbeitsförderung.
Nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI und nach § 25 Abs 1 Satz 1 SGB III sind versicherungspflichtig Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Beschäftigung ist § 7 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV ist eine Beschäftigung die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs 1 Satz 2 SGB IV). Unter Berücksichtigung der Maßstäbe der Rechtsprechung des BSG (dazu a)) stand die Beigeladene zu 1. bei der Erfüllung des Vertrags für die Einsätze am 14. Juni 2013 und vom 16. bis 20. September 2013 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin (dazu b)).
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem nach Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr jeweils mwN: BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 KR 17/11 R – Rn 23 <telefonische Gesprächspartnerin>; BSG, Urteil vom 31. März 2017 - B 12
R 7/15 R – Rn 21 <Erziehungsbeistand nach SGB VIII>; BSG, Urteil vom 14. März 2018
– B 12 R 3/17 R – Rn 12 <Musikschullehrer>; BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 3/17 R – Rn 12 <Bühnenkünstler> juris). Das kann bei manchen Tätigkeiten dazu führen, dass sie in Abhängigkeit von den jeweiligen Umständen sowohl als Beschäftigung als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses ausgeübt werden können (BSG, Urteil vom 31. März 2017 – B 12 R 7/15 R – Rn 21 <Erziehungsbeistand nach SGB VIII> juris), wobei auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen für das jeweilige Tätigkeitsfeld festzustellen und in die Gesamtwürdigung einzustellen sind (vgl BSG, Urteil vom 31. März 2017 – B 12 R 7/15 – Rn 13 <Erziehungsbeistand nach SGB VIII>; BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 - B 12 R 11/18 R – Rn 26, 31 <Konsiliararztvertrag> juris).
Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt nach der weiteren Rechtsprechung des BSG voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden. Bei der Statusbeurteilung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen, den die Verwaltung und die Gerichte konkret festzustellen haben. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 3/17 R – Rn 12/13 mwN<Musikschullehrer> juris), wobei auch zu prüfen ist, ob die Verträge tatsächlich wie vereinbart „gelebt“ wurden (BSG, Urteil vom 31. März 2017 – B 12 R 7/15 R – Rn 22 <Erziehungsbeistand nach SGB VIII> juris). Ausgangspunkt der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung ist der im Vertrag zum Ausdruck kommende Wille der Parteien. Bestehen Divergenzen zwischen der Vertragsdurchführung und der Vereinbarung, geht die gelebte Praxis der formellen Vereinbarung grundsätzlich vor (BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R – Rn 24 mwN <Konsiliararztvertrag> juris).
Ergänzend dazu ist vorliegend bei der Abgrenzung zwischen einer abhängigen Beschäftigung und einer selbstständigen Tätigkeit auf die jeweiligen tageweisen Einsätze der Beigeladenen zu 1. für die Klägerin abzustellen. Nach den zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. abgeschlossenen Honorarverträgen sind die Einsatztage der Beigeladenen zu 1. jeweils vereinbart und im Nachgang hinsichtlich der täglichen Einsatzzeit konkretisiert worden. Bei einer derartigen Vertragsgestaltung ist für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses grundsätzlich auf die einzelnen Verhältnisse abzustellen, die während der Ausführung der jeweiligen Einzelaufträge entstehen (BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R – Rn 21 mwN juris).
b) Die Anwendung dieser Maßstäbe auf den Honorarvertrag der Klägerin mit der Beigeladenen zu 1. und die Gewichtung der für und gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechenden Umstände führen zu der Bewertung, dass die Beigeladene zu 1. zu der Klägerin in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stand. Dafür ist zunächst maßgeblich, dass die (hier vertraglich vereinbarten) regulatorischen Rahmenbedingungen zwischen der Klägerin und ihrer Kundin – der G________________ GmbH in Zusammenarbeit mit der Krankenkasse – eine weitgehende Eingliederung in die Organisations- und Weisungsstruktur der Klägerin erforderten <dazu aa)> und außerdem keine gewichtigen, für eine selbstständige Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. sprechenden Indizien ersichtlich sind <dazu bb)>.
aa) Die Beigeladene zu 1) stand nicht in einem Beschäftigungsverhältnis zur Z, so dass ein Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin nicht bereits aus diesem Grund ausgeschlossen ist <dazu (1)>. Der rechtliche Rahmen für den Honorarvertrag der Beigeladenen zu 1. mit der Klägerin wurde nicht durch gesetzliche Regelungen gesetzt, die den (sozialversicherungsrechtlichen) Status der Beigeladenen zu 1. mitbestimmen <dazu (2)>, sondern wurde durch vertragliche Vereinbarungen der Klägerin mit einem Dritten – hier einem Unternehmen in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber und einer Krankenkasse – abgesteckt, dessen Umstände ebenso zu ermitteln sind wie bei gesetzlichen Vorgaben (vgl zu letzterem BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 12/18 R – Rn 27 juris) <dazu 3)>.
- Die Beigeladene zu 1. stand in keinem dauerhaften Beschäftigungsverhältnis zur Z, sondern war dort lediglich als zu vermittelndes ärztliches Personal registriert. Eine Arbeitnehmerüberlassung im Sinne von § 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) lag nicht vor. Es fehlt an einem – dafür nach § 1 Abs 1 Satz 3 AÜG erforderlichen – Arbeitsverhältnis der Z mit der Beigeladenen zu 1. Es gibt weder einen schriftlichen Arbeitsvertrag noch Anhaltspunkte dafür, dass tatsächlich ein Arbeitsverhältnis zwischen der Z und der Beigeladenen zu 1. gelebt und somit eine Arbeitnehmerüberlassung praktiziert wurde. Die AGB, die Gegenstand des Honorarvertrages zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. wurden, lassen nicht erkennen, dass die Beigeladene zu 1. bei der Tätigkeit für die Klägerin Weisungen der Z unterlag oder die Z den Vertragsgegenstand zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. maßgeblich beeinflusste.
Auch soweit die Geltung der AGB der Z zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. in dem Honorarvertrag vereinbart wurde, so betreffen diese lediglich einen organisatorischen Rahmen für den Abschluss des Honorarvertrags zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. sowie die Abrechnung. Die Z leitete ferner nicht das von der Klägerin zu zahlende Honorar an die Beigeladene zu 1. weiter, sondern die Klägerin beglich die Rechnung direkt gegenüber der Beigeladenen zu 1. Die Verwendung der Formulare der Z diente nur dazu, anhand der Höhe des Honorars die Vermittlungsprovision zu bestimmen, die der Auftraggeber – hier die Klägerin – zahlt.
- Ärztliche Tätigkeiten können weder per se nur als selbstständige Tätigkeit noch ausschließlich als abhängige Beschäftigung ausgeübt werden (BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 - B 12 R 12/18 R – Rn 26 juris). Die Beigeladene zu 1. war vielmehr durch ihre Tätigkeit in eine Dienstleistung eingebunden, die die Klägerin als Vertragspartner des Unternehmens unter Beteiligung einer Krankenkasse organisatorisch und inhaltlich ausgefüllt hat. Für die Organisation und Durchführung von Gesundheitstagen der Arbeitgeber für ihre Arbeitnehmer gibt es keine gesetzlich bestimmten Rahmenbedingungen, die den Umfang solcher freiwilligen Leistungsangebote determinieren. Das gilt auch dann, wenn Träger der gesetzlichen Krankenversicherung sich an der Finanzierung beteiligen. Zwar ist das System der gesetzlichen Krankenversicherung durch das SGB V gesetzlich ausgestaltet. Die Klägerin ist jedoch keine Leistungserbringerin im Sinne von § 72 SGB V. Für Präventionsleistungen der gesetzlichen Krankenkassen für ihre Versicherten zu den Themen Gesundheit, Vorsorge, Krankheitsbilder, Behandlungsmöglichkeiten etc als nach § 1 Satz 4 und § 20 SGB V mögliches und die Leistungen des Dritten Kapitels des SGB V ergänzendes Angebot gibt es keine gesetzlichen Regelungen für die Leistungserbringung, die mit den für Vertragsärzte, Krankenhäuser oder andere Leistungserbringer geltenden Regelungen vergleichbar sind.
- Die ärztliche Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. wurde vielmehr unabhängig von gesetzlichen Vorgaben, jedoch wesentlich durch die Verträge der Klägerin mit der G________________ GmbH unter Beteiligung der Krankenkasse geprägt.
Die Klägerin hatte den abgeschlossenen Vertrag zu dem Angebot mit dem Thema „Diabetes Mellitus mittels AGE-Reader und „Point of Care“-Gerät zur BZ-Bemessung“ zu erfüllen. Dieses Screeningangebot beinhaltete die Durchführung der Untersuchungen in dem Unternehmen durch spezialisierte Ärzte, die Dokumentation der erhobenen Befunde in doppelter Ausführung inklusive einer anonymisierten Version für die statistische Auswertung und die Anlieferung und Abholung der notwendigen Untersuchungstechnik bei acht Stunden Screening pro Tag. Diese Vertragsvereinbarungen musste die Ärztin/der Arzt umsetzen, indem sie/er einen AGE-Reader und den von der Klägerin gestellten Dokumentationsbogen verwendete und am vereinbarten Tag während der vereinbarten Zeitfenster die ärztliche Betreuung der Präventionsleistung übernahm. Zur Erfüllung dieser vertraglichen Aufgabe bei der G________________ GmbH setzte die Klägerin die Beigeladene zu 1. ein. Die Beigeladene zu 1. war daher durch ihren Einsatz in ein Dienstleistungsverhältnis der Klägerin mit einem Dritten – G________________ GmbH, die ihren Beschäftigten Gesundheitstage anbot – verteilt auf zwei Zeiträume eingebunden und damit zwangsläufig in das Geschäftsmodell der Klägerin eingegliedert.
bb) Gewichtige Indizien, die für eine – bei dem Geschäftsmodell der Klägerin nach den vorangestellten Darlegungen allenfalls ausnahmsweise in Betracht kommende – selbstständige Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. sprechen, liegen dabei nicht vor.
Soweit die Klägerin eine selbstständige Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. angenommen hat, kommt sowohl diesem als auch einem übereinstimmenden Willen von Auftraggeber und Auftragnehmer nur eine untergeordnete Bedeutung zu, da die Vertragsparteien es nicht in der Hand haben, die kraft öffentlichen Rechts angeordnete Sozialversicherungspflicht durch bloße übereinstimmende Willenserklärung auszuschließen (vgl BSG, Urteil vom 14. März 2018 - B 12 R 3/17 R – Rn 13 juris).
Auch soweit die Klägerin davon ausgeht, dass die ärztliche Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. im Rahmen eines „weisungsfreien Verhältnisses“ erfolgt ist, steht dieser Annahme die Bewertung der gelebten Praxis der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. entgegen. Die Bewertung der tatsächlichen Umstände, unter denen die Beigeladene zu 1. Arbeitnehmer im Geschäftsbetrieb der G________________ GmbH screente, ergibt, dass sie in das von der Klägerin geschuldete Dienstleistungsangebot eingegliedert war und dabei in gewissem Umfang auch deren Weisungen unterlag.
Daran hat der Senat insgesamt keine Zweifel. Die Beigeladene zu 1. war ersichtlich in das – oben beschriebene – System der Präventionsleistungen, das die Klägerin für Arbeitgeber organisiert(e), eingebunden. Sie wurde eingesetzt, um das von der Klägerin angebotene Screening umzusetzen.
Sofern die Beigeladene zu 1. neben den durch den Vertrag der Klägerin mit der G________________ GmbH vorgegebenen Materialien das Screening auch unter Einsatz eigenen erworbenen Fachwissens durchführte, ist dieser Umstand der Tätigkeit höherer Art, die sie ausübte, immanent und spricht nicht für eine selbstständig ausgeübte Tätigkeit. Im Übrigen erwartet der Arbeitgeber bzw Auftraggeber sowohl bei einem abhängig Beschäftigten als auch bei einer selbstständigen Tätigkeit, dass das entsprechende Wissen für die Erfüllung der vertraglich übernommenen Aufgabe vorhanden ist.
Ferner spricht der Umstand, dass die Beigeladene zu 1. auch einen eigenen AGE-Reader hätte verwenden können, nicht zwingend für eine weisungsfreie, ausschließlich selbstständig organisierte und selbstbestimmte Tätigkeit, da – wie bereits ausgeführt – auf die tatsächliche Umsetzung des Vertragsverhältnisses abzustellen ist. Tatsächlich nämlich hat die Beigeladene zu 1. den von der Klägerin gestellten AGE-Reader genutzt, den vorgefertigten Screeningbogen verwendet und sich an die von der Klägerin mit der G________________ GmbH vereinbarten Zeiten gehalten.
Auch dem Fehlen arbeitnehmertypischer Rechte (wie zB Urlaubsanspruch, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall usw) kommt für die Abgrenzung keine entscheidende Bedeutung zu, denn es handelt sich dabei um von den Vertragspartnern gewählte Gestaltungselemente, die hinter der in §§ 7, 7a SGB IV zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Bewertung von Tätigkeiten als Beschäftigung regelmäßig zurücktreten, da sie in erster Linie nur formalen Charakter haben (vgl Bayerisches Landessozialgericht <LSG>, Urteil vom 20. Oktober 2016 – L 7 R 920/15 – Rn 50 juris). Gleiches gilt für den Umstand, dass die Beigeladene zu 1. über die Ärztekammer abgesichert ist. Denn dieser Aspekt ist vergleichbar mit dem Umstand, dass ein Auftragnehmer seine Kosten für die soziale Absicherung selbst trägt, wobei dieser faktische Umstand nicht die Annahme eines Unternehmerrisikos rechtfertigt, da es sich dabei nicht um ein solches Risiko handelt (vgl BSG,
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Urteil vom 12. Januar 2001 – B 12 KR 17/00 R – Rn 24; dem folgend Thüringer LSG, Urteil vom 23. Mai 2006 – L 2 RJ 378/02 – Rn 22 juris).
Daneben ist die Höhe der vereinbarten – erfolgsunabhängigen – Stundenvergütung nur ein Indiz mit eingeschränkter Bedeutung. Diese Einschränkung der indiziellen Bedeutung der Honorarhöhe für eine selbstständige Tätigkeit ergibt sich daraus, dass die Sozialversicherung auch dem Schutz der Interessen der Mitglieder von in Pflichtversicherungssystemen zusammengeschlossenen Solidargemeinschaften verpflichtet ist. Den Vertragspartnern steht keine Dispositionsfreiheit in dem Sinne zu, dass sich der Auftraggeber durch die Vereinbarung eines Zuschlages zu einem üblichen Stundenlohn eines vergleichbaren abhängig Beschäftigten von der Sozialversicherungspflicht "freikaufen" kann. Das Recht der Sozialversicherung wird beherrscht vom Grundsatz der Solidarität aller abhängig Beschäftigten. Dieser Grundsatz schließt es aus, die Versicherungspflicht über die gesetzlich geregelten Tatbestände hinaus von einem individuellen Schutzbedürfnis abhängig zu machen, zumal dieses Schutzbedürfnis sich beim Einzelnen im Laufe der Zeit wandeln kann. Wenn die Versicherungspflicht solchen Wandlungen folgen würde, wäre die Gefahr einer negativen Risikoauslese gegeben (BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 12/18 R – Rn 34 juris). Die Honorarhöhe von 70,00 EUR pro Stunde spricht hier weder für noch gegen abhängige Beschäftigung, da nicht objektivierbar ist, ob die Beigeladene zu 1. mehr oder weniger Honorar erhielt als andere Ärzte für vergleichbare Einsätze. Denn die Klägerin selbst beschäftigt keine Ärzte, deren Entlohnung einem Vergleich unterzogen werden könnte. Die Erstattung von weiteren Spesen oder Aufwänden neben der Stundenvergütung in Höhe von 70,00 EUR mit pauschal 40,00 EUR spricht allerdings gegen ein unternehmerisches Risiko und – monetär betrachtet – in der Gesamtschau gegen eine selbstständige Tätigkeit (vgl Bayerisches LSG, Urteil vom 27. September 2019 – L 16 R 5084/16 – Rn 47 juris).
Dass die Beigeladene zu 1. über die Vermittlungsagentur Z und weitere Agenturen am Markt für Honorarärzte vertreten war und diversen Auftraggebern zur Verfügung stand, tritt als untergeordnetes Indiz für Selbstständigkeit hinter den Umständen, die eine Eingliederung in den Dienstleistungsauftrag der Klägerin gegenüber dem Dritten – Unternehmen G________________ GmbH – begründen, zurück.
Damit steht für den Senat fest, dass die Beigeladene zu 1. organisatorisch in den Ablauf der Erfüllung des Auftrags der Klägerin mit der G________________ GmbH eingegliedert war. Die Beigeladene zu 1. erschien dort – wie vereinbart – am 14. Juni 2013 bzw vom 16. bis 20. September 2013 und führte die ärztlichen Leistungen durch. Ort und Zeit waren durch den Auftrag der Klägerin vorgegeben und somit auftragsimmanent. Der Aufgabenbereich der Beigeladenen zu 1. umfasste – wie zuvor abgestimmt – sämtliche ärztlichen Dienstleistungen, die die Klägerin ihrem Auftraggeber gegenüber vertraglich zugesichert hatte, und dokumentarische Aufgaben.
Für die Abgrenzung ist es schließlich nicht von Bedeutung, ob die honorarärztliche Tätigkeit als Haupterwerbsquelle oder – wie hier – im Nebenerwerb ausgeübt wird und ob es sich um kurzfristige und seltene Arbeitseinsätze oder um eine verstetigte Geschäftsbeziehung handelt. Eine versicherungspflichtige Beschäftigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Dazu gehört nicht eine wirtschaftliche Abhängigkeit. Das Sozialversicherungsrecht ordnet Versicherungspflicht nicht nur für unbefristete Dauerbeschäftigungen an. Vielmehr sind – sofern die Geringfügigkeitsgrenzen überschritten sind – auch zeitlich befristete Arbeitseinsätze der Sozialversicherungs- und Beitragspflicht unterworfen. Für unständig Beschäftigte sieht das Sozialversicherungsrecht ebenfalls spezielle Regelungen vor, ohne generell Versicherungsfreiheit anzuordnen (BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 2/18 R – Rn 28 juris).
c) Versicherungspflicht bestand für die Beigeladene zu 1. allerdings nur in der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und der Rentenversicherung, nicht jedoch nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die Beigeladene zu 1. war nicht geringfügig beschäftigt <dazu aa)>, jedoch unständig beschäftigt im Sinne des Rechts der Arbeitsförderung <dazu bb)>.
aa) Es lag weder eine entgeltgeringfügige noch eine zeitgeringfügige Beschäftigung der Beigeladenen zu 1. für die Klägerin vor.
Da das Entgelt der Beigeladenen zu 1. sowohl für ihren Einsatz am 14. Juni 2013 als auch für ihren Einsatz vom 16. bis 20. September 2013 die Entgeltgrenze des § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV von 450,00 EUR überstieg, lag keine entgeltgeringfügige Beschäftigung vor.
Die Beigeladene zu 1. war bei der Klägerin aber auch nicht zeitgeringfügig beschäftigt. Eine zeitgeringfügige Beschäftigung liegt vor, wenn die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 450,00 Euro im Monat übersteigt (§ 8 Abs 1 Nr 2 SGB IV). Die Beigeladene zu 1. gab zwar im Rahmen der Antragstellung an, beim Universitätsklinikum Essen in „Vollzeit mit dem versicherungsrechtlichen Status
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einer Praktikantin“ tätig gewesen zu sein. Der benannte „versicherungsrechtliche Status“ bezog sich jedoch auf den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung und bedeutete nicht, dass ein „sozialversicherungspflichtiger Status“ vorlag. Die Beigeladene zu 1. gab ferner formularmäßig an, bei der Klägerin nicht mehr als 50 Arbeitstage oder zwei Monate beschäftigt gewesen zu sein (Ziffer 1.11 Antrag V027 für das Verhältnis zur Klägerin). Die Beklagte hat seinerzeit nicht geprüft, ob bei den streitgegenständlichen Einsätzen der Beigeladenen zu 1. eine zeitgeringfügige Beschäftigung im Sinne von § 8 Abs 1 Nr 2 SGB IV vorgelegen hat oder nicht.
Der Einsatz der Beigeladenen zu 1. für die Klägerin war zwar von vornherein begrenzt auf ein bzw fünf Tage. Gleiches gilt für die aktenkundigen tageweisen Einsätze der Beigeladenen zu 1. in Krankenhäusern. Allerdings übte sie die Beschäftigung für die Klägerin berufsmäßig aus. Eine Beschäftigung oder Tätigkeit wird dann berufsmäßig ausgeübt iS von § 8 Abs 1 Nr 2 SGB IV, wenn sie für den Beschäftigten nicht nur von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung ist und er damit seinen Lebensunterhalt überwiegend oder doch in einem solchen Umfang bestreitet, dass seine wirtschaftliche Situation zu einem erheblichen Teil auf dieser Beschäftigung beruht. Das hat das BSG bei einem Anteil des Entgelts für die streitgegenständliche Beschäftigung von rund 10 vH bejaht und eine zeitgeringfügige Beschäftigung verneint (BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 17/16 R – Rn 12 juris). Sofern für nur kurzfristige, die Zeit zwischen Schulende und Studienbeginn überbrückende Tätigkeiten angenommen wird, diese würden in der Regel nicht berufsmäßig ausgeübt werden (BSG, Urteil vom 24. November 2020 – B 12 KR 34/19 R – Rn 14; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. März 2018 – L 4 R 4791/15 – Rn 70 juris), liegt ein solcher Fall nicht vor. Denn die Beigeladene zu 1. hat nicht die Zeit zwischen Schule und Hochschulstudium oder ähnlichem für die streitgegenständliche Tätigkeit genutzt, sondern während ihrer Zeit als Stipendiatin für die Klägerin – und zwei Krankenhäuser – gearbeitet. Eine der Übergangszeit zwischen Schule und Hochschulstudium vergleichbare Situation lag für die Zeit des vollschichtigen berufsbezogenen Praktikums mit Einkommen aus einem Stipendium nicht vor.
Angesichts der Höhe des aus der Tätigkeit für die Klägerin erzielten Honorars von 560,00 EUR und 2.800,00 EUR verbesserten diese Einnahmen die wirtschaftliche Situation der Beigeladenen zu 1. deutlich, da diese Einnahmen bereits zzgl des Stipendiums (Stipendium monatlich 1.600,00 EUR zzgl Sachkostenpauschale 150,00 EUR – für 12 Monate 21.000,00 EUR) fast 14 % der ihr zur Verfügung stehenden Einnahmen ausmachten. Unter Berücksichtigung der weiteren Einnahmen aus der Tätigkeit als Honorarärztin für die beiden Krankenhäuser (S___ Kliniken 2.000,00 EUR <Bl. 60,61> und D1_________Krankenhaus 3.315,00 EUR <Bl 72>) verfügte sie insgesamt über 29.675,00 EUR (21.000,00 EUR Stipendium plus 8.675,00 EUR), so dass das Honorar für die streitgegenständliche Tätigkeit an den Einnahmen der Beigeladenen zu 1. einen Anteil von 11% ausmachte und damit immer noch einen bedeutenden Anteil im Sinne der Rechtsprechung des BSG darstellte.
bb) Allerdings war die Beigeladene zu 1. als unständig Beschäftigte nach dem Recht der Arbeitsförderung in der streitgegenständlichen Tätigkeit versicherungsfrei. Nach § 27 Abs 3 Nr 3 SGB III sind Personen in einer unständigen Beschäftigung, die sie berufsmäßig ausüben, versicherungsfrei. Unständig ist danach eine Beschäftigung, die auf weniger als eine Woche der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegt oder im Voraus durch Arbeitsvertrag beschränkt ist. Dabei wird darauf abgestellt, dass diese Beschränkung von vornherein galt und zu Beginn feststand (vgl LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. März 2020, L 9 KR 302/16 Rn 54,55 juris). Dem steht auch ein wiederholtes Tätigwerden für einzelne Unternehmen nicht entgegen, weil selbst eine Aneinanderreihung unständiger Beschäftigungen bei demselben Arbeitgeber, noch kein dauerhaftes Beschäftigungsverhältnis begründet. Letzteres erfordert vielmehr eine ununterbrochen anhaltende Verfügungsmacht des Arbeitgebers über die Arbeitskraft des Betroffenen (vgl BSG, Urteil vom 27. April 2016 – B 12 KR 16/14 R – Rn 38 mwN; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. Februar 2019 – L 18 AL 80/18 – Rn 19 juris). Der Senat legt seiner Entscheidung zugrunde, dass eine Woche im Sinne von § 27 Abs 3 Nr 3 SGB III sieben – und nicht fünf – (Arbeits-)Tage hat. Dieses Verständnis wird normativ zB auf die Fristenregelung in § 64 Abs 2 SGG gestützt, wonach eine nach Wochen bestimmte Frist mit dem Ablauf desjenigen Tages endet, welcher nach Benennung oder Zahl demjenigen entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Ferner spricht für diese kalendarische Betrachtung, dass die Regelung des § 27 Abs 3 Nr 3 SGB III auf alle Arten von Beschäftigung anwendbar sein muss und somit auch für solche, die typischerweise mit Diensten auch am Wochenende verbunden sind, so dass nicht auf eine 5-Tage-Arbeitswoche abzustellen ist.
Im Übrigen ist die unständige Beschäftigung nur relevant für die Höhe der beitragspflichtigen Einnahmen in den übrigen Sozialversicherungszweigen (§ 232 SGB V, § 57 SGB XI iVm § 232 SGB V, § 163 SGB VI).
- Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a Abs 1 SGG iVm den §§ 155 Abs 1 Satz 1, 162 Abs 3 VwGO und orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.
- Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er der sozialversicherungsrechtlichen Bewertung eines Vertragsverhältnisses wie dem zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. abgeschlossenen Vertrag für kurzfristige Einsätze angesichts des verbreiteten Angebots der Organisation von Gesundheitstagen für Unternehmen grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG beimisst.