L 3 R 108/18

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 49 R 20/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 R 108/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30.11.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe der Rente wegen Erwerbsminderung der Klägerin unter Anerkennung einer Beitragszeit vom 24.07.1968 bis zum 23.11.1969.

Die 1950 geborene Klägerin ist spanische Staatsbürgerin. Sie beantragte am 11.05.2005 über den spanischen Sozialversicherungsträger bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinprovinz, die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Im Antragsvordruck wurden Versicherungszeiten in Deutschland von 1969 bis 1977 geltend gemacht. Die LVA Rheinprovinz ermittelte Versicherungszeiten ab dem 25.11.1969 mit Pflichtbeitragszeiten (mit Unterbrechungen) bis zum 30.09.1982, zuletzt wegen Kindererziehung. Die Pflichtbeitragszeit beginnend mit dem 25.11.1969 wurde dabei der Rentenversicherung der Arbeiter zugeordnet und mit VKNR (Versicherungskarte Nr.) 01 bezeichnet. Der Rentenantrag der Klägerin wurde mit Bescheid vom 15.03.2006 abgelehnt, da keine volle oder teilweise Erwerbsminderung vorgelegen habe. Nach Zurückweisung des Widerspruchs mit Widerspruchsbescheid vom 10.07.2007 erhob die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf (Az. S 39 R 193/07). Das Klageverfahren wurde durch Klagerücknahmefiktion gem. § 102 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nach Betreibensaufforderung am 10.10.2008 beendet.

Die Klägerin stellte daraufhin am 24.02.2009 einen Antrag nach § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches – Verwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) und am 25.11.2009 einen erneuten Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung über den spanischen Sozialversicherungsträger. Dabei waren in der Anlage zum Rentenantrag Beschäftigungszeiten in Deutschland angegeben und zwar ab dem 25.11.1969 bei der „L KG“. Mit Bescheid vom 26.05.2010 lehnte die Beklagte den Rentenantrag erneut ab, da die medizinischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15.03.2011 zurückgewiesen. Hiergegen erhob die Klägerin am 07.04.2011 Klage vor dem SG Düsseldorf (Az. S 27 R 1152/11). Dabei gab die Klägerin als erste Beschäftigung in Deutschland die Tätigkeit bei der L als Arbeiterin ab dem 25.11.1969 an. Nachdem das SG ein internistisches Gutachten von Dr. S vom 10.08.2012 eingeholt hatte, in dem das Leistungsvermögen der Klägerin mit drei bis vier Stunden leichte Arbeiten täglich beurteilt worden war, beendeten die Beteiligten den Rechtsstreit durch Vergleich dahingehend, dass die Beklagte der Klägerin ab dem 01.12.2009 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer und vom 01.06.2010 bis zum 31.12.2013 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit gewährte.

Mit Bescheiden vom 25.02.2013 (Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 01.12.2009) und 21.03.2013 (Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.06.2010) führte die Beklagte den Vergleich zunächst durch Vorschussbescheide aus. Dabei berücksichtigte sie Versicherungszeiten in Deutschland ab Beginn der Pflichtbeitragszeit am 25.11.1969.

Gegen den Bescheid vom 25.02.2013 legte die Klägerin am 19.03.2013 Widerspruch ein, weil eine Beitragszeit vom 24.07.1968 bis zum 23.11.1969 bei der Fa. R GmbH – Schuhfabrik – in A bei der Rentenberechnung nicht berücksichtigt worden sei. Mit entsprechender Begründung widersprach die Klägerin am 19.04.2013 auch dem Bescheid vom 21.03.2013.

Die Beklagte befragte die AOK Niedersachsen zu der Zeit vom 24.07.1968 bis 23.11.1969 bei der Schuhfabrik R. Diese teilte am 16.04.2013 mit, es läge kein Nachweis vor, Unterlagen seien vernichtet worden. Zudem holte die Beklagte eine Auskunft der Stadt I vom 17.04.2013 ein, wonach die Klägerin dort seit dem 24.11.1969 gemeldet gewesen sei. Eine frühere Zuzugswohnung sei unbekannt. Die Klägerin legte die Kopie eines Antrags auf Verlängerung einer Arbeitserlaubnis vom 15.07.1969 vor, in dem angegeben worden ist, dass die letzte Beschäftigung im Bundesgebiet vom 24.07.1968 bis auf weiteres bei der Fa. R, A, vorgelegen habe. Die Verlängerung der Arbeitserlaubnis wurde beantragt für eine weitere Beschäftigung bei der Fa. R GmbH ab dem 24.07.1968, die diese Angaben bestätigte. Weiterhin legte sie die Kopie eines Antrags auf eine Erteilung/Verlängerung der Arbeitserlaubnis vom 24.11.1969 für eine Beschäftigung bei der L KG in I ab dem 25.11.1969 vor, in der als letzte Beschäftigung die Tätigkeit bei der R GmbH A von 7/68 bis 11/69 angegeben worden ist, sowie die Kopie einer Legitimationskarte, ausgestellt von der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, Deutsche Kommission in Spanien für die Zeit vom 24.07.1968 bis zum 23.07.1969, in der als Arbeitgeber „R, A“ angegeben worden ist, vor.

Mit Bescheid vom 23.07.2013 erklärte die Beklagte den Vorschussbescheid vom 21.03.2013 für endgültig. Hiergegen erhob die Klägerin am 06.08.2013 Widerspruch.

Die Beklagte forderte von der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover dort vorliegende Versicherungskarten (VKen) an, die am 13.08.2013 mitteilte, dass keine VKen vorlägen bzw. sich keine hätten ermitteln lassen. Es sei keine Beitragserstattung durchgeführt worden.

Mit Bescheid vom 14.03.2014 gewährte die Beklagte auf entsprechenden Antrag der Klägerin weiterhin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bis zum 31.05.2015.

Die Klägerin wies am 08.04.2014 darauf hin, dass von der Deutschen Anwerbekommission die Namen „M“ (statt „N“) und „O“ (statt „R“) verwendet worden seien, und dass keine Anfragen an die Gemeindeverwaltung B hinsichtlich der Anmeldung der Klägerin in B, Ortsteil A, C-Straße 1 ebenso wie an das Arbeitsamt H und die IKK B gerichtet worden seien. Die Beklagte befragte daraufhin die AOK Niedersachsen hinsichtlich der abweichenden Schreibweisen „M“ und „O“, woraufhin diese erneut angab, dass kein Nachweis vorläge. Die IKK classic teilte auf Nachfrage der Beklagten mit, dass die Klägerin dort nicht gemeldet gewesen sei. Zuständig sei eventuell die AOK Niedersachsen gewesen, da diese mit der IKK Niederrhein fusioniert habe. Das Versicherungsamt Niedersachsen teilte mit, dass Unterlagen nicht vorlägen, da die Firma nicht mehr bestehe, die Krankenkasse ihre Unterlagen maximal 30 Jahre aufbewahre und im Archiv des Einwohnermeldeamtes B keine Unterlagen vorhanden seien.

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 16.06.2014 die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und mit Bescheid vom 13.11.2014 die Rente wegen voller Erwerbsminderung neu fest unter weiterer Anerkennung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.11.2014 wies die Beklagte die Widersprüche vom 15.03.2013 sowie 10.04.2013 zurück. Eine Beitragsleistung für die behauptete Beschäftigung vom 24.07.1968 bis zum 23.11.1969 sei weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Es genüge nicht nur, dass das Beschäftigungsverhältnis als solches glaubhaft gemacht sei, vielmehr müsse es auch überwiegend wahrscheinlich sein, dass während des Beschäftigungsverhältnisses Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet worden seien.

Hiergegen hat die Klägerin am 06.01.2014 Klage vor dem SG Düsseldorf erhoben. Sie hat neben den Originalen des Antrags auf Erteilung/ Verlängerung einer Arbeitserlaubnis vom 24.11.1969, des Antrags auf  Verlängerung der Arbeitserlaubnis vom 15.7.1969 und der Legitimationskarte eine Kopie der Personenregisterkarte der Stadt B übersandt, wonach sie am 29.07.1968 von La Pereira zugezogen sei. Die Klägerin hat mitgeteilt, sie besitze keine Versicherungsunterlagen, die eine Beitragszeit vom 24.07.1968 bis zum 23.11.1969 belegten. Diese Beitragszeit sei jedoch durch die vorgelegten Unterlagen glaubhaft gemacht. Sie hat schriftliche Aussagen der J, K und P übersandt, die Angaben gemäß in der Zeit vom 15.09.1969 bis zum 23.11.1969 zusammen mit der Klägerin bei der Firma R gearbeitet und im gleichen Wohnheim gewohnt haben. Die Klägerin hat vorgetragen, bei diesen Zeuginnen seien tatsächlich Sozialversicherungsbeiträge über die AOK B an die Rechtsvorgängerin der Beklagten gezahlt worden. Sie hat eine Kopie der Versicherungskarte Nr. 01 der Frau P und deren Arbeitsvertrag mit der Fa. R vom 25.01.1968 übersandt. Des Weiteren hat sie  vorgebracht, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), Urteil vom 28.11.1963 – 12 RJ 240/62 – sei, wenn ein rentenversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zumindest glaubhaft gemacht sei, regelmäßig, aber nicht in jedem Fall, auch eine vorgeschriebene Verwendung von Beitragsmarken durch den Arbeitgeber glaubhaft gemacht.

Die Klägerin hat beantragt,

die Bescheide vom 25.02.2013, 21.03.2013, 23.07.2013, 16.06.2014 sowie 13.11.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.11.2014 teilweise aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Berücksichtigung rentenrechtlicher Zeiten 24.07.1968 bis 23.11.1969 eine höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.06.2010 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, die vorgelegten Unterlagen und Zeugenaussagen seien zur Glaubhaftmachung eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nicht ausreichend, weil mit diesen Unterlagen eine Beitragsleistung zur Rentenversicherung nicht glaubhaft gemacht worden sei.

Das SG hat bei dem Zentralarchiv der AOK Niedersachsen angefragt, ob dort noch (mikroverfilmte oder sonstige) Unterlagen über eine Mitgliedschaft der Klägerin in der streitigen Zeit vorliegen. Das Servicezentrum B der AOK Niedersachsen hat am mit Schreiben vom 27.10.2016 und 26.05.2017 mitgeteilt, dass für die Klägerin keine Versicherungszeiten zu ermitteln seien. Nach Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist von 30 Jahren seien alle Dokumentationen vernichtet worden. Ein Zentralarchiv in I existiere nicht, Unterlagen könnten nur im Servicezentrum B vorliegen, hier seien jedoch keine Archivdaten mehr vorhanden. Die Stadt B hat mit Schreiben vom 28.07.2017 mitgeteilt, dass die Klägerin nach der vorliegenden Meldekarte am 29.07.1968 von La Pereira kommend nach B zugezogen und am 20.11.1969 nach I verzogen sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 30.11.2017 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, durch den vorgelegten Antrag auf Verlängerung der Arbeitserlaubnis sei lediglich glaubhaft gemacht worden, dass eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt ausgeübt worden sei. Nicht glaubhaft gemacht worden sei jedoch, dass hierfür tatsächlich auch Beiträge entrichtet oder der auf die Klägerin entfallende Beitragsanteil vom Arbeitsentgelt abgezogen worden sei.

Gegen den ihr am 11.12.2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 20.02.2018 Berufung eingelegt.

Die Klägerin trägt vor, die Krankenkasse benutze den Vorwand der Aufbewahrungsfrist nur, um nicht nach alten Mitgliedschaftszeiten suchen zu müssen. Sie vermisse eine erfolgreiche Anfrage des SG an das Zentralarchiv der AOK Niedersachsen in I. Sie sei mit einer gültigen Arbeitserlaubnis der deutschen Arbeitsverwaltung zur Ausübung einer Beschäftigung bei der „Firma R in A“ eingereist und dort polizeilich vom 24.07.1968 bis zum 23.11.1969 gemeldet gewesen. Die Ausreise sei durch das spanische Arbeitsministerium bestätigt worden. Sie sei schon bei der Ausreise mit einer Legitimationskarte ausgestattet gewesen, die die Ausübung einer Arbeitnehmertätigkeit bei dem deutschen Arbeitgeber „O in A“ für die Dauer eines Jahres erlaubt habe. Nach Ablauf der Gültigkeit der in Spanien erteilten Legitimationskarte habe sie die Verlängerung ihrer Arbeitserlaubnis beantragt, dabei sei die bereits geleistete Beschäftigung bei der Fa. R vom 24.07.1968 bis zum 15.07.1969 schriftlich bestätigt worden. Im neuen Antrag auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis bei dem Arbeitsamt I sei die bereits geleistete, abgeschlossene Beschäftigung bei der Fa. R von Juli 1968 bis November 1969 schriftlich bestätigt worden, wodurch ihre Beschäftigung bei der Fa. R von Juli 1968 bis November 1969 nachgewiesen sei. Ob sie in dieser Zeit auch vom Arbeitgeber sozialversicherungsrechtlich angemeldet und versichert gewesen sei, gehe aus den Unterlagen nicht hervor. Es stelle sich aber die Frage, warum sie es nicht gewesen sein sollte. Es seien drei Zeugenaussagen ihrer Arbeitskolleginnen vorgelegt worden, die zu verschiedenen Zeiten aber gleichzeitig mit ihr beschäftigt gewesen seien. Bei einigen ausländischen Arbeitnehmern sei die VK in der Personalakte beim Arbeitgeber verblieben, wenn sie in die Heimat in Urlaub gefahren seien. So sei die Karte für immer verschwunden gewesen. So sei es möglicherweise auch hier gewesen: der neue Arbeitgeber (L KG) habe offensichtlich die Original-VK Nr. 1 weder vom vorangegangenen Arbeitgeber (R) noch von ihr erhalten und für sie dann eine neue VK Nr. 1 beantragt, als wenn sie erstmalig nach Deutschland gekommen wäre. Die Klägerin übersendet eine beglaubigte Kopie der VK Nr. 01 mit Eintrag einer Beschäftigung ab dem 25.11.1969 bei der L KG.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30.11.2017 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 25.02.2013, 21.03.2013, 23.07.2013, 14.03.2014, 16.06.2014 sowie 13.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.11.2014 zu verurteilen, ihr unter Berücksichtigung einer Pflichtbeitragszeit vom 24.07.1968 bis zum 23.11.1969 höhere Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 01.12.2009 und voller Erwerbsminderung ab dem 01.06.2010 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. § 286 Abs. 5 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) ermögliche zwar Versicherten beim Fehlen eines Beitragsnachweises, Beitragszeiten bis zum 31.12.1972 glaubhaft zu machen. Als geeignetes Mittel der Glaubhaftmachung kämen neben Unterlagen der Krankenkasse, des Arbeitgebers oder sonstigen Belegen auch Zeugenerklärungen in Betracht. Aus den vorgelegten Dokumenten der Arbeitsverwaltung ginge allerdings keine Beitragsentrichtung hervor. Sie halte es für zweifelhaft, dass für die in Rede stehende Beschäftigung Beiträge abgeführt worden, dies aber nicht in der Versicherungskarte vermerkt worden sei. Ebenso wenig liege es nahe, dass der Vermerk der Beitragsabführung auf der Versicherungskarte im Rahmen der später bei einem anderen Arbeitgeber an einem anderen Beschäftigungsort aufgenommenen Beschäftigung und der etwaige Nachtrag der Vorbeschäftigung unterblieben seien.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte, die Vorprozessakten S 27 R 1152/11, SG Düsseldorf und die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat kann durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 SGG entscheiden, da sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.

Die Berufung ist zulässig. Gegenstand des Verfahrens sind die originär mit Widersprüchen angefochtenen Bescheide vom 25.02.2013 und 21.03.2013 sowie die Bescheide vom 14.03.2014, 23.07.2013, 16.06.2014 und 13.11.2014, die Gegenstand des Vorverfahrens gem. § 86 SGG geworden sind, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.11.2014. Die Berufungsfrist ist hinsichtlich der am 20.02.2018 eingegangenen Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 30.11.2017, zugestellt am 11.12.2017 gem. §§ 153 Abs. 1, 87 Abs. 1 S. 2 SGG gewahrt, da diese bei Zustellung ins Ausland drei Monate beträgt. Im Interesse der Klägerin geht der Senat davon aus, dass diese, entsprechend ihrem ursprünglich schriftsätzlich gestellten Antrag, auch die Gewährung einer höheren Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bereits ab dem 01.12.2009 begehrt.

Die Berufung ist unbegründet.

Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.11.2014 beschweren die Klägerin nicht gem. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, weil sie nicht rechtswidrig sind. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf rentensteigernde Berücksichtigung der Zeit vom 24.07.1968 bis zum 23.11.1969 als rentenrechtliche Pflichtbeitragszeit.

Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Rente der Klägerin wegen Erwerbsminderung unter Berücksichtigung des streitigen Zeitraums als Pflichtbeitragszeit neu zu berechnen, da die Klägerin nicht glaubhaft gemacht hat, dass für eine versicherungspflichtige Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt vom 24.07.1968 bis zum 23.11.1969 Rentenversicherungsbeiträge gezahlt oder von ihrem Arbeitsentgelt einbehalten worden sind.

In einem sozialgerichtlichen Verfahren kann die Klägerin mit einem Leistungsbegehren auf Gewährung einer höheren Rente grundsätzlich nur obsiegen, wenn die anspruchsbegründenden Tatsachen mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit feststehen (Beweismaßstab der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit), also erwiesen sind. Dieser strenge Maßstab ist vorliegend zugunsten der Klägerin im Sinne einer Beweiserleichterung dahingehend abgemildert, als dass § 286 Abs. 5 SGB VI für Zeiten bis zum 31.12.1972 die Glaubhaftmachung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt und der tatsächlichen Entrichtung von entsprechenden Beiträgen genügen lässt. Glaubhaft gemacht in diesem Sinne ist eine Tatsache, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist (§ 23 Abs. 1 S. 1 SGB X), also zumindest mehr dafür als dagegen spricht (Beweismaßstab der überwiegenden Wahrscheinlichkeit).

Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin hinsichtlich der streitigen Zeit vom 24.07.1968 bis zum 23.11.1969 nicht glaubhaft gemacht, dass eine versicherungspflichtige Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt, verbunden mit der tatsächlichen Entrichtung von entsprechenden Beiträgen, vorgelegen hat.

Nach 286 Abs. 5 SGB VI ist eine Beitragszeit anzuerkennen, wenn Versicherte für Zeiten vor dem 1. Januar 1973 glaubhaft machen, dass sie eine versicherungspflichtige Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt ausgeübt haben, die vor dem Ausstellungstag der Versicherungskarte (VK) liegt oder nicht auf der Karte bescheinigt ist, und für diese Beschäftigung entsprechende Beiträge gezahlt worden sind.

Die VK Nr. 01 der Klägerin mit Eintragung einer Beschäftigung ab dem 25.11.1969 bei der L KG liegt vor. Im Streit ist eine Pflichtbeitragszeit vor deren Ausstellung vom 24.07.1968 bis zum 23.11.1969, die auch vor dem 01.01.1973 liegt.

Eine Beschäftigung der Klägerin in der Zeit vom 24.07.1968 bis zum 23.11.1969 bei der Fa. R ist zumindest glaubhaft gemacht. Dies ergibt sich aus dem von der Klägerin vorgelegten Antrag auf Verlängerung einer Arbeitserlaubnis vom 15.07.1969, in dem angegeben ist, dass die letzte Beschäftigung im Bundesgebiet vom 24.07.1968 bis auf weiteres bei der Fa. R, A, vorgelegen habe. Die Verlängerung der Arbeitserlaubnis wurde beantragt für eine weitere Beschäftigung bei der Fa. R GmbH ab 24.07.1968, die diese Angaben bestätigte. Weiterhin ergibt sich dies aus dem Antrag für eine Erteilung/Verlängerung der Arbeitserlaubnis vom 24.11.1969 für eine Beschäftigung bei der L KG in I ab dem 25.11.1969, in der als letzte Beschäftigung die Tätigkeit bei der R GmbH A von 7/68 bis 11/69 angegeben worden ist, sowie aus der Legitimationskarte, ausgestellt von der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, Deutsche Kommission in Spanien für die Zeit vom 24.07.1968 bis zum 23.07.1969, in der als Arbeitgeber „O, A“ angegeben worden ist.

Ob die Klägerin auch glaubhaft gemacht hat, dass es sich bei dieser Beschäftigung um eine versicherungspflichtige Beschäftigung gehandelt hat, kann dahinstehen. Denn jedenfalls hat die Klägerin nicht glaubhaft gemacht, dass für diese Beschäftigung auch Rentenversicherungsbeiträge gezahlt oder von ihrem Arbeitsentgelt abgezogen worden sind. Die Prüfung der Glaubhaftmachung letztgenannter Voraussetzung ist auch nicht entbehrlich. Eine (gesetzliche) Vermutung dahingehend, dass beim Vorliegen eines (versicherungspflichtigen) Beschäftigungsverhältnisses auch Rentenversicherungsbeiträge entrichtet worden wären, existiert nicht. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich auch aus dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28.11.1963 – 12 RJ 240/62 - nichts anderes. Vielmehr besteht nach der Rechtsprechung des BSG (BSG Urteil a.a.O. Rn. 18) keine gesetzliche Beweisregel, dass dann, wenn eine Beschäftigung glaubhaft gemacht sei, auch eine entsprechende Beitragsentrichtung angenommen werden müsse. Wie das BSG nachfolgend mehrfach bekräftigt hat, existiert kein allgemeiner Rechtssatz, das eine (nachgewiesene) Beschäftigung die Entrichtung von Beiträgen glaubhaft werden lasse (BSG Urteile vom 17.12.1986 – 11a RA 59/85 – Rn. 13 und vom 07.09.1989 – 5 RJ 79/88 -, Rn. 14).

Die Abwägung aller Umstände ergibt zur Überzeugung des Senats, dass es nicht überwiegend wahrscheinlich ist, dass für die Zeit vom 24.07.1968 bis zum 23.11.1969 Rentenversicherungsbeiträge für die Klägerin entrichtet oder von ihrem Arbeitsentgelt abgezogen worden sind.

Zunächst ist schon der Vortrag der Klägerin nicht geeignet, die Abführung von Rentenversicherungsbeiträgen oder jedenfalls den Beitragsabzug von ihrem Lohn als wahrscheinlich erscheinen zu lassen. Insoweit bleibt der Vortrag der Klägerin, die nichts zu den Arbeitszeiten, zur Höhe des Lohnes und dessen Auszahlung, zu Lohnabrechnungen, zur Beitragsabführung etc. bei der Fa. R ausgeführt hat, unkonkret. Noch nicht einmal explizit dargelegt ist, dass der Arbeitgeber R Rentenversicherungsbeiträge für die Klägerin abgeführt haben soll. Insoweit ist auch nicht ersichtlich und nichts dazu vorgetragen – etwa durch Vorlage von Lohnunterlagen -, dass zumindest der Beitragsanteil der Klägerin vom Lohn einbehalten worden wäre (§§ 203 Abs. 2, 286 Abs. 6 SGB VI).

Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die hier streitige Beitragszeit in den Rentenanträgen vom 11.05.2005 und 24.02.2009 überhaupt nicht geltend gemacht worden ist. Dort wird als erste Beitragszeit in Deutschland die Zeit ab dem 25.11.1969 aufgeführt. Behauptet hat die Klägerin eine Beitragszeit in Deutschland vor dem 25.11.1969 erst mit dem am 19.03.2013 erhobenen Widerspruch gegen den Ausführungsbescheid vom 25.02.2013, so dass fraglich ist, warum dies nicht bereits früher erfolgt ist.

Soweit die Klägerin darauf abstellt, dass bei den von ihr benannten Arbeitskolleginnen der Arbeitgeber Mählich sich beitragstreu verhalten hätte, ergibt sich hieraus nicht, dass auch im Falle der Klägerin Beiträge abgeführt worden sind. Insoweit stellt sich die Frage, ob ein ansonsten beitragstreuer Arbeitgeber Gründe gehabt haben könnte, im Falle der Klägerin anders zu verfahren. Ebenso spricht der Umstand, dass die Klägerin offiziell in Spanien unter Beteiligung der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, Deutsche Kommission in Spanien, für die Tätigkeit bei der Fa. R angeworben worden ist und jeweils die Verlängerungen der Arbeitserlaubnis unter Beteiligung der betroffenen Firmen und der Arbeitsverwaltung erfolgt sind, nicht für eine Glaubhaftmachung der streitigen Pflichtbeitragszeit. Aus einem grundsätzlich gesetzestreuen Verhalten des Arbeitgebers hinsichtlich der Anwerbung ausländischer Arbeitnehmer und der Verlängerung von Arbeitserlaubnissen lässt sich keine Wahrscheinlichkeit dafür ableiten, dass im konkreten Einzelfall auch Rentenversicherungsbeiträge abgeführt oder einbehalten worden sind.

Gegen die Glaubhaftigkeit einer Pflichtbeitragszeit spricht dagegen deutlich, dass überhaupt keine Eintragungen auf der existierenden VK Nr. 1 zu der streitigen Zeit vorhanden sind, auch kein Nachtrag, und dass trotz intensiver Nachforschungen keine VK für die Zeit vor dem 25.11.1969 aufgefunden werden konnte. Die insoweit angestellten Spekulationen durch den Bevollmächtigten der Klägerin hinsichtlich des Verbleibs einer zuvor ausgestellten VK stellen eine bloße Möglichkeit dar und sind nicht wahrscheinlich. Denn wenn bereits vor 1969 eine VK Nr. 1 existiert hätte, die hinsichtlich der Beschäftigung bei der Fa. R durch die Gemeinde B ausgegeben worden wäre, hätte die neue VK die Nr. 2 tragen müssen; dies ist jedoch nicht der Fall.

Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Vielmehr sind die Ermittlungsmöglichkeiten zur Überzeugung des Senats nach zum Teil mehrfachen Anfragen bei der AOK Niedersachsen, der IKK classic, der Stadt B, dem Versicherungsamt Niedersachsen und der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover erschöpft.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs.1 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG.

 

Rechtskraft
Aus
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