Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 08.09.2021 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt zuletzt die Zulassung der Berufung gegen einen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 08.09.2021, mit dem dieses die Klage der Klägerin gegen den Sanktionsbescheid vom 05.11.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.01.2021 über die Minderung des Arbeitslosengelds II für Dezember 2020 bis Februar 2021 iHv monatlich 43,20 € wegen eines Meldeversäumnisses der Klägerin am 07.10.2020 abgewiesen hat.
Die 1971 geborene Klägerin bezieht fortlaufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Seit Mitte 2018 ist die Klägerin krankgeschrieben. Einen Antrag der Klägerin auf Erwerbsminderung lehnte der zuständige Rentenversicherungsträger im Juli 2019 mangels hinreichender Erwerbsminderung ab.
Am 15.09.2020 reichte die Klägerin beim Beklagten eine Bescheinigung ein, wonach sie voraussichtlich bis zum 15.10.2020 arbeitsunfähig sei. Der Beklagte forderte die Klägerin gleichwohl mit Schreiben vom 22.09.2020 auf, zu einem Meldetermin zwecks Besprechung der aktuellen beruflichen Situation beim Beklagten am 07.10.2020,
11:30 Uhr, zu erscheinen. In dem Einladungsschreiben wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass eine einfache Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als Entschuldigungsgrund für ein Fernbleiben nicht ausreichend sei. Vielmehr sei, sollte der Termin aus gesundheitlichen Gründen nicht wahrgenommen werden können, eine Bescheinigung des behandelnden Arztes vorzulegen, aus der hervorgeht, dass die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen gehindert ist, den Termin wahrzunehmen. Sollten für eine solche Bescheinigung Kosten entstehen, würden diese im Umfang von 5,36 € übernommen. Für den Fall des Fernbleibens ohne wichtigen Grund wurde die Klägerin über die Möglichkeit einer Sanktion belehrt. Dem Einladungsschreiben war ein Antwortvordruck beigefügt, wonach bei Arbeitsunfähigkeit eine „Wegeunfähigkeitsbescheinigung“ beizufügen sei.
Die Klägerin teilte unter dem 05.10.2020 mit, dass dem Beklagten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorliege, womit die aktuelle berufliche Situation unzweideutig und der Besprechungswunsch des Beklagten zur beruflichen Situation gegenstandslos wäre. Für die Notwendigkeit einer zusätzlichen ärztlichen Bescheinigung werde eine Rechtsgrundlage nicht genannt. Sobald diese vorliege, könne sie sich darum kümmern. Zu dem Meldetermin am 07.10.2020 erschien die Klägerin nicht.
Nach Anhörung der Klägerin, die in ihrer Stellungnahme vom 29.10.2020 die dort angeführte Sanktionsandrohung vor dem Hintergrund der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und ihres Schreibens vom 05.10.2020 als willkürlich und haltlos bezeichnete, kürzte der Beklagte das Alg II der Klägerin mit Bescheid vom 05.11.2020 wegen eines Meldepflichtverstoßes für Dezember 2020 bis Februar 2021 um monatlich 43,20 € (10 % des Regelbedarfs). Einen Widerspruch der Klägerin vom 11.11.2020 hiergegen wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.01.2021 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 25.01.2021 Klage bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen erhoben und ihr Vorbringen wiederholt und vertieft. Ergänzend hat sie über ihren früheren Prozessbevollmächtigten geltend gemacht, es habe wegen fortlaufender Arbeitsunfähigkeit kein erkennbarer Meldezweck vorgelegen. Die Rechtsfolgenbelehrung sei zudem unzureichend gewesen.
Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 05.11.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2020 zu verurteilen, der Klägerin für die Zeit vom 01.12.2020 bis 29.02.2020 Leistungen der Sicherung des Lebensunterhalts ohne eine Minderung um 10 % des maßgeblichen Regelbedarfs zu zahlen.
Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat auf seine Bescheide Bezug genommen. Das Schreiben der Klägerin vom 29.10.2020 sei dem Beklagten erst am 05.11.2020 zugegangen.
Nach Anhörung und mit Zustimmung der Beteiligten zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 08.09.2021).
Nach Zustellung des Gerichtsbescheides am 10.09.2021 hat der frühere Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 08.10.2021 beim Sozialgericht einen Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung gestellt. Am 11.10.2021 hat die Klägerin über ihren „Beistand“, Herrn C, eine Beschwerde über die Nichtzulassung der Berufung in dem Gerichtsbescheid vom 08.09.2021 eingereicht, die „zugleich unsere Begründung des Antrags vom 08.10.2021 auf mündliche Verhandlung“ darstelle. Der Sanktionsbescheid sei weder formell noch materiell rechtmäßig. Es habe weder einen hinreichend bestimmten Meldezweck gegeben, noch habe der Beklagte eine zusätzliche ärztliche Bescheinigung verlangen dürfen. Eine rechtliche Grundlage für eine zusätzliche medizinische Bescheinigung sei nicht ersichtlich. Dass kein rechtmäßiger Meldezweck verfolgt worden sei, gehe daraus hervor, dass sie am 03.11.2021 an einem Meldetermin teilgenommen habe, bei dem unzulässige Fragen zur gesundheitlichen Situation gestellt worden seien. Der Beklagte gehe von falschen Voraussetzungen aus.
Mit Urteil vom 22.11.2021 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Das Urteil wurde dem früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 06.12.2021 zugestellt.
Der frühere Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat auf Anfrage des Senats am 08.02.2022 mitgeteilt, dass er für das Beschwerdeverfahren nicht mandatiert sei. Die Klägerin hat auf die Anfrage des Senats, ob die Nichtzulassungsbeschwerde nach dem Urteil des Sozialgerichts vom 22.11.2021 aufrechterhalten werde, nicht geantwortet.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde (§ 145 SGG) ist unzulässig. Mit dem rechtzeitigen Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung beim Sozialgericht gilt der Gerichtsbescheid nach § 105 Abs. 3 SGG vom 08.09.2021 als nicht ergangen. Für die Zulassung eines Rechtsmittels gegen die Entscheidung bleibt kein Raum (vgl. bereits Senatsbeschlüsse vom 20.12.2010 – L 7 AS 65/10 NZB und vom 05.05.2020 – L 7 AS 514/20 NZB). Wird sowohl ein Rechtsmittel eingelegt als auch mündliche Verhandlung beantragt, findet mündliche Verhandlung statt (§ 105 Abs. 2 Satz 3 SGG). Der Vorrang der mündlichen Verhandlung gilt nicht nur, wenn von mehreren Beteiligten eine Nichtzulassungsbeschwerde oder Berufung einlegt und der andere mündliche Verhandlung beantragt, sondern auch dann, wenn ein Beteiligter sowohl Nichtzulassungsbeschwerde einlegt als auch mündliche Verhandlung beantragt oder wenn Zweifel darüber bestehen, welcher der beiden Rechtsbehelfe eingelegt worden ist (vgl. zur allgemeinen Meinung etwa B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage. 2020, § 105 Rn. 17; Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 105 SGG (Stand: 07.12.2021), Rn. 125, jeweils m.w.N.). Das Rechtsmittel ist dann als unzulässig zu verwerfen (B. Schmidt und Burkiczak, jeweils a.a.O.).
Entscheidet das Sozialgericht auf den entsprechenden Antrag – wie hier – durch Urteil, stehen den Beteiligten die in der Sache nunmehr statthaften Rechtsmittel zur Verfügung. Das nicht statthafte Rechtsmittel gegen den Gerichtsbescheid wird hingegen nicht zulässig. Die – erstinstanzlich rechtsanwaltlich vertretene – Klägerin hat ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 22.11.2021 im Übrigen nicht eingelegt.
Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die – darüber hinaus wegen Nichterreichen eines Wert des Beschwerdegegenstandes von mehr als 750,00 € statthafte – Beschwerde auch nicht begründet wäre.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Grundsätzliche Bedeutung iS des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG hat eine Rechtssache, wenn sie eine bisher ungeklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (Klärungsbedürftigkeit). Zudem ist die Möglichkeit der Klärung durch den Senat erforderlich (Klärungsfähigkeit – vgl. Beschluss des Senats vom 06.09.2018 – L 7 AS 195/18 NZB). Hier fehlt es zumindest an der Klärungsbedürftigkeit. Die Exkulpationsmöglichkeiten im Hinblick auf das Fernbleiben zu einem Meldetermin durch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sind höchstrichterlich hinreichend geklärt (BSG Urteil vom 09.11.2010 – B 4 AS 27/10 R, juris, Rn. 32; vgl. auch: Beschluss des Senats vom 21.08.2013 – L 7 AS 1403/13 B; LSG Bayern Urteil vom 29.03.2012 – L 7 AS 967/11; aus diesem Grund die grundsätzliche Bedeutung für die vorliegende Konstellation ablehnend: LSG Bayern Beschluss vom 06.11.2017 – L 11 AS 717/17 NZB). Dies gilt auch für den Inhalt und die Bestimmtheit des Meldezwecks (BSG, a.a.O.).
Auch der Berufungszulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG (Divergenz) liegt nicht vor. Eine Divergenz verlangt, dass das Sozialgericht in der angefochtenen Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem abstrakten Rechtssatz des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellt hat. Eine Abweichung ist nicht schon dann anzunehmen, wenn die Entscheidung des Sozialgerichts nicht den Kriterien entspricht, die diese Gerichte aufgestellt haben, sondern erst dann, wenn es diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Eine evtl. Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall begründet keine Divergenz (vgl. BSG Beschluss vom 05.10.2010 – B 8 SO 61/10 B mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen zum gleichlautenden § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur Beschluss vom 11.07.2019 – L 7 AS 689/19 NZB). Bei der Frage, ob eine Abweichung von einer Entscheidung des Landessozialgerichts zu bejahen ist, beschränkt sich die Prüfung auf das zuständige Berufungsgericht (Breitkreuz/Schreiber, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl., § 144 Rn. 35). Das Sozialgericht hat keinen abweichenden Rechtssatz in diesem Sinne aufgestellt, auf dem das Urteil beruht.
Ebenso wenig liegt der Zulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG vor. Es wird kein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht. Die Geltendmachung eines Verfahrensmangels ist auch bei von Amts wegen zu beachtenden Mängeln erforderlich (Keller, in: Meyer-Ladewig, 13. Aufl. § 144 Rn 36).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).