1. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens im sozialgerichtlichem Verfahren nach § 111 SGG kann nicht nur zur Sachverhaltsaufklärung, sondern auch im Interesse einer effektiven Verhandlung oder zweckmäßigen Erledigung (u.a. Vergleichsgespräche, Erläuterung der Erfolglosigkeit eines Rechtsmittels) erfolgen.
2. Die Auferlegung eines Ordnungsgeldes ist rechtswidrig, wenn der mit persönlichem Erscheinen geladene Beteiligte sein Ausbleiben genügend entschuldigt hat. 3. Die vorherige Ablehnung eines Antrags des Beteiligten nach § 110a SGG auf Teilnahme mittels Videokonferenz begründet unabhängig von der Rechtmäßigkeit dieser Ablehnung alleine keinen ausreichenden Entschuldigungsgrund, der der Auferlegung von Ordnungsgeld entgegensteht.
I. Die Beschwerde gegen den Ordnungsgeldbeschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 25.03.2022 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
G r ü n d e :
I.
Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Augsburg (SG) unter dem Az. S 7 AL 220/21 macht der am 31.01.1994 geborene Kläger und Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf.) Anspruch auf Aufhebung der Bescheide der beklagten Bundesagentur für Arbeit (im Folgenden: Beklagte) vom 15.07.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.08.2021 geltend. Mit diesen Bescheiden stellte die Beklagte ein Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs des Bf. vom 20.06.2021 bis 10.07.2021 wegen Eintritts einer Sperrzeit fest, lehnte einen Leistungsanspruch nach Ablauf der Sperrzeit wegen während der Sperrzeit eingetretener Arbeitsunfähigkeit ab, hob die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 20.06.2021 auf und machte einen Erstattungsanspruch in Höhe von 367,84 Euro geltend. Zur Begründung führte die Beklagte aus, der Bf. habe sich auf das von ihr übersandte Vermittlungsangebot als Lackierer/Spritzlackierer bei der Firma K GmbH Personalmanagement vom 15.06.2021 nicht beworben. Soweit der Bf. im Widerspruchsschreiben vom 20.07.2021 vortrug, er habe sich bei der Fa. K nicht beworben, weil er bereits eine mündliche Zusage der Firma N in U ab 01.09.2021 gehabt habe und dass er in den nächsten Tagen den Arbeitsvertrag erhalten werde, führte die Beklagte im Widerspruchsbescheid aus, eine mündliche Zusage reiche nicht aus.
Zur Begründung der Klage hat der Bevollmächtigte des Bf. im Klageschriftsatz vom 30.08.2021 vorgetragen, der Bf. habe sich bei der Firma K bewerben sollen, obgleich er bei einer Firma W bereits eine mündliche Zusage ab 01.09.2021 gehabt habe. Daher habe keine Sperrzeit verhängt werden können. Die Beklagte werde um Übersendung einer Abschrift des Vermittlungsvorschlags gebeten. Zugleich ist Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt worden.
Mit Beschluss vom 01.12.2021 hat das SG den PKH-Antrag abgelehnt, weil der Bf. trotz mehrfacher Erinnerung die angeforderte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und die vom SG zum Nachweis angeforderten Unterlagen nicht vorgelegt hat.
Mit Schreiben vom 09.12.2021 hat das SG dem Bf. mit dem Hinweis, dass die Stelle laut Vermittlungsvorschlag ab sofort zu besetzen gewesen sei, Gelegenheit zur weiteren Klagebegründung bis 30.12.2021 gegeben. Weitere Äußerungen zur Klagebegründung sind zunächst nicht erfolgt.
Mit Schreiben vom 28.02.2022 hat das SG Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt für den 25.03.2022 um 11:00 Uhr unter Anordnung des persönlichen Erscheinens des Bf.
Die Ladung ist dem Bf. laut Postzustellungsurkunde (PZU) am 03.03.2022 zugestellt worden durch Einwurf in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten. Sein Bevollmächtigter hat die Ladung am 28.02.2022 erhalten.
Am 20.03.2022 (Sonntag) um 20:07 Uhr ist beim SG ein Schreiben des Bevollmächtigten des Bf. mit Datum 19.03.2022 eingegangen, mit dem dieser Antrag auf Durchführung des Termins "per Videokonferenz" gestellt hat. Gründe für die Durchführung des Termins per Videokonferenz sind nicht genannt worden. Der Bevollmächtigte des Bf. hat nun ausgeführt, dass der Bf. das Anforderungsprofil des Vermittlungsvorschlags nicht erfüllt habe, weil er Fahrzeuglackierer sei und nicht über die geforderte Berufserfahrung im Bereich Industrielackierung verfüge. Im Vermittlungsvorschlag heiße es: "Sie haben bereits mehrere Jahre Berufserfahrung im Bereich Industrielackierung sammeln können?" Der Vermittlungsvorschlag habe eine Stelle in einer Zeitarbeitsfirma betroffen; dort gelte der Grundsatz "hire and fire". Der Bf. habe sich stattdessen für eine sichere Stelle in einem Familienunternehmen entschieden. Hätte der Bf. beim Bewerbungsgespräch angekündigt, nach eventueller Einstellung gleich wieder zu kündigen, wäre er nicht genommen worden. Daher habe eine Bewerbung gemäß Vermittlungsvorschlag keinen Sinn gemacht. Ob die Stelle zum maßgeblichen Zeitpunkt überhaupt noch frei gewesen sei, sei offen. Es finde sich keine Regelung zu den Bewerbungskosten im Vermittlungsvorschlag. Die "100%-Sanktion" sei verfassungswidrig. Ferner warf der Bevollmächtigte des Bf. die Frage auf, ob es eine wirksame Eingliederungsvereinbarung gebe.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 21.03.2022 u.a. mitgeteilt, dass keine Eingliederungsvereinbarung geschlossen worden sei. Der Vermittlungsvorschlag vom 15.06.2021 habe dem Stellengesuch des Klägers entsprochen. Das Begehren auf Durchführung der Gerichtsverhandlung per Videokonferenz werde nicht geteilt.
Mit Beschluss vom 21.03.2022, dem Bevollmächtigten des Bf. zugestellt am 23.03.2022, hat das SG den Antrag des Bf. auf Gestattung, sich während der mündlichen Verhandlung am 25.03.2022 an einem anderen Ort als dem für die mündliche Verhandlung festgelegten Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen vorzunehmen, abgelehnt. Die Entscheidung erfolge gemäß § 110a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts. Ein Anspruch auf Gestattung bestehe nicht. Gründe, die einer persönlichen Teilnahme des Beschwerdeführers am Terminort entgegenstehen würden, seien nicht dargelegt worden. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Beschluss verwiesen.
Mit Schreiben vom 23.03.2022, beim SG eingegangen am 24.03.2022, hat der Bevollmächtigte des Bf. erneut vorgetragen, der Bf. habe die Anforderungen der Stelle nicht erfüllt und keine definitive Kostenzusage für die Bewerbung gehabt. Der Bevollmächtigte hat beantragt, den Bf. vom persönlichen Erscheinen zu entbinden. Der Sachverhalt sei offensichtlich. Der Bf. könne hierzu "nicht viel mehr" beitragen. Deshalb sei nicht erforderlich, dass er sich einen ganzen Tag frei nehmen und den halben Tag durch Schwaben fahren müsse. Weiter heißt es:
"Aus den entsprechenden Gründen werde ich ebenfalls nicht erscheinen; das Gericht braucht nicht zu warten und kann auch ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Kläger und Klägervertreter bieten aber an, für eventuelle gütliche Lösungen per Videokonferenz teilzunehmen. Diese ist ausweislich der hier vorliegenden schriftlichen Mitteilung der Präsidentin des Sozialgerichts seit Januar ohne weiteres verfügbar."
Mit Schreiben vom 24.03.2022 hat die Vorsitzende dem Bevollmächtigten des Bf. mitgeteilt, dass die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Bf. nicht aufgehoben werde. Gerade aufgrund des Vorbringens erstmals mit Schriftsatz vom 19.03.2022, der erst am Montag, 21.03.2022, an die Beklagte zur Stellungnahme habe weitergeleitet werden können, und des Vortrags im weiteren Schriftsatz vom 23.03.2022 erscheine die persönliche Anhörung des Klägers geboten.
Auf die - im Ausdruck kaum leserliche - Teilkopie eines Gesellenprüfungszeugnisses des Bf., von dessen Bevollmächtigten übersandt am 24.03.2022 um 13:05 Uhr, wird Bezug genommen. Mit Schreiben vom Sitzungstag (25.03.2022, 3:52 Uhr) hat der Bevollmächtigte des Bf. ausgeführt, eine Befragung des Bf. habe sich mit dem übersandten Ausbildungszeugnis erübrigt. Es sei nicht ersichtlich, welche weiteren Erkenntnisse dessen Aussage bringen solle. Der Bevollmächtigte des Bf. hat Internetartikel zu Tätigkeiten von Fahrzeuglackierern und Industrielackierern zitiert und vorgetragen, wenn das Gericht nicht glaube, dass ein Industrielackierer viel mehr Materialien lackieren können müsse, könne der Bf. auch keine weitere Aufklärung bringen und das Gericht möge dann ein Sachverständigengutachten einholen. Es bestehe "Amtsausklärung". Beklagte und SG hätten prüfen müssen, ob der Kläger die Bewerbungsanforderungen erfülle. So habe der Bevollmächtigte des Bf. mal wieder die Arbeit erledigen müssen.
In der mündlichen Verhandlung am 25.03.2022 ist weder der Bf. erschienen noch sein Bevollmächtigter.
Nach geheimer Beratung hat die Kammer gegen den Bf. ein Ordnungsgeld wegen unentschuldigten Ausbleibens im Termin in Höhe von 300,00 Euro festgesetzt. In der Begründung hat das SG dargelegt, dass der Bf. laut PZU am 03.03.2022 zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 25.03.2022 ordnungsgemäß geladen worden sei. Sein persönliches Erscheinen sei angeordnet worden und er sei darauf hingewiesen worden, dass ein Ordnungsgeld bis zu 1.000,00 Euro verhängt werden könne, falls er ohne genügende Entschuldigung zum Termin nicht erscheinen werde. Gleichwohl sei der Bf. zum Termin nicht erschienen. Der Antrag des Bevollmächtigten im Schriftsatz vom 23.03.2022 auf Aufhebung des persönlichen Erscheinens des Bf. habe die Vorsitzende mit Schreiben vom 24.03.2022 abgelehnt. Die persönliche Anhörung des Bf. erscheine insbesondere im Hinblick auf das Vorbringen des Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 19.03.2022 und weiterem Schriftsatz vom 23.03.2022 als erforderlich. Daher werde ein Ordnungsgeld von 300,00 Euro festgesetzt, das der Kammer unter Berücksichtigung aller Umstände als angemessen erscheine.
Am 31.03.2022 ist beim SG Beschwerde des Bevollmächtigten des Bf. gegen den Ordnungsgeldbeschluss vom 25.03.2022 eingegangen. Der Bf. habe den Anforderungen des Vermittlungsvorschlags für eine Stelle als Industrielackierer mit mehrjähriger Berufserfahrung nicht entsprochen. Daher sei die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Beschwerdeführers zur Sachverhaltsaufklärung nicht geboten gewesen.
Die Ablehnung der Videokonferenz sei ermessensfehlerhaft und damit zu Unrecht erfolgt. Dafür müsse nach § 110a SGG kein Grund benannt werden. Außerdem sei der Grund aufgrund der räumlichen Entfernung offensichtlich. Wenn sich "der Freistaat von Donau-Ries bis zum untersten Zipfel des Allgäus genau ein Sozialgericht leistet, ist die räumliche Entfernung ein maßgebliches Abwägungskriterium." Auffallend sei, dass die Jobcenter Augsburg Stadt und Land regelmäßig beim SG "zu Gast" seien, das Jobcenter Kempten oder Lindau aber höchst selten. Stets sei Bereitschaft erklärt worden, mittels Videokonferenz am Termin teilzunehmen, weil der Bf. so nicht einen ganzen Tag hätte Urlaub nehmen müssen, "nur um ein paar Minuten in der Verhandlung zu sitzen". Bei rechtswidriger Ablehnung dieser Möglichkeit könne kein Ordnungsgeld verhängt werden. Spätestens nach Vorlage des Ausbildungszeugnisses sei die Anordnung des persönlichen Erscheinens nicht mehr geboten gewesen. Die Begründung des Ordnungsgeldbeschlusses enthalte nur Textbausteine und lasse keinerlei Auseinandersetzung mit dieser Problematik erkennen.
Auf das Schreiben des Bevollmächtigten des Bf. vom 02.04.2022 an das SG im Verfahren S 7 AL 220/21, eingegangen am Sonntag dem 03.04.2022, und das Antwortschreiben der Vorsitzenden vom 04.04.2022 wird Bezug genommen.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde erweist sich als unbegründet.
Voraussetzung für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes ist eine ordnungsgemäße Ladung und das unentschuldigte Ausbleiben des Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen angeordnet war, §§ 106 Abs. 2 und 3 Nr. 7, 111, 202 SGG in Verbindung mit (i.V.m.) § 141, 380, 381 Zivilprozessordnung (ZPO).
Nach §§ 106 Abs. 2 und 3 Nr. 7, 111, 202 SGG i.V.m. § 141 ZPO kann das persönliche Erscheinen eines Beteiligten zu einem Termin zur Erörterung des Sachverhalts bzw. zur mündlichen Verhandlung angeordnet werden und gegen denjenigen, der der Anordnung nicht Folge leistet, Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden.
Ob der Vorsitzende das persönliche Erscheinen eines Beteiligten nach den §§ 106 Abs. 2 und 3 Nr. 7, 111 SGG anordnen will, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Nach § 141 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist die Anordnung des persönlichen Erscheinens eines Beteiligten jedenfalls dann ermessensfehlerfrei, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Im sozialgerichtlichen Verfahren ist insoweit der Ermessensspielraum aber noch weiter, wie der Wortlaut des § 106 Abs. 2 und 3 Nr. 7 SGG und insbesondere des § 111 Abs. 1 Satz 1 SGG zeigt, wonach die Gebotenheit zur Aufklärung des Sachverhalts nicht vorausgesetzt wird (vgl. LSG Hamburg, Beschluss vom 06.03.2006 - L 5 B 159/04 AL; Hessisches LSG, Beschluss vom 07.09.2010 - L 8 KR 231/09 B; Schmidt, in: Meyer-Ladewig / Keller / Leitherer / Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Auflage 2020, § 111 Rn. 2; Müller, in: Roos / Wahrendorf, Kommentar zum SGG, 1. Auflage 2014, § 111 Rn. 3). Im Gesetzgebungsverfahren zur Einführung einer Verwaltungsprozessordnung hat der Gesetzgeber von einer Angleichung der Regelung zur Anordnung des persönlichen Erscheinens im sozialgerichtlichen Verfahren an die Regelung des § 141 Abs. 1 Satz 1 ZPO Abstand genommen; die Bundesregierung war dem Vorschlag des Bundesrates gefolgt, der sich für einen Wegfall der Beschränkung auf den Aufklärungszweck eingesetzt hatte, um klarzustellen, dass die Anordnung des persönlichen Erscheinens eines Beteiligten auch im Interesse der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits erfolgen könne (vgl. BT-Drucks. 9/1851, S. 51, S. 120, S. 196 und S. 206; hierzu auch Frehse, SGb 2010, S. 388, 389).
Neben der Aufklärung des Sachverhalts kann Anordnung des persönlichen Erscheinens nach §§ 106 Abs. 2 und 3, 111 SGG auch zum Zweck einer Untersuchung im Termin, im Interesse einer effektiven Verhandlung oder im Interesse einer zweckmäßigen Erledigung (u.a. Vergleichsgespräche, Erläuterung der Erfolglosigkeit eines Rechtsmittels) erfolgen (vgl. Kühl, in: Fichte/Jüttner, Kommentar zum SGG, 3. Auflage 2020, zu § 111 Rn. 2; Stäbler, in: Juris-Praxiskommentar zum SGG, Stand 27.07.2020, zu § 111 Rn. 12); auch unter dem Gesichtspunkt der Verfahrensförderung und der Förderung des Eintritts von Rechtsfrieden kann die Anordnung des persönlichen Erscheinens geboten sein, um eine argumentative Auseinandersetzung zu ermöglichen oder ein Rechtsgespräch mit den Beteiligten zur Erläuterung der Sach- und Rechtslage zu führen (vgl. hierzu Frehse, a.a.O., S. 391; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.09.2009 - L 11 KA 8/08 - Juris; Hessisches LSG, Beschluss vom 07.09.2010 - L 8 KR 231/09 B - Juris).
Ermessensfehler der Vorsitzenden bei Anordnung des persönlichen Erscheinens des Bf. sind nicht ansatzweise ersichtlich. Die Vorsitzende hatte dem Bevollmächtigten des Bf. mit Schreiben vom 24.03.2022, mit dem die kurzfristig beantragte Aufhebung des persönlichen Erscheinens des Bf. abgelehnt worden war, mitgeteilt, dass eine persönliche Anhörung des Bf. im Rahmen des Termins zur Erörterung der Sach- und Rechtslage gerade mit Blick auf die kurzfristig vor dem Termin eingereichten Schriftsätze geboten erscheine. Diese Auffassung wurde von der das Ordnungsgeld verhängenden Kammer in der mündlichen Verhandlung geteilt, wie sich der Begründung des Ordnungsgeldbeschlusses entnehmen lässt. Dies ist rechtlich nicht ansatzweise zu beanstanden, zumal der Bf. kurzfristig vor dem Termin neue Argumente und somit ganz unterschiedliche Gründe dafür geltend gemacht hat, weshalb er sich auf das Vermittlungsangebot der Beklagten nicht beworben hat, und weder die ursprünglich geltend gemachten noch die neu vorgetragenen Gründe für die fehlende Bewerbung von der Beklagten geteilt worden sind.
Der Bf. ist auch ordnungsgemäß zum Termin geladen worden unter Hinweis auf die Möglichkeit der Verhängung eines Ordnungsgeldes bei unentschuldigtem Nichterscheinen.
Zwar unterbleibt die Festsetzung eines Ordnungsmittels gemäß § 202 SGG i.V.m. § 141 Abs. 3 ZPO, § 381 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wenn das Ausbleiben rechtzeitig genügend entschuldigt wird. Rechtzeitig ist eine Entschuldigung dann, wenn zu diesem Zeitpunkt der
Termin noch hätte aufgehoben und die übrigen Beteiligten hätten unterrichtet werden können (vgl. Reichold, in: Thomas /Putzo, Kommentar zur ZPO, 43. Aufl. 2022, § 381 Rn. 2). Erfolgt die genügende Entschuldigung oder die Glaubhaftmachung nachträglich, so werden die getroffenen Anordnungen zur Festsetzung eines Ordnungsgeldes nur dann aufgehoben, wenn der Betroffene glaubhaft macht, dass ihn an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft (vgl. § 202 SGG i.V.m. § 381 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 ZPO).
Was als genügende Entschuldigung im Sinne von § 202 SGG i.V.m. § 381 Abs. 1 Satz 1 ZPO gilt, entscheidet das Gericht nach freiem Ermessen und unter Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls. Für die genügende Entschuldigung müssen Umstände vorliegen, die das Ausbleiben nicht als pflichtwidrig erscheinen lassen und daher schwerwiegende Gründe sind (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 30.09.2016 - L 2 AS 594/16 B; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.11.2013 - L 11 R 2450/13 B - Juris; BFH, Beschluss vom 17.03.2011 - III B 46/11 - Juris). Dabei muss der Verhinderungsgrund so dargelegt und untermauert sein, dass das Gericht ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob er vorliegt, z.B. ob eine geltend gemachte Verhandlungsunfähigkeit oder Reiseunfähigkeit besteht (vgl. LSG Baden-Württemberg, a.a.O., m.w.N.; ebenso Bayerisches LSG, Beschluss vom 30.09.2016 - L 2 AS 594/16 B).
Der Bf. hat aber keine entsprechend schwerwiegenden Gründe für das Nichterscheinen vorgetragen. Er war - auch nach dem Vortrag seines Bevollmächtigten - keineswegs gehindert, am Sitzungstag vor dem SG zu erscheinen und sich zu der von ihm erhobenen Klage persönlich zu äußern. Letztlich lässt sich dem Vortrag des Bevollmächtigten als Grund für das Nichterscheinen lediglich entnehmen, dass dem Bf. der zeitliche Aufwand für seine Teilnahme am Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage in seinem eigenen Klageverfahren zu hoch erschien.
Der Bf. hat seine Pflicht zum persönlichen Erscheinen auch nicht durch persönliches Erscheinen an einem anderen vom SG bestimmten Ort erfüllt. Denn das SG hatte den Antrag des Bf. auf Gestattung, sich während der mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten, mit Beschluss vom 21.03.2022, dem Bevollmächtigten des Bf. zugestellt am 23.03.2022, abgelehnt.
Der streitgegenständliche Ordnungsgeldbeschluss ist auch nicht deswegen aufzuheben, weil dieser ablehnende Beschluss vom 21.03.2022 gemäß § 110a SGG rechtswidrig gewesen wäre. Diese Entscheidung ist nämlich gemäß § 110a Abs. 3 Satz 2 SGG unanfechtbar und damit der Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht gesetzlich entzogen (vgl. hierzu Schmidt, a.a.O., zu § 111 Rn. 16) und es fehlt an einer zu berücksichtigenden mittelbaren Folgewirkung für das Ordnungsgeld. Denn eine solche ablehnende Entscheidung vermag allein - selbst im Falle ihrer Rechtswidrigkeit - keinen Entschuldigungsgrund im Sinne des § 381 Abs. 1 Satz 1 ZPO für das Nichterscheinen des Beteiligten vor Gericht zu konstituieren. Im Übrigen erlaubt sich der Senat auch den Hinweis, dass er keinerlei Bedenken an der Rechtmäßigkeit des Beschlusses vom 21.03.2022 hat, zumal der Bevollmächtigte des Bf. im Antrag keinerlei Gründe für die Gestattung nach § 110a SGG mitgeteilt hatte. Im Beschwerdeverfahren geäußerte Überlegungen des Bevollmächtigten des Bf., das SG hätte aufgrund der räumlichen Entfernung zwischen dem Wohnort des Bf. und dem Gerichtssitz auf dessen persönliches Erscheinen am SG verzichten und die Teilnahme außerhalb des SG genehmigen müssen, entbehrt jeder rechtlichen und
- angesichts guter und zahlreicher Verkehrsverbindungen am Sitzungstag - jeder tatsächlichen Grundlage.
Dass die Kammer vor diesem Hintergrund in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens ein Ordnungsgeld gemäß § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 141 Abs. 3 ZPO in Höhe von 300,- Euro festgesetzt hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden, auch nicht hinsichtlich der festgesetzten Höhe. Die Höhe des Ordnungsgeldes richtet sich nach Art. 6 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (EGStGB), wonach ein Rahmen von 5 Euro bis 1.000 Euro vorgegeben ist. Bei der Zumessung hat das Gericht die Umstände, die für oder gegen den Bf. sprechen, gegeneinander abzuwägen. Dabei ist auf das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art des Verstoßes und dessen schuldhafte Auswirkungen, auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Bf. sowie auf das Verhalten nach dem Ordnungsverstoß abzustellen. In der Regel bedarf es keiner eingehenden Begründung dieser Ermessensentscheidung, wenn sich das Ordnungsgeld im mittleren Bereich des vorgegebenen Rahmens bewegt. Hier lag das von der Kammer für angemessen gehaltene Ordnungsgeld mit 300,00 Euro sogar im unteren Drittel.
Die Kostenentscheidung erfolgt analog § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.