L 16 KR 31/21

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Oldenburg (NSB)
Aktenzeichen
S 62 KR 811/19
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 16 KR 31/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Zum Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) gegen eine gesetzliche Krankenkasse bei stationärer Krankenbehandlungen im europäischen Ausland, wenn eine private Auslandsreisekrankenversicherung die Kosten der Krankenhausbehandlung bereits erstattet hat. Grundsätzlich erlischt bei zwei sich deckenden Leistungsansprüchen gegen eine private und eine gesetzliche Krankenversicherung der Leistungsanspruch bei Leistung des einen Trägers auch die Schuld des jeweils anderen, soweit sich die Ansprüche überschneiden. Hat der Versicherte seinen Behandlungsbedarf mit der Leistung eines seiner Schuldner gedeckt, erlischt die Schuld des anderen. In diesem Fall ist der Bedarf des Versicherten durch Leistung einer Versicherung entfallen. Dem Versicherten steht ein Wahlrecht offen, wen er in Anspruch nimmt. Soweit die Krankenkasse die Leistung nicht verweigert, aber der Versicherte die privat versicherte Leistung als eine der ihm möglichen Leistungen wählt, entfällt sein Anspruch aus dem GKV-System (BSG, Urteil vom 11. September 2018 - B 1 KR 7/18). Dem Versicherten sind dann keine Kosten entstanden, die von der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 13 SGB V erstatten werden müssen.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 1. Dezember 2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Erstattung von Aufwendungen für eine Krankenbehandlung im Ausland, wobei er die Zahlung des Erstattungsbetrages an seine private Reiseversicherung begehrt.

Der am H. Juni 19I. geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Bei der J. Reiseversicherung bestand eine Reisekrankenversicherung ohne Selbstbeteiligung (Versicherungsschein Nr K.), nach den Versicherungsbedingungen waren medizinisch notwendige Heilbehandlungen, wie stationäre Behandlungen im Krankenhaus einschließlich Operationen, im Ausland versichert. 

Während eines Aufenthaltes in Spanien wurde der Kläger dort wegen der Diagnose I25.4 in der Zeit vom 16. bis zum 18. Juli 2017 in einem Krankenhaus (L. M.) stationär behandelt. Die N. Reiseversicherung O. erstattete dem Kläger im Jahre 2017 Behandlungskosten in Höhe von insgesamt 6.538,29 Euro. Am 16. November 2017 unterzeichnete der Kläger zugunsten der N. Reiseversicherung O. folgende Abtretungserklärung: „Meine Forderung aus diesem Leistungsfall gegen andere Kostenträger trete ich an die N. Reiseversicherung O. ab. Die Abtretung gilt bis zur Höhe des gezahlten Betrages.“

Mit Schreiben vom 25. Juli 2019 beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihm „die im Zusammenhang mit dem Krankheitsfall in Spanien in der Zeit vom 16. bis zum 18. Juli 2017 entstandenen erstattungsfähigen Krankenbehandlungskosten durch Zahlung an die N. Reiseversicherung O. zu erstatten“.

Mit Bescheid vom 31. Juli 2019 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, Sachleistungsansprüche könnten gemäß § 53 Abs 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) nicht abgetreten werden. Das Abtretungsverbot erstrecke sich auch auf sogenannte Sachleistungssurrogate. Demgemäß seien auch Kostenerstattungsansprüche nicht übertragbar. Die von dem Kläger vorgelegte Abtretungserklärung ändere daran nichts. Die Leistung durch die N. Reiseversicherung O. sei endgültig und nicht vorläufig oder bedingt erfolgt. Der Kläger sei nicht ungerechtfertigt bereichert. Die Beklagte könne daher eine Erstattung der Behandlungskosten nicht vornehmen. Sie verwies auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 11. September 2018 (B 1 KR 7/18 R).

Gegen den Bescheid vom 31. Juli 2019 erhob der Kläger am 6. August 2019 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2019 als unbegründet zurückwies. Der Kläger habe aufgrund seiner bestehenden Auslandsreisekrankenversicherung Ansprüche für eine Kostenerstattung bei dieser geltend gemacht. Es habe ihm im Falle gleichgerichteter, sich inhaltlich überschneidender Ansprüche gegen über dem Reisekrankenversicherer und dem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung ein Wahlrecht zwischen den Ansprüchen zugestanden. Der zuerst angegangene Erstattungspflichtige habe seine Leistungspflicht gegenüber dem Versicherungsnehmer/Versicherer vollständig nach Maßgabe der für ihn geltenden Vorgaben zu erfüllen und zwar ohne Rücksicht auf weitere Ansprüche des Versicherungsnehmers/Versicherten gegenüber anderen Erstattungspflichtigen. Die Subsidiaritätsklauseln in den Versicherungsbedingungen, nach der die Leistungspflicht eines Dritten oder die Beanspruchung einer Entschädigung aus anderen Versicherungsverträgen der Leistungspflicht des Auslands- und Reisekrankenversicherers vorgehe, entfalte keine Wirkung gegenüber der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), weil diese weder „Versicherer“ noch „Dritter“ im rechtlichen Sinne sei. Der Kläger habe die Aufwendungen zuerst bedingungsgemäß bei der P. Reiseversicherung O. zur bedingungsmäßigen Erstattung eingereicht, eine Prüfung und Erstattung sei im Rahmen des bestehenden Versicherungsvertrages bereits 2017 erfolgt. Die Kostenerstattung durch die Reisekrankenversicherung sei auch nicht vorläufig oder bedingt, sondern endgültig. Er sei auch nicht nach § 812 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ungerechtfertigt bereichert. Kostenerstattungsansprüche seien als Sachleistungsansprüche nicht übertragbar. Daran ändere auch die vorgelegte Abtretungserklärung nicht.

Der Kläger hat dagegen am 7. November 2019 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Oldenburg erhoben und vorgetragen, die entstandenen Kosten seien vorliegend nicht durch den Eintritt der Auslandskrankenversicherung –N. Reiseversicherung O. – entfallen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die N. Reiseversicherung O. die Kosten der im Ausland stattgefundenen Behandlung unbedingt erstattet hätte. Dies sei jedoch nicht der Fall. Auf das Urteil des BSG vom 11. September 2018 könne die Beklagte nicht verweisen, da der zugrundeliegende Sachverhalt nicht vergleichbar sei. Der Kläger habe einen Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 13 Abs 4 und 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Der Kläger hat auf   das Urteil des BSG vom 3. April 2014 (B 2 U 21/12 R) sowie Entscheidungen des SG Hannover vom 26. Juni 2017 und 28. Juli 2020 – S 67 KR 313/19 Bezug genommen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 1. Dezember 2020 abgewiesen. Die zulässige Klage sei nicht begründet. Der Kläger sei nicht aktivlegitimiert, denn er sei materiell nicht anspruchsberechtigt. Durch die von ihm unterzeichnete Abtretungserklärung vom 16. November 2017 sei die N. Reiseversicherung O. Inhaberin einer eventuellen Forderung geworden. Es handele sich insoweit um eine Forderungsübertragung nach § 398 BGB. Damit bestehe für den Kläger keine Aktivlegitimation mehr. Es sei auf das Urteil des BSG vom 11. September 2018 (B 1 KR 7/18 R) hinzuweisen. Dort habe das BSG entschieden, dass der Abtretungsempfänger (Zessionar) eines Kostenerstattungsanspruchs eines GKV-Versicherten durch die Abtretung nur das begrenzte, ihm übertragene Recht aus dem Gesamtkomplex der Rechtsbeziehungen erhalte, ohne dass sich der Inhalt des Rechts verändere. Würde mit der Abtretung dagegen zugleich die Befugnis übertragen, die Feststellung des Kostenerstattungsanspruchs im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zu betreiben, bestünde die Gefahr, dass sich damit eine Inhaltsänderung des sozialrechtlichen Anspruchs ergäbe. Mit der Beschränkung einer Abtretung auf festgestellte Kostenerstattungsansprüche trage das Sozialrecht dem besonderen Schutzbedürfnis der Sozialleistungsberechtigten sowie ihrer Einbindung in spezifische Mitwirkungslasten Rechnung. Es sichere mit den Erleichterungen des Gerichtsverfahrens nach dem Sozialgerichtsgesetz den Schutz der Versicherten und zugleich mit der Leistungsbegrenzung auf einen abgeschlossenen Leistungskatalog und der grundsätzlichen Bindung an zugelassene Leistungserbringer sowie mit den dadurch eröffneten Kontrollmöglichkeiten die Wirtschaftlichkeit und damit die finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung. Die gleichen Gründe würden anstelle einer Abtretung einen gesetzlichen Forderungsübergang von anderen als bereits festgestellten Erstattungsansprüchen ausschließen, soweit nicht etwas Abweichendes gesetzlich geregelt sei. Die erschöpfende Regelung des Leistungs- und Leistungserbringungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung beziehe sich auch auf den Regelungsbereich gewillkürter Kostenerstattung. Auch in diesen Fällen trage der Versicherte aus den dargelegten Gründen die Abwicklungslast. Er könne lediglich bereits festgestellte Erstattungsansprüche auf andere übertragen. Im vorliegenden Fall sei ein Kostenerstattungsanspruch des Klägers gerade nicht festgestellt worden. Der Kläger könne daher nicht die Auskehrung der Krankenbehandlungskosten an die N. Reiseversicherung O. verlangen.

Darüber hinaus sei die Klage unbegründet, weil der Bescheid vom 31. Juli 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2019 nicht rechtswidrig sei. Durch ihn sei der Kläger nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Das Gericht folge den zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid (§ 136 Abs 3 SGG). Mit seinem Hinweis auf das Urteil des BSG vom 3. April 2014 (B 2 U 21/12 R) könne der Kläger nicht gehört werden. Dort habe das BSG entschieden, dass ein privater Krankenversicherer, der in der irrigen Annahme einer eigenen Schuld Leistungen an seinen Versicherungsnehmer erbracht habe, zur Begründung eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs im Wege der nachträglichen Zweck- und Tilgungsbestimmung aus Billigkeitsgründen berechtigt sei, durch Zahlungsaufforderung nachträglich zu erklären, dass seine Leistungen als für den leistungspflichtigen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung bewirkt gelten sollten. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch bestehe der Höhe nach nur insoweit, als der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung selbst notwendige Leistungen hätte erbringen müssen. Diese Ausführungen seien auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar; denn im vorliegenden Fall habe die N. Reiseversicherung O. die ihr obliegende Verpflichtung gegenüber dem Kläger weder vorläufig noch bedingt, sondern endgültig erfüllt. Die Begründung eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs komme daher nicht in Betracht.

Gegen das am 21. Januar 2021 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25. Januar 2021 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen erhoben. Er hat auf sein Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren verwiesen und gemeint, dass er aktiv legitimiert sei. Zu der rechtlichen Konstruktion werde auf das Urteil des BSG vom 3. April 2014 – B 2 U 21/21 R verwiesen. Das vom SG zitierte Urteil des BSG vom 11. September 2018 – B 1 KR 7/18 beziehe sich auf eine andere Sachverhaltskonstellation. In jenem Verfahren habe die Auslandskrankenversicherung einen Kostenerstattungsanspruch selbst gegen die Krankenkasse geltend gemacht. Das BSG habe entschieden, dass die Auslandskrankenversicherung keinen eigenen Anspruch auf Kostenerstattung gegenüber der GKV habe.  Zudem habe das BSG die Möglichkeit des Forderungsüberganges eines festgestellten Erstattungsanspruchs bestätigt. 

Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,

das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 1. Dezember 2020 und den Bescheid vom 31. Juli 2019 der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die dem Kläger im Zusammenhang mit dem Krankheitsfall in Spanien in der Zeit vom 16. bis zum 18. Juli 2017 entstandenen erstattungsfähigen Krankenbehandlungskosten – unter Abzug der Abschläge für Verwaltungskosten und fehlende Wirtschaftlichkeitsprüfung – durch Zahlung an die N. Reiseversicherung O. zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat die Vertragsunterlagen der Reisekrankenversicherung des Klägers beigezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte verwiesen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden.

Die Beteiligten sind mit Verfügung vom 3. Dezember 2021 zu einer Entscheidung durch Beschluss angehört worden.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte über den Rechtsstreit durch Beschluss gemäß § 153 Abs 4 SGG entscheiden.  Nach dieser Vorschrift kann das LSG, außer in den Fällen des § 105 Abs 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Senat hält die Voraussetzungen dieser Vorschrift für erfüllt. Das SG hat durch Urteil entschieden, es handelt sich um die Beurteilung einer Rechtsfrage, die Beteiligten sind gemäß § 153 Abs 4 Satz 2 SGG angehört worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die gemäß §§ 143 f SGG form- und fristgerecht erhobene Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.

Der Kläger kann die Erstattung der Kosten für die Krankenhausbehandlung in Spanien in der Zeit vom 16. bis 18. Juli 2017 und Auszahlung an die private Reisekrankenversicherung von der Beklagten nicht verlangen. 

Die Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1, Abs 4 SGG) ist zulässig. Der Kläger hat ein Rechtsschutzbedürfnis, denn er ist durch den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 31. Juli 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2019 beschwert. Er ist auch klagebefugt soweit es um die Geltendmachung eigener Ansprüche gegen die Beklagte geht. Der Kostenerstattungsanspruch ist nach Maßgabe des § 53 Abs 2 SGB I übertragbar. Im Hinblick auf das besondere Schutzbedürfnis des Sozialleistungsberechtigten sowie die spezifischen Mitwirkungsverpflichtungen nach den §§ 60 ff SGB I kann allerdings Gegenstand einer Abtretung nur die Auszahlung des im Gerichts- und Verwaltungsverfahrens festgestellten Anspruchs sein. Der Zessionar eines Kostenerstattungsanspruchs erhält durch die Abtretung lediglich das begrenzte, ihm übertragene Recht aus dem Gesamtkomplex der Rechtsbeziehungen, ohne dass sich der Inhalt des Rechts verändert. Die übrigen Bestandteile des Rechtsverhältnisses beziehen sich dagegen weiterhin auf den Versicherten, insbesondere verbleibt ihm die Befugnis, den Anspruch prozessual zu verfolgen (BSG, Urteil vom 18. Juli 2006 – B 1 KR 24/05 R, BSGE 97, 6; Schifferdecker, Kasseler Kommentar, Stand: 116. EL September 2021, § 13 Rn 60; BSG, Urteil vom 11. September 2018 – B 1 KR 7/18 R). Nach dieser Maßgabe war der Kläger befugt, seine Ansprüche gegen die Beklagte prozessual zu verfolgen.  

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung von Kosten und Auszahlung an die private Reisekrankenversicherung nach § 13 SGB V.

Nach § 13 Abs 4 SGB V sind Versicherte berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistungen im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn Behandlungen für diesen Personenkreis in einem anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung der Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten und fehlende Wirtschaftlichkeitsprüfungen vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.  Nach § 13 Abs 5 SGB V können abweichend von Absatz 4 in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 SGB V nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann. Der Inhalt des § 13 Abs 5 SGB V ist darauf beschränkt, hinausgehend über Abs 4 Satz 1 das zusätzliche Erfordernis der vorherigen Zustimmung der Krankenkasse für die stationäre Auslandsbehandlung aufzustellen, soweit sich Versicherte planmäßig zu einem stationären Aufenthalt ins Ausland begeben (BSG, Urteil vom 30. Juni 2009 – B 1 KR 22/08 R).

Es kann hier dahinstehen, ob der Kläger rechtzeitig vor dem stationären Krankenhausaufenthalt eine vorherige Zustimmung der Beklagten beantragt hat oder ob er gesundheitlich oder wegen der Dringlichkeit der Behandlung außerstande war, eine Entscheidung der Krankenkasse einzuholen oder deren Entscheidung abzuwarten (dazu Schifferdecker, aaO, § 13 Rn 185, 191; EuGH, Urteil vom 23. September 2020 – C-777/18), denn jedenfalls sind dem Kläger keine Kosten entstanden. § 13 Abs 5 SGB V setzt ebenso wie § 13 Abs 3 SGB V voraus, dass dem Versicherten aufgrund des Behandlungsfalles tatsächlich Kosten entstanden sind (vgl LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Juni 2019 – L 9 KR 292/18; Kingreen, Becker/Kingreen, SGB V, 7. Aufl, 2020, § 13 Rn 54). Der Versicherte muss für die Leistung etwas bezahlt haben oder schulden (zu § 13 Abs 3 Schifferdecker, aaO, Rn 91 mwN). Die Kosten für die Krankenhausbehandlung im Ausland sind jedoch bereits im Jahre 2017 durch die vom Kläger abgeschlossene Reisekrankenversicherung ausgeglichen worden. Der Kläger hat weder vorgetragen noch nachgewiesen, dass das behandelnde Krankenhaus weitere Forderungen gegen ihn aus dem Behandlungsfall hat.

Der Kläger hatte gegen die Reisekrankenversicherung nach den vorliegenden Vertragsbedingungen auch einen Anspruch gegen diese, denn die von ihm abgeschlossene Versicherung umfasst die Kostenerstattung für stationäre Behandlungen im Krankenhaus im Ausland.

Grundsätzlich erlischt bei zwei sich deckenden Leistungsansprüchen gegen eine private und eine gesetzliche Krankenversicherung der Leistungsanspruch bei Leistung des einen Trägers auch die Schuld des jeweils anderen, soweit sich die Ansprüche überschneiden. Hat der Versicherte seinen Behandlungsbedarf mit der Leistung eines seiner Schuldner gedeckt, erlischt die Schuld des anderen. In diesem Fall ist der Bedarf des Versicherten durch Leistung einer Versicherung entfallen (BSG, Urteil vom 11. September 2018 - B 1 KR 7/18 R, BSGE 126, 277 = SozR 4-7610 § 812 Nr 8 Rn 32, 33). Dem Versicherten steht ein Wahlrecht offen, wen er in Anspruch nimmt (BSG, aaO, Rn 33). Soweit die Krankenkasse ihre Leistung nicht verweigert, aber der Versicherte die privat versicherte Leistung als eine der ihm möglichen Leistungen wählt, entfällt sein Anspruch aus dem GKV-System (so ausdrücklich BSG, aaO, Rn 33).  Ein Ausgleich zwischen beiden Versicherungsträgers nach dem Rechtsgedanken der Regelungen über die Gesamtschuld nach § 421 BGB findet nicht statt (BSG, aaO, Rn 31, 33). Nach dieser Maßgabe war ein Anspruch des Klägers, der die Leistung der privaten Reisekrankenversicherung in Anspruch genommen hat, gegen die Beklagte erloschen.

Eine andere Beurteilung erfolgte auch nicht aus der Abtretungserklärung vom 16. November 2017, denn aufgrund der Leistung der Reisekrankenversicherung war die Schuld erloschen, Erstattungsansprüche konnten daher nicht mehr abgetreten werden. Soweit der Kläger die privat versicherte Leistung als eine der ihm möglichen Leistungen gewählt hatte, war sein Anspruch aus dem GKV-System entfallen, die Schuld der Beklagten erloschen (vgl BSG, aaO, Rn 31, 33), ein Anspruch, der hätte abgetreten werden können, bestand nicht mehr.

Die in der Auslandsreisekrankenversicherung enthaltene Subsidiaritätsklausel, wonach die Leistungspflicht eines Dritten oder die Beanspruchung einer Entschädigung aus anderen Versicherungsverträgen der Leistungspflicht der Auslandskrankenversicherung vorgeht, entfaltet keine Wirkung, weil die GKV nicht „Dritter“ im Sinne dieser Vorschrift ist. Die von der privaten Versicherung angenommene vorrangige Leistungspflicht des Sozialleistungsträgers besteht nach der Rechtsprechung des BSG gerade nicht.  Das BSG hat vielmehr ausgeführt, dass Ausgleichsansprüche zwischen der Krankenkasse und dem privaten Versicherer ohne gesetzliche oder vertragliche Grundlage nicht in Betracht kommen (BSG, aaO, Rn 25, 30).

Ein Forderungsübergang kann überhaupt nur hinsichtlich eines festgestellten Erstattungsanspruchs nach § 13 Abs 4 und 5 SGB V in Betracht kommen (BSG, aaO, Rn 19f,  28). Ein solcher festgestellter Anspruch liegt hier jedoch gerade nicht vor. Das Gesetz sieht einen Übergang eines Anspruchs der Versicherten auf Kostenerstattung gegen die Krankenkasse nicht vor (BSG, aaO, Rn 29).

Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass das vom Kläger angeführte Urteil des 2. Senates des BSG vom 3. April 2014 -  B 2 U 21/12 R, BSGE 115, 247 = SozR 4-7610 § 812 Nr 7 hier nicht einschlägig ist. Dieses betraf eine andere Fallkonstellation, nämlich einen Kostenerstattungsstreit zwischen einer privaten Krankenversicherung und einem gesetzlichen Unfallversicherungsträger. Das BSG hatte entschieden, dass ein privater Krankenversicherer, der in der irrigen Annahme einer eigenen Schuld Leistungen an seinen Versicherungsnehmer erbracht hat, zur Begründung eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs im Wege der nachträglichen Zweck- und Tilgungsbestimmung aus Billigkeitsgründen berechtigt ist, durch Zahlungsaufforderung nachträglich zu erklären, dass seine Leistungen als für den leistungspflichtigen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung bewirkt gelten sollen.

Die Ausführungen des 2. Senates sind auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar; denn sie betreffen die Ansprüche gegen die gesetzliche Unfallversicherung und nicht die erschöpfenden und abschließenden Regelungen des Leistungsrechts der GKV (vgl. BSG, Urteil vom 11. September 2019 – B 1 KR 7/18 R Rn 26). Zudem hat im vorliegenden Fall die Europäische Reiseversicherung AG die ihr obliegende Verpflichtung gegenüber dem Kläger auch nicht in der irrigen Annahme einer eigenen Schuld oder vorläufig erbracht, sondern endgültig erfüllt und weil sie aufgrund des Vertrages mit dem Kläger dazu verpflichtet war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Es hat in Hinblick auf die Ausführungen des BSG im Urteil vom 11. September 2018 – B 1 KR 7/18 R kein Grund bestanden, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG).

Rechtskraft
Aus
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