L 14 U 302/18

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Sachgebiet
Unfallversicherung
1. Instanz
SG Hannover (NSB)
Aktenzeichen
S 22 U 314/16
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 14 U 302/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 7. November 2018 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines Unfalles als Arbeitsunfall.

Die im Jahre 1989 geborene Klägerin ist seit Februar 2011 als Angestellte im Vertriebsinnendienst bei der Stadtwerke J. GmbH in K. beschäftigt.

Am 15. und 16. März 2016 fanden in der Kreissporthalle in K. auf Einladung der Stadt K. die alljährlichen Hallen-Stadtmeisterschaften der Betriebsmannschaften im Fußball statt. An dieser Veranstaltung nahm auch die Klägerin als Spielerin der Mannschaft ihrer Arbeitgeberin teil. Am 15. März 2016 verletzte sich die Klägerin während dieses Fußballturniers nach einem Sprung ohne Fremdeinwirkung das rechte Knie. Sie wurde daraufhin in die Ambulanz des Kreiskrankenhauses L. gebracht, wo der zuständige Durchgangsarzt zur weiteren diagnostischen Abklärung eine Magnetresonanztomographie (MRT) anordnete (Durchgangsarztbericht des Prof. Dr. M. vom 16. März 2016). Diese wurde am 17. März 2016 durchgeführt und ergab eine frische subtotale Ruptur des hinteren Kreuzbandes, eine minimal imprimierte laterale Tibiakopffraktur, einen umschriebenen tiefen frischen Knorpelschaden des medialen Femurkondylus ventral Grad III, einen massiven Gelenkerguss sowie eine diffuse Einblutung in die Weichteile (Arztbrief der Radiologin Dr. N. vom 17. März 2016).

Die Beklagte leitete auf die Unfallanzeige der Arbeitgeberin der Klägerin vom 17. März 2016 ein Feststellungsverfahren ein, in welchem sie zunächst neben den o.g. medizinischen Unterlagen die Stellungnahme der Klägerin zum Unfallhergang vom 10. April 2016 sowie die Stellungnahmen der Arbeitgeberin der Klägerin vom 11. April und 26. April 2016 zu der Sportveranstaltung einholte. Darüber hinaus holte sie die beratungsärztliche Stellungnahme des Prof. Dr.
O. vom 19. April 2016 ein. Mit Bescheid vom 25. Mai 2016 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen aufgrund des Ereignisses vom 15. März 2016 ab, weil die Klägerin keinen Arbeitsunfall (im Sinne des § 8 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – gesetzliche Unfallversicherung – SGB VII) erlitten habe. Die Klägerin sei während des Unfallereignisses nicht unfallversichert gewesen. Um einen unter Versicherungsschutz stehenden Betriebssport habe es sich nicht gehandelt, da bei der Arbeitgeberin der Klägerin keine Betriebssportgruppe existiere, welche regelmäßige Übungsstunden absolviere. Die Fußballer nähmen nur an Turnieren teil. Auch habe es sich bei der Sportveranstaltung am 15. März 2016 nicht um eine unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehende Gemeinschaftsveranstaltung gehandelt, weil an diesem Fußballturnier nur wenige Beschäftigte der Arbeitgeberin der Klägerin (8 von 77 Mitarbeitern) teilgenommen hätten. Bewillige und fördere die Unternehmensleitung – wie vorliegend – lediglich die Teilnahme ihrer Mitarbeiter an einem Fußballturnier in deren Freizeit, ohne dabei selbst irgendwelche Leistungs- und Organisationsfunktionen zu übernehmen, liege keine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung und damit auch kein Versicherungsschutz vor.

Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch hat die Klägerin die Ansicht vertreten, in Zusammenhang mit dem Unfallereignis am 15. März 2016 sehr wohl im Rahmen einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung unfallversichert gewesen zu sein. So sei ihre Firma bei der Veranstaltung nicht nur durch die Fußballmannschaft, sondern auch durch diverse Mitarbeiter vertreten gewesen, die die spielenden Betriebsangehörigen unterstützt hätten. Auch habe die Unternehmensleitung ihrer Firma die Veranstaltung gebilligt, gefördert und durch eigene Mitarbeiter – vorliegend den Abteilungsleiter – intern organisiert. Dies reiche entgegen der Auffassung der Beklagten für die Annahme einer unfallversicherten betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung aus.

Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 29. November 2016 zurück: Entgegen der Auffassung der Klägerin erfülle das von ihr am 15. März 2016 besuchte Fußballturnier nicht die von der Rechtsprechung an die Annahme eines unfallversicherten Betriebssports, bzw. an die Annahme einer unter Unfallversicherungsschutz stehenden betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung gestellten Kriterien.

Hiergegen hat die Klägerin am 22. Dezember 2016 beim Sozialgericht (SG) Hannover Klage erhoben und ihre Auffassung unter Hinweis auf die E-Mail des Mitarbeiters der Arbeitgeberin der Klägerin P. Q. vom 18. Januar 2016 bekräftigt. Sie weist noch darauf hin, dass die Veranstaltung am 15./16. März 2016 sämtlichen Mitarbeitern ihrer Firma offen gestanden habe und die Geschäftsleitung ihrer Firma auch ausdrücklich dazu aufgefordert habe, aktiv als Teilnehmer der Fußballmannschaft oder passiv als Zuschauer teilzunehmen.

Die Beklagte hat an ihrem angefochtenen Bescheid festgehalten. Sie ist der Ansicht, dass die von der Klägerin vorgelegte E-Mail vom 18. Januar 2016 die Annahme einer (unfallversicherten) Gemeinschaftsveranstaltung von vorneherein ausschließe, da nur ein begrenzter Teil der Mitarbeiter/innen überhaupt wirklich teilnehmen könne. Hauptgrund der Teilnahme sei nicht etwa der Zusammenhalt der Mitarbeitergemeinschaft, sondern die Titelverteidigung gewesen. Auch sei die Teilnahme an dieser Veranstaltung den Mitarbeitern freigestellt gewesen.

Das SG Hannover hat die Klage mit Urteil vom 7. November 2018 abgewiesen: Die Beklagte habe in ihrem angefochtenen Bescheid zu Recht entschieden, dass die Klägerin keinen Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII erlitten habe. Die Klägerin habe im Zeitpunkt ihres Unfalls nicht unter Versicherungsschutz gestanden, weil sie ihrer versicherten Beschäftigung bei der Stadtwerke J. GmbH als Angestellte nicht nachgegangen sei. Die Klägerin habe durch die Teilnahme an dem Fußballturnier keinen unfallversicherten Betriebssport ausgeübt, weil sie diesen Sport nicht regelmäßig betrieben habe und das Fußballturnier, an dem sie teilgenommen habe, auch nicht den nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 13. Dezember 2005 – B 2 U 29/04 -, Juris) erforderlichen Ausgleichs-, sondern Wettkampfcharakter gehabt habe. Darüber hinaus habe die Klägerin zum Zeitpunkt des Unfalls auch nicht an einer (unfallversicherten) betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung im Sinne der Rechtsprechung des BSG (vgl. zuletzt Urteil vom 15. November 2016 – B 2 U 12/15 R -, Juris) teilgenommen. Das Fußballturnier sei nicht von ihrer Arbeitgeberin, sondern von der Stadt K. ausgerichtet worden. Daneben habe die Kammer Zweifel, ob die Veranstaltung überhaupt allen Betriebsangehörigen der Arbeitgeberin der Klägerin offenstand. Die Veranstaltung habe Wettkampfcharakter gehabt und darauf abgezielt, fußballinteressierte Belegschaftsmitglieder unterschiedlicher Betriebe zu einer Teilnahme zu motivieren. Es habe sich um eine rein sportliche Veranstaltung gehandelt, die von vorneherein auch so geplant gewesen sei, dass aufgrund ihrer Eigenart ein nennenswerter Teil der Belegschaft nicht teilnehmen werde.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 28. November 2018 zugestellte Urteil am 18. Dezember 2018 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt und ihr bisheriges Vorbringen wiederholt. Sie weist noch darauf hin, dass ihre Arbeitgeberin hinsichtlich der Veranstaltung am 15. März 2016 „innerbetriebliche Veranstalterin“ gewesen sei, denn sie habe ihren Betriebsangehörigen an diesem Tag freies Essen und Trinken gewährt, indem sie die entsprechenden Verzehrrechnungen übernommen habe. Auch habe sie die sportlichen Outfits ihrer Betriebsmannschaft organisiert und das Startgeld bezahlt.

Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,

  1. das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 7. November 2018 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. November 2016 aufzuheben und
  2. festzustellen, dass sie am 15. März 2016 einen Arbeitsunfall erlitten hat.

 

Die Beklagte beantragt,

       die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die der Entscheidungsfindung des Senats zugrunde gelegen haben.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte in Abwesenheit der Prozessbevollmächtigten der Klägerin entscheiden, da diese ordnungsgemäß eine Terminsmitteilung erhalten hat und darin auf dieses Vorgehen hingewiesen worden ist.

Die gemäß §§ 143 f. des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG Hannover hat die Klage mit Urteil vom 7. November 2018 zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. November 2016 ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht. Der Senat kann nicht feststellen, dass die Klägerin am 15. März 2016 einen Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII erlitten hat.

Richtige Klageart zur Erreichung des Ziels der Klägerin ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Nach der Rechtsprechung des BSG kann eine Versicherte vorab im Wege einer isolierten Feststellungsklage klären lassen, ob sie einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit erlitten hat (BSG, Urteile vom 7. September 2004 – Az.: B 2 U 46/03 R - und B 2 U 35/03 R, Juris).

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheits(erst)schaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb Versicherter ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität: ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2015 – B 2 U 8/14 R-, Juris).

Zwar war die Klägerin nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versichert. Ihre Verrichtung zur Zeit des geltend gemachten Unfallereignisses – das Fußballspielen – stand aber nicht in einem sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit. Die Klägerin ging während des Fußballspiels nicht ihrer Beschäftigung bei der Stadtwerke J. GmbH nach. Das Fußballspielen der Klägerin kann auch ausnahmsweise weder als Teilnahme an einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung noch als eine unfallversicherte Verrichtung im Sinne des Betriebssportes gesehen werden. Der Senat weist die Berufung aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils des SG Hannover vom 7. November 2018 zurück und nimmt zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf diese Entscheidungsgründe, die auch der Überzeugung des Senats nach eigener Überprüfung entsprechen.

Das Berufungsvorbringen der Klägerin vermag keine andere Entscheidung zu rechtfertigen. Festzuhalten bleibt, dass das Unfallereignis keinen unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehenden Betriebssport darstellt. Insoweit folgt auch der Senat der ständigen Rechtsprechung des BSG, wonach ein unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehender Betriebssport nur vorliegt, wenn der Sport Ausgleichs- und nicht Wettkampfcharakter hat, regelmäßig stattfindet, der Teilnehmerkreis im Wesentlichen auf Unternehmensangehörige beschränkt ist, Übungszeit und Übungsdauer im Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit stehen und der Sport unternehmensbezogen organisiert ist. Wettkämpfe mit anderen Betriebssportgemeinschaften außerhalb der regelmäßigen Übungsstunden sind demgegenüber nicht versichert (BSG, Urteil vom 13. Dezember 2005 – B 2 U 29/04 R-, Juris). Das SG Hannover hat in seinem angefochtenen Urteil bereits ausführlich dargelegt, dass die von der Klägerin zum Unfallzeitpunkt besuchte Sportveranstaltung die vorgenannten Kriterien eines unfallversicherten Betriebssports nicht erfüllt.

Entgegen der Auffassung der Klägerin erfüllt die von ihr zum Unfallzeitpunkt besuchte Sportveranstaltung auch nicht die nach der ständigen Rechtsprechung des BSG an das Vorliegen einer unfallversicherten betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung geforderten Kriterien, die auch der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt. In diesem Zusammenhang hat das SG Hannover in seiner angefochtenen Entscheidung bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass die Arbeitgeberin der Klägerin die Fußball-Stadtmeisterschaft weder ausgerichtet hat noch hat ausrichten lassen. Einzelne interne Unterstützungsleistungen dieser Arbeitgeberin wie das Stellen der Mannschafts-Outfits oder die Übernahme der Verzehrkosten der eigenen Mitarbeiter sind keine Ausrichtung im o. g. Sinne. Darüber hinaus scheitert die Annahme des Vorliegens einer unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehenden betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung auch daran, dass die Veranstaltung von vorneherein auch nicht dem Unternehmen der Klägerin angehörenden Personen offenstand. Neben der Fußballmannschaft der Stadtwerke J. GmbH nahmen nämlich nach dem Spielplan der Stadtmeisterschaften 2016 noch weitere 11 Mannschaften anderer Betriebe – gemeldet waren nach dem Anschreiben der Ausrichterin dieses Turniers, der Stadt K., vom 1. März 2016 sogar insgesamt 13 Mannschaften – teil (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 15. November 2016 – B 2 U 12/15 R -, Juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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