Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 8. Februar 2017 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob dem Kläger wegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit eine höhere Verletztenrente zu gewähren ist.
Der im Jahre O. geborene Kläger hat den Beruf des Elektroinstallateurs erlernt und darüber hinaus einen Fachhochschulabschluss als Diplom-Ingenieur in der Fachrichtung Physiktechnik erworben. Von August 2000 bis Ende 2011 war er als Projektleiter bei der P. in A., zur damaligen Zeit ein Mitgliedsunternehmen der Q., beschäftigt. In dieser Funktion hatte er u.a. auf ausländischen Baustellen Messungen und Testungen an Windenergieanlagen durchzuführen. Seit dem 1. Januar 2012 ist der Kläger bei der R. in B. als Mess- und Prüfingenieur beschäftigt.
Am 10. September 2009 erlitt der Kläger auf dem Rückweg von einer Baustelle in China zum Hotel als angeschnallter Beifahrer einen Autounfall, als das Fahrzeug gegen einen auf der Straße liegenden Kieshaufen fuhr (Unfallanzeige der Arbeitgeberin des Klägers vom 15. September 2009).
Der Kläger wurde daraufhin sofort ins nächstgelegene Krankenhaus vor Ort gefahren und von dort in ein Krankenhaus in Shanghai verlegt, wo eine Oberarmkopffraktur links operativ versorgt wurde. Im Anschluss kehrte der Kläger nach Deutschland zurück, wo er sich sofort in weitere ärztliche Behandlung begab (H-Arzt-Bericht des Orthopäden S. vom 15. September 2009). Am 18. Mai 2010 erfolgte eine Arthroskopie der linken Schulter des Klägers mit Metallentfernung, partieller Synvektomie (radikale Entfernung der erkrankten Synovialhaut eines Gelenkes) und Arthrolyse (Gelenkmobilisation durch operative Entfernung von Narbensträngen oder knöchernen Wulstbildungen), nach welcher eine Funktionseinschränkung der linken Schulter verblieb. Auch die daraufhin durchgeführten beiden erweiterten ambulanten Physiotherapien (EAP) jeweils im T. konnten die Bewegungseinschränkung in der linken Schulter des Klägers nicht beheben (vgl. Entlassungsberichte dieser Reha-Einrichtung vom 6. Juli 2010 und 10. August 2010).
Die U. zog u.a. die o.g. Unterlagen bei und holte das orthopädisch-unfallchirurgische Gutachten des V. vom 24. Januar 2011 (unter Mitarbeit des W.) ein. Mit Bescheid vom 2. März 2011 erkannte die U. daraufhin den Unfall des Klägers vom 10. September 2009 als Arbeitsunfall an und stellte die Gesundheitsstörungen „Reizlose Narbenbildung am linken Schultergelenk und am linken Oberarm, deutliche Funktionseinschränkung des linken Schultergelenkes in allen Richtungen, erhebliche Muskelschwäche der linken Schulterkuppe sowie eine geringe Muskelschwäche des linken Armes nach knöchern fest verheilter Oberarmkopffraktur links“ als Unfallfolgen fest. Darüber hinaus gewährte sie dem Kläger für die Zeit vom 6. September 2010 bis zum 31. Januar 2012 als vorläufige Entschädigung Verletztenrente in Form einer Gesamtvergütung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 vom Hundert (v.H.).
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch begehrte der Kläger die Gewährung einer höheren Verletztenrente auf Dauer. Die U. holte den Bericht des Herrn S. vom 14. April 2011 sowie das Rentengutachten des Chirurgen und Unfallchirurgen X. vom 13. April 2012 (unter Mitarbeit von Y.) ein.
Mit Bescheid vom 16. Mai 2012 bewilligte die U. dem Kläger über den 31. Januar 2012 hinaus Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. auf Dauer und benannte die Unfallfolgen nunmehr wie folgt: “Deutliche Bewegungseinschränkung und Belastungsinsuffizienz des linken Schultergelenkes, Schultertiefstand und muskuläres Defizit im Schultergürtelbereich links, beginnende Ossifikation (Knochenbildung) im Sehnenansatzbereich der Supraspinatussehne und Tuberculum majus humeri sowie reizlose Narbenbildung am linken Schultergelenk nach operativ versorgter, knöchern fest verheilter Oberarmkopffraktur links.“
Die U. holte darüber hinaus die Stellungnahmen des X. vom 2. Juli 2012 (unter Mitarbeit von Y.) sowie des Beratungsarztes Z. vom 18. Juli 2012 ein. Mit Bescheid vom 4. Oktober 2012 half die U. dem Widerspruch des Klägers insoweit ab, als sie ihm nunmehr rückwirkend für die Zeit ab dem 6. September 2010 Verletztenrente nach einer MdE um 25 v.H. bewilligte. Nachdem der Kläger sich nach Erlass des Teil-Abhilfebescheides auf ihre Aufforderung nicht mehr zurückgemeldet hatte, ging die U. davon aus, dass das Widerspruchsverfahren sich damit erledigt hatte.
Mit Schreiben vom 1. Juli 2013 hat der Kläger die U. an ihre Zusage aus ihrem Schreiben vom 31. Oktober 2011 erinnert, wonach sie zur Frage des Bestehens einer besonderen beruflichen Betroffenheit i.S.d. § 56 Abs. 2 Satz 3 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII) ein gesondertes Verfahren durchführen werde.
Mit Bescheid vom 5. Dezember 2013 lehnte die U. die Gewährung einer höheren Verletztenrente aufgrund des Vorliegens einer besonderen beruflichen Betroffenheit i.S.d. § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII ab: Es könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger über die in § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII geforderten besonderen Spezialkenntnisse in seinem Lebensberuf verfüge, da ihm trotz seiner unfallbedingten Einschränkungen weitere Tätigkeitsfelder im Büro offen stünden. Hierbei könne der Kläger seine bisher erworbenen Kenntnisse und speziellen Fähigkeiten eines Prüfingenieurs anwenden. Dass im Verlauf eines längeren Berufslebens tätigkeitsspezifische Fähigkeiten erlangt würden, sei ein geradezu selbstverständlicher Vorgang. Darüber hinaus sei es dem Kläger zumutbar, die noch verbliebenen besonderen beruflichen Kenntnisse und Erfahrungen einzusetzen. Eine berufliche Umorientierung und/oder berufliche Weiterbildung sei ihm ebenfalls zumutbar. Ferner sei nicht erkennbar, dass die Folgen des Arbeitsunfalls vom 10. September 2009 zu einem unzumutbaren sozialen Abstieg geführt hätten. Der Kläger sei weiterhin in gleicher oder vergleichbarer Funktion in einem Windkraftunternehmen tätig. Hierbei bleibe unberücksichtigt, dass der Kläger eventuell aufgrund der Unfallfolgen keine beruflichen Aufstiegschancen als Prüfingenieur für Windkraftanlagen habe.
Bereits mit Bescheid vom 14. August 2013 hatte die U. die AA. mit Wirkung zum 1. Juni 2012 gemäß § 136 Abs. 1 SGB VII an die AB. überwiesen. Diese wies daraufhin den gegen den Bescheid der U. vom 5. Dezember 2013 erhobenen Widerspruch des Klägers, den der Kläger nicht begründet hat, mit Widerspruchsbescheid vom 21. August 2014 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 22. September 2014 beim Sozialgericht (SG) Oldenburg Klage erhoben und seine Auffassung bekräftigt. Entgegen der Auffassung der U. liege bei ihm eine besondere berufliche Betroffenheit vor. Er – der Kläger – habe vor dem Arbeitsunfall überhaupt keine Bürotätigkeiten durchgeführt. Vielmehr habe er beim Hersteller Belastungs- und Prototypen-Tests an den Anlagen durchgeführt. Dazu habe er in den zum Teil sehr hohen Windenergieanlagen aufsteigen und Arbeiten in großer Höhe, auch an ausgesetzten Stellen, durchführen müssen. Diese Prüfungstätigkeiten seien ihm nunmehr wegen der unfallbedingten Bewegungseinschränkung seines linken Armes überhaupt nicht mehr möglich. Auch die Tätigkeit bei seiner neuen Arbeitgeberin entspreche nicht dem vollen Spektrum des Prüfingenieurs. Er könne nur noch Prüftätigkeiten am Boden verrichten. Damit sei er nur noch Sachbearbeiter ohne Bezug zu den einzelnen Anlagen. Zwar habe er aktuell keine finanziellen Einbußen im Vergleich zu der Zeit vor dem Arbeitsunfall. Allerdings habe er bei seiner aktuellen Tätigkeit keinerlei Aufstiegschancen, so dass er in Zukunft weniger verdienen werde als vergleichbare Ingenieure. Darüber hinaus bestehe im Falle eines Arbeitsplatzabbaus die Gefahr, dass seine Arbeitgeberin sich von ihm als weniger umfassend einsetzbarem Ingenieur vorrangig trennen würde.
Die AC. ist dem Vorbringen des Klägers entgegengetreten. Mit Bescheid vom 30. August 2016 hat sie das Unternehmen der früheren Arbeitgeberin des Klägers AD., mittlerweile umfirmiert in AE.) zum 18. Mai 2015 an die AF. überwiesen.
Das SG Oldenburg hat die Arbeitgeberauskunft der R. vom 22. März 2016 eingeholt. Darüber hinaus hat es das orthopädisch-unfallchirurgische Gutachten des AG. vom 23. September 2016 eingeholt. Dieser Sachverständige hat in seinem Gutachten im Wesentlichen die von der U. in der Vergangenheit durchgeführten medizinischen Ermittlungen hinsichtlich der anzuerkennenden Unfallfolgen und der damit einhergehenden Einschätzung der Gesamt-MdE bestätigt. Darüber hinaus hat er in seinem Gutachten ausgeführt, dass der Kläger nicht mehr in der Lage sei, seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Projektingenieur u.a. auch bei Messarbeiten auf Windrädern auszuüben. Aufgrund erheblicher Funktionseinschränkungen des linken Armes im Schultergelenk sei der Kläger nicht mehr in der Lage, Windkraftanlagen zu besteigen. Er sei ebenfalls nicht mehr in der Lage, eine reguläre Eigensicherung durchzuführen, auch Fremdhilfe sei nicht mehr suffizient möglich.
Mit Urteil vom 8. Februar 2017 hat das SG Oldenburg die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat gegen das ihm am 14. März 2017 zugestellte Urteil am 13. April 2017 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen bekräftigt.
Der Kläger beantragt,
- das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 8. Februar 2017 sowie den Bescheid der AH. vom 5. Dezember 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der AI. vom 21. August 2014 aufzuheben,
- die Beklagte AJ.) zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 10. September 2009 unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit im Sinne des § 56 SGB VII eine Verletztenrente nach einer MdE um mehr als 25 v. H. der Vollrente zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil des SG Oldenburg für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakten der AK. genommen, die der Verhandlung und Entscheidungsfindung des Senats zugrunde gelegen haben.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG Oldenburg mit seinem Urteil vom 8. Februar 2017 die Klage abgewiesen. Der Bescheid der U. vom 5. Dezember 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der AC. vom 21. August 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach § 56 SGB VII nach einer MdE um mehr als 25 v.H., denn die bei ihm aufgrund der festgestellten Unfallfolgen nach § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII ermittelte MdE um 25 v.H. ist nicht wegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit im Sinne des § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII zu erhöhen.
Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig. Insbesondere sind sowohl der Ausgangs- als auch der Widerspruchsbescheid von der jeweils zuständigen Behörde erlassen worden. Nach § 136 Abs. 1 Satz 1 SGB VII stellt der Unfallversicherungsträger Beginn und Ende seiner Zuständigkeit für ein Unternehmen durch schriftlichen Bescheid gegenüber dem Unternehmer fest. War die Feststellung der Zuständigkeit für ein Unternehmen von Anfang an unrichtig oder ändert sich die Zuständigkeit für ein Unternehmen, überweist der Unfallversicherungsträger dieses dem zuständigen Unfallversicherungsträger. Die Überweisung erfolgt im Einvernehmen mit dem zuständigen Unfallversicherungsträger; sie ist dem Unternehmer von dem überweisenden Unfallversicherungsträger bekanntzugeben (§ 136 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB VII). Geht die Zuständigkeit für Unternehmen nach § 136 Abs. 1 Satz 4 von einem Unfallversicherungsträger auf einen anderen über, bleibt bis zum Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Entscheidung über das Ende der Zuständigkeit des bisherigen Unfallversicherungsträgers gegenüber dem Unternehmen bindend wird, dieser Unfallversicherungsträger für das Unternehmen zuständig. Die Unfallversicherungsträger können Abweichendes vereinbaren (§ 137 Abs. 1 SGB VII). Geht die Zuständigkeit für ein Unternehmen oder einen Unternehmensbestandteil von einem Unfallversicherungsträger auf einen anderen über, ist dieser auch hinsichtlich der Versicherungsfälle zuständig, die vor dem Zuständigkeitswechsel eingetreten sind; die Unfallversicherungsträger können Abweichendes vereinbaren (§ 137 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).
Die U. hat das Unternehmen der AA. mit Bescheid vom 14. August 2013 an die AC. überwiesen. Mithin war sie bis zum 31. Dezember 2013 zuständiger Unfallversicherungsträger der AA., so dass der von ihr am 5. Dezember 2013 gegenüber dem Kläger erlassene streitgegenständliche Ablehnungsbescheid noch in ihren Zuständigkeitszeitraum fiel. Die AC. wiederum hat die mittlerweile umfirmierte AL. – sie heißt nunmehr AE. – mit Bescheid vom 30. August 2016 an die Beklagte überwiesen. Mithin endete ihre am 1. Januar 2014 begonnene Zuständigkeit für dieses Unternehmen am 31. Dezember 2016, so dass sie innerhalb ihres Zeitraums der Zuständigkeit den Widerspruchsbescheid vom 21. August 2014 erlassen hat. Abweichende Vereinbarungen i.S.v. § 137 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB VII sind vorliegend weder ersichtlich noch von den Beteiligten vorgetragen worden.
In diesem Zusammenhang geht der Senat weiter davon aus, dass mit dem Übergang der Zuständigkeit i.S.d. §§ 136, 137 SGB VII auch das noch laufende streitgegenständliche Verfahren an den jeweils neu zuständig gewordenen Unfallversicherungsträger übergegangen ist (so auch Krasney in: Krasney/Becker u.a., SGB VII, Kommentar, Bd. 4, Stand: Januar 2015, § 137, Rz. 14; Diel in: Hauck/Noftz, Band 3, SGB VII, Kommentar, Stand: Januar 2022, § 137, Rz. 13; Wöltjen in: jurisPK-SGB VII, Stand: 15. Januar 2022, § 137, Rz. 35; a.A. z. B. LPK-SGB VII/Harald Streubel 5. Aufl. 2018, SGB VII § 137 Rz. 1-3). Dies ergibt sich schon aus dem eindeutigen Wortlaut des § 137 Abs. 2 Satz 1 HS. 1 SGB VII. Der Hinweis, dass vor Abschluss des Verwaltungsverfahrens kein „eingetretener Versicherungsfall“ vorliegt, rechtfertigt die Gegenansicht nicht, da der Versicherungsfall kraft Gesetzes eintritt und nicht erst dann, wenn der Unfallversicherungsträger darüber entschieden hat (so auch Krasney in: Krasney/Becker u.a., a.a.O.). Unabhängig hiervon ist vorliegend der Autounfall des Klägers bereits mit Bescheid der U. vom 2. März 2011 (und damit weit vor beiden Überweisungen des Unternehmens seiner früheren Arbeitgeberin i.S.d. §§ 136, 137 SGB VII an einen anderen Unfallversicherungsträger) als Arbeitsunfall und damit als Versicherungsfall i.S.d. §§ 7, 8 SGB VII anerkannt worden.
Die angefochtenen Bescheide sind auch materiell rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Verletztenrente wegen einer bei ihm bestehenden besonderen beruflichen Betroffenheit. Nach § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII sind bei der Bemessung der MdE Nachteile zu berücksichtigen, die der Versicherte dadurch erleidet, dass er bestimmte, von ihm erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Arbeitsunfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen kann, soweit sie nicht durch sonstige Fähigkeiten ausgeglichen werden, deren Nutzung ihm zugemutet werden kann.
Allerdings lässt diese unfallversicherungsrechtliche Regelung, bei der regelmäßig Erhöhungen von 10 bis 20 v.H. in Betracht kommen (BSGE 70, 47, 51 = SozR 3-2200 § 581 Nr. 1), keine allgemeine Berücksichtigung der besonderen beruflichen Betroffenheit – etwa entsprechend den Grundsätzen des § 30 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes – zu. Eine derartige Auslegung widerspräche der Systematik des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung, das für die Bemessung der Verletztenrente anders als das Versorgungsrecht (für Beschädigtengrundrenten) nicht lediglich ohne Rücksicht auf Alter und Einkommen des Beschädigten allein nach der Höhe der MdE zu gewährende Pauschalsätze, sondern (auch) den individuelleren Maßstab des vom Verletzten während des letzten Jahres vor dem Unfall verdienten Arbeitsentgelts vorsieht. Eine allgemeine Berücksichtigung des „besonderen beruflichen Betroffenseins“ würde daher in der gesetzlichen Unfallversicherung regelmäßig zu einer doppelten Berücksichtigung des Berufs führen (vgl. BSGE 70, 47, 48).
Die eine Höherbewertung der MdE rechtfertigenden Nachteile liegen im Rahmen des § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII aber dann vor, wenn unter Wahrung des in der Unfallversicherung geltenden Grundsatzes der abstrakten Schadensberechnung, der durch § 56 Abs. 2 S. 3 SGB VII nicht eingeschränkt wird (BSGE 23, 253, 254), die Nichtberücksichtigung von Ausbildung und Beruf bei der Bewertung der MdE im Einzelfall zu einer unbilligen Härte führen würde (ständige Rechtsprechung seit BSGE 23, 253, 255, vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23. Mai 2012 – L 3 U 129/10 -, Rz. 26 m.w.N., Juris). Selbst wenn der Verletzte seinen erlernten Beruf infolge seines Arbeitsunfalls nicht mehr ausüben kann, muss dies daher nicht zwangsläufig zur Erhöhung der MdE führen (vgl. BSGE 39, 31, 32). Auch dass erst bei einer Erhöhung der MdE nach § 56 Abs. 2 S. 3 SGB VII ein Verletztenrentenanspruch begründet werden kann, stellt für sich noch keine derartige unbillige Härte dar (vgl. BSG SozR 220 § 581 Nr. 18 m.w.N.).
Als wesentliche Merkmale für die Beurteilung der Frage, ob eine höhere Bewertung der MdE zur Vermeidung unbilliger Härten gerechtfertigt ist, hat das BSG vielmehr insbesondere das Alter des Verletzten (BSGE 4, 294, 299), die Dauer der Ausbildung (BSG SozR Nr. 10 zu § 581 RVO) sowie vor allem die Dauer der Ausübung der speziellen beruflichen Tätigkeit (BSGE 4, 294, 298; BSG SozR Nrn. 9 und 10 zu § 581 RVO) und auch den Umstand bezeichnet, dass die bisher verrichtete Tätigkeit eine günstige Stellung im Erwerbsleben gewährleistete (BSG SozR Nrn. 10 und 12 zu § 581 RVO). Aus diesen Merkmalen und den außerdem zu beachtenden sonstigen besonderen Umständen des Einzelfalles kann sich eine höhere Bewertung der MdE nach § 56 Abs. 2 S. 3 SGB VII ergeben, wenn der Verletzte die ihm verbliebenen Kenntnisse und Fähigkeiten nur noch unter Inkaufnahme eines unzumutbaren sozialen Abstiegs auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens verwerten kann (BSGE 70, 47, 49). Die einzelnen Umstände des jeweiligen Falles sind dabei nicht isoliert, sondern in ihrer Gesamtheit zu beurteilen. Eine allgemeine Regel, wie dies jeweils mit welchem Ergebnis zu geschehen hat, lässt sich hierfür nicht aufstellen (BSGE 23, 253, 255). Verfügt der Verletzte indes über sonstige Fähigkeiten, die geeignet sind, die unfallbedingt nicht mehr oder nicht mehr in vollem Umfang nutzbaren besonderen beruflichen Kenntnisse und Erfahrungen auszugleichen, kommt eine Erhöhung der MdE gemäß § 56 Abs. 2 S. 3 SGB VII nicht in Betracht, sofern dem Verletzten die Nutzung dieser Fähigkeiten zugemutet werden kann; dies schließt die zumutbare Aneignung solcher Fähigkeiten durch eine Umschulung ein (vgl. BSG, Urteil vom 31. Oktober 1972 – 2 RU 169/70 – und zum Ganzen BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 6).
Im Rahmen der Beurteilung der Frage, ob der Kläger seine besonderen Kenntnisse und Erfahrungen ursächlich zurückzuführend auf den Versicherungsfall nur noch in erheblich reduziertem Maß oder gar nicht mehr nutzen kann und daraus resultierend über den Normalfall hinausgehende, durch die nach der festgestellten MdE berechnete Rente nicht ausgeglichene Nachteile erlitten hat, ist – wie generell im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung – der Kausalitätsbegriff der Theorie der wesentlichen Bedingung zugrunde zu legen. Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach dieser werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben.
Nach diesen Maßstäben ist hier eine unbillige Härte zu verneinen. Für die Beurteilung ist abzustellen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls, d.h. hier den Arbeitsunfall vom 10. September 2009. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger 38 Jahre alt und seit 9 Jahren als Prüfingenieur im Bereich Prüfung von Windenergieanlagen tätig. Damit befand er sich in einem Alter, indem ihm durchaus noch eine berufliche Umorientierung in seinem Beruf als Ingenieur zuzumuten war und auch noch immer zuzumuten ist. Darüber hinaus ist – wie die U. und das SG Oldenburg in ihren ablehnenden Entscheidungen bereits zutreffend ausgeführt haben – von großer Bedeutung, dass der Kläger nach dem Arbeitsunfall in seinem gewohnten Beruf weitergearbeitet hat und noch immer arbeitet, auch wenn er mittlerweile bei seiner aktuellen Arbeitgeberin aufgrund der anerkannten Unfallfolgen mehr Bürotätigkeiten und weniger Prüftätigkeiten im Außendienst macht. Auch hat er bisher nach eigenen Angaben aufgrund des Arbeitsunfalls keinerlei finanzielle Einbußen erlitten, so dass auch der Senat nicht erkennen kann, auf welcher Grundlage dem Kläger vor o.g. Hintergrund eine höhere Gesamt-MdE nach § 56 Abs. 2 S. 3 SGB VII zuerkannt werden soll. Die vorgenannte Vorschrift dient nicht dazu, bereits aktuell einen Ausgleich für eventuell in Zukunft eintretende unfallbedingte berufliche Nachteile zu schaffen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.