L 3 U 297/17

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 24 U 340/15
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 297/17
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Das 1. Zusatzkriterium zur Konstellation B2 der Konsensempfehlungen zur BK 2108 ist dahingehend auszulegen, dass mehrere Bandscheiben die Betroffenheit von mindestens drei Bandscheiben voraussetzt.
2. Das 2. Zusatzkriterium zur Konstellation B 2 der Konsensempfehlungen zur BK 2108 ist dahingehend auszulegen, dass als Richtwert für die Mindest-Lebensdosis grundsätzlich der Richtwert nach dem MDD und nicht der hälftige Richtwert zu Grunde zu legen ist.

 

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 1. September 2017 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.


T a t b e s t a n d :

Streitig ist die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV; im Folgenden: BK 2108) im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens.

Der 1939 geborene Kläger beantragte erstmals am 3.2.2003 bei der Beklagten die Anerkennung einer BK 2108. Er war von 1954 bis zum 31.12.2002 (bis 1968 in Kroatien) als Maler, Putzer bzw. Trockenbauer beschäftigt gewesen.

Die Ermittlungen der Beklagten ergaben Folgendes: Die Dres. J und Z berichteten von einer Szintigrafie vom 19.2.1997, die degenerative Veränderungen am stärksten in Höhe L4 gezeigt habe, und vom 26.11.1991, die einen Bandscheibenschaden im Segment L4/5 ergeben habe. Die Allgemeinmedizinerin L gab an, der Kläger leide seit November 2002 unter zunehmenden Schmerzen der Lendenwirbelsäule (LWS) sowie Funktionseinschränkungen der Halswirbelsäule (HWS) und Schulter beidseits; die Beschwerden seien vor 16 Jahren erstmals aufgetreten. Der Kläger war jedenfalls seit August 2002 in Behandlung in der Klinik für Orthopädie im Klinikum R und hatte dort seit zehn Jahren bestehende rezidivierende lumboischialgieforme Schmerzen beidseits mit symmetrischer Ausstrahlung in die Oberschenkel angegeben. Im Klinikum wurde am 26.8.2002 eine regelrechte Neurologie beschrieben und eine Myelographie sowie ein Myelo-CT durchgeführt; am 15.11.2002 zeigten Röntgenaufnahmen der LWS des Klägers u.a. ausgeprägte degenerative Veränderungen in Form von Osteochondrose und Spondylarthrosen über der gesamten LWS, und an der HWS osteochondrotische Veränderungen, v.a. eine deutliche Zwischenwirbelraumverschmälerung C5/6. Am 20.11.2002 erfolgten unter der Diagnose knöcherne Spinalkanalstenose L 2/3 und L 4/5 eine Laminektomie L2-4 und Spondylodese L1-5. Röntgenaufnahmen der LWS vom 28.4.2003 zeigten u.a. eine Höhenminderung L4/5 und L5/S1. Am 23.6.2003 wurde neurologisch eine zervikale Spinalkanalstenose diagnostiziert.

Die Präventionsabteilung der Beklagten berechnete laut Stellungnahme vom 18.5.2004 für die BK 2108 eine Lebensdosis von 39,14 MNh.

Die Beklagte holte daraufhin ein orthopädisches Gutachten des I vom 12.10.2004 ein. Dieser beschrieb ein chronisch-rezidivierendes Wirbelsäulensyndrom mit fortgeschrittenen degenerativen Veränderungen über sämtlichen Wirbelsäulenabschnitten ohne neurologische Defizite. Aktuelle Röntgenuntersuchungen der HWS, BWS und LWS hätten einen generalisierten fortgeschrittenen multisegmentalen Verschleißschaden der gesamten Wirbelsäule vorwiegend unter dem Bild einer Spondylosis hyperostotica gezeigt. Er gelangte zu dem Ergebnis, dass bei einer Abwägung zwischen konkurrierenden Ursachen, individueller Veranlagung, dem zeitlichen Verlauf und der beruflichen Belastung das geklagte Schmerzbild über der LWS mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht berufsbedingt ausgelöst sei. Deutliche belastungsferne degenerative Veränderungen der BWS und HWS belegten einen allgemein nicht berufstypischen Verschleißschaden, auch bestehe keine radiologische Belastungskonformität des Schädigungsbilds an der LWS bei deutlichen konkurrierenden Ursachen einer Spondylosis hyperostotica, die schließlich zu der operationswürdigen knöchernen Spinalkanalstenose geführt habe.

Nach Einholung einer gewerbeärztlichen Stellungnahme vom 17.11.2004 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 1.12.2004 Leistungen nach § 9 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) in Verbindung mit der BKV ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Wirbelsäulenerkrankung keine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV oder Nr. 2109 der Anlage zur BKV darstelle. Es bestehe kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der versicherten Tätigkeit. Insoweit wurde auf das Gutachten des I Bezug genommen. Mit Widerspruch vom 21.6.2005 legte der damalige Bevollmächtigte des Klägers eine ärztliche Stellungnahme des Orthopäden B vom 24.4.2005 vor, wonach die berufliche Belastung wesentliche Teilursache der Rückenbeschwerden des Klägers sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.7.2005 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

In den dagegen laufenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) München (S 24 U 520/05 bzgl. der BK 2108 und S 24 U 682/05 bzgl. der BK 2109) wurde eine ärztliche Bescheinigung des B vom 6.11.2005 vorgelegt, wonach der Kläger an einem chronischen Zervikalsyndrom bei Osteochondrose der HWS und einer chronischen Dorsalgie bei Spondylosis hyperostotica der BWS leide. Das SG München holte nach Beiziehung bildgebender Befunde ein orthopädisches Gutachten des F vom 15.2.2006 ein. Dieser verneinte das Vorliegen einer BK 2109 mangels arbeitsmedizinischer Voraussetzungen und eine BK 2108 mangels Vorliegens einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS. Aktuell zeige sich lediglich eine durch die Versteifungsoperation bedingte Lendenstrecksteife ohne neurologische Ausfallerscheinungen. Zwar seien seit zehn Jahren lumboischialgieforme Beschwerden geäußert worden, die Neurologie vor dem Eingriff 2002 sei jedoch regelrecht gewesen, sodass auch präoperativ keine Zeichen einer bandscheibenbedingten Erkrankung bestanden hätten. Die Operation an der LWS sei ausschließlich wegen der Einengung des Wirbelkanals durchgeführt worden. Zwar bestünden altersuntypische Veränderungen an der LWS, jedoch liege kein belastungsadaptives Schadensbild vor, da die stärksten Bandscheibenschäden vor der operativen Behandlung im 1. und 4. Segment und die stärksten spondylotischen Ausziehungen nicht am Übergang von der BWS zur LWS bestanden hätten. Zudem seien auch an der HWS und BWS massive, annähernd gleiche degenerative Veränderungen zu verzeichnen, wobei die BWS von der BKV nicht geschützt sei und die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK 2109 nicht vorlägen. Auf den Röntgenaufnahmen vom 15.11.2002 seien multisegmentale Gefügestörungen dargestellt, die fast zwangsläufig zur Zermürbung von Bandscheiben führten. Eine abgelaufene Scheuermann-Erkrankung sei nicht auf die BWS begrenzt gewesen. Die Verschmälerung der Lenden-Bandscheiben sei im Wesentlichen durch die abgelaufene Scheuermann-Erkrankung zustande gekommen, gefördert durch eine früher festgestellte Fettstoffwechselstörung und Nikotinabusus.

Auf Antrag des Klägers wurde sodann ein orthopädisches Gutachten der Dres. G, R und D vom 21.8.2006 eingeholt. Diese diagnostizierten eine Cervikalgie bei massiver Osteochondrose der HWS, eine Pseudoradikulopathie S1 mit Facettengelenksarthrose sowie massiver Osteochondrose L5/S1 und ISG-Arthrose bei Zustand nach Laminektomie L2-4 und Spondylodese L1-5 bei Spinalkanalstenose. Beim Kläger bestehe ein chronisch-rezidivierendes Wirbelsäulensyndrom mit sensiblen neurologischen Defiziten an beiden Oberschenkeln bis zu den Waden. Bzgl. der Anerkennung einer BK 2108 bestehe eine grenzwertige Situation. Schicksalhaft sei der Morbus Scheuermann mit Schmorl`schen Knötchen im Bereich der BWS. Für eine bandscheibenbedingte Erkrankung sprächen die Höhenminderung der Bandscheibenräume über mehrere Segmente sowie der klinische Segmentbefund. Gegen eine berufsbedingte Verursachung spreche ein gleichförmiges Schadensbild über mehrere Segmente hinweg bis hinein in andere Wirbelsäulenabschnitte. Befunde des Morbus Scheuermann und einer hyperostotischen Spondylose könnten im Bereich der LWS nicht nachgewiesen werden, sodass eine BK 2108 berufsbedingt vorliege. Auch eine BK 2109 wurde bejaht.

Mit Urteil vom 12.7.2007 wurde die Klage betreffend die BK 2108 abgewiesen unter Bezugnahme v.a. auf das Gutachten des F Betreffend die BK 2109 wurde die Klage auf Hinweis der Vorsitzenden, dass die BK schon mangels der geforderten Einwirkungen nicht vorliegen könne, zurückgenommen.

Im anschließenden Berufungsverfahren L 3 U 301/07 wurde ein orthopädisches Gutachten des R1 vom 29.5.2008 eingeholt. Dieser gelangte zu dem Ergebnis, beim Kläger liege eine bandscheibenbedingte Erkrankung in den Segmenten L4/5 und L5/S1 vor mit deutlichen Bandscheibenschäden in diesen Segmenten sowie einem Zustand nach Versteifung L 1 bis L 5 bei nachgewiesener spinaler Enge und degenerativem Gleitwirbel L 3. Daneben bestehe eine im BWS-Bereich lokalisierte abgelaufene Scheuermann`sche Erkrankung sowie eine mehretagige Brückenbildung i.S.e. Spondylosis hyperostotica, die jedoch keine konkurrierende Ursache darstellten. Eine BK 2108 sei nicht nachzuweisen. Es fehle das belastungskonforme Schadensbild, da eine Begleitspondylose über zwei oder mehr Segmente im LWS-Bereich des Klägers nicht vorliege. Die Zusatzkriterien der Konstellation B2 seien hier nicht erfüllt, vielmehr liege eine Konstellation B3 vor, die der häufigsten Manifestationsform eigenständiger Bandscheibenerkrankungen aus innerer Ursache ohne eindeutigen Bezug zu einer beruflichen Überlastung entspreche. Die Berufung wurde daraufhin im Termin vom 25.11.2008 zurückgenommen.

Mit Schreiben vom 12.7.2013 teilte der Kläger mit, dass sich sein Gesundheitszustand an LWS, HWS und Schultern verschlechtert habe und er die Anerkennung einer Berufskrankheit beantrage. Er legte dazu u.a. einen Ambulanzbrief der Neurochirurgie der TU A vom 20.11.2013 vor, wonach am 31.10.2013 ein MRT der HWS durchgeführt worden sei, welches eine multisegmentale Spinalkanalstenose, v.a. C 4/5, C5/6 und 6/7 sowie eine Ventrolisthesis C7/Th1 gezeigt habe. Die Beklagte lehnte daraufhin nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme des C vom 4.4.2014, der eine weitere Zusammenhangsbegutachtung nicht für erforderlich hielt, mit Bescheid vom 8.5.2014 die Rücknahme des Bescheids vom 1.12.2004 nach § 44 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) ab. Mit Schreiben vom 23.7.2014 beantragte der Kläger die Rücknahme des Bescheids vom 8.5.2014 wegen Verschlimmerung. Mit dem streitigen Bescheid vom 25.9.2014 wurde die Rücknahme des Bescheids vom 1.12.2004 über die Ablehnung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass der Erkrankung der LWS und der HWS i.S.d. BK 2108 und 2109 nach § 44 SGB X erneut abgelehnt. Die Prüfung des Antrags habe nicht zu der Überzeugung geführt, dass bei Erlass des Bescheids das Recht unrichtig angewandt oder von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen worden sei. Mit Widerspruch vom 7.10.2014 machte der Kläger eine Belastung der HWS beim Anbringen von Filz an der Decke durch ständiges Nach-Hinten-Halten und Nach-Oben-Schauen geltend. Er legte diverse Arztbriefe der Klinik für Orthopädie der TU A vor, v.a. betreffend die Schultern. Mit Bescheid vom 18.6.2015 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Dagegen hat der Kläger am 29.6.2015 Klage zum SG München eingelegt und die Feststellung der BKen 2108 und 2109 begehrt (S 24 U 240/15 und S 24 U 396/15). Das SG hat bildgebende Befunde beigezogen und Beweis erhoben durch Einholung eines chirurgischen Gutachtens des L1 vom 27.2.2016. Dieser hat ausgeführt, es liege kein belastungskonformes Schadensbild vor. Denn am stärksten betroffen sei L 4/5 und nicht der unter biomechanischen Aspekten am stärkste belastete lumbosacrale Übergang
L5/S1, zudem liege das Hauptschadensbild des Klägers im Bereich der mittleren und unteren BWS, wo im Gefolge des Morbus Scheuermann und des späteren Morbus Forestier multisegmentale knöcherne Sekundärveränderungen bestünden. Es liege daher eine Konstellation B5 vor, für die nach den Konsensempfehlungen ein Zusammenhang mit berufsbedingten Belastungen nicht wahrscheinlich sei.

Auf Antrag des Klägers hat das SG ein orthopädisches Gutachten der Dres. R und E vom 28.6.2017 eingeholt. Diese sind zu dem Ergebnis gekommen, es lägen keine neuen medizinischen Erkenntnisse vor, dass beim Kläger entgegen den bisherigen Erkenntnissen eine BK 2108 oder 2109 vorliege. In der Beurteilung führten sie aus, der vorliegende Befund mit Osteochondrosen, Facettengelenksarthrosen und Spondylosen, welche zur Spinalkanalstenose geführt hätten, spreche durchaus für eine bandscheibenbedingte Erkrankung über mehrere Segmente. Auch die Diagnose Spinalkanal-stenose stehe dazu nicht in Widerspruch, da die bandscheibenbedingte Erkrankung die Voraussetzung für deren Entwicklung sei. Allerdings spreche das gleichförmige Schadensbild unter Einschluss auch benachbarter Wirbelsäulenabschnitte eher gegen eine belastungsbedingte und für eine systemische, endogene Verursachung der Schäden. Da aber die berufliche Einwirkung i.S.e. wesentlichen Teilursache nachgewiesen sei, sei die Situation grenzwertig.

Mit Gerichtsbescheid vom 1.9.2017 hat das SG die Klagen abgewiesen. Die Gutachten der Dres. L und R hätten erneut bestätigt, dass beim Kläger keine Berufskrankheit an der Wirbelsäule vorliegt. Beide Gutachter hätten zu Recht darauf hingewiesen, dass beim Kläger unabhängig vom Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen, die im Falle der BK 2108 zu bejahen seien, die medizinischen Voraussetzungen sowohl für die Anerkennung einer BK 2108 als auch einer BK 2109 fehlten. Beide Gutachter hätten erneut festgestellt, dass beim Kläger anlagebedingte Erkrankungen vor allem im Bereich der BWS (Morbus Scheuermann und Morbus Forestier) vorlägen, die zu deutlich stärkeren Beeinträchtigungen führten, als im Bereich der LWS und der HWS. Das Vorliegen deutlich vorauseilenderer Erkrankungen in mechanisch weniger belasteten Wirbelsäulensegmenten - wie im Bereich der BWS - spreche erheblich gegen eine BK 2108.

Gegen den am 6.9.2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 19.9.2017 Berufung eingelegt, soweit dort das Vorliegen einer BK 2108 abgelehnt wurde. Mit Schreiben vom 20.2.2018 hat der erkennende Senat darauf hingewiesen, dass die Klage unzulässig sei, soweit auch eine Verletztenrente begehrt werde, da die Beklagte im streitigen Bescheid sowie im Bescheid vom 1.12.2004 lediglich über das Vorliegen einer BK und nicht über eine konkrete Leistung entschieden habe. Der Senat hat sodann bildgebende Befunde, Befundberichte u.a. der Allgemeinärztin L, ein Vorerkrankungsverzeichnis und die Akte des Zentrums Bayern, Familie und Soziales (ZBFS) beigezogen und die Beklagte um Nachermittlung der Arbeitsplatzexposition zur BK 2108 und 2109 unter Berücksichtigung der vom BSG seit 2007 vorgenommenen Modifikationen des Mainz-Dortmunder-Dosis-Modells (MDD) gebeten.

Laut Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition vom 17.4.2018 berechne sich für die BK 2108 nach dem vom BSG modifizierten MDD eine berufliche Gesamtdosis des Klägers von 41,9 MNh. Jedoch sei der MDD-Richtwert für die Lebensdosis nicht in 10 Jahren erreicht worden, auch Spitzenbelastungen (Erreichen der Hälfte des MDD-Tagesdosis-Richtwertes durch hohe Belastungsspitzen) hätten nicht vorgelegen. Hinsichtlich der BK 2019 entfalle die Berechnung der kumulativen Gesamtdosis, denn der Kläger habe zwar Lasten über 40 kg auf den Schultern getragen, jedoch sei ein Schichtanteil von 30 Minuten pro Schicht nicht erreicht worden.

Zum weiteren Verlauf der Erkrankung nach Erlass des Gerichtsbescheids ergibt sich Folgendes aus den beigezogenen Befunden: Die Neurochirurgische Klinik der LMU (Arztbriefe vom 8.1., 27.1. und 22.4.2016) und die Neurologin Z1 (Arztbrief vom 11.5.2015) diagnostizierten u.a. multiple degenerative HWS-Veränderungen und eine zervikale Spinalkanalstenose C4/5 bis C6/7 mit Myelonaffektion. Am 19.4.2016 erfolgte eine Plattenosteosynthese in Höhe C4/5, C5/6 und C6/7, jeweils mit Foraminotomie. Am 6.3.2018 wurden von der Neurochirurgischen Klinik der TU A bildgebend multisegmentale degenerative Veränderungen der Wirbelsäule beschrieben, ein CT der LWS vom 7.6.2018 zeigte u.a. die Spondylodese L1-5.

Aus den beigezogenen Akten des ZBFS ergibt sich über die bereits oben berichteten Befunde hinaus Folgendes zur Vorgeschichte: Der Kläger beantragte erstmals am 22.11.1983 die Feststellung einer Behinderung. Der damalige Allgemeinarzt P teilte am 21.12.1983 mit, der Kläger leide seit 3 Jahren an einem HWS- und LWS-Syndrom mit starken Kopfschmerzen, spondylosis deformans und Bandscheibenschädigung C5/6. Der Orthopäde P1 gab am 12.12.1983 und am 20.3.1987 an, er habe beim Kläger ein chronisch rezidivierendes Zervikal- und Lumbalsyndrom mit Ischialgie, Osteochondrose und Spondylose beidseits diagnostiziert. Ein Röntgenbild der HWS vom 22.11.1982 habe eine erhebliche Verschmälerung des ZWR C5/6 sowie erhebliche ventrale und dorsale spondylotische Kantenreaktionen gezeigt; eine Aufnahme der LWS vom selben Tag habe stärker ausgeprägte spondylotische Ausziehungen an den oberen Ventralkanten von L4 und den korrespondierenden Ventralkanten L4/5 und L5/S1 gezeigt. Ein weiteres Bild der LWS vom 26.1.1987 habe überall normal weite Zwischenwirbelräume gezeigt und spondylotische Ausziehungen L4 sowie Th11/12. Laut Neurochirurgischer Klinik der LMU A hatten Funktionsaufnahmen der LWS vom 17.12.1991 und ein CT vom 5.11.1991 ein L4-betontes Reiz- und Ausfallsyndrom bei Spinalstenose L3/4 und instabiler Retrolisthesis L 4 ergeben. H berichtete unter dem 24.11.1992 u.a. von Röntgenaufnahmen der HWS, die sklerosierte Grund- und Deckplatten, von C4-7 vermehrt mit Deformierung und eingeengten Zwischenwirbelräumen ergaben. Ein CT des lumbalen Spinalkanals vom 18.2.1997 zeigte circuläre Protrusionen bei L3/4 und L4/5, eine Retrolisthesis L4 zu L3, Spondylarthrosen und Spondylchondrose L3/4. Ein CT des zervikalen Spinalkanals vom 3.3.1997 ergab massive Spondylchondrose in allen Segmenten und Vakuumphänomene in den meisten Segmenten. Röntgenaufnahmen aus dem Jahr 2000 zeigten laut Nachbefundung durch den Röntgenfacharzt ausgeprägte diffuse degenerative HWS-Veränderungen und grobe diffuse degenerative LWS-Veränderungen. Mittlerweile sind ein GdB von 100 sowie die Merkzeichen G, aG und B festgestellt (Bescheide vom 8.4.2014, 21.8.2014.; Widerspruchsbescheide vom 16.6.2014, 19.2.2019).

Der erkennende Senat hat ein orthopädisch-unfallchirurgisches Gutachten des R1 - auf Wunsch des Klägers nach Aktenlage - vom 11.12.2019 eingeholt. R1 hat unter Bezugnahme auf sein Gutachten vom 29.5.2008 ausgeführt, beim Kläger bestehe eine gesicherte bandscheibenbedingte Erkrankung in den Segmenten L 4/5 und L 5/S1 mit plausibler zeitlicher Korrelation zur beruflichen Belastung. Jedoch habe zum Zeitpunkt der Berufsaufgabe Ende 2002 ein komplexer Verschleißprozess der gesamten LWS vorgelegen. Zwar habe auch ein Bandscheibenschaden, betont im Segment L 4/5 bestanden. Die Operationsindikation und Behandlungsnotwendigkeit habe sich jedoch vorwiegend aufgrund einer knöchernen Verengung des Spinalkanals in den Segmenten L 2/3 und 4/5 bei einem komplexen Krankheitsbild mit degenerativ bedingter rechtskonvexer Torsionsskoliose mit Scheitel bei L4, einer Instabilität mit Anterolisthesis von L3 gegenüber L4 sowie ausgeprägten Verschleißerscheinungen in Form von Osteochondrosen und Spondylarthrosen im Bereich der gesamten LWS. Auch an der HWS hätten zum Zeitpunkt der Aufgabe der beruflichen Tätigkeit höhergradige Verschleißerscheinungen der Segment C2/3 und C3/4 sowie insbesondere C5/6 bestanden. Zudem hätten an der BWS ausgeprägte knöcherne Überbauungen im Sinne einer Spondylosis hyperostotica bestanden, die laut Konsensempfehlung jedoch nicht als wesentlicher konkurrierender Ursachenfaktor zu bewerten seien. Zum Operationszeitpunkt habe keine Begleitspondylose bestanden, so dass sich ein belastungskonformes Schadensbild nicht feststellen lasse. Die Zuordnung zu den Konstellationen der Konsensempfehlungen sei aufgrund der komplexen Befundsituation an der LWS insgesamt schwierig, am ehesten lassen sich eine Konstellation B 3 bewerten.

Nach einem Erörterungstermin vom 19.2.2020 hat die Beklagte am 13.3.2020 ergänzend zu den Zusatzkriterien der Konstellation B 2 dahingehend Stellung genommen, dass unter Zugrundelegung eines hälftigen MDD-Richtwertes von 12,5 MNh in weniger als 10 Jahren das 2. Zusatzkriterium erfüllt sei. Das 3. Zusatzkriterium sei nicht erfüllt, da keine Belastungsspitzen von 6 kN aufgetreten seien. Das 1. Zusatzkriterium setze die Betroffenheit von 3 oder mehr Bandscheiben voraus.

Der erkennende Senat hat sodann eine ergänzende Stellungnahme des R1 vom 24.4.2020 eingeholt. Demnach seien für das 1. Zusatzkriterium der Konstellation B2 bei einem monosegmentalen Bandscheibenschaden ein Bandscheibenvorfall oder eine black disc in zwei angrenzenden Wirbelsäulensegmenten erforderlich. Die Bilder des Klägers aus dem Jahr 2002 zeigten nicht einen altersvorauseilenden monosegmentalen Bandscheibenschaden plus begleitende altersvorauseilende Degeneration mindestens zweier darüber liegender Segmente, sondern eine komplexe Schädigung und hochgradig altersvorauseilenden Verschleiß der gesamten LWS. Eine Konstellation B2 sei daher nicht anzunehmen. Das 2. Zusatzkriterium sei unter Berücksichtigung der Deutschen Wirbelsäulenstudie I und II nicht dahingehend zu interpretieren, dass bereits das Erreichen der Hälfte des Richtwerts für die Lebensdosis in 10 Jahren ausreiche. Es sei von einer Konstellation B3 auszugehen, die aufgrund der gesamten Indizien nicht als BK 2108 anzuerkennen sei.

Die Beklagte legte eine beratungsärztliche Stellungnahme des H1 vom 26.6.2020 vor. Demnach sei der Schaden an der HWS bei Berufsaufgabe mit einer deutlichen Höhenminderung der Zwischenwirbelräume C4-C7 und einer ventral überbrückenden Spondylophytenbildung C4-6 als Zeichen einer ausgeprägten Chondrose deutlich ausgeprägter gewesen, als an der LWS mit Chondrose Grad I-II (Bandscheibenhöhe 69% nach Hurxthal) in L5/S1 und Grad II-III in L4/5 (49% nach Hurxthal). Daher liege eine Konstellation B5 vor. Selbst wenn man gleichermaßen ausgeprägte Schäden an HWS und LWS entsprechend der Konstellation B6 zugrunde lege, bestünden erhebliche Faktoren, die gegen ein belastungskonformes Schadensbild sprechen, u.a. die Aussparung von 3 LWS-Segmenten bei erheblicher Osteochondrose in der BWS.

Der Senat hat dazu eine ergänzende Stellungnahme des R1 vom 25.8.2020 eingeholt, der ausführte, unter Berücksichtigung aktueller Literatur sei für das 1. Zusatzkriterium eine Höhenminderung an mindestens 3 Bandscheiben erforderlich, was beim Kläger nicht der Fall sei. Beim 2. Zusatzkriterium könne aus medizinischer Sicht eine Halbierung der Dosis nicht angenommen werden, die Dosis müsse zumindest annähernd erreicht sein. Zudem bestünden bei erneuter Überprüfung der Aktenlage an der HWS zumindest identische klinische und morphologisch geprägte Beschwerden wie im Bereich der LWS, so dass hier aufgrund des Fehlens medizinischer Positivkriterien eine BK 2108 weiterhin abzulehnen sei.

Der Senat hat auf Antrag des Klägers ein weiteres orthopädisches Gutachten nach ambulanter Untersuchung des S vom 26.7.2021 eingeholt. Dieser hat beim Kläger eine Lumboischialgie mit deutlicher Funktionseinschränkung der LWS nach dorsaler Spondylodese L1-5 mit Laminektomie L2-4 und kaudaler Anschlussspondylese sowie eine Zervikobrachialgie beidseits nach ventraler Spondylodese C4-7 diagnostiziert. Es liege eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS mit einem lumbalen Wurzelreizsyndrom (Typ 2) vor. Es sei auch eine BK 2108 zu bejahen. Die Aufnahmen 2005 zeigten eine deutliche, altersuntypische Höhenminderung der Bandscheibenfächer L4/5 und L5/S1 mit dorsalen Spondylophyten bei guter Höhe der übrigen lumbalen Bandscheibenfächer L1/2 bis L3/4 ohne spondylotische Veränderungen. In den Aufnahmen aus 2006 zeigten sich auch multisegmentale degenerative osteochondrotische und spondylarthrotische Veränderungen an der HWS und der BWS, die jedoch in ihrer Ausprägung nicht so stark seien wie die an der LWS. Weder die Veränderungen an der BWS i.S.e. Morbus Forestier noch die degenerative Skoliose an der LWS stellten relevante konkurrierende Ursachen dar. Bei nicht nachgewiesener Begleitspondylose i.S.d. Konsensempfehlungen vor Auftreten der bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS ergebe sich hier eine Konstellation B2, da mit der Betroffenheit von zwei Bandscheiben das 1. Zusatzkriterium erfüllt sei. Insbesondere liege kein gleichförmiges, sondern ein kaudal betontes Schadensbild vor.

Der erkennende Senat hat dazu eine ergänzende Stellungnahme des R1 vom 14.9.2021 eingeholt, der an seiner Einschätzung festgehalten hat, dass zur Bejahung des 1. Zusatzkriteriums der Konstellation B2 mindestens drei Bandscheiben betroffen sein müssen. Unter Berücksichtigung der Röntgenaufnahmen von 2005 und der Myelographie sowie des Myelo-CT vom August 2002 zeige sich nur im Segment L4/5 eine Chondrose Grad II-III, im Segment L5/S1 eine Chondrose Grad I bis II (69 % nach Hurxthal). Bei deutlichen Verschleißerscheinungen an der HWS komme eine Konstellation B5 in Betracht. Auf Antrag des Klägers hat der erkennende Senat sodann eine ergänzende Stellungnahme des S eingeholt, der unter dem 18.1.2022 an seiner Beurteilung festgehalten hat. Nur bei einer monosegmentalen Chondrose sei die Betroffenheit zweier weiterer Segmente erforderlich; zudem bestehe in L3/4 eine Pseudospondylolisthesis, was mit einer gesunden Bandscheibe nicht zu vereinbaren sei.

Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts München vom 01.09.2017 sowie des Bescheides der Beklagten vom 25.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2015 die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 01.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.07.2005 aufzuheben, und festzustellen, dass eine Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage zur BKV vorliegt.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten, die beigezogenen erstinstanzlichen Akten des SG (S 24 U 340/15, S 24 U 396/15) und der früheren Sozialgerichtsverfahren (S 24 U 520/05, S 24 U 682/05, L 3 U 301/07) sowie die beigezogenen Akten der Beklagten und des ZBFS verwiesen, die Gegenstand der Beratung waren.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz, SGG) Berufung des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen. Zu Recht hat das SG entschieden, dass die angefochtene Verwaltungsentscheidung rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Gegenstand der Berufung ist neben dem erstinstanzlichen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 1.9.2017 der Bescheid der Beklagten vom 25.9.2014 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 18.6.2015, mit dem die Rücknahme des Bescheids vom 1.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.7.2005 abgelehnt wurde. Mit diesen Bescheiden waren Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung wegen einer BK 2108 und 2109 abgelehnt worden. Streitig ist ausweislich der Schriftsätze vom 19.9.2017 und vom 14.11.2017 sowie des Antrags mittlerweile nur noch die Anerkennung einer BK 2108.


Statthaft ist eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Die Anfechtungsklage zielt auf die gerichtliche Aufhebung der Ablehnungsentscheidung in dem Bescheid vom 25.9.2014 und dem Widerspruchsbescheid vom 18.6.2015 (§ 95 SGG), die Verpflichtungsklage auf die behördliche Rücknahme der bestandskräftigen (§ 77 SGG) Ablehnungsentscheidung in dem Bescheid vom 1.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.7.2005 sowie auf Feststellung des Vorliegens einer BK 2108 (vgl. stellv. BSG, Urteile vom 6.9.2018 -
B 2 U 10/17 R -, juris Rn. 8 m.w.N. und vom 15.9.2011 - B 2 U 22/10 R -, juris Rn. 10).

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Es besteht kein Anspruch des Klägers auf Aufhebung der die Anerkennung einer BK 2108 ablehnenden Bescheide und Anerkennung der BK 2108. Anspruchsgrundlage für das Rücknahmebegehren des Klägers ist § 44 Abs. 1 SGB X. Danach ist ein nicht begünstigender Verwaltungsakt zurückzunehmen, soweit er (anfänglich) rechtswidrig ist. Der Verwaltungsakt ist immer mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen (§ 44 Abs. 2 Satz 1 SGB X), soweit er noch Rechtswirkungen hat, also noch nicht iS des § 39 Abs. 2 SGB X erledigt ist. Die Rücknahme hat (gebundene Entscheidung) für die Vergangenheit zu erfolgen, wenn wegen der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes "Sozialleistungen" zu Unrecht nicht erbracht worden sind (§ 44 Abs. 1 S 1 SGB X). Das Gebot zur rückwirkenden Rücknahme gilt nicht in bestimmten Fällen der Bösgläubigkeit (§ 44 Abs. 1 Satz 2 SGB X). Im Übrigen "kann" (Ermessen) der anfänglich rechtswidrige Verwaltungsakt auch in sonstigen Fällen für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X).

Hier hatte die Beklagte im Ausgangsbescheid vom 1.12.2004 nicht nur die Wirbelsäulenerkrankung als BK, sondern auch Ansprüche "auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung" verneint, sodass Sozialleistungen abgelehnt worden sind. Dadurch ist der Anwendungsbereich des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X insoweit eröffnet (so für einen gleich gelagerten Fall BSG, Urteil vom 6.9.2018 - B 2 U 10/17 R -, juris Rn. 10).

Rechtsgrundlage für die Anerkennung der erstmals im Jahre 2002 geltend gemachten BK 2108 ist § 9 Abs. 1 SGB VII iVm Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV vom 31.10.1997 (BGBl I 2623), aktuell in der Fassung vom 29.6.2021 (BGBl. I S. 2245). Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII in der ab dem 01.01.2021 geltenden, durch das 7. SGB-IV-Änderungsgesetz vom 12.06.2020 (SGB-IV-ÄndG, BGBl I, S. 1248) modifizierten Fassung sind BKen nur diejenigen Krankheiten, die durch die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als solche bezeichnet sind (sog Listen-BK) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist für die Feststellung einer Listen-BK erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) sowie, dass eine Krankheit vorliegt, welche durch die Einwirkungen verursacht worden ist (haftungsbegründende Kausalität). Die weitere in § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII bis zum 31.12.2020 normierte Einschränkung, dass auch bestimmt werden kann, dass Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können (sog. "Unterlassungszwang"), ist ab dem 1.1.2021 entfallen. Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK. Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (vgl. stellv. BSG, Urteil vom 6.9.2018 - B 2 U 13/17 R -, juris Rn. 9 m.w.N.).

Die BK 2108 hatte in der bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung folgenden Wortlaut: "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können". Mit dem Wegfall des Unterlassungszwangs ist auch die Voraussetzung, wonach die bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben müssen, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, mit Wirkung zum 1.1.2021 entfallen (Art. 24 Nr. 3 Buchst. a des 7. SGB-IV-ÄndG). Zeitgleich ist der Tatbestand der BK 2108 um eine weitere Voraussetzung, wonach die bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule zu chronischen oder chronisch-rezidivierenden Beschwerden und Funktionseinschränkungen (der Lendenwirbelsäule) geführt haben müssen, erweitert worden (vgl. Art. 24 Nr. 3 Buchst. c des 7. SGB-IV-ÄndG). Die BK 2108 lautet nunmehr: "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben und Tragen von Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zu chronischen oder chronisch-rezidivierenden Beschwerden und Funktionseinschränkungen geführt haben". Konkret muss zur Erfüllung des Tatbestands der BK 2108 ein Versicherter also aufgrund einer versicherten Tätigkeit langjährig schwere Lasten gehoben und getragen bzw. langjährig in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet haben, wodurch eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS (mit chronisch-rezidivierenden Beschwerden und Funktionseinschränkungen) entstanden sein muss. Diese Änderung der Rechtslage hat vorliegend keine Auswirkungen, da der Kläger seine wirbelsäulenbelastende Tätigkeit im November 2002 aufgegeben hat und die Voraussetzungen einer BK 2108 weder zu diesem noch einem früheren oder Zeitpunkt nachgewiesen sind, weshalb auch die Frage, inwieweit der Aufhebung des Unterlassungszwangs Rückwirkung zukommt, hier dahinstehen kann.

1. Der Kläger gehörte zum versicherten Personenkreis, da er nach dem von der Beklagten beigezogenen Versicherungsverlauf zwischen dem 29.7.1968 und dem 31.12.2002 in verschiedenen Tätigkeiten als Beschäftigter i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII tätig war. Zuvor war er vom 1.9.1954 bis 31.8.1968 nach eigenen Angaben, an denen kein Zweifel besteht und die auch die Beklagte zugrunde gelegt hat, als Angestellter in Kroatien tätig. Zu Recht hat die Beklagte auch diese Zeiten berücksichtigt, denn nach dem zum Zeitpunkt des Erlasses des zu überprüfenden Bescheids geltenden Art. 21 Abs. 1 Satz 1 des am 1.12.1998 in Kraft getretenen Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kroatien vom 24.11.1997 (BGBl. II 1998, 2034), der den inhaltsgleichen Art. 20 Abs. 1 Satz 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 12.10.1968 (BGBl II 1969, 1438) ersetzt hat, berücksichtigt der Träger eines Vertragsstaats für den Leistungsanspruch aufgrund einer BK auch Beschäftigungen, die bei Anwendung der Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaats ausgeübt wurden und ihrer Art nach geeignet waren, diese Krankheit zu verursachen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 7.9.2004 - B 2 U 25/03 R -, juris Rn. 22; zum maßgeblichen Recht bei § 44 SGB X: Steinwedel in KassKomm, 117. EL Dezember 2021, SGB X § 44 Rn. 38). Dies gilt nach Art. 39 Abs. 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit und dem inhaltsgleichen Art. 40 Abs. 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kroatien auch für erhebliche Tatsachen vor Inkrafttreten des Abkommens. Gleiches würde sich zudem derzeit nach Art. 5 lit. b), 87 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 (ABl. L 166 vom 30.4.2004, S. 1, ber. ABl. L 200 vom 7.6.2004, S. 1, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2019/1149 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019, ABl. L 186 vom 11.7.2019, S. 21 m.W.v. 31.07.2019) ergeben (vgl. Maxeiner in Schlegel/ Voeltzke, jurisPK-SGB I, 3. Aufl., Art. 87 VO (EG) 883/2004 (Stand 9.9.2021), Rn. 9 ff.).

2. Der Kläger führte während des zuvor genannten versicherten Zeitraums und bei seinen versicherten Verrichtungen als Putzer, Maurer und Trockenarbeiter regelmäßig Hebe- und Tragvorgänge sowie Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung aus, die zu einer kumulativen Einwirkungsbelastung von 41,9 MNh geführt haben. Dies steht fest aufgrund der Berechnung des Präventionsdienstes der Beklagten vom 18.5.2004 mit Nachberechnungen vom 17.4.2018 auf Basis des vom BSG modifizierten Mainz-Dortmunder-Dosismodells (MDD).

Das MDD stellt zur Überzeugung des Senats immer noch eine geeignete Grundlage zur Konkretisierung der im Text der BK 2108 mit den unbestimmten Rechtsbegriffen "langjähriges" Heben und Tragen "schwerer" Lasten oder "langjährige" Tätigkeit in "extremer Rumpfbeugehaltung" umschriebenen Einwirkungen dar. Dies haben das BSG und die obergerichtliche Rechtsprechung zuletzt bestätigt; auch in der Literatur wird weiterhin auf das MDD verwiesen, das auch die hiesigen Gutachter nicht in Frage gestellt haben (vgl. stellv. BSG, Urteil vom 6.9.2018 - B 2 U 13/17 R -, juris Rn. 16 ff. sowie grundlegend BSG, Urteile vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R -, juris Rn. 18 m.w.N. und vom 18.3.2003 -
B 2 U 13/02 R -, juris Rn. 10; ausführlich auch Sächsisches LSG, Urteil vom 23.6.2021 - L 6 U 234/16 -, juris Rn. 23 ff.; vgl. auch Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017 - im Folgenden S/M/V -, S. 524 ff.). Anlass zu Zweifeln an den Berechnungen des Präventionsdienstes bestehen nicht, da diese 2004 auf Basis eines Gesprächs mit dem Kläger erstellt und jeweils ausführlich und nachvollziehbar dargelegt wurden. Die Berechnungen wurden jeweils den Bevollmächtigten im damaligen Verwaltungsverfahren bzw. im Berufungsverfahren (an beide Bevollmächtigte) übersandt, ohne dass Einwendungen erhoben wurden.

Die nachgewiesenen Einwirkungen übersteigen den im MDD formulierten Orientierungswert einer Gesamtdosis von 25 MNh deutlich. Sie erfolgten nach den Ermittlungen des Präventionsdienstes, hinsichtlich derer kein Anlass zu Zweifeln besteht, über einen Zeitraum von weit mehr als zehn Jahren, also langjährig (vgl. stellv. BSG, Urteil vom 23.4.2015, - B 2 U 10/14 R - juris Rn. 14 m.w.N. und S/M/V, a.a.O., S. 521 f.), und an mindestens 60 Schichten jährlich, also regelmäßig (vgl. stellv. BSG, Urteile vom 6.9.2018 - B 2 U 10/17 R -, juris Rn. 22 m.w.N. und vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R -, juris Rn. 27).

Damit sind hier relevante Einwirkungen i.S.d. BK 2108, die durch die versicherten Verrichtungen verursacht wurden (Einwirkungskausalität) zur Überzeugung des Senats nachgewiesen.

3. Zur Überzeugung des Senats litt der Kläger jedenfalls im Zeitpunkt der Berufsaufgabe (November 2002) an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS i.S.e. lumbalen Wurzelreizsyndroms. Der Senat stützt sich dabei vor allem auf die zweitinstanzlich eingeholten ausführlichen und schlüssigen Gutachten des R1 und des S, jeweils mit ergänzenden Stellungnahmen, sowie ergänzend auf das frühere Gutachten des R1 vom 29.5.2008 im Verfahren L 3 U 301/07.

Zur Bewertung der arbeitsmedizinischen Voraussetzungen legt der Senat die Konsensempfehlungen aus dem Jahr 2005 zugrunde (vgl. Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung der auf Anregung des Hauptverbandes der Berufsgenossenschaften (HVBG) eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe, S Bolm-Audorff et al, "Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule", Trauma und Berufskrankheit 2005/3, S. 212 ff.). Diese bilden - wie R1 im Gutachten vom 19.11.2019 ausgeführt hat - nach aktueller wissenschaftlicher Ansicht, der die Rechtsprechung folgt, weiterhin den aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand ab (vgl. zuletzt BSG, Urteile vom 6.9.2018 - B 2 U 13/17 R -, juris Rn. 20 und vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R -, juris Rn. 20; Thüringer LSG, Urteil vom 1.7.2021 - L 1 U 976/18 -, juris Rn. 28 und Hessisches LSG, Urteil vom 4.5.2021 - L 3 U 70/19 -, juris). Dem schließt sich der Senat an, zumal auch S die Konsensempfehlungen als aktuellen Stand der Wissenschaft zugrunde gelegt hat und dies der herrschenden wissenschaftlichen Literatur entspricht (vgl. S/M/V, a.a.O., S. 513 ff.). Die Konsensempfehlungen sind hier anwendbar, auch wenn die BK-Anzeige vor der Veröffentlichung erfolgte (vgl. für einen zeitlich vergleichbaren Sachverhalt: BSG, Urteil vom 6.9.2018 - B 2 U 10/17 R -, juris).

Das Krankheitsbild einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS i.S.d. BK 2108 setzt nach den Konsensempfehlungen einerseits einen bildgebend nachgewiesenen Bandscheibenschaden voraus, also morphologische altersuntypische Veränderungen eines Segments oder mehrerer Segmente der LWS in Form von Chondrosen (Höhenminderung der Bandscheiben/Zwischenwirbelräume) mindestens Grad II und/oder eines Prolapses (Bandscheibenvorfall). Dabei kann - wie auch die Dres. G und S auf Basis der Konsensempfehlungen (a.a.O., S. 214) betont haben - grundsätzlich nur auf Bildgebung bis zu 1 Jahr, maximal 2-3 Jahre nach Aufgabe der belastenden Tätigkeit zurückgegriffen werden, da die weiteren Entwicklungen nicht mehr der belastenden Tätigkeit zugerechnet werden können. Zum anderen muss ein mit den bildgebenden Befunden korrelierendes klinisches Krankheitsbild in Form eines lokalen Lumbalsyndroms oder eines lumbalen Wurzelsyndroms vorliegen. Beides ist hier im Vollbeweis nachgewiesen.

Beim Kläger bestand jedenfalls Ende 2002 ein Bandscheibenschaden in den Segmenten L4/5 und L5/S1. Röntgenaufnahmen der LWS vom 15.11.2002, 28.4.2003 und 17.3.2005 sowie eine Myelographie und ein Myelo-CT der LWS vom 26.8.2002 zeigen nach den übereinstimmenden Bewertungen der Dres. G und S im Segment L 4/5 mit einer relativen Bandscheibenhöhe von 49% nach Hurxthal eine Chondrose Grad II bis III, zusätzlich mit Spondylose, im Segment L5/S1 mit einer Bandscheibenhöhe von 69 % nach Hurxthal eine Chondrose Grad I bis II (vgl. zur Messung ausführlich die Konsensempfehlungen, a.a.O., S. 222 ff. und S/M/V, a.a.O., S. 514 ff.; eine Chondrose Grad I ist anzunehmen bei Höhenminderung >= 20° und < 33° und Grad II >= 33° und <50 °). Die Chondrose Grad II und höher ist als altersuntypisch zu werten, so dass der Schaden L4/5 jedenfalls und L5/S1 knapp altersuntypisch ist. Daneben besteht in diesen beiden Segmenten laut S eine altersuntypische Sklerose Grad II und eine Spondylose Grad II, die bei Versicherten über 50 Jahren - wie beim Kläger 2002 - jedoch nicht als altersuntypisch einzustufen ist (vgl. zur Klassifizierung der Störungen als altersuntypisch die Konsensempfehlungen, a.a.O., S. 214 f.).

Auch eine relevante klinische LWS-Symptomatik i.S.e. lumbalen Wurzelreizsyndroms steht hier zur Überzeugung des Senats bereits deutlich vor dem Zeitpunkt der Berufsaufgabe im November 2002 fest; darauf hatte auch der Sohn des Klägers in der mündlichen Verhandlung hingewiesen. So haben die Dres. P, P1 und R bereits seit 1982/1983 Lumbalgien bzw. ein LWS-Syndrom mit Schmerzausstrahlung in die Beine beschrieben. Die Allgemeinärzte Dres. J/ Z haben von Wirbelsäulen-Schmerzen in den Jahren 1991 und 1997 berichtet, aufgrund derer jeweils Skelett-Szintigraphien durchgeführt worden waren, die u.a. einen Bandscheibenschaden L 4/5 zeigten. Im August 2002 wurden in der Klinik für Orthopädie und Sportorthopädie der TU A (TUM) lumboischialgieforme Beschwerden mit Ausstrahlung in beide Oberschenkel seit ca. 10 Jahren angegeben; im November 2002 wurde von der TUM ein positives Lasègue-Zeichen und eine Hypästhesie im Hautbereich der Nervenwurzeln L5 und S1 beschrieben. Die Beschwerdesymptomatik spiegelt sich auch darin, dass beim Kläger seit Juni/Juli 1979 wiederholt längere Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen LWS-Syndroms/ Lumbalgie/ Lumboischialgie dokumentiert sind (39 Tage im Juni/Juli 1979, 59 Tage im September und Oktober 1979, 15 Tage im Oktober 1981, 101 Tage von November 1981 bis Februar 1982, 49 Tage von Mai bis Juli 1984, 16 Tage im Juni 1988, 61 Tage von Januar bis März 1997). Damit ist ein lumbales Wurzelreizsyndrom hier zur Überzeugung des Senats in Übereinstimmung mit den Dres. G und S bereits Jahre vor der vollständigen Berufsaufgabe und auch im Jahr 2002 im Vollbeweis nachgewiesen.

Soweit v.a. die Dres. I und F in ihren Gutachten (wobei das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten des I im Wege des Urkundsbeweises zu berücksichtigen ist, § 118 SGG i.V.m. §§ 415 ff Zivilprozessordnung; vgl. Keller in T.-Ladewig/ Keller/ Leitherer/ Schmidt, 13. Auflage 2020, § 128 Rn. 7f. sowie grundlegend BSG, Beschluss vom 30.3.2017 - B 2 U 181/16 B -, juris Rn. 9) eine bandscheibenbedinge Erkrankung der LWS abgelehnt haben mangels neurologischer Ausfallerscheinungen und wegen des primären Vorliegens einer Spinalkanalstenose folgt der Senat dem nicht. Denn die Nervenwurzelreizerscheinungen sind aufgrund der v.a.in den ZBFS-Akten dokumentierten, zuvor erwähnten Berichte nachgewiesen; die spinale Enge ändert nichts daran, dass röntgenologisch eine altersuntypische Chondrose L4/5 und L5/S1 vorliegt.

4. Ein Anspruch des Klägers auf Anerkennung einer BK 2108 scheitert jedoch daran, dass zu keinem Zeitpunkt bis 2002 die haftungsbegründende Kausalität zwischen den Einwirkungen und der bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS nachgewiesen ist.

a) Insofern ist zunächst darauf hinzuweisen, dass angesichts der multifaktoriellen Entstehung von bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS aus dem Vorliegen der sog. arbeitstechnischen Voraussetzungen (dazu 2.) nicht automatisch auf das Bestehen der Anspruchsvoraussetzungen der BK 2108 geschlossen werden kann (vgl. stellv. BSG,
Urteil vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R -, juris Rn. 18). Die Beurteilung des Ursachenzusammenhangs zwischen beruflichen Belastungen und Bandscheibenerkrankung hat vielmehr auf der Grundlage des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes zu erfolgen; daher sind neben der Begründung des Verordnungsgebers auch die Merkblätter des zuständigen Bundesministeriums, die wissenschaftliche Begründung des ärztlichen Sachverständigenbeirates sowie die bereits zuvor genannten Konsensempfehlungen zu berücksichtigen (vgl. stellv. BSG, Urteil vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R -, juris Rn. 18).

In den Konsensempfehlungen wird für sämtliche Befundkonstellationen zur Anerkennung der BK 2108 die Grundvoraussetzung aufgestellt, dass die gesicherte bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS in ihrer bildgebenden Darstellung altersuntypisch ist, was hier, wie oben dargelegt, der Fall ist. Zudem muss neben der - hier ebenfalls vorliegenden - ausreichenden beruflichen Exposition eine plausible zeitliche Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung bestehen (vgl. Konsensempfehlungen, a.a.O., S. 216, 217). Auch dies ist hier, wie v.a. die Dres. G und S überzeugend dargelegt haben, der Fall. Denn die Beschwerden begannen in den späten 70-er bzw. in den 80er-Jahren, wie durch die Arbeitsunfähigkeitszeiten sowie den Bericht der Dres. J und Z dokumentiert wird, als eine berufliche Belastung bereits mehr als 10 Jahre bestanden und gut 20 MNh (bereits bis Ende 1969) erreicht hatte.

Erst bei Erfüllung dieser Grundvoraussetzungen ist nach den Konsensempfehlungen anhand der nachfolgenden Kriterien abzuwägen, ob ein Ursachenzusammenhang wahrscheinlich ist (vgl. Konsensempfehlungen, a.a.O., S. 216 f.):

- Eine Betonung der Bandscheibenschäden an den unteren drei Segmenten der LWS spricht eher für einen Ursachenzusammenhang mit der beruflichen Belastung.
- Ein Befall der HWS und/oder BWS kann je nach Fallkonstellation gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen. Für den Vergleich zwischen LWS und darüber gelegenen Wirbelsäulenabschnitten sind hierbei Chondrosen und Vorfälle maßgeblich. Nicht mit Chondrosen einhergehende Spondylosen der HWS und/oder BWS haben bei gleichzeitigem Vorliegen einer altersuntypisch ausgeprägten Spondylose an der LWS keine negative Indizwirkung.
- Eine Aussparung der beiden unteren LWS-Segmente spricht eher gegen eine berufliche Verursachung.
- Als Begleitspondylose wird definiert eine Spondylose in/im nicht von Chondrose oder Vorfall betroffenen Segment(en) sowie in/im von Chondrose oder Vorfall betroffenen Segment(en), die nachgewiesenermaßen vor dem Eintritt der bandscheibenbedingten Erkrankung im Sinne einer Chondrose oder eines Vorfalls aufgetreten ist. Um eine positive Indizwirkung für eine berufsbedingte Verursachung zu haben, muss die Begleitspondylose über das Altersmaß hinausgehen und mindestens zwei Segmente betreffen.
- Bei Vorliegen einer Begleitspondylose als Positivkriterium ist eine Anerkennung als Berufskrankheit auch möglich, wenn konkurrierende Ursachenfaktoren erkennbar werden, die jedoch das Schadensbild nicht durch eine überragende Qualität erklären.
- Bei beruflichen Belastungen, bei denen sich die Gefährdung hauptsächlich aus wiederholten Spitzenbelastungen ergibt, hat das Fehlen einer Begleitspondylose keine negative Indizwirkung.
- Bei monosegmentaler Chondrose im Röntgenbild ohne Begleitspondylose sprechen Plausibilitätsüberlegungen bei fehlenden magnetresonanztomographischen Begleitbefunden in anderen Segmenten ("black disc") eher gegen das Vorliegen einer Berufskrankheit, wenn das 45. Lebensjahr überschritten ist.

Ausgehend davon wurden in den Konsensempfehlungen Befundkonstellationen, wie sie sich typischerweise bei der Begutachtung ergeben, definiert und die Einschätzung der Experten zur Beurteilung des Ursachenzusammenhangs entsprechend der jeweiligen Befundkonstellation wiedergegeben.

b) Mit einem altersuntypischen bisegmentalen Schaden in den beiden untersten Segmenten der LWS sind für den Kläger die B-Konstellationen heranzuziehen. Jedoch ist weder eine Konstellation B1, B7, B8, B9 (dazu aa) noch B2 bzw. dieser folgend B4/B5/B6 (dazu bb) gegeben. Vielmehr ist hier zur Überzeugung des Senats eine Konstellation B3 anzunehmen, wobei ein Ursachenzusammenhang zwischen beruflicher Einwirkung und Belastung im Einzelfall nicht überwiegend wahrscheinlich ist (dazu cc).

aa) Eine Konstellation B1 scheitert hier bereits daran, dass zur Überzeugung des Senats beim Kläger keine Begleitspondylose i.S.d. Konsensempfehlungen nachgewiesen ist. Die Dres. G und S haben dies übereinstimmend und auf Basis der ihnen vorliegenden Bildgebung für den Senat überzeugend verneint. Insbesondere S hat ausgeführt, dass eine Spondylose nur an den beiden unteren Segmenten nachgewiesen ist, wobei mangels älterer Bildgebung eine Entstehung der Spondylose vor Entstehung der Chondrose nicht gesichert werden kann. Er hat zudem dargelegt, dass die nachgewiesene Spondylose mit Grad II nicht altersuntypisch ist. Da die Konstellation B1 mangels Begleitspondylose nicht vorliegt, scheiden auch die Konstellationen B7, B8 und B9 aus.

bb) Auch eine Konstellation B2 liegt nicht vor. Das 1. Zusatzkriterium der Konstellation B2 ("Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben - bei monosegmentaler/m Chondrose/Vorfall in L5/S1 oder L4/L5 "black disc" im MRT in mindestens zwei angrenzenden Segmenten) war zur Überzeugung des Senats bis Ende 2002 zu keinem Zeitpunkt erfüllt.

Wie oben bereits dargelegt, steht fest, dass beim Kläger in den Segmenten L4/5 und L5/S1 eine altersuntypische Chondrose sowie eine altersuntypische Sklerose Grad II vorlagen. Daneben bestanden jedoch bis Ende 2002 keine weiteren altersvorauseilenden Höhenminderungen an den Bandscheiben der LWS des Klägers. Denn in den maßgeblichen zeitnahen Aufnahmen zeigen sich - wie die Dres. G und S übereinstimmend ausgeführt haben - in den Segmenten L1/2 bis L3/4 keine altersuntypischen Chondrosen, also keine relevanten Höhenminderungen. Zeitnahe kernspintomografische Bildgebung, die eine black disc nachweisen könnte, liegt nicht vor; jedoch entspräche eine black disc nach R1 jedenfalls einer Chondrose Grad II, die hier in den Segmenten oberhalb L4/5 nicht dargestellt ist. Auch S hat keine black disc beschrieben.

Soweit die Dres. F und L in ihren Gutachten eine starke degenerative Veränderung auch im Segment L1/2 beschrieben haben, ist dies nicht im Vollbeweis gesichert. Denn eine Aussage zur konkreten Höhenminderung gemäß den Konsensempfehlungen haben die Dres. F und L nicht vorgenommen. Eine Höhenminderung L1/2 wird in den radiologischen Berichten der Aufnahmen vom 15.11.2002 und 28.4.2003 (dort nur Höhenminderung L4/5 und L5/S1 angeführt) ebenso wenig beschrieben wie in den Gutachten der Dres. G/R/D, R/E, G und S. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass selbst eine Höhenminderung L1/2 bei fehlender Höhenminderung L2/3 und L3/4 hinsichtlich des 1. Zusatzkriteriums keine Relevanz hätte, da es sich nicht um eines der beiden an L4/5 angrenzenden Segmente handelt.

Damit liegt hier zur Überzeugung des Senats an der LWS des Klägers lediglich ein biseg-mentaler Bandscheibenschaden ohne black disc vor. Eine andere Bewertung ergibt sich entgegen der Annahme des Klägerbevollmächtigten nicht daraus, dass im Zeitraum bis Ende 2002 weitere Schäden an den Segmenten L1/2 bis L3/4 nachgewiesen sind, nämlich eine geringe Pseudospondylolisthesis (in Form einer Anterolisthesis = Wirbelgleiten nach vorne) in L3/4, eine Torsionsskoliose L4 und eine Spinalkanalstenose L2/3 bis L4/5. Diese Gesundheitsstörungen an der LWS sind in den ärztlichen Berichten und radiologischen Befunden dokumentiert und von den hier gehörten Gutachtern bestätigt, so dass sie hier im Vollbeweis nachgewiesen sind. Jedoch kommt es nach den Konsensempfehlungen für die Konstellation B2 nicht auf irgendeinen altersvorauseilenden Verschleiß an, sondern allein auf das Vorliegen von Höhenminderungen (Chondrose) bzw. eines Prolapses und einer Begleitspondylose. Nur diese konkreten Veränderungen sind nach wissenschaftlicher Erkenntnis Indizien eines belastungskonformen Schadensbildes (vgl. auch die Diskussion in den Anhängen 1 und 2 zur Konstellation B3, Konsensempfehlungen, a.a.O., S. 219 f. und 221f.). Damit stellen weder das Wirbelgleiten ohne Höhenminderung - wie hier - noch eine Spinalkanalstenose, die auf einer Degeneration der kleinen Wirbelgelenke beruht, ein relevantes Indiz dar.

Mit dem hier nachgewiesenen bisegmentalen Bandscheibenschaden ist das 1. Zusatzkriterium der Konstellation B2 nicht erfüllt. Die 2. Alternative (bei monosegmentaler/m Chondrose/Vorfall in L5/S1 oder L4/L5 "black disc" im MRT in mindestens zwei angrenzenden Segmenten) scheidet bereits deshalb aus, weil keine black disc in den Segmenten nachgewiesen ist, die an die von altersuntypischer Chondrose betroffenen Segmente (L5/S1 und L3/4) angrenzen.

Auch die 1. Alternative (Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben) ist hier nicht erfüllt. Denn diese ist zur Überzeugung des Senats dahingehend auszulegen, dass "mehrere Bandscheiben" die Betroffenheit von mindestens drei Segmenten verlangt. Bei der Auslegung der Konsensempfehlungen ist zu berücksichtigen, dass diese nach der Rechtsprechung des BSG keinen normativen Text oder antizipiertes Sachverständigengutachten darstellen, weil sie weder vom demokratisch legitimierten Gesetzgeber erlassen, noch von unabhängigen und der Neutralität verpflichteten Autoren verfasst wurden. Sie sind daher für Verwaltung, Gerichte oder Gutachter nicht unmittelbar verbindlich und eine Auslegung unter strikter Anwendung der Regeln der juristischen Methodenlehre verbietet sich. Die Konsensempfehlungen dienen lediglich zur Erleichterung der Beurteilung im Einzelfall, um typische Befundkonstellationen im Hinblick auf die Kausalbeziehungen unter Zugrundelegung des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands einordnen zu können. Ihre Interpretation als im Wesentlichen medizinisch-naturwissenschaftlicher Text ist daher zuvorderst sachkundigen Medizinern vorbehalten. (vgl. stellv. BSG, Urteile vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R -, juris Rn. 23 und vom 6.9.2018 - B 2 U 13/17 R -, juris Rn. 26).

Vor diesem Hintergrund folgt der Senat den Ausführungen des R1, der auf die expliziten Nachfragen des Senats in den ergänzenden Stellungnahmen vom 24.4.2020, 25.8.2020 und 14.9.2021 die Notwendigkeit einer Betroffenheit von drei Segmenten überzeugend dargelegt hat. Dafür spricht zunächst die Systematik der in den Konsensempfehlungen definierten Konstellationen. Denn ein bisegmentaler Schaden wird bereits in der Grundvoraussetzung für alle B-Konstellationen als eine der beiden Varianten erwähnt ("Lokalisation: Die bandscheibenbedingte Erkrankung betrifft L5/S1 und/oder L4/L5"). Jedenfalls wenn - wie hier - L5/S1 und L4/5 betroffen sind, wäre das Kriterium "mehrere" Bandscheiben nur dann "zusätzlich" zur Grundkonstellation, wenn mindestens drei Segmente betroffen sein müssen; sonst wäre in diesen Fällen schon beim Vorliegen der B-Grundkonstellation immer zugleich die 1. Alternative des Zusatzkriteriums 1 der Konstellation B2 erfüllt (so überzeugend LSG NRW, Urteil vom 21.12.2016 - L 17 U 275/14 -, juris Rn. 40 f., diese Auslegung wurde vom BSG im anschließenden Revisionsverfahren gebilligt, Urteil vom 6.9.2018 - B 2 U 13/17 R -, juris Rn. 25). Zudem wird auch in der 2. Alternative des 1. Zusatzkriteriums die Betroffenheit dreier Segmente (monosegmentale Chondrose, black disc in zwei Segmenten) gefordert, worauf R1 hingewiesen hat.

Vor allem aber berücksichtigt der Senat, dass unter den Autoren der Konsensempfehlungen Einigkeit bestand über die Zuordnung des bisegmentalen Schadens ohne Begleit-spondylose zur Konstellation B3 als Stand der Wissenschaft. Dies folgt aus den "Anmerkungen zu den nicht im Konsens beurteilten Fallkonstellationen" (Konsensempfehlungen, a.a.O., Anhang 1, Seite 219 und Anhang 2, Seite 221). In diesen beiden Anhängen begründen die widerstreitenden Autorengruppen u.a., warum die eine Gruppe in der Konstellation B3 einen Zusammenhang als unwahrscheinlich (Anhang 1) bzw. die andere den Zusammenhang als wahrscheinlich (Anhang 2) ansieht. Die Autoren des Anhangs 1 führen zur Konstellation B3 in diesem Zusammenhang aus, dass "bei dieser Konstellation lediglich die Segmente L4/5 und/oder L5/S1" betroffen seien (Seite 219 am Ende). Die Autoren des Anhangs 2 gehen davon aus, dass die Konstellation B3 sich von der Konstellation B1 durch das Fehlen einer Begleitspondylose unterscheide; die Konstellation B1 wiederum setzt lediglich die Betroffenheit von L5/S1 und/oder L4/L5 voraus (Grundvoraussetzung aller B-Konstellationen). Damit sind beide Autorengruppen der Auffassung gewesen, dass der bisegmentale Schaden ohne Begleitspondylose der Konstellation B3 unterfällt (vgl. ausführlich LSG NRW, Urteil vom 21.12.2016 - L 17 U 275/14 -, juris Rn. 42). Auch R1 hat in seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 24.4.2020 und 25.8.2020 zu dieser Frage auf den ursprünglichen Konsens der Arbeitsgruppe verwiesen und ausgeführt, dass keine wissenschaftlichen Publikationen existierten, die eine abweichende Ansicht rechtfertigten. Er hat dabei auf gewichtige Stimmen in der wissenschaftlichen Literatur verwiesen, die ebenfalls die Betroffenheit dreier Segmente fordern (vgl. SMV, a.a.O., S. 537 und Schiltenwolf/Hollo/Gaidzik, Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane, 7. Auflage 2021, S. 402 f.). Dieser vom BSG gebilligten Auslegung folgen auch diverse obergerichtliche Urteile (zuletzt LSG NRW, Urteil vom 21.12.2016 - L 17 U 275/14 -, juris Rn. 41 ff., LSG Hessen, Urteile vom 27.3.2012 - L 3 U 81/11 - juris Rn. 38 und vom 18.8.2009 - L 3 U 202/04 -, juris Rn. 32; BayLSG, Urteil vom 20.8.2009 - L 2 U 330/07 -, juris Rn. 31). Der Senat schließt sich ihr aufgrund der zuvor genannten Argumente und auf Basis der überzeugenden Ausführungen des R1 an.

Soweit S in Übereinstimmung mit Teilen der Literatur (u.a. Bolm-Audorff in Grosser/Schiltenwolf/Thomann, BK 2108, u.a., BK 2108, 2014, S. 134, 138) und Rechtsprechung (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 11.7.2013 - L 6 U 59/11 -, juris Rn. 70 und LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.2.2016 - L 9 U 5101/12 -, juris Rn. 56) eine Betroffenheit von zwei Segmenten für ausreichend hält, folgt der Senat dem aus den genannten Gründen nicht.
Auch das 2. Zusatzkriterium der Konstellation B 2 ist zur Überzeugung des Senats hier nicht erfüllt. Dieses lautet: Besonders intensive Belastung; Anhaltspunkt: Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren.

Hier steht aufgrund der Berechnungen des Präventionsdienstes der Beklagten vom 18.5.2004 und der vom Senat veranlassten Nachberechnung vom 17.4.2018 auf Basis des modifizierten MDD fest, dass der Kläger innerhalb des 10-Jahres-Zeitraums mit der höchsten Belastung (1955-1964) einer Gesamt-Belastung von ca. 13,8 MNh ausgesetzt war. Dies liegt deutlich unterhalb des Richtwerts des MDD von 25 MNh, jedoch oberhalb des hälftigen Richtwerts von 12,5 MNh. Anlass zu Zweifeln an diesen Berechnungen bestehen wie oben dargelegt nicht.

Diese Belastung reicht nicht zur Erfüllung des 2. Zusatzkriteriums der Konstellation B2. Zur Überzeugung des Senats ist das 2. Zusatzkriterium dahingehend zu verstehen, dass als "Richtwert für die Mindest-Lebensdosis" grundsätzlich der Richtwert nach dem MDD (für Männer von 25 MNh) und nicht der hälftige Richtwert zu Grunde zu legen ist. Der Senat stützt sich dabei insbesondere auf die Ausführungen des im Berufungsverfahren gehörten Sachverständigen R1. Dieser hat ausgeführt, dass das BSG den Richtwert halbiert habe, ab dem von einer beruflichen Gefährdung ausgegangen werden könne. Eine besondere Gefährdung sei bei der hälftigen Dosis aber nicht gleichermaßen gegeben, auch hätten die Deutschen Wirbelsäulenstudien I und II nicht zu einer Entkräftung des MDD geführt. Die Arbeitsgruppe habe bei Erstellung der Konsensempfehlungen bewusst auf den Richtwert und nicht auf den hälftigen Richtwert abgestellt. Dies gelte weiterhin.

Dieser überzeugenden Ansicht schließt sich der Senat an (ebso. LSG Hessen, Urteile vom 4.5.2021 - L 3 U 70/19 -, juris Rn. 45 und vom 23.1.2017 - L 9 U 111/14 -, juris Rn. 50 ff.; LSG NRW, Urteil vom 8.11.2016 - L 15 U 331/12, juris Rn. 48 f.; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 29.1.2014 - L 5 U 3/08 -, juris Rn. 109; BayLSG, Urteil vom 31.1.2013 - L 17 U 244/06 -, juris Rn. 29; LSG Berlin-Brandenburg vom 6.5.2010 - L 3 U 19/06 - juris Rn. 77 und vom 19.1.2012 - L 2 U 24/09 ZVW -, juris Rn. 56). Die gegenteilige Auffassung, die damit begründet wird, die Verfasser der Konsensempfehlungen hätten in das 2. Zusatzkriterium gerade keinen festen Wert, sondern bewusst den jeweils maßgeblichen "Richtwert", aufgenommen, zudem beziehe sich das 2. Zusatzkriterium nicht auf das MDD (so LSG Sachsen, Urteile vom 28.1.2014 - L 6 U 111/11 - juris Rn. 81, vom 23.9.2010 - L 2 U 198/07 -, juris Rn. 54 und vom 22.4.2010 - L 2 U 109/07 -, juris Rn. 37), überzeugt auf Basis der Aussagen des R1 nicht. Wie R1 angeführt hat, war Grundlage des Konsenses der von der interdisziplinären Arbeitsgruppe verabschiedeten und 2005 veröffentlichen Konsensempfehlungen das damals angewandte MDD mit Richtwerten für die Gesamtbelastungsdosis im Sinne der BK 2108 für Männer in Höhe von 25 MNh. Nur auf diese Richtwerte konnte sich entsprechend die Formulierung im 2. Spiegelstrich der Befundkonstellation B2 beziehen (ebenso LSG NRW, Urteil vom 8.11.2016 - L 15 U 331/12 -, juris Rn. 49 und LSG Hessen, Urteil vom 23.1.2017 - L 9 U 111/14 -, juris Rn. 52, SMV, a.a.O., S. 536). Für eine Halbierung des "Richtwertes" ist derzeit - wie R1 dargelegt hat - aus medizinischer Sicht kein Grund ersichtlich, auch nicht unter Berücksichtigung der Ergebnisse der DWS I und II Denn eine Indizwirkung für eine beruflich bedingte Erkrankung ist - wie R1 dargelegt hat - bei Belastungen, die wie hier deutlich unter 25 MNh in 10 Jahren liegen, medizinisch nicht plausibel. Die Frage, ob die Halbierung der Lebensdosis auf 12,5 MNh auch auf die Interpretation der Zusatzkriterien zu beziehen ist, wird derzeit kontrovers diskutiert (vgl. einerseits Seidler und Bolm-Audorff in Grosser et.al., a.a.O., S. 135, 138, andererseits Grosser in: Grosser et.al., a.a.O., S. 83, 102 und Bieresborn in Grosser et.al., a.a.O., S. 202; auch das BSG, Urteil vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R, hat diese Kontroverse betont). Daher kann mit R1 eine vom ursprünglichen Konsens abweichende herrschende oder überwiegende wissenschaftliche Ansicht nicht ausgemacht werden (ebso. LSG Hessen, Urteil vom 23.1.2017 - L 9 U 111/14 -, juris Rn. 50 ff.; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6.5.2010 - L 3 U 19/06 -, juris Rn. 77; Westermann, jurisPR-SozR 7/2016 Anm. 3).

Etwas anderes folgt auch nicht aus den Erwägungen des BSG zur Halbierung des Richtwerts im Urteil vom 30.10.2007. Denn die Halbierung des Richtwerts betraf nicht die arbeitsmedizinischen, sondern die arbeitstechnischen Voraussetzungen, nämlich den Grenzwert, bei dessen Unterschreitung ein Kausalzusammenhang zwischen den beruflichen Einwirkungen und einer bandscheibenbedingten LWS-Erkrankung definitiv zu verneinen ist und weitere einzelfallbezogene medizinische Ermittlungen nicht mehr notwendig sind. Das BSG hat keine Aussage dazu getroffen, ob der Orientierungswert auch bezogen auf die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen einer Korrektur bedarf. Die maßgeblichen Erwägungen rechtfertigen keine Übertragung der Rechtsprechung auf diese Frage. Denn das BSG hat v.a. argumentiert, die Funktion von Dosismodellen könne nicht darin liegen, möglichst frühzeitig möglichst viele Versicherte von der Anerkennung einer BK auszuschließen, sondern nur darin, das Ausmaß der Einwirkungen, denen sie durch ihre versicherte Tätigkeit ausgesetzt waren, möglichst genau zu erfassen. Grenzwerte seien deshalb so zu bemessen, dass im Falle ihrer Unterschreitung auch in besonders gelagerten Fällen ein rechtlich relevanter Kausalzusammenhang ohne weitere medizinische Prüfung ausgeschlossen ist. Die Halbierung beruhe nur zu einem Teil auf einer Weiterentwicklung des medizinischen Forschungsstandes, zum anderen Teil darauf, dass das zur Verfügung stehende Dosismodell mit erheblichen Unsicherheiten behaftet sei, so dass als Grenzwert für das Vorliegen schädlicher Einwirkungen im Sinne der BK 2108 ein möglicherweise zu niedrig bemessener Auffangwert dienen müsse (BSG, Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R -, juris Rn. 25 ff.). Diese Erwägungen haben - wie auch R1 betont hat - von der Grundlage und Zielrichtung her, angesichts der Unsicherheiten einen "Sicherheitsabschlag" vorzunehmen, keine Bedeutung im arbeitsmedizinischen Kontext der Beurteilung eines belastungskonformen Schadensbildes (ebso. LSG Hessen, Urteil vom 23.1.2017 - L 9 U 111/14 -, juris Rn. 50 ff.; BayLSG, Urteil vom 31.1.2013 - L 17 U 244/06 - juris Rn. 29 sowie Bieresborn in Grosser, Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule, 2014, S. 202, SMV, a.a.O., S. 538).

Zwar hat das BSG die vom LSG Sachsen (Urteil vom 28.1.2014 - L 6 U 111/11 -, juris) im Hinblick auf das 2. Zusatzkriterium der Konstellation B2 vorgenommene Halbierung des MDD-Orientierungswertes auf 12,5 MNh nicht beanstandet. Es hat dabei aber auf die diesbezüglich unterschiedlichen Meinungen in Rechtsprechung und Literatur hingewiesen und die Gefahr, dass Tatsachengerichte angesichts des durchaus kontroversen Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Feststellung unterschiedlicher Erfahrungssätze gelangen könnten, gesehen und akzeptiert. Rein ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch S trotz der im Verfahren bereits zuvor geführten Diskussion dazu, das 2. Zusatzkriterium der Konstellation B2 nicht angenommen hat.

Das 3. Zusatzkriterium der Konstellation B2 scheidet aus, da zur Überzeugung des Senats auf Basis der Berechnungen des Präventionsdienstes der Beklagten hier nicht die Hälfte des MDD-Tagesdosisrichtwertes (2,75 kNh) durch Belastungsspitzen (mind. 6 kN) erreicht wurde (vgl. dazu BSG, Urteil vom 6.9.2018 - B 2 U 10/17 R -, juris Rn. 36). Anlass zu Zweifeln an diesen Berechnungen bestehen, wie bereits dargelegt, nicht.

Da keines der Zusatzkriterien der Konstellation B2 erfüllt ist, scheiden auch die Konstellationen B4, B5 und B6 aus, die an das Vorliegen der Konstellation B2 anknüpfen.

cc) Zur Überzeugung des Senats liegt vielmehr eine Konstellation B3 vor, denn konkurrierende Ursachen sind hier nicht nachgewiesen (womit eine Konstellation B10 ausgeschlossen ist).

Zwar steht aufgrund der Befundberichte in den Akten und der übereinstimmenden Aussagen der gehörten Gutachter fest, dass beim Kläger bereits im Jahr 2002 an der LWS eine Torsionsskoliose mit Scheitel L4 und eine Spinalkanalstenose L2/3 bis L4/5 und an der BWS eine Spondylosis hyperostotica (Morbus Forestier) bestanden. Diese stellen nach den übereinstimmenden Aussagen der Dres. G und S jedoch keine relevanten konkurrierenden Ursachen dar. Dies entspricht den Konsensempfehlungen, wonach keine Studien existieren, die belegen, dass der Morbus Forestier ein erhöhtes Risiko für eine bandscheibenbedingte Erkrankung darstellt und Entscheidungen daher nur für den Einzelfall getroffen werden können (Konsensempfehlungen, a.a.O., S. 245). Da hier nach den Gutachtern keine Hinweise dafür vorliegen, dass der Morbus Forestier die LWS des Klägers beeinträchtigt hat, ist eine konkurrierende Ursache nicht nachgewiesen. Auch ein Wirbelgleiten im Rahmen einer Pseudospondylolisthesis stellt keine relevante konkurrierende Ursache dar (Konsensempfehlungen, a.a.O., S. 229), gleiches gilt für die Skoliose, für die nach den Konsensempfehlungen (a.a.O., S. 233 ff.) ebenfalls eine Einzelfallbewertung erforderlich ist. Denn die Skoliose wurde von des Dres. G und S übereinstimmend als degenerativ und nicht bereits seit der Jugend vorliegend beschrieben.

Für die Konstellation B3 bestand kein Konsens für die Annahme eines Zusammenhangs bei den Autoren der Konsensempfehlungen. Liegt eine solche Konstellation vor, lässt sich nicht schon allein auf dieser Grundlage der Zusammenhang der bandscheibenbedingten Erkrankung mit der versicherten Tätigkeit verneinen. Vielmehr bedarf es in einem solchen Fall der Feststellung, ob nach dem neuesten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand Umstände vorliegen, die ausnahmsweise trotz Fehlens der B2-Zusatzkriterien den Verursachungszusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und LWS-Schaden stützen (vgl. stellv. BSG, Urteil vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R -, juris Rn. 26).

Dies ist hier zur Überzeugung des Senats nicht der Fall. Der Senat folgt dabei v.a. der Einschätzung des R1, der im konkreten Fall nach Hinweis des Senats auf die gebotene Einzelfallprüfung keine Aspekte erkannt hat, aufgrund derer der bisegmentale Schaden ausnahmsweise als einwirkungsbedingt anzusehen ist. Auch die Dres. F, L und I hatten ein belastungskonformes Schadensbild verneint. Bei der Abwägung berücksichtigt der Senat zunächst mit R1 und L1, dass das am stärksten betroffene Segment nicht das unterste Segment L5/S1, sondern L4/5 ist. Zudem besteht - wie die Dres. G und F betont haben - an der LWS des Klägers ein komplexes Krankheitsbild, das neben den Höhenminderungen L4/5 und L5/S1 u.a. eine rechtskonvexe Torsionsskoliose L4, einen Gleitwirbel L3/4 und eine Spinalkanalstenose L2/3 bis L4/5 umfasst. Diese stellen zwar keine konkurrierende Ursache dar, belegen jedoch, dass die Schäden an der LWS über die Bandscheibenschäden hinausgehen.

Zudem berücksichtigt der Senat, dass auch in der HWS Osteochondrose der Bandscheiben vorlag. Während die degenerativen Veränderungen an der BWS - wie die Dres. G und S dargelegt haben - jedenfalls auch mit dem abgelaufenen Morbus Scheuermann zu erklären sind und damit keinen Hinweis auf eine anlagebedingte Schädigung geben, sind diese Veränderungen der HWS nicht berufsbedingt. Sie sprechen damit gegen ein belastungskonformes Schadensbild und für eine innere Ursache der Wirbelsäulenerkrankung und sind laut Konsensempfehlungen in die Abwägung einzubeziehen, wobei es auf das Vorliegen von Chondrosen und Vorfällen ankommt (a.a.O., S. 216; SMV, a.a.O., S. 538).

Derartige Schäden an der HWS lagen hier im Zeitraum bis 2002 zur Überzeugung des Senats zumindest in gleicher Ausprägung vor wie an der LWS. Dies folgt aus den radiologischen Berichten in den Akten und den Gutachten des R1 mit ergänzenden Stellungnahmen v.a. vom 25.8.2020 und 14.9.2021 sowie der Dres. L, F und I. Bereits in Röntgenaufnahmen vom 22.11.1982 wurde durch P1 eine erhebliche Zwischenwirbelraumverschmälerung C5/6 beschrieben. H gab unter dem 24.11.1992 an, Röntgenaufnahmen der HWS hätten die Deck- und Grundplatten sklerosiert, C4-7 mit Deformierung und eingeschränkten Zwischenwirbelräumen gezeigt. Ein CT des zervikalen Spinalkanals vom 3.3.1997 ergab laut radiologischem Bericht des G massive Spondylchondrosen in allen Segmenten. Aufnahmen der HWS vom 22.5.2000 zeigten laut Nachbefundung durch I und den Röntgenfacharzt des ZBFS fortgeschrittene degenerative Veränderungen, betont C4-7 mit Osteochondrose, Spondylose und Spondylarthrose. Die Röntgenaufnahme der HWS vom 15.11.2002 zeigte u.a. osteochondrotische Verschmälerungen, v.a. eine deutliche Zwischenwirbelraumverschmälerung C5/6. Die Dres. I und L haben auf den Röntgenaufnahmen vom 9.9.2004 einen fortgeschrittenen Aufbrauch der Bandscheibenräume C4-7 beschrieben. Auch eine korrespondierende klinische Symptomatik ist - worauf R1 hingewiesen hat - wiederholt seit 1982 dokumentiert, wie sich aus den ZBFS-Akten ergibt. So wurde ein chronisch-rezidivierendes HWS-Syndrom bereits seit 1983 durch den Hausarzt P und den Orthopäden P1 beschrieben, dann erneut 1987 (Dres. P1 und P), 1992 (H), 1997 (Dr. F) und 2000 (Dres. H und F). Auf dieser Basis schließt sich der Senat der Einschätzung der Dres. G, L, F und I an, die überzeugend erhebliche morphologische und klinisch relevante Bandscheibenschäden an der HWS angenommen haben, die denen an der LWS zumindest entsprechen. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass auch die Dres. G/ R/ D und F eine massive Osteochondrose der HWS angenommen hatten. Soweit S eine geringere Ausprägung der Schäden an der HWS als an der LWS annimmt, folgt der Senat dem nicht, da sich S nicht mit den zuvor dargelegten Berichten auseinandersetzt. Letztlich hat aber auch S osteochondrotische Veränderungen C4-7 angenommen, die in der Abwägung jedenfalls gegen eine BK 2108 sprechen, auch wenn man davon ausginge, dass sie die Veränderungen an der LWS nicht erreichen.

Die HWS-Beschwerden können nicht durch berufsbedingte Einwirkungen i.S.d. BK 2109 erklärt werden. Denn zur Überzeugung des Senats liegt keine relevante Einwirkung i.S.d. BK 2109 vor. Dies ergibt sich aus der vom Senat erbetenen Nachberechnung des Präventionsdienstes zur BK 2109 vom 17.4.2018, wonach der Kläger nicht arbeitstäglich für mindestens 30 min Gewichte über 40 kg auf der Schulter getragen hat, wie dies in der Wissenschaftlichen Stellungnahme des Ärztlichen Sachverständigenbeirats Berufskrankheiten zur BK 2109 vom 14.6.2016 (Bek. d. BMAS v. 1.12.2016 - IVa 4-45222 - 2109; GMBl. 31.01.2017, S. 29 ff) verlangt wird. Es besteht kein Anlass, an der Aussage des Präventionsdienstes zu zweifeln, da diese klägerseits nicht beanstandet wurde und in Übereinstimmung steht mit den in den Akten verfügbaren Angaben der Arbeitgeber.

Zusammenfassend kann bei der hiesigen Konstellation B3 allein aus den Höhenminderungen L4/5 und L5/S1, wobei die stärkste Höhenminderung nicht das unterste Segment, sondern L4/5 betrifft, ohne weitere Indizien für ein belastungskonformes Schadensbild und bei erheblichem Bandscheibenverschleiß auch an der HWS eine beruflich bedingte Verursachung der bandscheibenbedingten Erkrankung an der LWS nicht überwiegend wahrscheinlich gemacht werden. Ergänzend ist dazu auszuführen, dass aus diesem Grund auch dann, wenn man das Vorliegen eines der Zusatzkriterien der Konstellation B2 bejahte, eine BK 2108 nicht anzunehmen wäre. Denn in diesem Fall wäre aufgrund der zumindest gleich stark ausgeprägten Veränderungen an der HWS jedenfalls eine Konstellation B6 anzunehmen, für die kein Konsens bestand; für die dann durchzuführende Abwägung gilt das zuvor zur Konstellation B3 Gesagte entsprechend.

Damit kann dahinstehen, ob - wie einige der Gutachter ausgeführt haben - auch ein "gleichförmiges Schadensbild" an der LWS bestand, da dieses nicht für ein belastungskonformes Schadensbild sprechen würde, sondern dagegen. Es kann des Weiteren dahinstehen, ob und inwieweit es an der Wirbelsäule des Klägers zuletzt zu Verbesserungen gekommen ist, worauf nochmals in der mündlichen Verhandlung durch den Sohn des Klägers hingewiesen wurde. Übereinstimmend haben die Dres. G und S dargelegt, dass nur Befunde zeitnah zur Berufsaufgabe Relevanz für die Beurteilung betreffend die BK 2108 haben.

Die Beklagte hat damit zu Recht die Anerkennung einer BK 2108 abgelehnt. Die Berufung ist daher zurückzuweisen.

Der Antrag auf weitere Anhörung des S aus dem Schriftsatz vom 24.2.2022 wurde nach Hinweis des Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung nicht mehr explizit gestellt. Ein solcher Antrag wäre auch abzulehnen gewesen. Bzgl. der Anhörung von Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung ist zu unterscheiden zwischen der Möglichkeit des Gerichts, nach § 118 Abs. 1 S. 1 SGG iVm § 411 Abs. 3 S. 1 ZPO einen Sachverständigen zur Erläuterung des Gutachtens zu laden, und dem Fragerecht der Beteiligten (§§ 116 S. 2, 118 Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 397 Abs. 2, 402, 411 Abs. 4 ZPO), das auf dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs beruht (vgl. dazu Keller, a.a.O., § 118 Rn. 12d m.w.N. zur Rspr. des BVerfG). Für ersteres bestand hier kein Anlass, da das Gutachten des S keine Lücken, Unklarheiten oder Widersprüchlichkeiten enthielt. Sowohl die Auslegung des 1. Zusatzkriteriums der Konstellation B2 als auch die Schäden an der HWS waren bereits vor Erstellung des Gutachtens des S und erneut in der ergänzenden Stellungnahme des R1 vom 14.9.2021 ausführlich diskutiert worden, dazu war zudem eine ergänzende Stellungnahme des S vom 18.1.2022 eingeholt worden; weiterer Grund für eine Nachfrage seitens des Senats ist nicht ersichtlich. Auch ein Frageantragsrecht der Beteiligten ist hier nicht ersichtlich. Das Fragerecht, das auch bei Gutachten nach § 109 SGG besteht (vgl. stellv. BSG, Beschluss vom 27.9.2018 - B 9 V 14/18 B -, juris Rn. 13), hängt nicht davon ab, ob das Gutachten aus Sicht des Gerichts der Erläuterung bedarf, sondern setzt lediglich voraus, dass der Antrag nicht rechtsmissbräuchlich, insbesondere rechtzeitig gestellt ist, dass das Thema der Befragung hinreichend umrissen wird und dass die Befragung objektiv sachdienlich ist (st. Rspr; vgl. dazu Keller, a.a.O., § 118 Rn.12d ff. m.w.N. zur Rspr.). Von Beteiligten kann nicht verlangt werden, dass sie die Fragen, die sie dem Sachverständigen stellen wollen, im Einzelnen ausformulieren. Jedoch setzt nach BSG die Ausübung des Fragerechts stets eine hinreichend konkrete Bezeichnung der noch erläuterungsbedürftigen Punkte voraus. Bei einem medizinischen Sachverständigen muss eine rechtskundig vertretene Partei hierzu die in dem Verfahren auf Grundlage der aktenkundigen medizinischen Sachverständigengutachten und Berichte zu den beabsichtigten Fragen bereits getroffenen oder in Zusammenhang mit diesen Fragen stehenden medizinischen Feststellungen auf dem jeweiligen Fachgebiet näher benennen, sodann auf dieser Grundlage auf insoweit bestehende Lücken, Widersprüche oder Unklarheiten hinweisen und hiervon ausgehend schließlich die konkret - aus seiner Sicht - noch erläuterungsbedürftigen Punkte formulieren. Denn nur dies, so das BSG, erlaubt die Prüfung der Sachdienlichkeit (vgl. stell. BSG, Beschluss vom 5.7.2018 - B 9 SB 26/18 B -, juris Rn. 9). Ein Antrag ist nicht sachdienlich, wenn er nicht auf Aufklärung von Lücken oder Widersprüchlichkeiten zielt, sondern darauf, dem Sachverständigen die Möglichkeit zu geben, das Gericht nochmals von seinem Gutachten zu überzeugen (BSG, Beschluss vom 7.10.2016 - B 9 V 28/16 B -, juris Rn. 10). Ausgehend davon wären die Voraussetzungen für die Ausübung des Fragerechts mit dem hier zuletzt im Schriftsatz vom 24.2.2022 formulierten Antrag, den Sachverständigen S "zum Beweis des Vorliegens der für die Anerkennung der beantragten Berufskrankheit gegebenen Voraussetzungen beim Kläger... hinsichtlich der von ihm am 30.06.2021 vorgenommenen Untersuchung des Klägers" in der mündlichen Verhandlung zu hören, zweifellos nicht erfüllt. Es sind keine konkreten Fragestellungen, Widersprüchlichkeiten, Lücken oder Unklarheiten benannt. Die gutachterlichen Ansichten zu den hier relevanten medizinischen Aspekten waren, wie zuvor dargelegt, durch die Gutachten der Dres. G und S jeweils mit ergänzenden Stellungnahmen ausreichend ausgetauscht; der Antrag zielte also alleine darauf, dem Gutachter S die Möglichkeit zu geben, das Gericht nochmals vom Gutachten zu überzeugen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Sache.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG). Eine Abweichung ergibt sich insbesondere nicht durch die hiesige - letztlich durch das Ausmaß der HWS-Schäden ohnehin nicht allein entscheidungsrelevante - Auslegung des 1. und 2. Zusatzkriteriums der Konstellation B2. Denn diese folgt der Stellungnahme des von Amts wegen gehörten Sachverständigen; für diesen Fall hat das BSG unterschiedliche Ergebnisse in der obergerichtlichen Rechtsprechung explizit in Kauf genommen (vgl. BSG, Urteil vom 6.9.2018 - B 2 U 13/17 R -, juris Rn. 27).

 

Rechtskraft
Aus
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