S 38 KA 300/19

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 38 KA 300/19
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

I. Für den ermächtigen Krankenhausarzt ist es gesetzlich nicht vorgesehen, weitere Ärzte wie Oberärzte und Assistenzärzte, auf die er qua seiner stationären Funktion und Stellung eventuell Zugriff hat, zur Erbringung ambulanter Leistungen, die zu seinem Ermächtigungsumfang gehören, hinzuzuziehen. Macht er dies, verstößt er gegen das Gebot der persönlichen Leistungserbringung.

II. Der Amtsermittlungsgrundsatz nach § 20 SGB X schließt es nicht aus, begonnene Ermittlungen einzustellen und später wieder aufzunehmen. Nachdem die Staatsanwaltschaft, was die Ermittlungen betrifft, mit wesentlich weitreichenderen Kompetenzen ausgestattet ist, ist es nachvollziehbar, wenn bei Unregelmäßigkeiten, die daneben einer strafrechtlichen Würdigung bedürfen, die Verwaltungsbehörde den Ausgang des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft abwartet und ihre eigenen Ermittlungen zurückgestellt.

III. Haben die eigenen Ermittlungen der Behörde oder die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, von denen die Behörde Kenntnis erhalten hat, eine Ermittlungsdichte erreicht, die als hinreichend sichere Informationsgrundlage anzusehen ist, ist ab diesem Zeitpunkt von einer Kenntnis im Sinne des § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X auszugehen.

IV. Nach § 120 SGB V (§ 120 Abs. 1 S. 3 SGB V) wird die den ermächtigen Krankenhausärzten zustehende Vergütung für diese vom Krankenhausträger mit der Kassenärztlichen Vereinigung abgerechnet und nach Abzug der anteiligen Verwaltungskosten sowie der dem Krankenhaus nach Satz zwei entstehenden Kosten an die berechtigten Krankenhausärzte weitergeleitet. Wird das Honorar nicht an den ermächtigten Krankenhausarzt weitergereicht, kann dieser seinen Anspruch gegenüber dem Krankenhausträger vor den Zivilgerichten geltend machen. Einer Beiladung des Krankenhausträgers im Verfahren vor den Sozialgerichten nach § 75 SGG bedarf es nicht.

V. Es spricht gegen eine persönliche Leistungserbringung durch den Vertragsarzt, wenn die ausgestellten Rezepte nicht dessen Unterschrift tragen. Das Gebot der persönlichen Leistungserbringung gilt nicht nur für Behandlungen des an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arztes, sondern auch für die Rezeptausstellung durch den behandelnden Arzt (BSG, Urteil vom 20.03.2013, Az B 6 KA 17/12 R), da ein Zusammenhang zwischen der Behandlung einerseits und der Rezeptausstellung andererseits besteht. Letztere folgt dem Behandlungsgeschehen.

 

I. Die Klage wird abgewiesen.


II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.


T a t b e s t a n d :

Im Streit steht die Plausibilitätsprüfung für die Quartale 1/10 - 2/13 (Rückforderungssumme nach Reduzierung: 85.586,73 €). Dem Kläger, der als Chefarzt an der Fachklinik O. tätig war und über eine Ermächtigung zur vertragsärztlichen Versorgung (vom 01.07.1999 bis 30.09.2013) verfügte, wurde vorgeworfen, er habe gegen seine Grundpflicht zur persönlichen Leistungserbringung verstoßen. In den angefochtenen Bescheiden stützte die Beklagte den Vorwurf des Verstoßes gegen die persönliche Leistungserbringung auf folgende Umstände:
- Zeugenaussagen der Oberärzte im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft,
- Wortlaut des QM-Handbuches,
- Audit-Bericht von 2011,
- Im Rahmen des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens herangezogene AOK-Rezepte für die Quartale 1/10 - 3/13, wovon keines die Unterschrift des ermächtigten Arztes trug,
- exemplarisch ausgewertete Unterlagen des Patienten A. (22 Arzt-Patienten-Kontakte im Zeitraum vom 16.9.2011 bis 5.7.2013), wonach kein Patienten-Kontakt dem Kläger zugeordnet werden konnte und
- Abwesenheiten aufgrund von Urlaub, Erkrankungen und/oder Fortbildungen in den Jahren 2011 (zweimal 14 Tage), 2012 (120 Tage und 9 Tage) und 2013 (zweimal 9 und einmal 10 Tage), ohne dass die Abwesenheiten der KVB angezeigt wurden, bzw. eine Genehmigung 2012 eingeholt wurde.

Zwischen dem Kläger und seinem Arbeitgeber kam es zu Unstimmigkeiten, die auch in der örtlichen Presse publik gemacht und die vor den Arbeitsgerichten ausgetragen wurden. Außerdem wurde ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren (Az 201 JS 30594/13), beginnend im Jahr 2014 durchgeführt, im Rahmen dessen u.a. drei damals dem Kläger nachgeordnete Ärzte einvernommen und durch Beschluss des Amtsgerichts Landshut vom 21.07.2014 auch die Geschäftsräume der Beklagten durchsucht wurden. Die schriftlichen Unterlagen im Zusammenhang mit den Quartalsabrechnungen des Beschuldigten sollten im Zeitraum vom 01.06.2009 bis 31.12.2013 Aufschluss darüber geben, wer die tatsächlichen Behandlungsleistungen an den abgerechneten Patienten erbrachte, wie diese Leistungen tatsächlich vom Beschuldigten H. gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns abgerechnet und mit welchen Beträgen diese Leistungen vergütet wurden. Die Beklagte übersandte der Kriminalpolizeiinspektion Landshut zwei CD´s mit Abrechnungsdaten (Schreiben der Beklagten vom 15.10.2014 und 29.10.2014). Parallel dazu wurden, aufgrund des Schreibens der Geschäftsführung der Klinik vom 13.03.2014 eigene Ermittlungen durch die Beklagte angestellt. In diesem Schreiben trug die Geschäftsführung der Klinik vor, es gebe Hinweise, dass in der Vergangenheit die Regeln des Vertragsarztrechts möglicherweise nicht korrekt eingehalten wurden. Die Rede war von eventuell unkorrekten Abrechnungen in der KV-Ambulanz der Klinik. Anhand von diversen mündlichen Aussagen einiger Mitarbeiter seien Zweifel aufgekommen, inwieweit der ehemalige Chefarzt, obwohl in der Klinik anwesend, bei allen ambulanten Untersuchungen und Behandlungen von Kassenpatienten zugegen war. Nach dem Vortrag der Klägerseite fand am 10.04.2014 ein Gespräch der damaligen Chefsekretärin des Klägers mit einer Mitarbeiterin/einem Mitarbeiter der KVB. Es sei in diesem Gespräch um den Betrugsvorwurf gegangen und mitgeteilt worden, die Ermittlungen durch die KVB seien eingestellt worden. Hierüber wurde eine Telefonnotiz angefertigt. Mit Datum vom 16.04.2014 wurde ein Abschlussbericht erstellt. Mit Datum vom 13.10.2016 wurde der Beklagten von der AOK Bayern eine Abschrift der Anklageschrift in der Streitsache gegen den Kläger zur Kenntnis übermittelt. Nachdem die Staatsanwaltschaft zu dem Ergebnis kam, dass eine Vielzahl an ärztlichen Leistungen gegenüber der KVB abgerechnet wurde, die der Kläger nicht persönlich erbracht hat, wurde - so die Beklagte - das Plausibilitätsverfahren aufgenommen und bei der Staatsanwaltschaft am 22.11.2016 Akteneinsicht beantragt. Auf Nachforderung wurden die Unterlagen der Staatsanwaltschaft einschließlich der Sonderbände mit den ausgewerteten AOK-Rezepten und den Patientenunterlagen am 28.06.2017 der KVB vorgelegt. Das Strafverfahren wurde eingestellt.

Zur Begründung der angefochtenen Bescheide führte die Beklagte allgemein aus, der Ermächtigungsumfang knüpfe an die persönliche Qualifikation des ermächtigten Arztes an. Deshalb könnten sich ermächtigte Ärzte Leistungen, die außerhalb der Vertretung durch andere Ärzte erbracht wurden, nicht zurechnen lassen. § 15 Abs. 1 S. 2 BMV-Ä gelte nicht. § 32a S. 1 Ärzte-ZV hebe ausdrücklich die persönliche Leistungserbringung des ermächtigten Arztes hervor.
 
Der angefochtene Ausgangsbescheid sei formell rechtmäßig. Eine Verletzung der §§ 20, 21, 25 und 24 SGB X liege nicht vor. Auch sei der Ausgangsbescheid materiell rechtmäßig. So sei die Telefonnotiz der Sekretärin des Klägers über ein Gespräch zwischen ihr und einer Mitarbeiterin/einem Mitarbeiter der KVB im Jahr 2014 ohne Bedeutung. Auch die Aussagen der Chefsekretärin des Klägers S1. und der Ambulanzkrankenschwester könnten die getroffenen Feststellungen der Falschabrechnung nicht widerlegen. Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Honorarbescheide in den Quartalen 1/10 bis einschließlich 4/12 sei § 45 SGB X. Grundsätzlich könnten Honorarbescheide im Vertragsarztrecht innerhalb von vier Jahren ab Bekanntgabe der Honorarbescheide zurückgenommen werden. Die Frist sei aber für die Quartale 1/10-4/12 überschritten, sodass die allgemeine Vorschrift des § 45 SGB X zur Anwendung gelange. Die Voraussetzungen hierfür lägen vor. Die Vorschrift des § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X stehe dem nicht entgegen. Danach sei eine Rücknahme innerhalb eines Jahres ab Kenntnis der Tatsachen, die die Rücknahme rechtfertigen, möglich. Für die Kenntnis komme es auf die positive Kenntnis aller entscheidungsrelevanter Tatsachen an. Der Ausgangsbescheid vom 26.07.2017 stütze die Rückforderung nicht auf etwaige Erkenntnisse aus dem Jahr 2014, sondern auf neue Erkenntnisse aus dem Jahr 2016. Erst nach Einsicht in die vollständigen Ermittlungsakten am 28.06.2017 sei dann der Honorarneufestsetzungsbescheid vom 26.07.2017 erlassen worden. Auch könne von einem Verbrauch der Befugnis zur Korrektur nicht die Rede sein. Denn bei den Ermittlungen der Beklagten im Jahr 2014 habe es sich lediglich um eine Vorprüfung gehandelt, ohne dass es zu einer Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Honorarbescheide gekommen sei.

Dagegen ließ der Kläger Klage zum Sozialgericht München einlegen. Die angefochtenen Bescheide seien sowohl formell, als auch materiell rechtswidrig. Hinsichtlich der formellen Rechtswidrigkeit wurde ein Verstoß gegen §§ 20, 21, 24 und 25 SGB X, insbesondere ein Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht geltend gemacht. Die Amtsermittlung sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Denn die Beklagte hätte die Pflicht gehabt, eigene Ermittlungen anzustellen, statt sich auf die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zu verlassen. Sie hätte die Ermittlungen 2014 überhaupt nicht einstellen dürfen. Die für die Ermittlungen notwendigen Unterlagen hätten der Beklagten schon 2014 zur Verfügung gestanden. Spätestens nach Eintreffen des Durchsuchungsbeschlusses durch das Amtsgericht A-Stadt hätte die Beklagte ihre Ermittlungen wieder aufnehmen müssen.

Zur materiellen Rechtswidrigkeit wurde vorgetragen, die Aufhebung der Honorarbescheide und Rückforderung von Honorar für die Quartale 1/10 bis 4/12 könnten nicht auf § 45 SGB X gestützt werden. Insbesondere sei die Einjahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X nicht eingehalten worden. In diesem Zusammenhang sei auf eine Entscheidung des LSG Schleswig-Holstein hinzuweisen (Urteil vom 19.11.2013, Az L 7 R 3/11). Das Gericht habe wie folgt ausgeführt: "Unterlässt es die Behörde länger als ein Jahr, die subjektiven Voraussetzungen für eine Rücknahmeentscheidung nach § 45 SGB X zu ermitteln bzw. mit diesen Ermittlungen zumindest zu beginnen und eine Anhörung des Betroffenen durchzuführen, obwohl sie die Tatsachen, die die Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Verwaltungsaktes begründen, kennt, so ist eine spätere Aufhebung des ursprünglichen Verwaltungsaktes durch § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X gehindert." Hier habe die Beklagte spätestens Kenntnis dieser Tatsachen mit dem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts A-Stadt vom 21.07.2014. Auch aus dem Umstand, dass die Beklagte an die Staatsanwaltschaft zwei CD ROM mit einer eigenen Auswertung übersandt habe, werde deutlich, dass sie die Tatsachen gekannt habe.

Abgesehen davon sei die Möglichkeit der Rücknahme der Honorarbescheide durch die vorausgehenden Ermittlungen und deren Abschluss verbraucht. Es sei zwar zuerst seitens der Beklagten ermittelt worden, die Ermittlungen seien aber später eingestellt worden. Dies ergebe sich aus dem zwischen der Chefsekretärin des Klägers und der KVB geführten Telefonat vom 10.04.2014, aber auch aus dem Abschlussbericht vom 16.04.2014.

Zu den Quartalen wurde bemerkt, in den Quartalen 1/13- 2/13 sei vom Klinikträger kein Honorar aus vertragsärztlicher Tätigkeit ausbezahlt worden. Die Beträge für diese Quartale seien deshalb vom Krankenhausträger zurückzufordern. Die Einzugsermächtigung nach § 120 Abs. 1 S. 3 SGB V diene der Erleichterung der Abrechnung. Dem Arzt werde vom Gesetzgeber ein Abrechnungspartner aufgezwungen, dessen Abrechnungsgebaren der ermächtigte Arzt nicht nachvollziehen könne. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 20.3.2013 (BSG, Az B 6 KA 17/12 R) überzeuge nicht.

Selbst wenn der Aufhebung der Honorarbescheide für die Quartale 1/10-4/12 die Vorschrift des § 45 SGB X (Einjahresfrist) grundsätzlich nicht entgegenstehe und von keinem Verbrauch der Möglichkeit zur Rücknahme von Honorarbescheiden und Honorarrückforderung auszugehen sei, sei ein grob fahrlässiger Pflichtverstoß des Klägers im Sinne eines Verstoßes gegen die Pflicht gegen die persönliche Leistungserbringung nicht ersichtlich. Denn der Kläger sei auch als ermächtigter Krankenhausarzt berechtigt gewesen, Leistungen an ärztliches und nicht ärztliches Personal zu delegieren.
In ihrer Klageerwiderung widersprach die Beklagte der Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers, sie habe gegen §§ 20, 21 (Amtsermittlung), § 24 SGB X (Anhörung), 25 Abs. 1 SGB X (Akteneinsicht) verstoßen. Was die Amtsermittlung betreffe, so bestimme die Behörde den Umfang der Ermittlungen. Dieser sei insbesondere vor dem Hintergrund der Streitigkeiten zwischen dem Kläger und dem Krankenhausträger festgelegt worden. Ausschlaggebend für den Umfang der Ermittlungen, die dann im Jahr 2014 eingestellt wurden, sei gewesen, dass es sich bei der Information durch den Klinikträger lediglich um bloße Behauptungen gehandelt habe. Notwendig sei aber gewesen, einen Abgleich zwischen den eigenen Unterlagen und den Unterlagen des Klinikträgers vorzunehmen. Die KVB verfüge aber nicht über solche Befugnisse, wie sie die Staatsanwaltschaft habe. Außerdem habe während polizeilicher Ermittlungen keine Möglichkeit bestanden, die eigenen Ermittlungen aktiv voranzutreiben. Somit sei eine frühere Aufnahme des Verfahrens mit Abgleich der Unterlagen der Klägerin und des Klinikträgers nicht möglich gewesen.

Auch in materieller Hinsicht sei der angefochtene Ausgangsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides rechtlich nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers lägen die Voraussetzungen des § 45 SGB X für eine Rücknahme der Honorarbescheide, deren Neufestsetzung und für die geltend gemachte Rückforderung für die Quartale 1/10-4/12 vor.

Ebenfalls sei sie - die Beklagte - nicht an einer solchen Entscheidung wegen der Vorschrift des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X gehindert. Denn notwendig sei eine positive und vollständige Kenntnis der Tatsachen. So habe auch das Bundessozialgericht (BSG, Urteil, Az B 7 AL 88/99 Rn. 23) gefordert, die Informationsgrundlage müsse hinreichend sicher sein. Im Jahr 2014 seien lediglich Vorermittlungen durchgeführt worden, deren Umfang bestimmt gewesen sei vom Vorwurf des Klinikträgers gegenüber dem Kläger (Hintergrund: arbeitsrechtliche Auseinandersetzung). Eine hinreichend sichere Informationsgrundlage habe es erst nach Einsicht in die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft im Jahr 2017 gegeben.

Unzutreffend sei auch die Auffassung, die Möglichkeit einer Korrektur der Honorarbescheide sei durch vorausgegangene Ermittlungen verbraucht. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Honorarbescheide auf die sachliche und rechnerische Richtigkeit bereits überprüft und vorbehaltlos bestätigt worden wären. Weder das Telefonat - im Übrigen sei die angegebene Telefonnummer nicht die der KVB, sondern die des Zulassungsausschusses - noch der Abschlussbericht stellten eine vorbehaltlose Bestätigung dar. Es sei auch nicht bekannt, mit wem (von der KVB) die Chefsekretärin im Jahr 2014 telefoniert habe. Der Abschlussbericht sei auch nie an den Kläger geschickt worden. Voraussetzung für eine vorbehaltlose Bestätigung sei außerdem die direkte Kommunikation zwischen dem Kläger und der KVB, die nicht vorlag (Anmerkung: Kläger hat erst im Zusammenhang mit der Einsichtnahme in die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft von der Existenz eines Abschlussberichtes erfahren).

Für den Zeitraum Zeitraum Quartale 1/13-2/13 sei nicht die Vorschrift des § 45 SGB X maßgeblich. Vielmehr könnten ganz allgemein Honorarbescheide innerhalb eines Vierjahreszeitraums ohne die Voraussetzungen des § 45 SGB X sachlich-rechnerisch richtig gestellt und die Honorare neu festgesetzt werden.

Die Honorarbescheide für die Quartale 1/10 bis einschließlich 2/13 seien rechtswidrig. Denn der Kläger habe gegen den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung, wie ausführlich in den angefochtenen Bescheiden dargestellt, verstoßen.

In der mündlichen Verhandlung am 25.03.2021 wurden als Zeuginnen S1. (ehemalige Chefsekretärin des Klägers) und M. (Gesundheits-und Krankenpflegerin, die im fraglichen Zeitraum in der Ambulanz der Fachklinik O. tätig war) einvernommen.

Auf Befragen durch das Gericht trug S1. zum Behandlungsablauf vor, es habe keine Patientensteuerung oder Patientenkoordinierung stattgefunden. Die Patienten seien einbestellt worden und im Chefarztbüro erschienen. Anschließend seien die Patienten verwaltungstechnisch aufgenommen und in die Ambulanz geschickt worden, wo die Behandlung stattgefunden habe. H. sei dann hinzugekommen (Frage 4 der Sitzungsniederschrift vom 25.03.2021). Die Erstbehandlung sei stets von H. durchgeführt worden, die spätere routinemäßige Behandlung durch andere Ärzte (Frage 6 der Sitzungsniederschrift vom 25.03.2021). Rezepte über Hilfsmittel seien stets von H., Rezepte über Medikamente von den Assistenzärzten ausgestellt worden (Frage 8 der Sitzungsniederschrift vom 25.03.2021). Auf Befragen durch den Klägervertreter teilte die Zeugin mit, es habe die Vorgabe gegeben, diese Patienten immer nur dann einzubestellen, wenn H. auch verfügbar und nicht im OP oder sonst so gebunden gewesen sei.

Auf Befragen durch das Gericht zum Gegenstand und zum Inhalt des Gesprächs zwischen ihr und einer Mitarbeiterin/einem Mitarbeiter der KVB im Jahr 2014 gab die Zeugin an, Gegenstand des Gesprächs sei der Vorwurf des Abrechnungsbetrugs gewesen. Es sei von der KVB mitgeteilt worden, dass sämtliche Abrechnungen ein Prüfprogramm durchlaufen würden. Wenn die Abrechnung nach dem Prüfprogramm ordnungsgemäß sei, sei dies in Ordnung. Man habe sie darüber informiert, dass die Prüfung ergebnislos abgeschlossen worden sei (Fragen 13 und 15 der Sitzungsniederschrift vom 25.03.2021). Auf Nachfrage des Klägervertreters trug die Zeugin vor, insgesamt habe sie dem Telefonat die Information entnommen, dass die Vorwürfe des Abrechnungsbetrugs für die KVB erledigt seien. Eben deshalb habe sie dies schriftlich festgehalten (Telefonnotiz) und H. davon Kenntnis gegeben. Es sei ihr mitgeteilt worden, dass dies geprüft, nichts beanstandet worden sei und nichts mehr nachkomme. Auf Nachfrage der Beklagtenvertreterin teilte die Zeugin mit, im Gespräch mit der KVB im Jahr 2014 sei es nicht um die Durchführung einer Plausibilitätsprüfung gegangen. K2., damaliger Oberarzt habe die KVB darauf hingewiesen, dass bei H. falsch abgerechnet wurde.

Die Zeugin M. erklärte zum Behandlungsverlauf, ihrer Erinnerung nach sei die Erstbehandlung stets von H. erfolgt, während bei Folgeterminen in der Regel Assistenten tätig geworden seien. Bei Verschlechterungen oder in sonst besonderen Konstellationen sei H. hinzugezogen worden (Frage 3 der Sitzungsniederschrift vom 25.03.2021). Sie, die Zeugin habe die Rezepte gefertigt. Diese seien dann entweder H, dem Oberarzt oder dem Assistenzarzt zur Unterschrift vorgelegt worden.

Zur Beweisaufnahme Stellung nehmend vertrat der Prozessbevollmächtigte des Klägers (Schreiben vom 07.05.2021) die Auffassung, ausweislich der vorliegenden eindeutigen und glaubhaften Aussagen auch zweifelsfrei glaubwürdigen Zeuginnen sei hierdurch die Bestätigung des diesseitigen Tatsachenvortrags erfolgt. Es seien auch im Jahr 2017 keine neuen Fakten hinzugetreten, sondern lediglich die damals bereits bekannten Fakten, die Anlass gegeben haben sollen, nochmals ein Verfahren einzuleiten. Das Prozessrisiko habe sich nunmehr aufgrund der Zeugenaussagen zugunsten des Klägers verschoben.

Die Beklagte vertrat dagegen die Auffassung (Schreiben vom 08.06.2021), die protokollierten Zeugenaussagen bestätigten die Feststellungen der Beklagten. Bezüglich des angeblichen Telefonates von S1. mit der KVB machte die Beklagte darauf aufmerksam, die angegebene Telefonnummer sei die des Zulassungsausschusses, nicht aber die der KVB. Außerdem habe die Zeugin keine Kenntnis darüber, mit wem sie damals darüber telefoniert habe. Ferner sei damals nach der Zeugin S1. nicht Gegenstand des Gesprächs die Plausibilitätsprüfung gewesen. Vielmehr könne im Kontext nur die automatische Regelwerksprüfung gemeint sein. Feststehe außerdem, dass in die Behandlung und Verordnung auch andere Ärzte eingebunden wurden. Insofern stünden die Feststellungen der Beklagten mit den Aussagen der Zeuginnen in Einklang. Bei der Beweiswürdigung müssten außerdem auch die Zeugenaussagen der damals tätigen Ärzte (G., S2. und K2.) vor der Kriminalpolizeiinspektion Landshut berücksichtigt werden. Ferner sei auf die Abwesenheitszeiten des Klägers hinzuweisen, insbesondere im Jahr 2012. Der Kläger habe zum Teil seine Anzeigepflicht bzw. seine Genehmigungspflicht verabsäumt.

Das Gericht hat wiederholt eine vergleichsweise Beilegung des Rechtsstreits angeregt; so insbesondere in dem ausführlichen Schreiben des Gerichts vom 09.12.2019. Die Beteiligten erklärten zwar ihre grundsätzliche Vergleichsbereitschaft, jedoch kam eine Einigung hinsichtlich einer möglichen Reduzierung der Rückforderungssumme letztendlich nicht zustande. Während die Beklagte anbot, die Rückforderungssumme um 25.000 € zu reduzieren (Schreiben der Beklagten vom 21.04.2021), ging der Prozessbevollmächtigte des Klägers von einer wesentlich höheren Reduzierung (60 %) aus.

In der mündlichen Verhandlung am 16.03.2022 stellte der Prozessbevollmächtigte des Klägers den Antrag aus dem Schriftsatz vom 05.08.2019.

Die Vertreterin der Beklagten beantragte, die Klage abzuweisen.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung war die Beklagtenakte. Im Übrigen wird auf den sonstigen Akteninhalt, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie die Sitzungsniederschriften bzw. Niederschrift über einen Erörterungstermin vom 17.11.2019, 25.03.2021 (EÖT) und 16.03.2022 verwiesen.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zum Sozialgericht München eingelegte Klage - es handelt sich um eine Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG - ist zwar zulässig, jedoch unbegründet. Der angefochtene Ausgangsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides ist als rechtmäßig anzusehen und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht der Anregung des Prozessbevollmächtigte Klägers nicht gefolgt ist, den Klinikträger zum Verfahren nach § 75 SGG beizuladen. Die genannte Vorschrift enthält sowohl eine fakultative Beiladung (§ 75 Abs. 1 SGG), als auch eine notwendige Beiladung (§ 75 Abs. 2 SGG). Voraussetzung für die notwendige Beiladung nach § 75 Abs. 2 SGG ist, dass durch die Entscheidung über das streitige Rechtsverhältnis zugleich in die Rechtssphäre eines Dritten unmittelbar eingegriffen wird (Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, Rn. 10 zu § 75). Erforderlich ist also grundsätzlich eine Identität des Streitgegenstandes. Hier ist jedoch das Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Klinikträger zivilrechtlicher Natur. Zwischen Kläger und dem Klinikträger bestand ein Dienstverhältnis. Hinzu kommt, dass der Klinikträger keine eigene Rechtsposition innehat. Anders als in der Kommentierung (Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, Rn. 15 zu § 75) wird deshalb eine Beiladung nicht als notwendig betrachtet. Auch hat das Gericht von einer einfachen Beiladung des Klinikträgers nach § 75 Abs. 1 SGG abgesehen. Ein Rechtsanspruch besteht darauf nicht. Vielmehr steht die einfache Beiladung nach § 75 Abs. 1 SGG im Ermessen des Gerichts. Einer gesonderten Entscheidung über den Antrag auf Beiladung bedurfte es nicht. Die Ablehnung kann im Rahmen des Urteils in den Urteilsgründen begründet werden (Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, Rn. 15 zu § 75).

Die Beklagte ist zuständig für die in den Quartalen 1/10 bis 2/13 vorgenommene Plausibilitätsprüfung. Rechtsgrundlagen des Ausgangsbescheides vom 26.07.2017 idF des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2019 sind §§ 75 Abs. 1, 83 Satz 1 SGB V, § 7 Abs. 1 Gesamtvertrag-Primärkassen bzw. § 8 Gesamtvertrag Ersatzkassen in Verbindung mit der Anlage 8 Gesamtvertrag-Ersatzkassen, § 106a Abs. 2 SGB V, § 46 Bundesmantelvertrag-Ärzte (= BMV-Ä) bzw. § 42 Arzt/Ersatzkassen-Vertrag (= A-EKV) bzw. § 50 Abs. 1 SGB X. Danach ist die Beklagte generell berechtigt, die Abrechnungen der Vertragsärzte auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen. Im Fall des Klägers hat eine solche Prüfung in den Quartalen 1/10 bis 2/13 stattgefunden.

Eine Plausibilitätsprüfung findet grundsätzlich dann statt, wenn aufgrund von Aufgreifkriterien der Verdacht der Implausibilität besteht. Abrechenbar und vergütungsfähig sind nur solche Leistungen, die in Übereinstimmung mit den für die vertragsärztliche Versorgung geltenden Vorschriften, vor allem dem EBM, dem HVV bzw. dem HVM und den sonstigen Abrechnungsbestimmungen erbracht werden. Wird eine Implausibilität festgestellt, erfolgt die Rückforderung der zu Unrecht abgerechneten Leistungen gemäß § 50 Abs. 1 SGB X.

Die Beklagte kam zu dem Ergebnis, der Kläger habe gegen seine Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung verstoßen.

Die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung ist eine der Grundpflichten eines Arztes, der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt, sei es im Rahmen einer Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit nach § 95 Abs. 1 SGB V oder im Rahmen einer Ermächtigung zum Beispiel nach § 116 SGB V (BSG, Urteil vom 24.11.1993, Az 6 RKa 70/91). Die Ermächtigung ist gegenüber der Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit subsidiär (§ 31 Abs. 1 S. 2 Ärzte-ZV). Die vertragsärztliche Tätigkeit ist persönlich auszuüben. Während bei einem Vertragsarzt auch als persönliche Leistungen solche Leistungen gelten, die auch genehmigte Assistenten und angestellte Ärzte gemäß § 32b Ärzte-ZV erbringen (§ 15 Abs. 1 BMV-Ä), besteht diese Möglichkeit für ermächtigte Krankenhausärzte nicht. Für den ermächtigen Krankenhausarzt - wie dem Kläger - ist es gesetzlich nicht vorgesehen, weitere Ärzte wie Oberärzte und Assistenzärzte, auf die er qua seiner stationären Funktion und Stellung eventuell Zugriff hat, zur Erbringung ambulanter Leistungen, die zu seinem Ermächtigungsumfang gehören, hinzuzuziehen. Deren Tätigkeit ist ihm als ermächtigen Krankenhausarzt nicht zuzurechnen. § 15 Abs. 1 S. 2 BMV-Ä gilt nicht. Die mögliche Leistungserbringung im Rahmen des Ermächtigungsumfangs reduziert sich bei einem ermächtigten Arzt auf seine persönliche und eigene Leistungserbringung. Grund hierfür ist, dass die Ermächtigung eine Ausnahme darstellt und nur dann in Betracht kommt, soweit und solange eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten ohne die besonderen Untersuchungs-und Behandlungsmethoden oder Kenntnisse von hierfür geeigneten Ärzten und den in Satz 1 genannten Einrichtungen nicht sichergestellt wird (§ 116 S. 2 SGB V). Selbstverständlich kann auch ein ermächtigter Krankenhausarzt nichtärztliche Leistungen auf Dritte delegieren.

Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig, vor allem liegt ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ § 20, 21 SGB X) nicht vor. Nach § 20 Abs. 1 S. 2 SGB X bestimmt die Behörde Art und Umfang der Ermittlungen. Grundsätzlich besteht die Verpflichtung zur umfassenden Aufklärung. Nach § 20 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 21 SGB X bedient sich die Behörde der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält (vgl. Kopp/Ramsauer, Komment. zum VwVfG, Rn. 11 zu § 24 inhaltsgleich mit § 20 SGB X). Unterlässt die Behörde eine sachlich notwendige weitere Aufklärung des Sachverhalts, so liegt ein Verfahrensfehler vor. Dieser Verfahrensfehler kann allerdings nicht eigenständig angefochten werden, d. h. nur zusammen mit einem daraufhin ergehenden Verwaltungsakt. Im Jahr 2014 ist ein Verwaltungsakt von der Beklagten nicht erlassen worden. Die Beklagte war nicht gehindert, ihre Ermittlungen einzustellen. Das SGB X schließt es nicht aus, Ermittlungen einzustellen und später wieder aufzunehmen, wobei die Behörde dann allerdings die Gefahr trägt, dass dann unter Umständen eine Verjährung eingetreten ist.

Auch ist ein Anhörungsfehler nach § 24 SGB X nicht ersichtlich. Sollte dennoch eine Anhörung des Klägers nach § 24 SGB X vor Erlass des Plausibilitätsbescheides nicht oder nicht ordnungsgemäß erfolgt sein, ist dies unbehelflich, da nach § 41 Abs. 2 SGB X eine Nachholung bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozialgerichtlichen oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens möglich ist und deshalb dann eine Heilung eines eventuellen Verfahrensfehlers eintritt.

Eine eingehende Prüfung, ob der Kläger gegen seine Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung verstoßen hat, würde sich erübrigen, wenn eine Aufhebung von Honorarbescheiden mangels Vorliegen der Voraussetzungen der allgemein geltenden oder besonderen Aufhebungsregeln ausgeschlossen ist. Hierbei ist zu differenzieren zwischen den Quartalen 1/10-4/12 und den Quartalen 1/13-2/13.

Nach gefestigter Rechtsprechung zur Vermeidung des ewigen Prüfverfahrens gilt eine Höchstgrenze von vier Jahren im Sinne einer Ausschlussfrist ab dem Erlass des Honorarbescheides (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.10.2014, Az L 5 KR 1161/12; BSG, Urteil vom 05.05.2010, Az B 6 KA 5/09 R). Diese Ausschlussfrist ist für die Quartale 1/10-4/12 überschritten, nicht jedoch für die Quartale 1/13 und 2/13.

Soweit sich die Beklagte auf § 45 SGB X stützt - dies betrifft die Quartale 1/10 bis einschließlich 4/12 - ist die Einjahresfrist gemäß § 45 Abs. 4 SGB X zu beachten. Es handelt sich um eine Ausschlussfrist. Danach ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen möglich, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen (§ 45 Abs. 4 S. 2 SGB X). Nach § 52 SGB X ist die Verjährung durch Verwaltungsakt gehemmt. Nachdem hier kein Verwaltungsakt ergangen ist, ist nach dieser Vorschrift keine Hemmung eingetreten. Des Weiteren kommt eine Anwendung der Hemmungsvorschrift des § 204 BGB nicht in Betracht (Nomos Kommentar zum SGB X, Rn. 101 zu § 45). Nicht geregelt ist auch, dass staatsanwaltschaftliche Ermittlungen zu einer Hemmung der Verjährung führen. Dementsprechend wird hierdurch auch die Ausschlussfrist nicht gehemmt.

Sinn und Zweck der Regelung des § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X ist die Rechtssicherheit. Dagegen dient die Jahresfrist nicht dem Vertrauensschutz des Betroffenen (BSG, Urteil vom 31.01.2008, Az B 13 R 23/07R). Haben die eigenen Ermittlungen der Behörde oder die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, von denen die Behörde Kenntnis erhalten hat, eine Ermittlungsdichte erreicht, die als hinreichend sichere Informationsgrundlage anzusehen ist, ist ab diesem Zeitpunkt von einer Kenntnis im Sinne des § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X auszugehen, mit der Folge, dass dann die einjährige Frist zu laufen beginnt. Die Frist beginnt erst zu laufen, wenn die Aufhebung der Honorarbescheide keine weiteren Ermittlungen mehr erfordert (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 04.07.2007, Az L 12 AL 105/06; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.03.2011, Az L 5 AS 1547/09). Erst dann darf der Leistungsempfänger davon ausgehen, dass die Behörde den rechtsfehlerhaften Bescheid nicht mehr revidiert.
Was das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren betrifft (vgl. §§ 160 ff. StPO) hat diese den Sachverhalt zu erforschen. Es sind Ermittlungen anzustellen, die für die Bestimmung der Rechtsfolgen der Tat von Bedeutung sind. Dabei hat die Staatsanwaltschaft eine allgemeine Ermittlungsbefugnis auch unter Zuhilfenahme anderer Behörden und der Beamten des Polizeidienstes (§§ 161, 163 StPO). Die Ermittlungsbefugnis der Staatsanwaltschaft erstreckt sich auch auf die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen (§ 161a StPO). Die Zeugen haben dabei die Pflicht zur Aussage, was im Fall des Nichtbefolgens von der Staatsanwaltschaft sanktioniert werden kann (§§ 55, 70, 77 StPO). Zwar besitzt auch die Beklagte eine Ermittlungsbefugnis die auch Zeugeneinvernahmen mit einschließt. Die Zeugen sind aber nur dann zur Aussage verpflichtet, wenn dies durch Rechtsvorschrift vorgesehen ist (§ 21 Abs. 3 SGB X). Die Möglichkeit der Zeugeneinvernahme, zu der auch die Beklagte als Behörde befugt ist, kann anders als bei der Staatsanwaltschaft nicht erzwungen werden. Insofern ist die Zeugeneinvernahme durch die Behörde grundsätzlich ein "stumpfes Schwert". Somit ist die Staatsanwaltschaft, was die Ermittlungen betrifft, mit wesentlich weitreichenderen Kompetenzen ausgestattet. Es ist deshalb nachvollziehbar, wenn bei Unregelmäßigkeiten, die daneben einer strafrechtlichen Würdigung bedürfen, die Verwaltungsbehörde den Ausgang des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft abwartet und ihre eigenen Ermittlungen zurückgestellt. Jedoch kann die Beklagte als Verwaltungsbehörde parallel zu den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ihrerseits ermitteln. Die Ermittlungen stehen somit nebeneinander. Sie haben unterschiedliche Aspekte, nämlich zum einen den strafrechtlichen Aspekt und zum anderen die Beurteilung vertragsärztlicher Aspekte.

Die Beklagte wurde erstmals vom Klinikträger am 13.03.2014 informiert, dass es Hinweise gebe, wonach der Chefarzt der Fachklinik O. H. in der Vergangenheit möglicherweise die Regeln des Vertragsarztrechts nicht korrekt eingehalten habe. Es existierten seit einigen Tagen Hinweise, dass Patienten - genannt werden vier Patienten - nicht einmal von seinen benannten Stellvertretern untersucht und behandelt wurden. Es sei nicht nachzuvollziehen, ob die Behandlungen zum Teil oder vollständig abgerechnet oder Prothesen sowie andere Heil-oder Hilfsmittel rezeptiert wurden und inwieweit die Untersuchungen Teil einer ambulanten Abrechnung waren. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch noch keine ausreichende Kenntnis im Sinne der Vorschrift des § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X vorhanden. Denn der Klinikträger hat lediglich Behauptungen aufgestellt, ohne diese mit entsprechenden Nachweisen zu belegen. Diese Behauptungen sind im Zusammenhang mit der arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und seinem früheren Arbeitgeber zu sehen. Auch die Kenntnis vom Durchsuchungsbeschluss vom 21.07.2014 setzt noch nicht die einjährige Verjährung in Gang. Es handelt sich diesbezüglich allenfalls um ein "Kennenkönnen" oder ein "grob fahrlässiges Kennenmüssen". Dieses ist nicht ausreichend, um die Einjahresfrist in Lauf zu setzen. (Grüner, Dilichau, Komment. zum SGB X, S. 110; LSG Hessen, Urteil vom 14.03.2008, Az L 7 AL 55/07; BSG, Urteil vom 16.12.2009, Az B 7 AL 26/08 R). Auch kann der Zeitpunkt des Durchsuchungsbeschlusses nicht als Anfangszeitpunkt in Betracht kommen, da gerade die Durchsuchung als Ermittlungsmaßnahme erst den Sachverhalt aufklären soll.

Die Beklagte ist auch nicht gehindert, nach Plausibilitätsprüfung einen Rückforderungsanspruch zu erheben, weil nach der Behauptung der Klägerseite das Honorar an den Kläger - betrifft die Quartale 1/13 und 2/13 - vom Krankenhausträger nicht ausgekehrt wurde. Nach § 120 SGB V (§ 120 Abs. 1 S. 3 SGB V) wird die den ermächtigen Krankenhausärzten zustehende Vergütung für diese vom Krankenhausträger mit der Kassenärztlichen Vereinigung abgerechnet und nach Abzug der anteiligen Verwaltungskosten sowie der dem Krankenhaus nach Satz zwei entstehenden Kosten an die berechtigten Krankenhausärzte weitergeleitet. Sinn und Zweck der Regelung ist die Erleichterung der Abrechnung für die ermächtigten Ärzte. Diese sollen von dem mit der Abrechnung verbundenen Verwaltungsaufwand entlastet werden (Hauck-Noftz, Kommentar zum SGB V, Rn. 14 zu § 120). Es handelt sich hierbei um eine gesetzliche Einziehungsermächtigung. Der Honoraranspruch bleibt materiell dem ermächtigten Arzt zugeordnet. Deshalb hat der ermächtigte Krankenhausarzt auch die Befugnis, Widerspruch und Klageverfahren durchzuführen. Wird das Honorar nach Abzügen vom Krankenhausträger nicht an den ermächtigten Krankenhausarzt weitergereicht, kann dieser seinen Anspruch gegenüber dem Krankenhausträger vor den Zivilgerichten geltend machen.

Entgegen der Auffassung der Klägerseite ist auch die Befugnis der Beklagten zu sachlich-rechnerischen Richtigstellung nicht unter Vertrauensschutzgesichtspunkten verbraucht. Dies ist nach gefestigter Rechtsprechung dann der Fall, wenn eine KÄV die Honorarforderung des Vertragsarztes in einem der ursprünglichen Honorarverteilung nachfolgenden Verfahren für sachlich-rechnerische Richtigkeit geprüft und vorbehaltlos bestätigt hat (BSG, Beschluss vom 03.02.2010, Az B 6 KA 22/09 B). Der Prozessbevollmächtigte des Klägers wies in diesem Zusammenhang auf ein Telefonat der damaligen Chefsekretärin des Klägers S1.mit einer Mitarbeiterin/einem Mitarbeiter der KVB am 10.04.2014 und auf den Abschlussbericht der KVB vom 16.04.2014 hin. Was das Telefonat am 10.04.2014 betrifft, ist zwar hierüber eine Telefonnotiz von der Chefsekretärin angefertigt worden, jedoch ist nicht eindeutig, ob überhaupt mit der Beklagten und wenn ja mit wem dieses Telefonat geführt wurde. Die von der Klägerseite angegebene Telefonnummer ist nach Darstellung der Beklagten eine der Zulassungsgremien, nicht jedoch der KVB. Selbst wenn ein solches Telefonat stattgefunden haben sollte, ist dieses nicht einer vorbehaltlosen Bestätigung für eine sachlich-rechnerische Richtigkeit gleichzusetzen. Das Telefonat hat zumindest keine Qualität eines Verwaltungsaktes nach § 31 SGB X. Auch inhaltlich ging es offensichtlich nach der Aussage der S1. (mündlichen Verhandlung am 25.03.2021) in erster Linie um den Betrugsvorwurf, nicht jedoch um die Durchführung eines Plausibilitätsverfahrens. Es sei auch mitgeteilt worden, dass die Vorwürfe des Abrechnungsbetrugs für die KVB erledigt seien. Soweit in dem Telefonat auch die Rede davon gewesen sein sollte, dass sämtliche Abrechnungen ein Prüfprogramm durchlaufen würden und die Prüfung ergebnislos ohne Beanstandung abgeschlossen worden sei und nichts mehr nachkomme, deutet der Kontext darauf hin, dass lediglich die automatische Regelwerksprüfung gemeint war. Eine vorbehaltlose Bestätigung der Richtigkeit der Abrechnungen erfolgte jedenfalls durch das Telefonat nicht.

Auch ist der Abschlussbericht der Beklagten vom 16.04.2014 nicht als vorbehaltlose Bestätigung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnungen zu werten; dies allein schon deshalb, weil - worauf die Beklagte zu Recht hinweist - die Klägerseite erstmals durch Einblick in die Ermittlungsakten davon erfuhr. Der Abschlussbericht wurde nicht von der Beklagten an den Kläger unmittelbar herausgegeben und ist deshalb als Internum anzusehen. Auch inhaltlich kann dem Abschlussbericht eine vorbehaltlose Bestätigung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit nicht entnommen werden. Vielmehr hat die Beklagte in dem Abschlussbericht an mehreren Stellen deutlich gemacht, sie habe ihre Ermittlungen eingestellt, weil die Behauptungen des Klinikträgers als unzureichend anzusehen wären.

Nachdem gegen die Anwendung von § 45 SGB V (Quartale 1/10-4/12) und gegen die Anwendung der sachlich-rechnerischen Richtigstellung im Vierjahreszeitraum (Quartale 1/13 und 2/13) grundsätzlich keine rechtlichen Bedenken bestehen, kommt es darauf an, ob der Kläger ordnungsgemäß die geltend gemachten Leistungen abgerechnet hat. Die Beklagte hat den Vorwurf erhoben, der Kläger habe in den genannten Zeiträumen gegen seine Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung verstoßen. Es handelt sich nach der Rechtsprechung um eine der Hauptpflichten im vertragsärztlichen Bereich. Diese Pflicht gilt nicht nur für zugelassene Vertragsärzte, sondern auch für andere an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende ermächtigte Krankenhausärzte (§ 116 SGB V). Denn der Status des zugelassenen Vertragsarztes und des ermächtigten Krankenhausarztes beruht auf einer höchstpersönlichen Tätigkeit. Für die zugelassenen Vertragsärzte ist die persönliche Leistungserbringung in § 15 Abs. 1 S. 1 BMV-Ä geregelt. Zur persönlichen Leistungserbringung gehören auch Hilfeleistungen durch nichtärztliche Mitarbeiter (§ 15 Abs. 1 S. 5 BMV-Ä), aber auch ärztliche Leistungen durch genehmigte Assistenten und durch angestellte Ärzte gemäß § 32d Ärzte-ZV. Diese Leistungen sind dann dem Vertragsarzt zuzurechnen. Ausfluss der Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung ist auch, dass der Vertragsarzt sich ausnahmsweise vertreten lassen kann, wenn Vertretungsgründe vorliegen. Hier besteht bei kürzeren Abwesenheitszeiten eine Anzeigepflicht, bei der KVB, bei längeren Abwesenheitszeiten eine Genehmigungspflicht. Insofern wird die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung durch die Delegationsmöglichkeit auf nichtärztliche Mitarbeiter und ärztliche Mitarbeiter, sowie durch die Vertretungsmöglichkeit bei Vorliegen von Vertretungsgründen durchbrochen. Die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung ist für den ermächtigen Krankenhausarzt in § 32 Abs. 1 Ärzte-ZV, aber auch in § 15 Abs. 1 S. 1 BMV-Ä geregelt. Eine Ausdehnung der Leistungserbringungsmöglichkeit auf andere Ärzte ist nicht vorgesehen. Vielmehr besteht keine Befugnis des im stationären Bereich zuständigen Vertreters, den Krankenhausarzt auch bei seiner vertragsärztlichen Tätigkeit zu vertreten (BSG, Urteil vom 20.03.2013, Aktenzeichen B 6 KA 17/12 R). Sofern eine Delegation von abrechenbaren Leistungen auf nichtärztliches Personal überhaupt als zulässig anzusehen wäre, wäre diese mit dem Gebot der persönlichen Leistungserbringung nur dann zu vereinbaren, wenn die Delegation und Überwachung von dem ermächtigten Krankenhausarzt erfolgen würde.

Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Kläger gegen den Grundsatz der Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung verstoßen hat. Dafür gibt es mehrere Anhaltspunkte. Hierzu zählen die Zeugenaussagen der Oberärzte im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, die Zeugenaussagen von S1. und M. im Rahmen des Erörterungstermins am 25.03.2021, die Patientenakten, betreffend den Patienten A., die ausgefüllten Rezepte, die die Unterschrift des Klägers nicht tragen, und das QM-Handbuch sowie der Auditbericht 2011, letztere aber nur in Gesamtschau mit den vorgenannten Beweismitteln.

Es gibt zwar keine generelle Beweisregel, auch nicht, was die unterschiedlichen Beweismittel in ihrem Verhältnis zueinander betrifft. Vielmehr hat eine lebensnahe Beweiswürdigung stattzufinden (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, Rn. 4 zu § 128), für die die Überzeugungskraft der jeweiligen Beweismittel und des Beteiligtenvortrages unter Abwägung aller Umstände maßgeblich ist.

Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers können auch die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft (Az 201 JS 30594/13) für das Verwaltungsverfahren herangezogen werden. Es handelt sich zwar um unterschiedliche Verfahren mit unterschiedlichen Voraussetzungen und unterschiedlichen Zielsetzungen. Dies schließt es jedoch nicht aus, die in einem Verfahren gewonnenen Erkenntnisse für ein anderes Verfahren zu verwerten (vgl BSG, Beschluss vom 05.05.2010, Az B 6 KA 32/09 B; BSG, Beschluss vom 02.04.2014, AZ B 6 KA 58/13 B; VG Regensburg, Urteil vom 12.12.2019, Az RN 5 K 17.140). Auch wenn ein Strafverfahren gemäß § 153a StPO bzw. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde, können dort zu Tage getretene Tatsachen im Verwaltungsverfahren berücksichtigt werden. Ebenfalls ist nicht erkennbar, weshalb einer Verwertung der Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft ein sog. Beweisverwertungsverbot entgegenstehen sollte. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers macht geltend, die ehemalige Arbeitgeberin des Klägers, die Fachklinik O. habe sich rechtswidrig Zugang zu den Patientenakten der gesetzlich versicherten Patienten und anderen mit der Ermächtigung verbundenen Unterlagen verschafft. In dem strafrechtlichen Verfahren hätten diese Unterlagen aufgrund der rechtswidrigen Erlangung keinen Beweiswert, da ein Beweisverwertungsverbot greife. Gleiches müsse hier gelten.

Es ist anerkannt, dass eine datenschutzrechtlich unzulässige Amtsermittlung zu einem Beweisverwertungsverbot führt (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, Rn. 2b zu § 103). Außerdem ziehen Verletzungen von Grundrechten durch die Beteiligten regelmäßig ein Beweisverwertungsverbot nach sich (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, Rn. 5b zu § 128). In diesem Zusammenhang weist die Beklagte in ihrem Bescheid vom 26.06.2019 aber zu Recht darauf hin, dass das Akteneinsichtsgesuch der KVB nach § 474 Abs. 2 Nr 1 StPO zulässig war, weshalb die Unterlagen der KVB von der Staatsanwaltschaft rechtmäßig zur Verfügung gestellt worden seien. Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt, sind die Ermittlungsmöglichkeiten der Staatsanwaltschaft deutlich umfassender als die der KVB als Verwaltungsbehörde. Insofern war die Staatsanwaltschaft auch befugt, im Rahmen ihrer zulässigen Ermittlungen Unterlagen vom Klinikträger beizuziehen und diese auszuwerten. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb für die Beklagte ein Beweisverwertungsverbot nach Akteneinsicht in die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft bestehen sollte.

Vor der Kriminalpolizeiinspektion Landshut haben drei Oberärzte der Fachklinik O. im Jahr 2015 ausgesagt. Es handelt sich um K3., G. und S2. Auf die Frage, wie die Ambulanz organisiert gewesen war, gab G., die vom 01.02.2013 bis 31.07.2013 in der Fachklinik O. beschäftigt war, an, die Eingangsuntersuchung sei von einem Assistenzarzt erfolgt. Dann sei der Patient entweder vom Oberarzt oder vom Chefarzt nochmals "angeschaut" worden. Der Chefarzt H. sei nicht bei jeder Behandlung anwesend gewesen. Sie müsse sagen, dass bei einer nicht unbeachtlichen Anzahl von Routinekontrollen der Chefarzt in der Ambulanz nicht dabei gewesen sei. Dies könne sie aber nicht näher beziffern. Die gleichen Fragestellungen wurden von der Kriminalpolizeiinspektion Landshut an S2. gerichtet, der im fraglichen Zeitraum bis zum Eintritt in den Ruhestand (31.12.2013) ebenfalls als Oberarzt in der Fachklinik O. tätig war. Er trug vor, es habe eine grundsätzliche Anweisung gegeben, wonach ein neuer Patient dem Chefarzt vorgestellt werden sollte, sofern dieser im Hause war. Ansonsten habe der Oberarzt K3. die Vertretung übernommen. Er sei weiterer Vertreter nach K3. gewesen. Bekannte Patienten, die wiederholt in der Ambulanz erschienen seien (bei normalem Verlauf des Krankheitsbildes) seien von der Ambulanzschwester bzw. dem diensthabenden Assistenzarzt behandelt worden. In diesen Fällen sei der Chefarzt nicht verständigt worden. Nach der Zeugeneinvernahme von K3., damals Oberarzt in der Fachklinik O. und Vertreter des Chefarztes H., erfolgte die routinemäßige, regelmäßige Vorstellung der Patienten in der Ambulanz durch den Assistenzarzt. Nach Maßgabe des Assistenzarztes sei der Oberarzt oder der Chefarzt hinzugezogen worden. Beim Erstkontakt eines Patienten sei grundsätzlich der Chefarzt hinzugezogen worden. Außerdem führte K3. wie folgt aus: "Seit dem Chefarztwechsel ist eine Veränderung des Vorgehens dahingehend eingetreten, dass der Patient in der Ambulanz grundsätzlich vom Chefarzt behandelt/begutachtet wird, auch wenn er mehrmals in Folge in der Klinik ist. Es wird wie gesagt auch genau dokumentiert, dass der Chefarzt bei dieser Behandlung anwesend war, dies wird in der Karteikarte festgehalten bzw. explizit vermerkt."

Aufgrund der übereinstimmenden Zeugenaussagen steht nach Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger bei vielen Patientenbehandlungen nicht oder nur unterstützend anwesend war. Dies betrifft insbesondere die Behandlung von bereits bekannten Patienten mit normalem Verlauf des Krankheitsbildes, bei denen eine routinemäßige Kontrolle erforderlich war. Diese wurden vom Assistenzarzt behandelt. Lediglich bei Erstuntersuchungen war nach den übereinstimmenden Aussagen der Oberärzte der Kläger grundsätzlich, aber nicht immer persönlich anwesend. Bei deren Aussage ist allerdings im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen, dass das Arbeitsklima in der Klinik offenbar sehr belastet war, wie auch in der arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und dem Klinikträger deutlich wird. Es könnte deshalb sein, dass sich einzelne Zeugen karrieremäßig etwas versprochen haben, wenn der Kläger seine Chefarztposition nicht mehr einnehmen würde. Allerdings fand die Zeugeneinvernahme durch die Kriminalpolizeiinspektion Landshut erst im Jahr 2015 statt, also zu einem Zeitpunkt, als G. und S2. (in Ruhestand Zeit 31.12.2013) nicht mehr in der Fachklinik O. tätig waren. Insofern dürften zum Zeitpunkt der Zeugeneinvernahme bei den Zeugen G und S2. die oben genannten subjektiven Gesichtspunkte im Rahmen der Beweiswürdigung zu vernachlässigen sein. Selbst wenn den Aussagen der Zeugen kein Aussagewert von solchem Gewicht beizumessen wäre, dass der Verstoß gegen die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung allein auf deren Zeugenaussagen gestützt werden könnte, können diese aber durchaus im Zusammenwirken mit den anderen Beweismitteln zumindest ergänzend herangezogen werden.

Hierbei sind insbesondere die Zeugenaussagen in dem Erörterungstermin vor dem Sozialgericht München am 25.03.2021 zu nennen. S1. hat bestätigt, dass die Erstuntersuchung von H., die Folgeuntersuchungen aber routinemäßig durch andere Ärzte wahrgenommen wurden. Das bedeutet, dass zumindest bei routinemäßigen Behandlungen, was sicherlich die Vielzahl von Fällen betreffen wird, eine persönliche Leistungserbringung durch den Kläger eben nicht stattfand. Auch eine Delegation auf andere Ärzte, seien es Oberärzte oder Assistenzärzte in der Klinik war nicht zulässig. Die Aussage von S1., die beim Kläger als Chefsekretärin tätig war, ist nach Überzeugung des Gerichts von besonderer Bedeutung, da davon auszugehen ist, dass diese qua ihrer Funktion über die genauen Behandlungsabläufe bestens Bescheid wusste. Aber auch die Zeugin M. (Zum damaligen Zeitpunkt tätig als Gesundheits-und Krankenpflegerin in der Ambulanz der Fachklinik O.) bestätigt die Zeugenaussage von S1., indem sie ausführte, die Erstbehandlung sei von H. erfolgt und Folgebehandlungen in der Regel von Assistenten durchgeführt worden. Lediglich bei einer Verschlechterung oder in sonstigen besonderen Konstellationen sei H. hinzugezogen worden. Auch deren Aussagewert ist insofern von erheblicher Bedeutung, als sie qua ihrer Funktion vor Ort, nämlich in der Ambulanz beschäftigt war und deshalb "aus erster Hand" Einblick hatte, welcher Arzt bei welchen Konstellationen unmittelbar am Patienten tätig war. Was evtl. abrechenbare und erbrachte Leistungen von nichtärztlichem Personal betrifft, ist davon auszugehen, dass nichtärztliche Leistungen durch die nicht ermächtigten Assistenzärzte veranlasst wurden.
Ferner spricht gegen eine persönliche Leistungserbringung durch den Kläger der Umstand, dass die ausgestellten Rezepte nicht die Unterschrift des Klägers tragen. Das Gebot der persönlichen Leistungserbringung gilt nicht nur für Behandlungen des an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arztes, sondern auch für die Rezeptausstellung durch den behandelnden Arzt (BSG, Urteil vom 20.03.2013, Az B 6 KA 17/12 R). Denn es besteht ein Zusammenhang zwischen der Behandlung einerseits und der Rezeptausstellung andererseits. Letztere folgt dem Behandlungsgeschehen. Nur wenn der Vertragsarzt sich persönlich vom Krankheitszustand des Patienten überzeugt hat, dürfen Verordnungen ausgestellt werden (§ 15 Abs. 2 BMV-Ä). Aus diesem Grund bestimmt auch § 2 Abs. 1 Nr 10 der Verordnung über die Verschreibungspflicht von Arzneimitteln (AMVV), dass die Verschreibung die eigenständige Unterschrift der verschreibenden Person enthalten muss.

Dafür, dass der Kläger nur in seltenen Fällen im Rahmen seiner Ermächtigung die Leistungen persönlich erbracht hat, sprechen auch einzelne Behandlungsfälle, so der in den angefochtenen Bescheiden erwähnte Behandlungsfall A. Nach den Unterlagen fanden insgesamt 22 Arzt-Patienten-Kontakte in einem Zeitraum von annähernd zwei Jahren (16.09.2011 bis 05.07.2013) statt, ohne dass Leistungen dem Kläger zugeordnet werden konnten. Es mag sein, dass der Kläger bei dem einen oder anderen Behandlungstermin zugegen war, was aber für eine persönliche Leistungserbringung nicht ausreicht. Entgegen der Auffassung der Klägerseite besteht auch kein Beweisverwertungsverbot. Denn die Erkenntnisse der Beklagten fußen auf den Unterlagen der Staatsanwaltschaft, die die Beklagte im Rahmen der Akteneinsicht eingesehen hat. Ebenfalls lässt sich die Behauptung der Klägerseite, es hätten Manipulationen der Patientenakte stattgefunden, nicht objektivieren.

Die Beklagte beruft sich auch auf den Auditbericht von 2011, erstellt von dem Institut der Steinbeis-Stiftung für Wirtschaftsförderung. Daraus ergibt sich, dass der Ambulanzbereich von einer Schwester in Zusammenarbeit mit den Ärzten betrieben wird. Eine Konkretisierung, um welche Ärzte es sich handelt, ob unterschieden wird zwischen einer Erstbehandlung und einer routinemäßigen Folgebehandlung, unterbleibt jedoch. Der Beweiswert, der diesem Auditbericht 2011 zukommt, ist nach Überzeugung des Gerichts von relativ geringer Bedeutung, zumal dort insgesamt der status quo lediglich pauschal festgehalten wird, ohne ins Detail zu gehen. Gleiches gilt für das QM-Handbuch (Stand: 07.11.2011). Dort ist die Rede davon, dass in der Ambulanz die Patienten dem Ambulanzarzt vorgestellt werden. Um wen es sich handelt, bleibt auch hier offen. Hinzu kommt, dass nicht feststeht, ob stets entsprechend dem Auditbericht und dem QM-Handbuch verfahren wurde. Das Gericht misst deshalb sowohl dem Auditbericht von 2011, als auch dem QM-Handbuch nur einen geringen Aussagewert für die Frage, ob ein Verstoß gegen die persönliche Leistungserbringung vorliegt oder nicht, bei. Letztendlich kann dies aber dahinstehen, da nach Würdigung der übrigen Beweisergebnisse in ihrer Gesamtheit nach Überzeugung des Gerichts feststeht, dass der Kläger gegen den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung verstoßen hat.

Schließlich hat der Kläger auch insofern gegen das Gebot der persönlichen Leistungserbringung verstoßen, als er bei längeren Abwesenheitszeiten als sieben Tage, so insbesondere im Jahr 2012 mit 120 aufeinanderfolgenden Tagen die Vertretungen bei der Beklagten nicht angezeigt hat; dies, obwohl er in dem Ermächtigungsbescheid vom 26.05.1999 ausdrücklich darauf hingewiesen wurde. Evtl. bestand sogar eine Genehmigungspflicht zumindest im Jahr 2012. Leistungen in Abwesenheit des an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arztes sind nur dann vergütungsfähig, wenn es sich entweder um eine genehmigte Vertretung nach § 32 Abs. 2 Ärzte -ZV handelte, oder die Voraussetzungen für eine genehmigungsfreie Vertretung nach § 32 Abs. 1 Ärzte-ZV vorlagen. Bei einer Vertretung unter einer Woche sind Leistungen des Vertreters abrechenbar, ohne dass es einer Mitteilung oder einer Genehmigung bedurfte. Dauert die Vertretung länger als eine Woche, besteht nach § 32 Abs. 1 S. 4 Ärzte-ZV eine Mitteilungspflicht. Eine genehmigungsfreie Vertretung ist innerhalb von zwölf Monaten bis zu einer Dauer von drei Monaten zulässig. Der Kläger hat deshalb auch gegen seine Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung verstoßen. Hierbei handelt es sich um eine der Grundpflichten im Vertragsarztrecht.
Zu Recht geht die Beklagte von einem Verschulden des Klägers aus. Denn mit den von ihm abgegebenen Sammelerklärungen garantiert der Kläger für die sachlich-rechnerische Richtigkeit seiner Abrechnungen. Verstößt der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt dagegen, entfällt die Garantiefunktion. Dies musste dem Kläger seit langem, nämlich seit dem Ermächtigungsbescheid vom 26.05.1999 bekannt sein.
Auch der Umfang der Rückforderung bleibt rechtlich ohne Beanstandung. Der Beklagten steht nach gefestigter Rechtsprechung der Sozialgerichte ein weites Schätzungsermessen zu (vgl. BSG, Urteil vom 7.9.1997, Az 6 Rka 86/95). Davon hat sie auch Gebrauch gemacht und dem Kläger sogar einen Sicherheitsabschlag von jeweils 15 % eingeräumt.
Aus den genannten Gründen war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 VwGO.

 

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