1. Die Feststellung eines Arbeitsunfalls setzt weder ein ungewöhnliches Geschehen noch eine unübliche Verrichtung im Rahmen der versicherten Tätigkeit voraus (vgl. BSG, Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 23/10 R; Urteil vom 30.01.2007 - B 2 U 23/05 R).
2. Die Tatsache, dass statistisch 50 % der Läsionen der distalen Bizepssehne auf einen anlagebedingten Schaden zurückzuführen sind, beweist allein nicht das Vorliegen einer Schadensanlage.
Gesetzliche Unfallversicherung - Arbeitsunfall - Riss der distalen (körperfernen) Bizepssehne beim Anheben einer Tafel - von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis
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- Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 8. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.
- Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Berufungsverfahren.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
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Tatbestand
Die Beteiligten streiten über das Vorliegen eines Arbeitsunfalls.
Der 1968 geborene Kläger ist Möbelmonteur und seit vielen Jahren als Kundendienstmonteur im ganzen Bundesgebiet auf Montage tätig. Am 06.06.2018 führte er mit dem Zeugen E.... eine Tafelrevision in dem Gymnasium Z.... durch. Am Nachmittag hoben sie eine defekte Tafel aus und stellten sie auf den Boden ab. Nach der Reparatur hoben sie die Tafel erneut an, als der Kläger einen Schmerz im Bereich des rechten Ellenbogens verspürte. Sie stellten die Tafel wieder ab, wechselten die Seiten und beendeten die Reparatur. Der Kläger arbeitete den Rest der Arbeitswoche und auch die Folgewoche weiter. Danach hatte er eine Woche Urlaub.
Am 26.06.2018 begab sich der Kläger zum D-Arzt Dr. Y.... . Dieser befundete am rechten Oberarm: Druckschmerz am distalen Sehnenansatz des Musculus biceps dextra, keine Weichteilschwellung, keine Kraftminderung, rechtes Ellenbogengelenk gut und frei beweglich, 0-0-130 Grad; keine neurologischen Defizite, Hook-Test negativ, periphere Durchblutung, Motorik, Sensibilität intakt. Als Erstdiagnose nannte er eine Muskelzerrung des rechten Oberarmes. In der Folge ergab eine MRT-Aufnahme des rechten Ellenbogengelenks vom 03.07.2018 eine komplette Ruptur der distalen Bizepssehne. Unter dem 05.07.2018 berichtete D-Arzt Dr. Y.... über den weiteren Behandlungsverlauf. Der Kläger habe einen etwa 25 kg schweren Gegenstand ruckartig angehoben. Seitdem bestünden Schmerzen im Bereich der rechten Ellenbeuge am Bizepssehnenansatz. Vom 09.07.2018 bis 11.07.2018 befand sich der Kläger zur stationären Behandlung in der X.... -Klinik B...., wo am 09.07.2018 die operative Refixation der distalen Bizepssehne mittels BicepsButton erfolgte. Intraoperativ bestätigte sich eine komplette Ruptur des distalen Bizepssehnenansatzes. Auf die Epikrise des stationären Aufenthalts, den Operationsbericht vom 09.07.2018 und den histologischen Befundbericht wird Bezug genommen.
Am 17.07.2018 ging die Unfallanzeige der Arbeitgeberin des Klägers vom 16.07.2018 ein. Am 06.06.2018 gegen 15:00 Uhr habe der Kläger beim Anheben einer Schultafel (200 x 100 cm) einen starken Schmerz im Bereich des rechten Ellenbogens verspürt und sich einen Bizepssehnenriss zugezogen. Im Rahmen eines Telefongesprächs am 17.07.2018 mit einem Mitarbeiter der Beklagten über den Unfallhergang erklärte der Kläger, dass sich an einer Tafel die Kette ausgehängt habe und man zunächst die Tafelfläche habe aushängen müssen. Nachdem die Kette eingehängt worden sei, habe er mit dem Kollegen die Tafel (zwischen 25 kg und 80 kg) wieder anheben wollen. Hierbei habe er sich gebückt, die Tafel seitlich angehoben mit der rechten Hand unten und der linken Hand oben. Die linke Hand habe nur zum Halten des Gleichgewichts gedient. Seines Erachtens habe er die Tafel zu ruckartig angehoben, da sie in Zeitdruck gewesen seien. Daraufhin hätten sie die Seite gewechselt und er habe die Tafel mit der linken Hand unten angehoben und mit der rechten Hand ausbalanciert. Bis zum Ende des Arbeitstages habe es nur noch Kleinigkeiten zum Ausbessern gegeben. Am Freitag seien sie wieder ins Werk zurückgefahren. In der darauffolgenden Woche habe er nur Reklamationsarbeiten ohne Belastung des rechten Armes ausgeführt. Anschließend habe er Urlaub gehabt. Im Urlaub habe er die Verletzung gekühlt. Als die Beschwerden nicht vollständig besser geworden seien, habe er sich beim D-Arzt vorgestellt. Bei der MRT sei dann ein Bizepssehnenriss festgestellt worden. Als Beratungsarzt erklärte Dr. V.... , dass kein Unfallereignis im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung vorliege. Ausweislich der Beschreibung des Klägers könne davon ausgegangen werden, dass es zu einer ganz regelhaften Anhebetätigkeit im Bereich des rechten Ellenbogens gekommen sei. Das Gewicht der Tafel (zwischen 25 und 80 kg) sei für den Kläger auch nicht außergewöhnlich und gehe nicht über das ein das übliche Maß übersteigende Belastungsniveau hinaus. Auch wenn eine nahezu komplette distale Bizepssehnenruptur unstreitig vorliege, fehlten in der MRT Zeichen einer frischen Verletzung, so dass davon auszugehen sei, dass das Unfallereignis vor dem 06.06.2018 stattgefunden haben müsse.
Mit Bescheid vom 13.09.2018 erklärte die Beklagte, dass das Ereignis vom 06.06.2018 nicht als Arbeitsunfall anerkannt werde und dass ein Anspruch auf Leistungen nicht bestehe. Abgesehen davon, dass in der MRT vom 03.07.2018 Zeichen einer frischen traumatischen Veränderung völlig fehlten, handele es sich bei dem geschilderten Ereignis um eine regelhafte, willentliche Kraftanstrengung mit der Folge, dass hier keine plötzliche, von außen kommende Einwirkung stattgefunden habe. Nach den Vorgaben der Traumaliteratur seien das Anheben einer Last sowie die willentliche Kraftanstrengung ohne zusätzliche Einwirkung nicht geeignet, eine traumatische Bizepssehnenruptur zu verursachen.
Mit seinem unter dem 18.09.2018 eingelegten Widerspruch erklärte der Kläger, dass er bei dem Hochheben der Tafel in seinem rechten Arm sofort einen starken Schmerz verspürt habe. Er habe bereits am Freitag, den 08.06.2018, den Arbeitsunfall bei seinem Arbeitgeber schriftlich angezeigt. Vor dem Vorfall habe er keinerlei Probleme mit seinem rechten Arm gehabt. In der Folgewoche habe er noch gearbeitet und sich weitestgehend geschont und in der Folgewoche Urlaub gehabt. Erst nachdem die Beschwerden im rechten Arm nicht nachgelassen hätten, habe er einen D-Arzt aufgesucht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.10.2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Unter Verweis auf die Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin "Arbeitsunfall und Berufskrankheit", 9. Aufl., S. 417) sei eine regelhafte Anhebetätigkeit als willentlich gesteuerte Kraftanstrengung nicht geeignet, einen Sehnenriss zu verursachen. Der Muskel passe sich grundsätzlich den jeweiligen Belastungen an. Die Anpassung finde seine Grenze in der Muskelkraft und Dehnungsfähigkeit der Muskulatur, die stets geringer sei als die Zugfestigkeit der zugehörigen Sehne. Dabei seien Ursache des Sehnenrisses innere Gefügestörungen oder mechanisch bedingter Verschleiß. Die Sehne wäre bei jeder anderen Belastung gerissen, die ihre noch verbliebene, fortschreitend absinkende Zugfestigkeit überschreite. Das angeschuldigte Ereignis sei austauschbar mit jeder anderen normalen Verrichtung des privaten täglichen Lebens. Ferner hätten in der MRT auch keine frischen traumatischen Veränderungen festgestellt werden können. Bei einer traumatischen Schädigung der Bizepssehne wäre es dem Kläger auch selbst unter Schonung nicht möglich gewesen weiterzuarbeiten.
Der Kläger hat sein Begehren mit der am 29.10.2018 zum Sozialgericht Chemnitz (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt. Die Behauptung der Beklagten, dass eine Vorschädigung des Armes Ursache für die Ruptur gewesen sei, sei vollkommen aus der Luft gegriffen. Anders als die lange proximale Bizepssehne reiße die distale Sehne durch ein plötzliches direktes oder indirektes Trauma. Das SG hat neben den bereits im Verwaltungsverfahren vorliegenden Unterlagen eine Auskunft bei der AOK Baden-Württemberg eingeholt, die für den Zeitraum ab 2011 keine relevanten Vorerkrankungen des Klägers ergab. Auf Beweisanordnung des SG hat der Facharzt für Chirurgie/Unfallchirurgie Dr. F.... am 27.05.2019 ein Gutachten nach Untersuchung des Klägers erstattet. Nach Einlassungen des Klägers habe die Tafel die Maße von 2 m x 1 m, ausgefahren 4 m x 1 m, gehabt und zwischen 80 bis 120 kg gewogen. Er habe jedenfalls bei dem Ereignis 40 bis 45 kg auf der Hand gehabt. Nach dem Anheben habe er Schmerzen verspürt, aber nicht so, dass er gleich hätte zum Arzt gehen müssen. Er habe dann noch eine Woche weitergearbeitet, aber nur mit links. Vom 18.06.2018 bis 29.06.2018 habe er Urlaub gehabt und "heruntergekühlt", da er es im Urlaub habe "wegbekommen" wollen. Zunächst hat Dr. F.... in seinem Gutachten erklärt, dass ein unfallbedingtes Erstschadensbild nicht zeitnah zum Ereignis gesichert worden sei, weil der Kläger erst drei Wochen nach dem Ereignis einen Arzt aufgesucht habe. Das entziehe bereits die Möglichkeit, den dann erhobenen Befund mit der erforderlichen Sicherheit dem Ereignis während der betrieblichen Tätigkeit zuzuordnen. Das, was am 26.06.2018 festgestellt worden sei, habe sich der Kläger auch bei jedem anderen Hergang oder Ereignis innerhalb der drei Wochen zugezogen haben können, auch außerhalb der betrieblichen Tätigkeit. In der Regel berichteten die Betroffenen bei Eintritt der Sehnenlösung von einem plötzlichen, peitschend hiebartig einschießenden Schmerz, der aber wieder abnehme. Die Herausbildung eines Blutergusses in der Ellenbeuge sei möglich, aber nicht obligat und die Beweglichkeit des Ellenbogens bleibe oft erhalten, wenn auch erschwert, schmerzhaft und in der Auswärtsdrehung kraftgemindert. Es sei auch möglich, dass eine seitengleiche Beweglichkeit und Schmerzlosigkeit bei den Umwendbewegungen bestehe. Auch der konsekutive Hochstand des Muskelbauches und die fehlende Tastbarkeit der Sehne müssten nicht sehr auffällig sein. Insofern seien die Angaben des Klägers bezüglich der Nichtaufsuche eines Arztes grenzwertig noch nachvollziehbar. Sodann hat der Sachverständige zu der Frage, ob das bei dem Kläger bestehende Schadensbild durch das Ereignis am 06.06.2018 habe verursacht werden können, den Unfallhergang unter Zugrundelegung zweier verschiedener jeweils von dem Kläger geschilderten Geschehensabläufe beurteilt. Das Heben, Halten, Abladen und Einhängen eines 40 kg schweren Gegenstandes sei eine über die alltägliche hinausgehende äußere Einwirkung. Medizinisch sei die bisherige Auffassung, dass eine gesunde Sehne nicht reiße, nicht aufrechtzuerhalten. Es stelle sich vielmehr die Frage, ob ein altersentsprechend gesundes Sehnengewebe oder ein altersuntypisches texturgestörtes Sehnengewebe vorgelegen habe. Beim Heben und Tragen eines 40 kg schweren Gegenstandes werde die körperferne Bizepssehne erreicht. Die Hergangsschilderungen ließen beim Anheben von 40 kg durchaus einen schnellen Aufbau der Zugkraft mit Überwindung der elastischen Dehnung bei maximaler Muskelanspannung auch bei dem angegebenen physiologische Bewegungsablauf erkennen. Dabei sei zusätzlich zu berücksichtigen, dass seitens der Biomechanik die Versagenslast der intakten körperfernen Bizepssehne vergleichsweise sehr niedrig liege und bei einer derartigen Gewichtsbelastung ein Schädigungseintritt nicht fernliegend erscheine. Unter bestimmten Bedingungen könnten maximale Muskelanspannungen, auch wenn sie willkürlich seien, bereits bei mäßigen Texturstörungen der Sehne für einen Sehnenriss ausreichen und bei Maximalbelastung könnten bereits kleine, leicht zu übersehende Störungen des Bewegungsablaufs zu unphysiologischen Belastungen führen. Der Hergang des Ereignisses erlaube daher nicht prinzipiell den Rückschluss, dass eine hochgradige Schadensanlage der Sehne vorgelegen haben müsse. Eine solche Einschätzung könne nur getroffen werden, wenn eine solche hochgradige Schadensanlage durch histologischen Befund nachgewiesen werde. Im Rahmen der Kernspintomographie vom 03.07.2018 seien weder verletzungsspezifische Befunde noch Texturstörungen an der Sehne, Muskulatur und umgebendem Gewebe festgestellt worden. Bei der Operation am 09.07.2018 seien keine degenerativen Veränderungen am gering zurückgezogenen Sehnenstumpf oder an den noch als intakt eingeschätzten einzelnen Fasern angegeben worden. Ein bei der Vorspannung der körperfernen Bizepssehne auch bei frischer Trennung zu erwartender zurückgezogener Sehnenstumpf wäre normal, sei hier aber nicht zu verzeichnen gewesen, weil es sich nach dem Operationsbericht um eine "nur fast" komplette Zusammenhangslösung gehandelt habe, bei der noch intakte Fasern des Sehnenstumpfes positioniert gewesen seien. Histologisch handele es sich bei dem feingeweblichen Befund um einen Befund, der nach Ablauf von zwei Wochen bis ca. drei Monaten nach einem Kontinuitätsverlust einer Sehne zu erwarten sei. Insgesamt sei gutachtlich anhand des Befundes und im Vergleich mit dem aktuellen Wissensstand festzustellen, dass keine Zeichen einer schweren, dann auch beurteilungsrelevanten, altersvorauseilenden Texturstörung, keine inhomogene Verteilung von Zellkern, keine Narben, Verkalkungen und kein Granulationsgewebe festgestellt und nachgewiesen worden seien. Insgesamt sei bei dem Kläger der im Vollbeweis zu führende Nachweis einer Schadensanlage in Form einer altersvorauseilenden schweren Texturstörung nicht zu erbringen. In der Gesamtschau liege eine mit dem Zeitablauf noch korrelierende, aber nicht gesichert degenerative Sehnenlösung vor. Für diese Vorgangsschilderung werde daher gutachtlich eine Anerkennung der Kausalität empfohlen. Gleiches gelte auch für den später geschilderten Unfallhergang im Sinne einer "Hau-Ruck-Aktion" des Klägers. Auf den Inhalt des Gutachtens im Übrigen wird Bezug genommen.
Das SG hat der Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 08.10.2019 stattgegeben und unter Aufhebung des Bescheides vom 13.09.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2018 festgestellt, dass das Ereignis vom 06.06.2018 ein Arbeitsunfall ist. Bei dem Ereignis am 06.06.2018 handele es sich um einen Arbeitsunfall i. S. v. § 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Das Anheben des schweren Gegenstandes am 06.06.2018 stelle ein plötzlich von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis dar. Ferner habe der Kläger den Beweis dahingehend führen können, dass durch den Hebevorgang hinreichend wahrscheinlich rechtlich wesentlich ein Gesundheitsschaden in Gestalt der Ruptur der distalen Bizepssehne rechts entstanden sei. Nach Überzeugung des Gerichts sprächen mehr Umstände für einen Kausalzusammenhang als dagegen. Nach den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dr. F.... habe das Anheben des schweren Gegenstandes die körperferne Bizepssehne von der Krafteinwirkung her erreichen können, so dass ein geeigneter Unfallhergang vorliege. Altersvorauseilende Vorerkrankungen im Bereich der Bizepssehne seien nicht nachgewiesen. Im vorliegenden Fall stehe auch nicht entgegen, dass es sich um eine willentliche Kraftanstrengung des Klägers gehandelt habe. Auch bei einer außergewöhnlichen Belastung könne eine altersentsprechend verschlissene Sehne reißen, zumindest im Sinne der rechtlich wesentlichen Teilursache.
Gegen den der Beklagten am 14.10.2019 zugestellten Gerichtsbescheid hat diese am 30.10.2019 Berufung eingelegt. Vorliegend sei bereits ein Gesundheitserstschaden vollbeweislich nicht gesichert, da der Kläger den Arzt erst drei Wochen nach dem angeschuldigten Ereignis aufgesucht habe. Ferner habe sich das SG nicht mit den unterschiedlichen Angaben des Klägers auseinandergesetzt. So habe dieser bei der Erstvorstellung angegeben, einen 20 bis 25 kg schweren Gegenstand hochgehoben zu haben. Auch in der Unfallanzeige des Arbeitgebers werde ein willentlich gesteuerter Bewegungsablauf geschildert. Der geschilderte Hergang mit Anheben der Tafel, gleich ob dieser 20 bis 25 kg oder 80 kg schwer gewesen sei, stelle keine Wirkursache für die festgestellte Ablösung der körperfernen Bizepssehne rechts dar, so dass der Ursachenzusammenhang bereits auf der ersten Zurechnungsstufe zu verneinen sei. Nach der Fachliteratur sei ein plötzlicher Schmerz beim Anheben eines Gegenstandes ein ungeeigneter Unfallhergang.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 08.10.2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat am 16.06.2021 Beweis erhoben durch die Vernehmung des Zeugen E.... durch die Berichterstatterin. Der Zeuge E.... hat angegeben, dass er die Tafel zusammen mit dem Kläger angehoben habe, wobei bei dem Kläger der rechte Arm unten gewesen sei und der linke Arm die Tafel stabilisiert habe. Das Hochheben sei nicht als "Hau-Ruck-Aktion" erfolgt. Nach Anheben der Tafel um 20 bis 30 cm, habe der Kläger "abstellen" gerufen. Er habe erklärt, dass irgendetwas mit seinem Arm sei. Es habe sich nach langjähriger Zusammenarbeit mit dem Kläger um einen ungewöhnlichen Vorfall gehandelt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Zeugenaussage wird auf den Inhalt der Niederschrift über den Beweisaufnahmetermin vom 16.06.2021 verwiesen. Ferner hat der Senat eine Auskunft des Herstellers der Tafel zum Gewicht der Tafel eingeholt. Mit Schreiben vom 16.03.2021 hat die D.... mitgeteilt, dass das aktuelle Modell der fahrbaren Klappschiebetafel 200 x 100 cm ein Gewicht von 42 kg und die Vorgängermodelle ein Gewicht von etwa 53 kg gehabt hätten. Schließlich hat auf Veranlassung des Senats Dr. F.... am 10.08.2021 ergänzend Stellung genommen. Auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Zeugen E.... und der Annahme einer tatsächlichen Belastung von 25 bis 27 kg liege immer noch eine hohe Belastung vor. Auch beim Anheben einer Last von 25 bis 27 kg sei ein schneller Aufbau der Zugkraft mit Überwindung der elastischen Dehnung bei maximaler Muskelanspannung auch bei physiologischem Bewegungsablauf weiterhin zu erkennen. Ohne einen derartigen Muskeleinsatz könne man die schwere Last gar nicht anheben. Die Angaben in Schönberger/Mehrtens/Valentin zu ungeeigneten Abläufen und zu physiologisch gewollten, motorisch koordinierten unkontrollierten Bewegungen entsprächen dem Wissensstand bei Sehnendiskontinuitäten. Der in diesem Zusammenhang geäußerte Satz "… eine gesunde Sehne reißt nicht …" sei jedoch nicht mehr aufrechtzuerhalten, sondern es sei auf das Ausmaß der Texturstörung abzustellen. Bei der Betrachtung des Einzelfalls liege beim Kläger zwar einerseits solch ein ungeeigneter Ablauf vor. Andererseits sei unter Einbeziehung weiterer Fachliteratur sowohl die besondere Biomechanik der körperfernen Bizepssehne, als auch deren relativ niedrige Bruchlast in Abhängigkeit vom Beugegrad und von der Belastungseinwirkung gegenüberzustellen, was bei Schönberger/Mehrtens/Valentin so explizit nicht vorgenommen werde. Er bleibe weiter dabei, dass die Diskussion der Causa bei Sehnenablösungen und Sehnenkontinuitäten in zwei Schritten zu erfolgen habe, nämlich 1. durch die Analyse des Ereignisses und 2. durch den Nachweis der Sehnendegradation. Vorliegend gälten beim Anheben des Unterarms die Hebelgesetze. Wenn eine Last von 25 kg angehoben werde, betrage der Kraftaufwand an der Bizepssehne beim Anheben auf 30 cm 150 Kilopond (kp). Das entspreche einer Zugkraft an der Bizepssehne von 1.472 Newton (N). Damit werde die körperferne Bizepssehne bei der Belastung nicht nur irgendwie erreicht, sondern bei der zu verzeichnenden maximalen willkürlichen Muskelanspannung zum Heben der hier angegebenen Last werde die Bruchlast der körperfernen Bizepssehne überschritten. Dies relativiere die Angaben in der Literatur zu ungeeigneten Abläufen in Bezug auf die körperferne Bizepssehne. Nach der Standardliteratur seien 50 % der Diskontinuitäten der peripheren Bizepssehne nicht auf einen anlagebedingten Schaden zurückzuführen. Damit wäre die Schadensanlage als solche zu beweisen, was hier nicht gelinge. Bei Abwägung der beiden Gesichtspunkte müsse man zur Einschätzung gelangen, dass dem Ereignis auch unter Berücksichtigung der durch die Zeugenaussage gewonnenen Erkenntnisse die Rolle einer wesentlichen Teilursache zuzuordnen sei. Allerdings sei der Erstgesundheitsschaden nicht in Beweisqualität im zeitlichen Zusammenhang und dem Ereignis gesichert. Bei einem akuten Strukturschaden sei ein beschwerdefreies/beschwerdearmes Intervall von drei Wochen eigentlich abwegig und die Kausalkette unterbrochen. Die Erwägungen, die die Verhaltensweise des Klägers in medizinischer Hinsicht noch sehr begrenzt "irgendwie plausibel" erscheinen ließen, seien im erstinstanzlichen Gutachten angegeben. Auf den Inhalt der ergänzenden Stellungnahme im Übrigen wird Bezug genommen.
Dem Senat liegen die Verfahrensakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte der Beklagten vor. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das SG hat zu Recht mit Gerichtsbescheid vom 08.10.2019 den Bescheid vom 13.09.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2018 aufgehoben und festgestellt, dass das Ereignis vom 06.06.2018 ein Arbeitsunfall i. S. v. § 8 SGB VII ist.
Das Ereignis vom 06.06.2018 ist ein Arbeitsunfall i. S. d. § 8 Abs. 1 SGB VII. Nach der vorgenannten Norm sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder den Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).
1.
Der Kläger befand sich am 06.06.2018 bei versicherter Tätigkeit als Beschäftigter gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII, als er als Möbelmonteur zusammen mit dem Zeugen E.... die Tafelrevision an dem Gymnasium in Z.... durchführte.
2.
Bei Ausübung dieser versicherten Tätigkeit erlitt der Kläger einen Arbeitsunfall durch Anheben der Tafel mit nachfolgend starkem Schmerz am Bizepssehnenansatz. Nachdem der Kläger die Tafel gemeinsam mit dem Zeugen E.... etwa 20 bis 30 cm angehoben hatte, verspürte er einen starken Schmerz im Bereich des rechten Ellenbogens. Dies steht zur Überzeugung des Senats aufgrund der insoweit konsistenten Schilderungen des Klägers gegenüber dem erstbehandelnden D-Arzt, in der Unfallanzeige und gegenüber dem gerichtlichen Sachverständigen, sowie aufgrund der damit übereinstimmenden glaubhaften Aussage des Zeugen E.... fest. Der Zeuge E.... bestätigt, dass der Kläger nach dem Anheben der Tafel, wobei der Kläger den rechten Arm unten hatte, "abstellen" gerufen und es ein außergewöhnliches Ereignis gewesen ist, das während der langjährigen gemeinsamen Arbeit bislang noch nicht vorgekommen ist. Ferner hat der Zeuge bestätigt, dass der Kläger den Rest des Tages und den Rest der Woche nur noch Schreibarbeiten erledigen konnte. Ferner hat der Zeuge erklärt, dass der Kläger am Nachmittag des 06.06.2018 in Erwägung gezogen hat, einen Arzt aufzusuchen und mit ihm darüber gesprochen hat. Auch bei der Vorstellung bei dem D-Arzt am 26.06.2018 klagte der Kläger weiter über einen Druckschmerz am distalen Sehnenansatz des Musculus biceps.
Die Tafel hatte ein Gewicht von 53 kg. Dies ergibt sich auf der Auskunft des Herstellers vom 16.03.2021, der das aktuelle Gewicht des Modells mit 42 kg und das der Vorgängermodelle mit 53 kg angegeben hat. Der Senat geht davon aus, dass es sich bei der im Juni 2016 bereits einer Revision unterliegenden Tafel um das Vorgängermodell gehandelt hat. Auch der Zeuge hat bestätigt, dass es sich um ein älteres Modell gehandelt hat. Ein höheres Gewicht der Tafel als 53 kg ist dagegen nicht nachgewiesen.
Das Anheben der Tafel stellt eine Einwirkung von außen auf den Körper des Klägers i. S. d. § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII dar. Für das von außen auf den Körper einwirkende, zeitlich begrenzte Ereignis ist kein besonderes, ungewöhnliches Geschehen erforderlich. Es dient allein der Abgrenzung zu Gesundheitsschäden aufgrund von inneren Ursachen, wie Herzinfarkt, Kreislaufkollaps usw., wenn diese während der versicherten Tätigkeit auftreten, sowie zu vorsätzlichen Selbstschädigungen (Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 30.01.2007 – B 2 U 23/05 R, RdNr. 16, juris). Für die äußere Einwirkung ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht einmal ein äußerliches, mit den Augen zu sehendes Geschehen zu fordern (BSG, Urteil vom 29.11.2011 – B 2 U 23/10 R, RdNr. 14, juris). Das Anheben der Tafel und die damit einhergehende körperliche Anstrengung des Klägers stellt eine solche Einwirkung dar (vgl. auch zum Anheben eines festgefrorenen Steins: BSG, Urteil vom 12.04.2005 – B 2 U 27/04 R, RdNr. 14; zum Anheben einer Leiche: Landessozialgericht <LSG> Baden-Württemberg, Urteil vom 19.07.2018 – L 6 U 1695/18, RdNr. 34; zum Abfangen eines 25 kg schweren Sonnenschirms: LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 29.06.2011 – L 3 U 389/09, RdNr. 24, alle juris). Entgegen der Auffassung der Beklagten ist für den Unfallbegriff nicht konstitutiv, dass ein besonderes, ungewöhnliches Geschehen vorliegt. Das von außen auf den Körper einwirkende Ereignis liegt nicht nur bei einem besonders ungewöhnlichen Geschehen, sondern auch bei einem alltäglichen Vorgang vor, wie es das Stolpern über die eigenen Füße oder das Aufschlagen auf den Boden darstellt, weil hierdurch ein Teil der Außenwelt auf den Körper einwirkt (BSG, Urteil vom 29.11.2011 – B 2 U 23/10 R, RdNr. 15; Urteil vom 30.01.2007 – B 2 U 23/05 R, RdNr. 16, beide juris). Die Ansicht der Beklagten, dass Verrichtungen, die im Rahmen einer versicherten Tätigkeit "üblich und selbstverständlich" sind, nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stünden, überzeugt nicht. Hierdurch würde der Versicherungsschutz in einer dem Systemzweck der Unfallversicherung verkürzenden Weise verengt. Geschützt sind nach dem Zweck des SGB VII alle Verrichtungen, die in einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Eine Differenzierung in nicht versicherte "übliche" und versicherte "unübliche" Tätigkeiten ist dem Wortlaut und Regelungszweck des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nicht zu entnehmen (BSG, Urteil vom 29.11.2011 – B 2 U 23/10 R, RdNr. 16; Urteil vom 30.01.2007 – B 2 U 23/05 R, RdNr. 16, beide juris).
3.
Schließlich liegt auch mit der Ruptur der distalen Bizepssehne ein Gesundheitsschaden vor, der durch die MRT vom 03.06.2018 gesichert wurde.
4.
Der Riss der distalen Bizepssehne ist auch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich durch das angeschuldigte Ereignis vom 06.06.2018 verursacht worden. Gesundheitsschäden sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII dann Unfallfolgen, wenn sie rechtlich wesentlich dem Unfallereignis zugerechnet werden können. Auszugehen ist dabei immer vom jeweiligen nachgewiesenen Gesundheitserstschaden. Gesundheitserstschaden ist jeder abgrenzbare Gesundheitsschaden, der unmittelbar durch eine versicherte Einwirkung objektiv und rechtlich wesentlich (mit)verursacht worden ist, wobei die Einwirkung ihrerseits durch die versicherte Verrichtung objektiv und rechtlich wesentlich (mit)verursacht sein muss. Es handelt sich also um die ersten voneinander medizinisch abgrenzbaren Gesundheitsschäden, die "infolge" der versicherten Verrichtung eingetreten sind. Rechtlich wesentlich durch die versicherte Einwirkung verursacht ist der Gesundheits(erst)schaden, wenn dieser "infolge" der versicherten Verrichtung eingetreten ist und sich ein Risiko realisiert hat, gegen das die jeweils begründete Versicherung schützen soll. Dies setzt auf der ersten Stufe die (faktisch-objektive) Wirkursächlichkeit der versicherten Verrichtung des Verletzten für den Schaden voraus: Die versicherte Verrichtung muss die Einwirkung und die Einwirkung den Gesundheits(erst)schaden nach dem neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft mit dem Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit objektiv (mit)verursacht haben (BSG, Urteil vom 24.07.2012 - B 2 U 9/11 R, RdNrn. 30, 32, juris). Objektive Verursachung (Kausalität) bedeutet ein nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand der einschlägigen Fachkunde (Erfahrung, Wissenschaft) festgestellter Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung; dafür reicht allein ein örtlicher und zeitlicher Zusammenhang nicht aus. Die darauf aufbauende zweite Stufe erfordert die rechtliche Erfassung vom jeweiligen Schutzzweck der Versicherung. Die Bejahung der objektiven (Mit-)Verursachung indiziert in keiner Weise die auf der zweiten Stufe der Zurechnung rechtlich zu gebende Antwort auf die Frage, ob die Verursachung der Einwirkung durch die versicherte Verrichtung unfallversicherungsrechtlich rechtserheblich, mithin "wesentlich", ist. Denn der Versicherungsschutz greift nur ein, wenn sich ein Risiko verwirklicht hat, gegen das die jeweils begründete Versicherung Schutz gewährt. Auf dieser Stufe ist allein die Rechtsfrage zu beantworten, ob die festgestellte Wirkung einer versicherten Ursache nach Eigenart und Entstehungsweise, gegebenenfalls unter Berücksichtigung anderer festgestellter unversicherter Ursachen, dem durch die versicherte Ursache eröffneten Schutzbereich unterfällt. Es geht also nicht um Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung, so dass auch kein Beweisgrad gilt, sondern um rechtliche Subsumtion und juristische Zurechnungsbewertung (BSG, Urteil vom 24.07.2012 – B 2 U 9/11 R, RdNrn. 34 ff., juris). Diese Grundsätze gelten auch für den Zusammenhang zwischen Gesundheitserstschäden und als Unfallfolgen geltend gemachten weiteren Gesundheitsschäden. Bei der Subsumtion auf der zweiten Stufe muss vorab entschieden werden, ob die versicherte Verrichtung durch ihren auf der ersten Stufe festgestellten Verursachungsbeitrag überhaupt ein Risiko verwirklicht hat, das in den Schutzbereich der begründeten Versicherung fällt. Nur wenn dies, wie zumeist, zu bejahen ist, kommt es darauf an, ob ggf. konkret festgestellte unversicherte Mitursachen gleichwohl die Zurechnung ausschließen. Das ist der Fall, wenn die unversicherten Wirkursachen das gesamte Unfallgeschehen derart geprägt haben, dass die Wirkung insgesamt trotz des Mitwirkungsanteils der versicherten Verrichtung nicht mehr unter den Schutzbereich der jeweiligen Versicherung fällt. Bei dieser Subsumtion sind alle auf der ersten Stufe im Einzelfall konkret festgestellten versicherten und unversicherten Wirkursachen mit ihren ggf. festgestellten Mitwirkungsanteilen in einer rechtlichen Gesamtabwägung nach Maßgabe des jeweilig festgestellten Schutzzwecks des Versicherungstatbestandes zu bewerten (BSG, Urteil vom 24.07.2012 – B 2 U 9/11 R, RdNrn. 36, juris).
a)
Die auf der ersten Stufe zu prüfende Wirkursächlichkeit zwischen dem Anheben der Tafel am 06.06.2018 und der kompletten Ruptur der distalen Bizepssehne ist gegeben. Dies steht zur Überzeugung des Senats unter Würdigung des Akteninhalts, der Einlassungen des Klägers und der Aussage des Zeugen E.... und der Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. F.... fest. Bei dem Anheben der Tafel in der vom Kläger und dem Zeugen E.... beschriebenen Weise handelt es sich um eine Belastung, die geeignet ist, die distale Bizepssehne zu erreichen. Nach Auskunft der Herstellerfirma der Tafel wog diese maximal 53 kg. Ein verschiedentlich von dem Kläger angegebenes höheres Gewicht der Tafel ist zur Überzeugung des Senats nicht nachgewiesen. Diese Tafel hat der Kläger gemeinsam mit dem Zeugen E.... angehoben, wobei bei dem Kläger der rechte Arm unten war und der linke Arm die Tafel stabilisiert hat. Das Hochheben erfolgte kontrolliert und gemeinsam mit dem Zeugen E..... Ein vorzeitiges Hochheben hat der Zeuge E.... für möglich gehalten, aber nicht sicher bestätigt. Eine "Hau-Ruck-Aktion" hat der Zeuge ausgeschlossen. Ferner geht der Senat davon aus, dass die Last der Tafel zwischen den beiden Kollegen verteilt war, wobei die Last allein auf dem jeweils untenliegenden tragenden Arm ruhte. Mithin ist davon auszugehen, dass beim Anheben der Tafel auf dem rechten Arm des Klägers ein Gewicht von mindestens 25 bis 27 kg lastete. Dr. F.... hat überzeugend ausgeführt, dass auch bei Annahme einer tatsächlichen Belastung von 25 bis 27 kg eine hohe Belastung vorliegt, bei deren Anheben ein schneller Aufbau der Zugkraft mit Überwindung der elastischen Dehnung bei maximaler Muskelanspannung auch bei physiologischem Bewegungsablauf zu erkennen ist. Ohne einen derartigen Muskeleinsatz kann eine derart schwere Last gar nicht angehoben werden. Ferner hat Dr. F….. dargelegt, dass der Kraftaufwand an der Bizepssehne am Bizepssehnenansatz beim Anheben einer Last von 25 kg 150 kp beträgt, was einer Zugkraft an der Bizepssehne von 1.472 N (bei 27 kg 1.589 N) entspricht. Damit wurde die körperferne Bizepssehne bei dem in Rede stehenden Hebevorgang von der Belastung nicht nur "irgendwie" erreicht, sondern bei der zu verzeichnenden maximalen willkürlichen Muskelanspannung zum Heben der Last die Bruchlast der körperfernen Bizepssehne überschritten. Mit dem Einwand, dass in der Literatur "der plötzliche Schmerz beim Anheben eines Gegenstandes" sowie "die willentliche Kraftanstrengung ohne zusätzliche Einwirkung" für einen Riss der distalen Bizepssehne ungeeignete Abläufe" seien (mit Verweis auf Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 429) kann die Beklagte vorliegend nicht gehört werden. Zunächst ist hervorzuheben, dass bei den geschilderten ungeeigneten Abläufen das Gewicht des anzuhebenden Gegenstandes nicht genannt wird, so dass unklar bleibt, ob das zitierte Standardwerk auch das Anheben von schweren Gegenständen als ungeeigneten Ablauf miteinbezieht. Dr. F. hat unter Auswertung des aktuellen Wissenstandes nachvollziehbar herausgearbeitet, dass der Satz "… eine gesunde Sehne reißt nicht …" nicht für jede Fallgestaltung aufrechtzuerhalten ist. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass unter Verweis auf die Fachliteratur seitens der Biomechanik die Versagenslast der intakten körperfernen Bizepssehne mit 210 bis 221 N (21 kp) vergleichsweise sehr niedrig liegt, worauf der Sachverständige Dr. F.... unter Heranziehung von Fachliteratur (Idler u.a., The American Journal of Sports Medicine, Vol. 34, Nr. 6, 2006, S. 968 ff.) hinweist. Zudem sind nur 50 % der Läsionen auf einen anlagebedingten Schaden zurückzuführen (so auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 428). Hieraus folgt zugleich, dass 50 % der Läsionen im Wesentlichen auf andere als anlagebedingte Schäden zurückzuführen sind. Nachdem das angeschuldigte Ereignis geeignet ist, eine Ruptur der distalen Bizepssehne zu verursachen, hält es der Senat für hinreichend wahrscheinlich, dass das Anheben der Tafel wirkursächlich für die Ruptur der Bizepssehne war. Der Senat hat keinen Anhaltspunkt dafür, dass ein anderes Ereignis wirkursächlich für den Riss der Sehne war. Dies folgt auch nicht aus dem Umstand, dass der Kläger erst knapp drei Wochen nach dem angeschuldigten Ereignis erstmals einen D-Arzt wegen seiner Beschwerden aufgesucht hat. Zwar hat der Sachverständige Dr. F….. in Auswertung des histologischen Befundes vom 09.07.2016 erklärt, dass sich der Kläger den Bizepssehnenriss auch bei jedem Ereignis seit dem angeschuldigten Ereignis oder zuvor innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten vor dem histologischen Befund zugezogen haben könnte. Gleichzeitig hat er aber auch erklärt, dass das Verhalten des Klägers – abzuwarten, den Arm zu schonen und zu kühlen – aus medizinischer Sicht grenzwertig nachvollziehbar ist. Der Senat hat den Kläger hierzu in der mündlichen Verhandlung persönlich gehört und danach keine Veranlassung an der glaubhaften Darstellung des Klägers zu zweifeln. Damit steht zur Überzeugung des Senats fest, dass das angeschuldigte Ereignis am 06.06.2018 so, wie vom Kläger beschrieben und vom Zeugen E.... bestätigt, stattgefunden hat. Ferner steht zur Überzeugung des Senats auch fest, dass der Kläger infolge des Hebevorgangs einen starken Schmerz am Bizepssehnenansatz verspürt hat. Der Schmerz hat in den Folgewochen auch angehalten. So hat der Kläger glaubhaft versichert, dass er am Unfalltag selber und in den folgenden Arbeitstagen nur noch Schreibtätigkeiten erledigt hat, um seinen Arm zu schonen. Glaubhaft und nachvollziehbar ist auch seine Angabe, dass er die wahrgenommene Verletzung in der darauffolgenden Urlaubswoche durch Kühlen heilen wollte. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger in den 20 Tagen nach dem angeschuldigten Ereignis bis zur erstmaligen Vorstellung beim Arzt die distale Bizepssehne in gleicher Weise erneut belastet hat, sind nicht ersichtlich. Der Kläger hat im Gegenteil nach glaubhafter Angabe im Urlaub und bei der Arbeit seinen Arm geschont und die belastenden Tätigkeiten von anderen verrichten lassen. Ebenso glaubhaft ist die Angabe des Klägers in der mündlichen Verhandlung, dass er auch vor dem angeschuldigten Ereignis keine schädigende Einwirkung auf die Bizepssehne erlitten hat. Diese Angabe wird durch das "leere" Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse und die Angabe des Zeugen, dass er mit dem Kläger nach vielen Jahren der Zusammenarbeit noch kein vergleichbares Vorkommnis erlebt hat, bekräftigt.
b)
Das angeschuldigte Ereignis hat den Riss der distalen Bizepssehne auch rechtlich wesentlich und damit einen Gesundheits(erst)schaden verursacht. Anders als durch die Beklagte behauptet, haben degenerative Veränderungen den Gesundheitserstschaden nicht wesentlich verursacht. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist für die Feststellung der wesentlichen Ursache im Grundsatz darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die „Auslösung“ akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSG, Urteil vom 12.04.2005 – B 2 U 27/04 R, RdNr. 16, juris).
Eine Krankheitsanlage im vorgenannten Sinne ist nicht nachgewiesen. Dr. F.... hat in seinem Gutachten vom 27.05.2019 und seiner ergänzenden Stellungnahme vom 10.08.2021 schlüssig herausgearbeitet, dass andere Ursachen für den Riss der distalen Bizepssehne nicht vorliegen, bzw. nicht nachgewiesen worden sind. So wurden bei der Operation am 09.07.2018 keine degenerativen Veränderungen am gering zurückgezogenen Sehnenstumpf oder an den noch als intakt eingeschätzten einzelnen Fasern angegeben. Auch aus dem histologischen Befund kann nicht auf das Vorliegen geringer oder schwerer Texturstörungen geschlossen werden. Dieser hält sogar ausdrücklich fest, dass "vorbestehende degenerative Veränderungen nicht nachweisbar sind". Zusammenfassend hält Dr. F….. fest, dass anhand des Befundes und im Vergleich mit dem aktuellen Wissensstand festzustellen ist, dass keine Zeichen einer schweren, altersvorauseilenden Texturstörung, keine inhomogene Verteilung von Zellkernen, keine Narben, Verkalkungen und kein Granulationsgewebe festgestellt und nachgewiesen worden ist. Damit ist bei dem Kläger der Nachweis einer Schadensanlage in Form einer altersvorauseilenden schweren Texturstörung nicht erbracht. Es kann daher nicht festgestellt werden, dass beim Kläger die Degradation des Sehnengewebes so ausgeprägt gewesen ist, dass der Schaden wahrscheinlich in absehbarer Zeit auch spontan oder unter alltäglichen Belastungen aufgetreten wäre. Eine hauptsächliche Mitverursachung durch degenerative Veränderungen der Bizepssehne ergibt sich auch nicht durch die verbreitete Aussage, dass "eine gesunde Sehne nicht reißt" und dass aus diesem Grund degenerative Veränderungen die wesentliche Ursache für den Sehnenriss sein müssen. Der gerichtliche Sachverständige hat in diesem Zusammenhang zurecht darauf hingewiesen. dass auch nach der Standardliteratur 50 % (Schönberger/Mehrtesn/Valentin, a.a.O., S. 428) der Diskontinuitäten der peripheren Bizepssehne nicht auf einen anlagebedingten Schaden zurückzuführen sind und dass aus diesem Grund die Schlussfolgerung, dass der Riss der distalen Bizepssehne in jedem Fall wesentlich auf einer degenerativen Veränderung beruht, nicht zulässig ist. Der Senat folgt den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen. Bei fehlendem Nachweis einer Schadensanlage bleibt das angeschuldigte Ereignis die rechtlich wesentliche Ursache für den Riss der distalen Bizepssehne, der damit der Gesundheits(erst)schaden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.