I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 29. Oktober 2018 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsrechtszuges zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
IV. Der Streitwert wird auf 2.615,22 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Erstattungsanspruch der Beklagten gegen die Klägerin in Höhe von 2.615,22 Euro.
Die 1941 geborene, bei der Beklagten versicherte D. C. (Versicherte) bezog ab 1. Juli 2001 eine Altersrente für Frauen und zusätzlich ab 1. Juli 2002 einen Hinzuverdienst aus einer Beschäftigung als Zeitungszustellerin. Dabei überschritt sie die zulässigen Hinzuverdienstgrenzen. Die Versicherte erhob gegen den von der Beklagten zwecks Erstattung der eingetretenen Überzahlung in Höhe von 5.230,45 Euro erlassenen Bescheid vom 14. Juli 2006 in der Fassung des Bescheides vom 27. Dezember 2006 sowie in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2007 Klage vor dem Sozialgericht Fulda (ursprünglich S 2 R 175/07; nach Wiederaufruf S 1 R 264/11). Das Klageverfahren wurde nach dem Tod der Versicherten am 22. Mai 2009 von ihrem Ehemann geführt. Das Sozialgericht Fulda wies durch Gerichtsbescheid vom 30. Juli 2012 die Klage ab. Nach dem Tod des Ehemannes der Versicherten am 5. Juni 2012 legte die gemeinsame Tochter, die laut Sterbefallanzeige neben dem Ehemann der Versicherten gesetzlich erbberechtigt nach dem Tod der Versicherten war, gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Fulda Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht (ursprünglich L 5 R 348/12; nach Wiederaufruf L 5 R 337/13) ein. Die Klägerin trat als weitere nichteheliche Tochter des verstorbenen Ehemannes nach Klärung der Rechtsnachfolge dem Rechtsstreit im September 2013 bei. Mit Urteil vom 29. Januar 2016 wies das Hessische Landessozialgericht die Berufung zurück. Die angegriffenen Bescheide seien rechtmäßig. Als Erbinnen hafteten die Klägerinnen für den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch aus überzahlter Altersrente gegenüber der Beklagten gem. § 50 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. §§ 1922, 1967 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) als Gesamtrechtsnachfolger, was sich aus dem gemeinschaftlichen Erbschein des Amtsgerichts Fulda vom 16. Juli 2013 ergebe.
Mit Schreiben vom 8. Juni 2016 forderte die Beklagte die Klägerin und die gemeinsame Tochter der verstorbenen Versicherten und ihres verstorbenen Ehemannes zur Zahlung auf und teilte mit, die Klägerin hafte zum Ausgleich der bestehenden Forderung gesamtschuldnerisch je zur Hälfte mit der weiteren Erbin. Während die gemeinsame Tochter zahlte, lehnte die Klägerin dies ab und erhob erbrechtliche Einreden wegen Dürftigkeit des Nachlasses der Versicherten und Unzulänglichkeit des Nachlasses, außerdem erhob sie die Einrede der Entreicherung und machte die Haftungsbeschränkung gern. § 780 Zivilprozessordnung (ZPO) und die Einrede der Verjährung geltend. Der Klagebeitritt sei erst mit Schriftsatz vom 4. September 2013 erfolgt, zu diesem Zeitpunkt sei die Verjährung schon eingetreten gewesen. Die Klägerin wies auch darauf hin, dass sie nicht Erbin der verstorbenen Versicherten geworden sei.
Mit Bescheid vom 23. Juni 2016 forderte die Beklagte die Klägerin daraufhin erneut auf, den Betrag von 2.615,22 Euro zu zahlen. Rechtsgrundlage sei § 50 SGB X, maßgeblich sei das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 29. Januar 2016. Die zu Unrecht gezahlten Rentenbeträge in Höhe von 2.615,22 Euro seien im Rahmen der Erbenhaftung gem. §§ 1922, 1967, 2032 ff. BGB zu zahlen. Als Teilerbin hafte die Klägerin gem. § 421 BGB als Gesamtschuldnerin. Demnach könne jeder Teilerbin nach Belieben zum Ausgleich der Forderung in Anspruch genommen werden, die Leistung jedoch nur einmal verlangt werden. Die Tochter der Versicherten habe den hälftigen Anteil überwiesen, so dass die Klägerin den genannten Betrag zu zahlen habe. Dagegen erhob die Klägerin am 28. Juni 2016 Widerspruch und trug ergänzend vor, ihr verstorbener Vater habe keinen Kindesunterhalt geleistet. Die Beklagte wies durch Widerspruchsbescheid vom 1. September 2016 den Widerspruch zurück.
Die Klägerin hat am 22. September 2016 Klage zum Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben. Sie hat darauf hingewiesen, dass sie mit der Versicherten weder verwandt noch verschwägert gewesen sei. Nach dem Versterben der Versicherten seien deren Ehemann und die gemeinsame Tochter Erben zu je 1/2 geworden. Sie sei allenfalls gesetzliche Erbin in Höhe von 1/4 des Nachlasses der Versicherten geworden. Die von der Beklagten vorgenommene Halbteilung der beanspruchten Nachlassverbindlichkeit sei also willkürlich und orientiere sich nicht an der tatsächlichen Erbfolge. Insofern liege eine ermessenfehlerhafte Entscheidung vor, weil die Auswahl des Schuldners gern. § 421 BGB im Sozialrecht ermessensfehlerfrei zu erfolgen habe. Der Erlass eines Verwaltungsaktes gegenüber der Klägerin sei wegen der vorhandenen Einreden im Übrigen rechtsmissbräuchlich.
Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 29. Oktober 2018 den Bescheid vom 23. Juni 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. September 2016 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klage zulässig und begründet sei. Der Bescheid vom 23. Juni 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. September 2016 sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten. Die Erstattungspflicht für zu Unrecht erhaltene Sozialleistungen gehöre zu den Nachlassverbindlichkeiten, für die nach § 1967 Abs. 1 BGB der Erbe hafte. Bei einer Mehrheit von Erben hafteten die Miterben für die gemeinschaftlichen Nachlassverbindlichkeiten im Außenverhältnis gesamtschuldnerisch (§ 2058 BGB), also jeder einzelne Miterbe persönlich (§ 421 BGB). Die gesamtschuldnerische Haftung treffe damit jeden Erben gesondert (Verweis auf BSG, Urteil vom 23. August 2013, B 8 SO 7/12 R). Der streitgegenständliche Bescheid sei rechtswidrig, weil die Beklagte es unterlassen habe, die erforderliche Ermessensentscheidung über die Reichweite der Inanspruchnahme der Klägerin als Schuldnerin zu treffen. Unter Verweis auf eine Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen (12. Dezember 2017, L 7/12 Al 27/16) hat das Sozialgericht ausgeführt, dass die Beklagte als Trägerin öffentlicher Gewalt grundrechtsgebunden sei, sodass die belastende Entscheidung, welchen von mehreren Schuldnern (Grundrechtsträgern) sie in welcher Höhe in Anspruch nehmen möchte (Grundrechtseingriff), nicht in ihrem freien Belieben, sondern in seinem pflichtgemäßen (Auswahl-)Ermessen stehe, für das die allgemeinen Grundsätze des § 39 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) gelten würden. Jeder Gesamtschuldner habe deshalb ein subjektiv-öffentliches Recht, dass die die Vollstreckung betreibende Behörde die belastende Entscheidung über seine Inanspruchnahme ermessensfehlerfrei treffe. Zu berücksichtigen seien bei der Ermessensentscheidung insbesondere eine bereits erfolgte Verteilung des Erbes, insbesondere wenn sie - wie hier - vor Kenntnis des Erstattungsanspruchs durchgeführt worden sei, ein eventueller Verbrauch ererbten Vermögens, die Anzahl der Erben, der Wert des Nachlasses und die Höhe des Erstattungsanspruchs sowie die Relation der beiden Werte zueinander und auch die jeweilige Erbquote. Nur eine Gesamtschau der Situation aller Erben werde deren individueller Zahlungspflicht gerecht. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien habe die Beklagte im vorliegenden Falle das ihr zustehende Ermessen nicht erkannt und daher auch nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Eine Ermessensreduzierung auf Null, die die Ausübung von Ermessen de facto überflüssig machen würde, komme vorliegend nicht in Betracht. Das Gericht müsse letztlich nicht entscheiden, welche Gesichtspunkte die Beklagte bei einer Ermessensausübung in welcher Weise hätte einbeziehen müssen. Denn die Beklagte habe das ihr eingeräumte Ermessen überhaupt nicht erkannt. Weder der Bescheid noch der Widerspruchsbescheid ließen erkennen, dass die Beklagte sich überhaupt bewusst gewesen sei, eine Ermessensentscheidung zu fällen.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 20. November 2018 zugestellte Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main am 6. Dezember 2018 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Entscheidung des Sozialgerichts nicht von dem von ihm herangezogenen Urteil des BSG vom 23. August 2013 (B 8 SO 7/12 R) getragen werde. Das Sozialgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass in diesem Urteil für die Erbenhaftung die spezialgesetzliche Regelung des § 92c Bundessozialhilfegesetz (BSHG) von wesentlicher Bedeutung gewesen sei, die vorliegend jedoch unbestreitbar nicht einschlägig sei. Sowohl aus dem BSG-Urteil als auch aus dem BVerwG-Urteil vom 22. Januar 1993 (8 C 57.91), auf das das BSG Bezug nehme, ergebe sich, dass sich der Umfang des auszuübenden Ermessens nach der Ausgestaltung des Gesamtschuldverhältnisses richte. So heiße es dazu in dem BVerwG-Urteil sinngemäß, dass die zuständige Stelle nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen auswählen könne, von welchem Gesamtschuldner sie die Leistung fordern wolle. Das folge aus dem ergänzend heranzuziehenden § 421 BGB. Dabei sei nur das Willkürverbot zu beachten oder eine offenbare Unbilligkeit zu berücksichtigen. Vor dem Hintergrund, dass die Klägerin und die gemeinsame Tochter der verstorbenen Eheleute C. zur Hälfte Erbinnen geworden seien, sei ein Verstoß gegen das Willkürverbot oder eine offenbare Unbilligkeit nicht erkennbar, wenn von der Klägerin die Hälfte des überzahlten Betrages gefordert werde.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 29. Oktober 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass ein Auswahlermessen der Beklagten bestehe, welches sie fehlerhaft ausgeübt habe.
Zum weiteren Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG).
Die Berufung hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 29. Oktober 2018 ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 23. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 1. September 2016 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Der Bescheid ist fehlerhaft, weil die Beklagte kein Ermessen ausgeübt hat.
Rechtsgrundlage der Erstattungsforderung gegen die Klägerin ist, wie seit dem Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 29. Januar 2016 feststeht, § 50 SGB X. Die Forderung der Beklagten gegen die Versicherte besteht gegen die Klägerin als Erbin des Rechtsnachfolgers der Versicherten. Die rechtskräftig festgestellte Erstattungsforderung stellt eine Nachlassverbindlichkeit dar. Nach dem Tod des Ehemannes der Versicherten traten die Erben in die öffentlich-rechtliche Rechtsstellung des Erblassers entsprechend den §§ 1922, 1967 BGB ein und haften für dessen offene Verbindlichkeiten als Gesamtschuldner (§§ 421, 2058 BGB). Zwar fehlt im Sozialrecht eine ausdrückliche Regelung, nach der bei Gesamtrechtsnachfolge die Forderungen und Schulden auf den Rechtsnachfolger übergehen. Jedoch ergibt sich insbesondere aus den Bestimmungen über die Sonderrechtsnachfolge, dass sich die Haftung des Erben nach den Vorschriften des BGB richtet, soweit nicht die vorrangige Regelung der Sonderrechtsnachfolge eintritt (§ 58 Satz 1 SGB I; siehe BSG, Urteil vom 15. September 1988, 9/9a RV 32/86, SozR 1300 § 45 Nr. 40 m. w. N.). Dies gilt jedenfalls, soweit es sich nicht um höchstpersönliche Verhältnisse oder Umstände handelt, die unlösbar mit der Person des Rechtsvorgängers verbunden sind. Dies ist bei einer Rückforderung wegen überzahlter Altersrente nicht der Fall.
Bei einer Mehrheit von Erben darf grundsätzlich jeder Erbe als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden (§ 421 BGB). Die Rechtsfolge der Gesamtschuld, das freie „Belieben" des Gläubigers bei der Auswahl des Schuldners, wird bei mehreren Haftenden auf öffentlich-rechtlicher Grundlage durch das Gebot pflichtgemäßer Ermessensausübung modifiziert (Staudinger/Looschelders (2017) BGB § 421, Rn. 129 mit diversen Beispielen aus der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung). Diese Bindung des Gläubigers an ein Auswahlermessen bedingt nicht, dass keine Gesamtschuld entsteht. Möglich ist aber, dass die gesetzlichen Regelungen eine ermessenleitende Reihenfolge, die bei der Inanspruchnahme von Schuldnern einzuhalten ist, vorsehen. Daraus folgt jedoch grundsätzlich nicht, dass der andere Schuldner in einer ein Gesamtschuldverhältnis ausschließenden Weise subsidiär haftet, denn die Anspruchsentstehung als solche wird nicht gehindert (MüKoBGB/Heinemeyer, 8. Aufl. 2019, BGB § 421 Rn. 76). § 50 SGB X enthält keine das Auswahlermessen der Beklagten beschränkende bzw. leitenden Regelungen. Damit bestand im zu entscheidenden Fall ein vollständig ungebundenes Auswahlermessen der Beklagten.
Ob eine Behörde das Ermessen zutreffend ausgeübt hat, unterliegt im gerichtlichen Verfahren nur eingeschränkter Überprüfung. Eine Ermessensentscheidung ist als solche nur rechtswidrig und auf Anfechtung hin nur dann aufzuheben, wenn der Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung fehlerfreien Ermessens (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I) verletzt ist (siehe auch § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Das Gericht darf nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens der Verwaltung setzen, sondern nur prüfen, ob ein Ermessensfehler vorliegt. Ermessensfehlerhaft ist es, wenn die Behörde ihrer Pflicht zur Ermessensbetätigung überhaupt nicht nachgekommen ist (Ermessensnichtgebrauch) oder wenn ihr bei Ausübung des Ermessens Rechtsfehler unterlaufen sind (Ermessensfehlgebrauch). Dies ist anhand der in den angefochtenen Bescheiden angegebenen Ermessensgründe zu beurteilen (§ 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X).
Die Beklagte hat vorliegend ihr Auswahlermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Sie hat sich vielmehr bei ihrer Entscheidung von einem Verständnis der Gesamtschuld leiten lassen, dass ausschließlich eine Halbierung der Forderung denkbar sei. Ausweislich der Begründung des Bescheides vom 23. Juni 2016 war sie der Ansicht, dass die beiden Teilerbinnen jeweils die Hälfte zu zahlen haben und die andere Miterbin die Hälfte der Forderung nach Rechtskraft des Urteils des Hessischen Landessozialgerichts gezahlt hatte. Eine Auswahlentscheidung unter Beachtung der Umstände des Einzelfalles hat die Beklagte nicht vorgenommen, sondern die Klägerin ohne weitere Ermessenerwägungen für die andere Hälfte der Gesamtforderung in Anspruch genommen. Sie hat die Inanspruchnahme letztlich allein als Reflex auf das Verhalten der anderen Miterbin bestimmt, wenn sie zur Begründung formuliert: „In diesem Zusammenhang weisen wir darauf hin, dass Frau E. C. zwischenzeitlich den hälftigen Anteil überwiesen hat. Aus diesem Grunde ist von Ihnen der bereits oben genannte Betrag in Höhe von 2.615,22 EUR zu zahlen.“ Zur Überzeugung des Senats liegt damit ein Ermessensnichtgebrauch der Beklagten vor.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass nur die in den angegriffenen Bescheiden festgelegte Rechtsfolge als einzig zutreffende Entscheidung in Betracht gekommen wäre. Angesichts der Möglichkeit, unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände anstatt auch der Klägerin nur die andere Miterbin allein oder mit einer höheren Quote in Anspruch zu nehmen, sieht der Senat keine Anhaltspunkte für eine Ermessensreduzierung auf Null.
Ebenso erweist sich die Auswahlentscheidung der Beklagten nicht deshalb als rechtmäßig, weil das Auswahlermessen der Beklagten inhaltlich allein auf eine Willkür- und Unbilligkeitskontrolle reduziert wäre. Zum einen fehlte es – wenn es eine solche Beschränkung gäbe – in den angegriffenen Bescheiden auch diesbezüglich an der Ausübung einer solche Kontrolle, denn die Beklagte hat auch in diesem Sinn keine Erwägungen vorgenommen und dargelegt. Nicht mit den Grundsätzen der Überprüfung einer Ermessensbetätigung in Einklang bringen lässt es sich dagegen, wenn der Senat selbst eine Kontrolle der Billigkeit und der Einhaltung der Willkürgrenzen statt der Beklagten vornimmt, und damit im Ergebnis seine Erwägungen statt derer der Beklagten maßgeblich im Rahmen des Auswahlermessens wären.
Zum anderen teilt der Senat auch nicht die Ansicht der Beklagten, dass es eine solche Beschränkung gibt. Die durch § 421 BGB eingeräumte Auswahlfreiheit entbindet die Leistungsträger nach Ansicht des Senats nicht von einer Abwägungs- und erst recht nicht von einer Begründungspflicht (andere Ansicht LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. September 2012, L 14 AS 1348/11, juris). Die Möglichkeit eines Gläubigers, "die Leistung nach ... Belieben von jedem" der (Gesamt-)Schuldner "ganz oder zu einem Teil" zu "fordern", ist im öffentlichen-Recht in der Weise überformt, dass bei der Auswahl des Gesamtschuldners und der Bestimmung der Quantität ("ganz oder zu einem Teil") eine Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen vorzunehmen ist. An die Stelle des zivilrechtlichen Beliebens tritt - schon wegen des verfassungsrechtlichen Willkürverbots (Art. 3 Abs. 1 GG) - im öffentlichen Recht die ermessensgebundene Entscheidung. Sozialversicherungsträger sind als Träger öffentlicher Gewalt grundrechtsgebunden, sodass die belastende Entscheidung, welchen von mehreren Grundrechtsträgern (= Schuldnern) sie in welcher Höhe in Anspruch nehmen möchte (Grundrechtseingriff), nicht im freien Belieben, sondern im pflichtgemäßen (Auswahl-)Ermessen der Behörde steht, für das die allgemeinen Grundsätze des § 39 SGB I gelten. Im Fall der Gesamtschuldnerschaft kann der einzelne Beitragspflichtige deshalb nur aufgrund einer Ermessensentscheidung unter Beachtung seiner Freiheitsgrundrechte, des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Willkürverbots in Anspruch genommen werden. Jeder Gesamtschuldner hat ein subjektiv-öffentliches Recht, dass der zuständige Sozialversicherungsträger die belastende Entscheidung über seine Inanspruchnahme ermessensfehlerfrei trifft (siehe hierzu auch BSG, Urteile vom 12. Dezember 2001, B 6 KA 3/01 R, BSGE 89, 90 ff.; vom 30. März 2017, B 2 U 10/15 R‚ BSGE 123, 35-40, SozR 4-2700 § 130 Nr 1; Hessisches LSG, Urteil vom 23. April 2008, L 4 KA 31/04, juris; BFH, Urteile vom 2. Dezember 2003, VII R 17/03, BFHE 204, 380; vom 24. Oktober 1979, VII R 7/7, BFHE 129, 13, juris; ebenso Spellbrink, in: Kasseler Kommentar, SGB VII, 115. EL, § 150 Rn. 15; Merten in: Hauck/Noftz SGB X, § 50 Rn. 67).
Nichts anderes ergibt sich aus der von der Beklagten benannten Entscheidung des BSG vom 23. August 2013 (B 8 SO 7/12 R, SozR 4-5910 § 92c Nr. 2). Der von der Beklagten bemühte Rechtssatz, dass eine vollständige Ermessensentscheidung entfalle, es nur auf Unbilligkeit oder die Beachtung des Willkürverbotes ankomme und eine entsprechende Begründung entbehrlich sei, lässt sich der benannten Entscheidung nicht verbindlich entnehmen. Dort heißt es zur Ermessensbetätigung: „In der Regel hat der Sozialleistungsträger dabei jedoch nur das Willkürverbot zu beachten oder eine offenbare Unbilligkeit zu berücksichtigen (BVerwG a.a.O., wonach ausdrückliche Ausführungen im Sinne einer expliziten Ermessensausübung bei der Auswahl des in Anspruch Genommenen nicht gefordert werden; BSGE 45, 271, 273 = SozR 1200 § 51 Nr 3 S 4), sodass nur eine Verletzung der dem Leistungsträger obliegenden Fürsorgepflicht, wie sie in § 13 f Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB 1) zum Ausdruck kommt, das 'Wahlrecht" einschränken würde (BSG a.a.O.)." Die Passage endet im Konjunktiv, denn sie beinhaltet letztlich keine die Entscheidung tragenden Aspekte. Auch lässt sich dieser Passage nicht entnehmen, dass es für das - unstreitig von der Beklagten zu betätigende Ermessen - ausreichen würde, wenn sich in dem streitentscheidenden Bescheid - wie im vorliegenden Fall - überhaupt keine Ausführungen zur Ermessensbetätigung finden (siehe insgesamt hierzu auch BSG, Beschluss vom 18. Juli 2018, B 11 AL 6/18 B, juris). Der Verweis auf die Entscheidung des BVerwG vom 22. Januar 1993 (8 C 57/91‚ Rn. 20 - 22, juris) hilft indes auch nicht weiter, denn dort wurde differenziert zwischen dem Inhalt der Ermessensentscheidung selbst (,‚innerhalb der ihrem Ermessen lediglich durch das Willkürverbot und offenbare Unbilligkeit gezogenen Grenzen kann sie den Gesamtschuldner in Anspruch nehmen, dessen Wahl ihr namentlich unter dem Blickwinkel der Verwaltungspraktikabilität geeignet und zweckmäßig erscheint") und der Verpflichtung, die Gründe seiner Ermessensentscheidung über die Auswahl des Schuldners im Leistungsbescheid oder im Widerspruchsbescheid anzugeben. Letzteres wurde im dort zu entscheidenden Fall unter Verweis auf § 39 Abs. 2 Nr. 4 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) verneint. Hierfür genüge es, dass sich der Ausschluss oder die Begrenzung der Begründungspflicht aus dem Sinn und Zweck der betreffenden Rechtsvorschrift ergebe. Das sei für die in § 1 Abs. 1 Satz 2 Gesetz über den Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen (AFWoG) angeordnete Gesamtschuldnerschaft mehrerer Wohnungsinhaber anzunehmen. Denn diese Regelung bezwecke Verwaltungsvereinfachung und Effizienz des Gesetzesvollzuges, nicht Schuldnerschutz. Die zuständige Stelle solle den ihr geeignet erscheinenden Gesamtschuldner kurzerhand heranziehen können. Mit der ihr deswegen eingeräumten Auswahlfreiheit ließe sich eine regelmäßige Erwägungs- und Begründungspflicht nicht vereinbaren (BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1993, 8 C 57/91, juris). Nach Ansicht des Senats ergeben sich im vorliegenden Fall aus § 50 SGB X keine Aspekte, die es rechtfertigen würden, von einer Begründungspflicht abzusehen (siehe § 35 Abs. 2 Nr. 4 SGB X). Auch die übrigen Alternativen des § 35 Abs. 2 SGB X liegen nicht vor. Eine Möglichkeit, auf die Darstellung der Begründung der Ermessensentscheidung zu verzichten, ergibt sich mithin nicht. Letztlich wäre sie aber auch nur dann rechtlich relevant, wenn trotzdem erkennbar wäre, dass den angegriffenen Entscheidungen eine Ermessenbetätigung der Beklagten zugrunde lag, was jedoch – wie oben ausgeführt – nicht der Fall ist.
Nach alledem konnte die Berufung der Beklagten keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), wonach die Beklagte als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens trägt. Die Klägerin ist nicht kostenprivilegiert im Sinne von § 183 SGG. Vorliegend scheidet insbesondere eine Kostenprivilegierung als Sonderrechtsnachfolgerin gemäß § 183 Satz 1 SGG aus, die voraussetzt, dass fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen streitgegenständlich sind (vgl. BSG, Beschluss vom 27. Oktober 2016, B 2 U 45116 B, SozR 4-1500 § 183 Nr. 13). Das ist hier aber gerade nicht der Fall. Stattdessen wurde die Klägerin von der Beklagten wegen übergegangener Erstattungsforderung als Erbin in Anspruch genommen, weshalb sie allein in eben jener Eigenschaft an dem Verfahren beteiligt ist. § 183 Satz 2 SGG ist ebenfalls nicht einschlägig, weil die Klägerin als sonstige Rechtsnachfolgerin das Verfahren nicht im Sinne dieser Regelung aufgenommen, sondern es von vornherein geführt hat.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen.