1. Auch für die Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs 7 AsylbLG ist im Wege der normerhaltenden teleologischen Reduktion zu fordern, dass dem Leistungsberechtigten ein pflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen ist
2. Liegt das pflichtwidrige Verhalten im Unterlassen der freiwilligen Ausreise, muss dem Leistungsberechtigten dieses Verhalten vorwerfbar sein. Dies setzt voraus, dass er Kenntnis von seiner Verpflichtung zur freiwilligen Ausreise hat.
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers hin wird der Beschlusses des Sozialgerichts München vom 19. Oktober 2021 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit von 03.09.2021 bis 31.01.2022 vorläufig Leistungen gemäß § 3 AsylbLG ohne Anspruchseinschränkung in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner hat vier Fünftel der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstatten.
III. Dem Antragsteller wird für das Verfahren vor dem Bayerischen Landessozialgericht ab Beschwerdeeinlegung Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt B, B Straße, B beigeordnet.
G r ü n d e :
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes höhere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) für die Zeit ab 03.09.2021; insbesondere wendet er sich gegen eine Anspruchseinschränkung.
Der 2003 geborene Antragsteller, nach seinen Angaben afghanischer Staatsangehöriger, reiste im April 2021 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte Asyl. Er ist in einer Aufnahmeeinrichtung im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners untergebracht. Dort beantragte er die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG. Ab 30.04.2021 gewährte der Antragsgegner dem Antragsteller Grundleistungen in Form von Sachleistungen sowie Geldleistungen in Höhe von 96,24 € ohne entsprechende schriftliche Leistungsbewilligung durch monatliche Auszahlung.
Am 17.05.2021 wurde ein Übernahmeersuchen nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-Verordnung) an Rumänien gerichtet; die rumänischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 28.05.2021 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) lehnte den Asylantrag daraufhin mit Bescheid vom 07.06.2021 als unzulässig ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nicht vorlägen. Die Abschiebung nach Rumänien wurde angeordnet. Einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung lehnte das Verwaltungsgericht München mit Beschluss vom 22.06.2021 ab; die Abschiebungsanordnung ist seitdem vollziehbar.
Nach vorheriger Anhörung schränkte der Antragsgegner mit Bescheid vom 21.07.2021 die Leistungen nach dem AsylbLG ab dem 01.08.2021 ein und gewährte in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 für die Dauer von sechs Monaten nur noch Leistungen für Ernährung, Körper- und Gesundheitspflege sowie Unterkunft und Heizung als Sachleistungen. Der Asylantrag des Antragstellers sei als unzulässig abgelehnt worden, da Rumänien auf Grund des dort bereits gestellten Asylantrags für die Bearbeitung zuständig sei. Die Abschiebung nach Rumänien sei angeordnet worden. Eine freiwillige Ausreise sei bisher nicht erfolgt. Der Antragsteller habe offenkundig auch kein Interesse an einer Ausreise.
Dagegen legte der Antragsteller Widerspruch ein, der im Wesentlichen damit begründet wurde, dass eine Anspruchseinschränkung aus verfassungsrechtlichen Gründen nur zulässig sei, wenn dem Leistungsberechtigten ein pflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen sei. Der Antragsteller habe sich aber weder pflichtwidrig in die Bundesrepublik Deutschland begeben noch verweile er hier pflichtwidrig. Ein pflichtwidriges Verhalten scheide bereits deshalb aus, weil dem Antragsteller nicht mitgeteilt worden sein, dass er in der Bundesrepublik Deutschland kein Asyl beantragen dürfe. Jedenfalls sei eine Belehrung über die Rechtsfolge, dass er während des Verfahrens in Deutschland nur eingeschränkte Sozialleistungen erhalte, nicht erfolgt.
Am 03.09.2021 hat der Antragsteller beim Sozialgericht München (SG) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beantragt, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 21.07.2021 anzuordnen und den Antragsgegner zu verpflichten, ihm ab 03.09.2021 vorläufig Leistungen entsprechend der Regelbedarfsstufe 1 zu gewähren. Die Regelung über die Anspruchseinschränkung sei evident verfassungswidrig, da sie das Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums verletze. Die den Anspruch begründende Menschenwürde stehe allen zu und gehe selbst durch ein vermeintlich "unwürdiges" Verhalten nicht verloren. Der verfassungsrechtlich garantierte Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erstrecke sich sowohl auf die Sicherung der physischen Existenz als auch die Sicherung eines Mindestmaßes an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben. Es widerspräche dem nicht relativierbaren Gebot der Unantastbarkeit, wenn nur ein Minimum unterhalb dessen gesichert würde, was der Gesetzgeber bereits als Minimum normiert habe. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe jüngst für die streitgegenständliche Norm konkretisiert, dass eine generalisierende Einschränkung von vornherein unzulässig sei. Eine Praxis, wonach soziokulturelle Bedarfe allgemein als entbehrlich angesehen würden, wäre auch mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht vereinbar. Nach der aktuellen Regelung zur Anspruchseinschränkung erhielten die Betroffenen nur Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege. Damit seien Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse zwingend ausgeschlossen. Somit liege eben jene generalisierende Einschränkung vor, wonach soziokulturelle Bedarfe allgemein als entbehrlich angesehen würden. Zwar könnten staatliche Leistungen zur Existenzsicherung an Mitwirkungspflichten gebunden werden, die darauf abzielten, die Hilfebedürftigkeit zu überwinden, soweit sie verhältnismäßig seien. Migrationspolitische Erwägungen könnten allerdings von vornherein kein Absenken des Leistungsstandards rechtfertigen. Die Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG verfolge kein legitimes Ziel im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG. Mit der Regelung sollten schon keine asyl- oder aufenthaltsrechtlichen Mitwirkungspflichten durchgesetzt werden. Es gehe dem Gesetzgeber offenkundig allein um die repressive Sanktionierung eines Verhaltens der Betroffenen im Einzelfall, das abschreckende Wirkung auf andere entfalten und die Betroffenen zur freiwilligen Ausreise drängen solle. Eine Anspruchseinschränkung sei nur zulässig, wenn dem Leistungsberechtigten ein pflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen sei, denn nur dann habe es der Betroffene selbst in der Hand, die Sanktionierung durch pflichtgemäßes Verhalten zu beenden. Die Einreise nach Deutschland über Rumänien stelle kein pflichtwidriges Verhalten dar. Vielmehr stelle die Dublin III-Verordnung für Fälle der asylrechtlichen Zuständigkeit anderer EU-Mitgliedstaaten ein geregeltes Aufnahme- bzw. Wiederaufnahme- und Überstellungsverfahren bereit. Ein pflichtwidriges Verhalten scheide bereits deshalb aus, weil dem Antragsteller nie mitgeteilte worden sei, dass er Asyl nicht in der Bundesrepublik Deutschland beantragen dürfe, weil ein anderer EU-Mitgliedstaat für seinen Asylantrag zuständig sei. Unklar sei vorliegend auch, ob der Antragsteller in Rumänien überhaupt Asyl beantragt habe. Schließlich sei die Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 7 AsylbLG auf eine dauerhafte Leistungsabsenkung angelegt, die erst mit einer Anerkennung im Asylverfahren ende. In den allermeisten Fällen schließe sich an das Dublin-Verfahren ein nationales Asylverfahren an. Nur in jedem vierten Verfahren, in dem eine Zustimmung eines anderen EU-Mitgliedstaats zur Überstellung vorgelegen habe, habe auch tatsächlich eine Überstellung stattgefunden. Eine dauerhafte Absenkung unter das soziokulturelle Existenzminimum sei jedoch mit dem Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht vereinbar. Hinsichtlich der Höhe der zu gewährenden Leistungen verstoße es gegen das Gleichheitsgebot, wenn Leistungsberechtigte in Gemeinschaftsunterkünften Grundleistungen nur nach Regelbedarfsstufe 2 erhielten. Eine Differenzierung sei nur möglich, sofern der Bedarf an existenznotwendigen Leistungen signifikant von dem anderer Bedürftiger abweiche und dies in einem transparenten Verfahren belegt werden könne. Der Gesetzgeber habe aber keine Ermittlungen zum spezifischen Bedarf angestellt. Der Bedarf weiche auch nicht signifikant ab. Als Grund für die Leistungsreduzierung werde eine "Solidarisierung in der Gemeinschaftsunterbringung" behauptet. Dass diese Herleitung verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht genüge, sei offensichtlich. Personen, die gemeinsam untergebracht seien, profitierten nicht von Einspareffekten. Leistungen i.H.v. nur 90% seien evident unzureichend.
Das SG hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 19.10.2021 verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig nach § 1a Abs. 7 AsylbLG gekürzte Leistungen der Regelbedarfsstufe 1 für die Zeit vom 03.09.2021 bis 28.02.2022 zu gewähren und den Antrag im Übrigen abgelehnt. Es handle sich um einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 21.07.2021 sowie für den vergangenen Zeitraum um einen Antrag auf Aufhebung der Vollziehung. Zudem begehre der Antragsteller die Erweiterung seiner Rechtsposition, so dass zusätzlich ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung statthaft sei. Hinsichtlich beider Anträge sei aufgrund einer Folgenabwägung zu entscheiden gewesen. Es sei fraglich, ob die Regelungen des § 1a AsylbLG mit dem geltenden Verfassungsrecht in Einklang zu bringen sei. Nach den Vorgaben des BVerfG zu Sanktionen im Bereich der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch sei eine Kürzung der Leistungen unterhalb des Existenzminimums nur dann verhältnismäßig, wenn es dem Betroffenen tatsächlich möglich sei, die Minderung durch eigenes zumutbares Verhalten abzuwenden und die existenzsichernden Leistungen wiederzuerlangen. Entsprechend dürften Leistungen nach dem AsylbLG nicht allein deshalb gekürzt oder verweigert werden, weil der Aufenthalt rechtswidrig sei oder mit dem Ziel, Migration einzuschränken. Vielmehr dürften fehlende Mitwirkungshandlungen nur dann sanktioniert werden, wenn der Aufenthalt allein aus Gründen der Verweigerung einer zumutbaren Mitwirkung durch die betreffende Person nicht beendet werden könne. § 1a Abs. 7 AsylbLG sei verfassungskonform dahin auszulegen, dass als weiteres ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ein pflichtwidriges Verhalten des Betroffenen vorliegen müsse. Eine Pflichtverletzung sei nur dann vorwerfbar, wenn zuvor eine konkrete Anhörung erfolgt sei. Dem Betroffenen müsse eine angemessene Frist zur Beendigung des leistungsmissbräulichen Verhaltens eingeräumt werden, damit er die beabsichtigte Einschränkung der Leistung durch eigenes Zutun noch abwenden könne. Dies sei am 01.07.2021 erfolgt, als dem Antragsteller mitgeteilt worden sei, dass er nach Rumänien zurückkehren müsse. Da die Voraussetzungen des § 1a Abs. 7 AsylbLG damit vorlagen, seien die Leistungen entsprechend zu kürzen gewesen, ohne dass dem Antragsgegner ein Ermessen zustünde. Grundlegenden Bedenken begegne jedoch die Höhe der im Bescheid vom 21.07.2021 festgesetzten Leistungen. Diese seien vorläufig entsprechend der Regelbedarfsstufe 1 zu gewähren. Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal müsse zusätzlich ein tatsächliches "Füreinandereinstehen" der Bewohner einer Gemeinschaftsunterkunft gegeben sein. Entgegen der Einschätzung des Gesetzgebers sei zu berücksichtigen, dass ein alleinstehender Leistungsberechtigter nach dem AsylbLG es nicht selbst in der Hand habe, eine (Paar-) Beziehung zu anderen Bewohnern einzugehen mit der Konsequenz, für die anderen auch finanziell einstehen zu wollen. Es könne zudem nicht pauschal davon ausgegangen werden, dass die nur zufällig und ungewollt in der Sammelunterkunft zusammenlebenden Personen automatisch gemeinsam einkauften und wirtschafteten. Nur im Einzelfall sei es möglich, dass zwischen Bewohnern auch ein "Füreinandereinstehen" gegeben sei. In der Person des Antragstellers sei kein Wirtschaften aus einem Topf mit anderen Bewohnern anzunehmen. Im Ergebnis sei deshalb die Leistungskürzung an sich nicht zu beanstanden, wohl aber die Festsetzung der Regelbedarfsstufe 2. Daher sei die aufschiebende Wirkung gegen den Kürzungsbescheid vom 21.07.2021 anzuordnen bzw. die bereits teilweise erfolgte Vollziehung aufzuheben.
Der Antragsgegner hat den Beschluss des SG mit Bescheid vom 20.10.2021 umgesetzt.
Gegen den am 19.10.2021 zugestellten Beschluss des SG hat der Antragsteller am 19.11.2021 Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten beantragt. Zur Begründung ist weitestgehend der erstinstanzliche Vortrag wiederholt worden. Verfassungsrechtlich sei eine teleologische Reduktion des § 1a Abs. 7 AsylbLG geboten, so dass eine Anspruchseinschränkung nur zulässig sei, wenn dem Leistungsberechtigten ein pflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen sei. Der Antragsteller sei aber weder pflichtwidrig in die Bundesrepublik Deutschland eingereist noch verweile er hier pflichtwidrig.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 19.10.2021 abzuändern, die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 21.07.2021 anzuordnen und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller ab 03.09.2021 vorläufig Leistungen gemäß §§ 3, 3a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 AsylbLG entsprechend der Regelbedarfsstufe 1 zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält an seiner Rechtsauffassung fest und verweist auf den Beschluss des SG.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die vorgelegten Behördenakten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG) ist statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 € überschreitet (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Nach der Entscheidung des SG erhält der Antragsteller nur Sachleistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege, mithin einen Teil des notwendigen Bedarfs bzw., soweit die Körperpflege betroffen ist, einen kleinen Teil des notwendigen persönlichen Bedarfs (vgl. § 3 Abs. 1 AsylbLG). Im Beschwerdeverfahren verfolgt er darüber hinaus die Gewährung des notwendigen persönlichen Bedarfs weiter, der für einen alleinstehenden erwachsenen Leistungsberechtigten einen Wert von monatlich 162 € bzw. ab 01.01.2022 monatlich 163 € hat (vgl. § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG). Bezogen auf die Regelungsdauer des angefochtenen Bescheids vom 21.07.2021 von sechs Monaten wird damit der Beschwerdewert von 750 € überschritten. Maßgebend ist dabei der Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde; ein späteres Sinken des Beschwerdewertes, z.B. wegen einer Änderung der Verhältnisse, ist unbeachtlich (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl., § 144 Rn. 19).
Die Beschwerde hat in der Sache im tenorierten Umfang Erfolg. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist das Begehren des Antragstellers, höhere Leistungen nach dem AsylbLG in Form von Grundleistungen nach § 3, § 3a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 AsylbLG in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 ohne Anspruchskürzung zu erhalten. Da es sich hinsichtlich der Höhe der Leistungen nach dem AsylbLG um einen einheitlichen Streitgegenstand handelt, unabhängig davon, auf welche Rechtgrundlage das Begehren nach weiteren Leistungen gestützt wird, ist - jedenfalls regelmäßig im Wege der Auslegung nach dem Meistbegünstigungsprinzip - die Leistungshöhe unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen (vgl. BSG vom 17.06.2008 - B 8/9b AY 1/07 R und vom 26.06.2013 - B 7 AY 6/11 R; Urteil des Senats vom 29.04.2021 - L 8 AY 122/20 - alle nach juris).
Der Eilrechtsschutz richtet sich vorliegend nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG, nicht hingegen nach § 86b Abs. 1 SGG; denn statthafte Klageart in der Hauptsache ist eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4, § 56 SGG). Allein mit der Aufhebung des Bescheides vom 21.07.2021, mit dem der Antragsgegner die Geldleistungen ab dem 01.08.2021 für die Dauer von sechs Monaten eingeschränkt hat, kann der Antragsteller sein Ziel nicht erreichen. Die zuvor jeweils durch monatliche Auszahlung der Barleistungen ergangenen konkludenten Leistungsbewilligungen entfalteten über den jeweiligen Monat hinaus und damit ab dem 01.08.2021 keine Wirkung mehr (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen vom 13.03.2020 - L 20 AY 48/19 B ER - juris Rn. 23; Beschluss des Senats vom 17.09.2018 - L 8 AY 13/18 B ER - juris Rn. 23).
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den der Antragsteller sein Begehren stützt - sowie eines Anordnungsgrundes - die besondere Eilbedürftigkeit der Entscheidung - voraus. Die Angaben hierzu müssen glaubhaft gemacht werden (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung - ZPO). Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen und deshalb eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in den Grundrechten, die durch eine der Klage stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, droht, ist eine Versagung der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nur dann möglich, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.09.2016 - 1 BvR 1335/13); eine lediglich summarische Prüfung genügt nicht. Für eine Entscheidung aufgrund einer sorgfältigen und hinreichend substantiierten Folgenabwägung ist nur dann Raum, wenn eine - nach vorstehenden Maßstäben durchzuführende - Rechtmäßigkeitsprüfung auch unter Berücksichtigung der Kürze der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren regelmäßig zur Verfügung stehenden Zeit nicht verwirklicht werden kann, was vom zur Entscheidung berufenen Gericht erkennbar darzulegen ist (vgl. zum Ganzen auch: BVerfG, Beschluss vom 14.09.2016 - 1 BvR 1335/13 - juris; Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 - Breith 2005, 803).
Unter Zugrundelegung des dargestellten Maßstabs war der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hinsichtlich der Gewährung von Leistungen entsprechend der Regelbedarfsstufe 1 bereits unzulässig, da es insoweit an einer vorherigen Befassung der Behörde fehlt. Am Rechtsschutzbedürfnis fehlt es nämlich grundsätzlich, wenn der Rechtsschutzsuchende sich nicht zuvor an die Behörde gewandt hat (Beschluss des Senats vom 27.10.2020 - L 8 AY 105/20 B ER - juris Rn. 31; LSG Baden-Württemberg vom 24.06.2019 - L 7 AS 1916/19 ER-B - juris Rn. 6 m.w.N.; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl., § 86b Rn. 26b). Vorliegend hat der Antragsteller unmittelbar gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch genommen, ohne zuvor gegenüber dem Antragsgegner in irgendeiner Weise kundgetan zu haben, dass er mit der Höhe der bewilligten Leistungen nicht einverstanden sei. Umstände, die ausnahmsweise eine vorherige Befassung der Behörde als entbehrlich erscheinen lassen (vgl. Keller, aaO., § 86b Rn. 26b), sind vorliegend nicht ersichtlich.
Darüber hinaus ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung jedoch begründet, soweit der Antragsteller die Gewährung höherer Leistungen wegen der Rechtswidrigkeit der Anspruchseinschränkung geltend macht. Eine abschließende Prüfung der Rechtmäßigkeit der Leistungseinschränkung kann im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht erfolgen; es ist jedoch wahrscheinlich, dass eine in der Hauptsache erhobene Klage erfolgreich sein wird.
Nach § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder 5 AsylbLG, deren Asylantrag durch eine Entscheidung des BAMF nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 31 Abs. 6 des Asylgesetzes (AsylG) als unzulässig abgelehnt wurde und für die eine Abschiebung nach § 34 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. AsylG angeordnet wurde, nur Leistungen entsprechend § 1a Abs. 1 AsylbLG, auch wenn die Entscheidung noch nicht unanfechtbar ist. Dies gilt nicht, sofern ein Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung angeordnet hat (§ 1a Abs. 7 Satz 2 AsylbLG). Vorliegend ist der Antragsteller nach der Ablehnung seines Asylantrags und dem erfolglosen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beim Verwaltungsgericht vollziehbar ausreisepflichtig und gehört daher gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG zu dem von § 1a Abs. 7 AsylbLG erfassten Personenkreis. Sein Asylantrag wurde nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 31 Abs. 6 AsylG als unzulässig abgelehnt, weil ein anderer Staat - nämlich Rumänien - seine Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. b i.V.m. Art. 3 der Dublin III-Verordnung erklärt hat. Zugleich wurde seine Abschiebung nach Rumänien angeordnet. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wurde vom Verwaltungsgericht abgelehnt.
Rein dem Wortlaut nach wird eine Leistungskürzung nach § 1a Abs. 7 AsylbLG allein aus dem Grund vorgenommen, dass der Leistungsberechtigte einem europäischen Asylregime unterworfen ist; über das Verweilen im Bundesgebiet hinaus ist kein weiteres pflichtwidriges Verhalten erforderlich (vgl. Stellungnahme der Bundesregierung, BT-Drs. 19/20984, S. 8). Die Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 7 AsylbLG knüpft weder an eine durch bestimmte äußere Umstände geänderte Bedarfslage noch an ein ausländerrechtlich missbilligtes Verhalten, sondern an die Rechtsfolge einer ausländer- bzw. asylrechtlichen Entscheidung an. Berücksichtigt man die Tatbestandswirkung einer bindenden ausländerrechtlichen Entscheidung für die Sozialleistungsbehörden - auf das ausländerrechtlich ausdrücklich mitbedachte Vorgehen, nämlich eines Antrags nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), nimmt die Norm Bezug - geht der Senat davon aus, dass eine Leistungseinschränkung verfassungsrechtlich noch zulässig sein kann (vgl. Siefert, AsylbLG, 2. Aufl., § 1a Rn. 90; i.Erg. ebenso LSG Nordrhein-Westfalen vom 13.03.2020 - L 20 AY 48/19 B ER).
Zu fordern ist dabei jedoch ein dem jeweiligen Leistungsberechtigten zurechenbares Verhalten. Im Hinblick auf die gegenüber anderen existenzsichernden Leistungssystemen ohnehin reduzierten Leistungen nach dem AsylbLG gebieten das Grundrecht auf die Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine restriktive Auslegung des § 1a AsylbLG. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18.07.2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11), das zur Verfassungswidrigkeit der Höhe der Geldleistungen nach § 3 Abs. 2 Satz 2, 3 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG a.F. erging, können migrationspolitische Erwägungen, die Leistungen an Asylbewerber und Flüchtlinge niedrig zu halten, um Anreize für Wanderungsbewegungen durch ein im internationalen Vergleich eventuell hohes Leistungsniveau zu vermeiden, von vorneherein kein Absenken des Leistungsstandards unter das physische und soziokulturelle Existenzminimum rechtfertigen. Die in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren (vgl. BVerfG, aaO. - juris Rn. 95). Gemeinsame Voraussetzung der bisherigen Sanktionssysteme sowohl im AsylbLG als auch in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch ist, dass die Kürzung der Leistungen stets ein bestimmtes, vorwerfbares Verhalten oder Unterlassen des Leistungsberechtigten zur Voraussetzung haben muss. Dann hat es der Leistungsberechtigte selbst in der Hand, eine Leistungskürzung zu vermeiden bzw. zu beenden (Beschluss des Senats vom 17.09.2018 - L 8 AY 13/18 B ER - juris Rn. 27).
Lässt man es als solches pflichtwidriges Verhalten ausreichen, dass der Antragsteller trotz Kenntnis von der Zuständigkeit Rumäniens für die Durchführung seines Asylverfahrens und trotz vollziehbarer Ausreisepflicht nicht freiwillig dorthin ausreist, ist mit Blick auf die obigen Erwägungen für die Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 7 AsylbLG außerdem zu fordern, dass dem Leistungsberechtigten dieses Verhalten auch vorwerfbar ist. Vorliegend hatte der Antragsteller jedoch überhaupt keine Kenntnis von einer Verpflichtung zur freiwilligen Ausreise. Zwar wurde er auf die Zuständigkeit Rumäniens durch den Bescheid des BAMF vom 07.06.2021 sowie durch das Anhörungsschreiben des Antragsgegners vom 01.07.2021 hingewiesen. Der Bescheid des BAMF spricht jedoch nur von einer sich an die Unzulässigkeit des Asylantrags anschließenden Überstellung nach Rumänien und setzt sich im Weiteren mit der Zulässigkeit einer Abschiebung auseinander. Die Anhörung des Antragsgegners vom 01.07.2021 erschöpft sich in einer Wiederholung der Feststellungen des BAMF und dem Hinweis, dass deshalb Leistungen einzuschränken seien. Der Antragsteller wird jedoch an keiner Stelle darauf hingewiesen, dass von ihm eine freiwillige Ausreise erwartet wird, um im zuständigen Mitgliedstaat am Asylverfahren mitzuwirken. Hatte der Antragsteller jedoch überhaupt keine Kenntnis davon, welches Verhalten konkret von ihm verlangt wird, ist ein Verstoß dagegen auch nicht vorwerfbar (ebenso SG München vom 10.02.2020 - S 42 AY 82/19 ER - juris Rn. 38).
Da sich die verfügte Anspruchseinschränkung bereits aus diesem Grund in der Hauptsache sehr wahrscheinlich als rechtswidrig erweisen wird, kann offen bleiben, ob aus verfassungsrechtlichen Gründen eine (weitere) teleologische Reduktion des § 1a Abs. 7 AsylbLG dahingehend geboten ist, dass dem Antragsteller eine Rückkehr in das nach der Dublin III-Verordnung zuständige Land möglich und zumutbar sein muss, weil er andernfalls keine Möglichkeit hätte, sich der Leistungseinschränkung nach § 1a Abs. 7 AsylbLG durch ein zumutbares Verhalten - nämlich der Ausreise nach Rumänien - zu entziehen. Der Senat geht hier ohnehin davon aus, dass unter Bezugnahme auf die Feststellungen des BAMF im Bescheid vom 07.06.2021 dem Antragsteller eine Rückkehr nach Rumänien zur Durchführung seines Asylverfahrens zumutbar ist. Nach Auskunft der rumänischen Behörden befand sich der Antragsteller in Rumänien in einem noch laufenden Asylverfahren. Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG vom 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 - juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH vom 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Konvention für Menschenrechte und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entspricht. Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist daher nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris). Von diesen Voraussetzungen ist in Übereinstimmung mit der vorhandenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung für Rumänien nicht auszugehen (vgl. VG München vom 07.09.2020 - M 19 S 20.50459 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Insbesondere hat das BAMF dargelegt, dass der Antragsteller während des Asylverfahrens ausreichenden Anspruch auf medizinische Leistungen hat.
Der Anordnungsgrund ergibt sich vorliegend aus dem existenzsichernden Charakter der vom Antragsteller geltend gemachten Leistungen. Der Antragsgegner ist daher im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig Leistungen gemäß § 3 AsylbLG - wie oben dargelegt entsprechend der Regelbedarfsstufe 2 - zu gewähren. Die einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners war auf die Zeit bis zum 31.01.2022 zu beschränken, da der Antragsgegner die Anspruchseinschränkung im angefochtenen Bescheid vom 21.07.2021 beginnend ab dem 01.08.2021 auf sechs Monate befristet hat. Für die Zeit ab dem 01.02.2022 hat der Antragsgegner damit noch keine Entscheidung über den Leistungsanspruch des Antragstellers getroffen. Aufgrund des Beschlusses des SG vom 19.10.2021 bereits erbrachte Leistungen sind anzurechnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Sache.
Dem Antragsteller ist außerdem für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu bewilligen und sein Bevollmächtigter beizuordnen. Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussichten für das Beschwerdeverfahren bestehen, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, und es liegen auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen vor. Die Vertretung durch einen Bevollmächtigten erscheint erforderlich (§ 121 ZPO).
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.