L 26 KR 208/20

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
26.
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 28 KR 43/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 26 KR 208/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung

Anschluss an BSG, Urteil vom 27. Oktober 2020 - B 1 KR 3/20 R

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 19. November 2019 wird zurückgewiesen.

 

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten für Liposuktionsbehandlungen in Höhe von insgesamt 17.030,12 Euro.

 

Die 1982 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie beantragte bei dieser mit Schreiben vom 8. Mai 2016, eingegangen am 9. Mai 2016, zur Behandlung eines Lipödems der Oberschenkel und der Oberarme die Kostenübernahme für Liposuktionen an den Beinen (innen und außen) und Armen im Wege ambulant durchzuführender Operationen. Nachdem die bisher durchgeführte konservative Therapie mit manuellen Lymphdrainagen und Bestrumpfung keine Option mehr darstelle, habe sie sich für eine lymphologische Liposculptur entschieden und werde die Eingriffe in der privatärztlichen Lymphklinik CG L GmbH der geschäftsführenden ärztlichen Leiter Dr. med. C und Dr. med. G in K am 25. August 2016, 30. September 2016 und 26. Oktober 2016 vornehmen lassen. Dem Antrag waren ein Schreiben der Abteilung für Plastische Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie des Universitätsklinikums H-E vom 27. April 2016 mit einer Fotodokumentation und der Diagnose eines Lipödems im Stadium II der Oberschenkel und Oberarme beidseits mit der Empfehlung, die Frage der Kostenübernahme für eine Liposuktion mit der Krankenkasse zu klären, sowie ein Schreiben der Praxis für Operative Lymphologie CG L vom 18. April 2016 mit drei Kostenvoranschlägen zu ärztlichen Leistungen für Operationen an den Armen und Beinen (außen und innen) in Höhe von jeweils 4.540,89 Euro beigefügt. Danach leide die Klägerin seit Jahren an einem Lipödem, welches symmetrisch an Armen und Beinen ausgeprägt sei. Die Verformungen seien durch Ernährung und sportliche Aktivitäten nicht positiv zu beeinflussen. Eine Schmerzlosigkeit sei durch die Lymphdrainage nicht erreicht worden. Eine ambulant durchführbare lymphologische Liposculptur sei erfolgversprechend. Die Abrechnung der geplanten Operationen erfolge über GOÄ-Ziffern, die „teils analog geschrieben werden“ müssten. Hierbei komme ein Gesamtbetrag von ca. 13.622,67 Euro zzgl. Anästhesiekosten zustande.

 

Nach Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) (Sozialmedizinisches Gutachten nach Aktenlage vom 4. Juni 2016), wonach die geplante Liposuktion wegen der im Vordergrund stehenden Adipositas der Klägerin mit einem Body-Mass-Index (BMI) von 40,8 und der zunächst notwendigen Gewichtsreduktion auf einen BMI unter 28 aus sozialmedizinischer Sicht nicht begründet sei, lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 13. Juni 2016 unter Hinweis auf das sozialmedizinische Gutachten ab. Zur Begründung führte sie im Weiteren aus, dass keine die Beweglichkeit einschränkenden Hautlappen zu erkennen seien und akute oder chronische Entzündungen nicht vorlägen. Dagegen erhob die vormalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 17. Juni 2016 Widerspruch und bat um Akteneinsicht. Mit Schreiben vom 29. Juni 2016 wies die Beklagte die vormalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin darauf hin, dass die Akteneinsicht in ihren Brandenburger Geschäftsräumen möglich sei; eine Übersendung der Akten sei hingegen ausgeschlossen. Mit Schreiben vom 11. Juli 2016 legte die vormalige Prozessbevollmächtigte das Mandat nieder. Am 23. Dezember 2016 bat der jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerin um Akteneinsicht. Wiederum wies die Beklagte mit Schreiben vom 18. Januar 2017 daraufhin, dass eine Akteneinsicht nur in ihren Brandenburger Geschäftsräumen möglich sei. Die Akteneinsicht fand nicht statt. Einen Widerspruchsbescheid erließ die Beklagte nicht.

 

Mit der am 14. Februar 2017 vor dem Sozialgericht Potsdam erhobenen Klage hat die Klägerin unter Beifügung der Rechnungen der m Bank GmbH vom 27. Juli  2016 (Anästhesie, Behandlungszeitraum vom 12. Juli 2016 bis 26. Juli 2016) über 844,88 Euro; vom 28. Juli 2016 über 4.890,89 Euro (operative Behandlung Lipödem Beine außen vom 26. Juli 2016); vom 29. August 2016 über 4.890,89 Euro (operative Behandlung Lipödem Arme vom 25. August 2016); vom 29. August 2016 über 657,66 Euro (Anästhesie, Behandlungszeit vom 12. August 2016 bis 25. August 2016); vom 4. Oktober 2016 über 854,91 Euro (Anästhesie, Behandlungszeitraum vom 19. September 2016 bis 30. September 2016) und vom 5. Oktober 2016 über 4.890,89 Euro (operative Behandlung Lipödem Beine innen vom 1. Oktober 2016) wegen ärztlicher Behandlungen in der Praxis für operative Lymphologie (Dr. med. C) sowie durch die Privatpraxis für Schmerztherapie Dr. med. D in K (Anästhesie) mitgeteilt, dass sie sich die gegenständlichen Behandlungen zwischenzeitlich selbst beschafft habe und sie nunmehr die Kostenerstattung aufgrund einer eingetretenen Genehmigungsfiktion begehre. Der Sachleistungsantrag vom 9. Mai 2016 sei erst am 13. Juni 2016 und damit außerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) beschieden worden. Eine rechtzeitige Mitteilung der Beklagten, dass sie die Frist nicht einhalten könne, sei ihr gegenüber nicht erfolgt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 13 Abs. 3a SGB V (u.a. Urteil vom 11. Juli 2017 – B 1 KR 1/17 R -; Urteil vom 26. September 2017 - B 1 KR 8/17 R -; Urteil vom 7. November 2017 – B 1 KR 7/17 R) sei in diesen Fällen ein Kostenerstattungsanspruch anzuerkennen. Unabhängig davon wäre auch die Fünf-Wochen-Frist nicht gewahrt, da es insoweit auf das Datum des Zugangs des Bescheides bei dem Versicherten ankomme.

 

Das Sozialgericht Potsdam hat die Klage mit Urteil vom 19. November 2019 - mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung - abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass kein Anspruch auf Kostenerstattung auf Grundlage einer Genehmigungsfiktion bestehe. Die für eine Genehmigungsfiktion relevante Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V sei zwar von der Beklagten wegen fehlender Mitteilung der Begutachtung durch den MDK nicht eingehalten worden. Gleichwohl lägen die Voraussetzungen für eine Genehmigungsfiktion nicht vor. Der Genehmigungsfiktion stehe entgegen, dass die Klägerin von vorneherein auf die Behandlung durch die privatärztliche Gemeinschaftspraxis CG L festgelegt gewesen sei. Bereits bei Antragstellung habe sie mitgeteilt, dass sie sich für den operativen Eingriff in der Klinik in K entschieden habe. Neben den Kostenvoranschlägen habe sie bei der Antragstellung bereits über die konkreten Termine der anstehenden Operationen informiert. Der Antrag der Klägerin habe im Übrigen keine Leistung betroffen, die diese habe für erforderlich halten dürfen. Bei der lymphologischen Liposculptur handele es sich um eine Leistung außerhalb des Leistungssystems der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Die Klägerin habe die Leistung auch nicht subjektiv für erforderlich halten dürfen, da sie in den Beratungsgesprächen am Universitätsklinikum H-E und bei der CG L auf eine Klärung der Kostenübernahme mit der Krankenkasse hingewiesen worden sei. Es käme auch keine Kostenerstattung wegen Systemversagens nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V in Betracht. Denn diese setze einen entsprechenden Sachleistungsanspruch voraus, der nicht bestanden habe. Bei der durchgeführten Liposuktion handele es sich um eine neue Behandlungsmethode im Sinne der §§ 92 Abs. 1, 135 SGB V, für die es an einer positiven Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) fehle.

 

Gegen das der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 26. März 2020 zugestellte Urteil hat dieser am 24. April 2020 Berufung eingelegt und geltend gemacht, dass die Klägerin auf die durchgeführten Liposuktionen nicht vorfestgelegt gewesen sei; sie habe sich erst nach der ablehnenden Entscheidung der Beklagten endgültig und definitiv für die Selbstbeschaffung entschieden. Dass der schließlich gewählte Behandler kein zugelassener Leistungserbringer sei, sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für den Eintritt der Genehmigungsfiktion unproblematisch.

 

Die Klägerin hat erstmals in der Berufung den von ihr sowie dem geschäftsführenden Klinikleiter Dr. med. C unterzeichneten Behandlungsvertrag mit der Praxis für Operative Lymphologie CG L GmbH vom 26. April 2016 sowie die Kontoauszüge über die Zahlungen der für die operativen Eingriffe in Rechnung gestellten Beträge vorgelegt. In dem Behandlungsvertrag war vereinbart, dass die Klägerin mit ihrer Unterschrift erkläre, die Kosten der Behandlung für die Fettabsaugung in Tumeszenz-Lokalanästhesie in vollem Umfang zu übernehmen. Der Vertrag enthielt außerdem den Zusatz, dass die operative Behandlung nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sei und der Klägerin bekannt sei, dass weder gesetzliche noch private Krankenversicherungsträger verpflichtet seien, einen Anteil von dieser Privatliquidation für den Eingriff oder mehrere Eingriffe zu erstatten. Dies entbinde die Klägerin nicht davon, die erbrachte Leistung in vollem Umfang zu bezahlen. Zudem beinhaltete der Behandlungsvertrag den Hinweis, dass die CG L GmbH als konzessionierte Privatklinik nicht auf Grundlage der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) abrechne. 

 

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat zum Abschluss des Behandlungsvertrages ausgeführt, dass die Klägerin selbst den Vertrag am 26. April 2016 unterschrieben habe. Dr. med. C habe den Vertrag aber erst unmittelbar vor der Operation unterschrieben. Zwischen der Klägerin und der CG L sei vereinbart gewesen, dass erst der Ausgang des Antragsverfahrens abgewartet werden sollte. Nach der Ablehnung des Antrags habe die Klägerin lange mit der Entscheidung gerungen, ob sie die Eingriffe trotzdem vornehmen lasse. Schließlich habe sie sich dazu entschieden. Erst im Nachgang zu ihrer Entscheidung seien dann die OP-Termine vereinbart worden.

 

Die Klägerin beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 19. November 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten der selbstbeschafften Liposuktionen in Höhe von 17.030,12 Euro zu erstatten. 

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend und hält auch im Hinblick auf das nicht abgeschlossene Widerspruchsverfahren an ihrer Rechtsauffassung fest, dass die Klägerin nunmehr keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten habe. Der Beschaffungsweg sei nicht eingehalten worden.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

 

 

Entscheidungsgründe

 

 

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 19. November 2019 ist zulässig (vgl. § 143 ff. Sozialgerichtsgesetz – SGG), aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage auf Kostenerstattung für die selbstbeschafften Liposuktionen im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die ausdrücklich als allgemeine Leistungsklage erhobene Klage auf Kostenerstattung ist als solche unzulässig (dazu 1.). Eine ausdrücklich nicht erhobene Anfechtungs- und Leistungsklage wäre zwar ebenso wie eine isolierte Leistungsklage, worauf der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorsorglich und hilfsweise hingewiesen worden ist, im Übrigen unbegründet. Denn die Voraussetzungen einer Kostenerstattung aufgrund einer Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V (dazu 2.) sind nicht erfüllt. Die Klägerin könnte einen Kostenerstattungsanspruch auch nicht auf andere Anspruchsgrundlagen stützen (dazu 3.).

1. Die Klägerin begehrt die Kostenerstattung für die durchgeführten Liposuktionen und stützt sich dabei in erster Linie auf eine eingetretene Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V. Sie kann dieses Ziel statthaft nicht mit einer hier ausdrücklich und ausschließlich verfolgten allgemeinen Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG, wonach die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden kann, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte, erzielen. Die vom Sozialgericht als eine auf die Genehmigungsfiktion gestützte isolierte allgemeine Leistungsklage ausgelegte und als solche in der Berufung ausdrücklich weiter verfolgte Klage geht nach der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, die der erkennende Senat nach eigener Überzeugungsbildung seiner Entscheidung zugrunde legt, ins Leere, weil die Genehmigungsfiktion nicht als fingierter Verwaltungsakt beurteilt werden kann (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 25. März 2021 - B 1 KR 22/20 R - juris Rn. 12 m.w.N.; Urteil vom 26. Mai 2020 - B 1 KR 9/18 R - juris Rn. 10; Urteil vom 18. Juni 2020 - B 3 KR 14/18 R - juris Rn. 13). Eine fingierte Genehmigung nach § 13 Abs. 3a SGB V vermittelt dem Versicherten vielmehr eine Rechtsposition sui generis, die es ihm erlaubt, sich die Leistung bei Gutgläubigkeit selbst zu beschaffen und es der Krankenkasse nach erfolgter Selbstbeschaffung verbietet, eine beantragte Kostenerstattung mit der Begründung abzulehnen, nach dem Recht der GKV bestehe kein Rechtsanspruch auf die Leistung. Die Krankenkassen können geltend gemachten Kostenerstattungsansprüchen in diesen Fällen nur noch dann erfolgreich entgegentreten, wenn die Selbstbeschaffung in zumindest grob fahrlässiger Unkenntnis der Versicherten über den fehlenden Naturalleistungsanspruch erfolgte (BSG, Urteil vom 26. Mai 2020 - B 1 KR 9/18 R - juris Rn. 16). Demgegenüber begründet die Genehmigungsfiktion keinen eigenständigen Sachleistungsanspruch, der zur Selbstbeschaffung der Leistung berechtigen würde (BSG, Urteil vom 26. Mai 2020 - B 1 KR 9/18 R - juris). Die nach Fristablauf fingierte Genehmigung eines Antrags auf Leistungen hat selbst nicht die Qualität eines Verwaltungsaktes und beendet nicht das durch den Antrag in Gang gesetzte Verwaltungsverfahren, so dass die Krankenkasse weiterhin berechtigt und grundsätzlich verpflichtet ist, über den Leistungsantrag zu entscheiden und damit das laufende Verwaltungsverfahren abzuschließen (BSG, Urteil vom 26. Mai 2020 - B 1 KR 9/18 R - juris Rn. 16). Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, wäre das eigentliche Klageziel einer Kostenerstattung vorliegend statthaft nur mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1, 4 SGG zu erreichen gewesen. Eine solche Klage, bei der auch der ablehnende Bescheid vom 13. Juni 2016 Gegenstand des Verfahrens gewesen wäre, sollte aber nach dem erklärten Willen der Klägerin gerade nicht erhoben werden. Diese beabsichtigte nach den Ausführungen ihres Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vielmehr, nach Abschluss des vorliegenden gerichtlichen Verfahrens das Vorverfahren bei der Beklagten weiterzuverfolgen und ihren geltend gemachten Anspruch ggf. auf außergerichtlichem Weg erneut zu verfolgen.  

 

Nur vorsorglich weist der Senat daher auf Folgendes hin: Eine insoweit statthafte kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage auf Erstattung der Kosten für die durchgeführten Liposuktionsbehandlungen unter Einbeziehung des Bescheides vom 13. Juni 2016 wäre auch trotz des nach § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG vorgesehenen, aber hier unbeendeten Vorverfahrens zulässig gewesen. Die Beklagte hat zwar über den von der Klägerin gegen den Bescheid vom 13. Juni 2016 erhobenen Widerspruch - unter Verkennung des § 84a SGG, der eine Aktenversendung wie hier an einen verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwalt gerade ermöglichen soll - noch nicht durch Widerspruchsbescheid entschieden, so dass das Widerspruchsverfahren vor Erhebung der Klage nicht ohne Erfolg für die Klägerin beendet war. Wegen der objektiven Funktion des Vorverfahrens und seiner förmlichen Ausgestaltung nach § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG kann der Widerspruchsbescheid - auch im Hinblick auf prozessökonomische Erwägungen - prinzipiell zwar nicht durch eine sachliche, auf Klageabweisung gerichtete Einlassung oder durch eine Klageerwiderung der für den Widerspruch zuständigen Behörde ersetzt werden; mit diesem Verständnis des Widerspruchsverfahrens zugunsten einer Selbstkontrolle der Verwaltung und zulasten der Prozessökonomie soll der Schutz des betroffenen Bürgers verbessert und die Sozialgerichtsbarkeit entlastet werden (BSG, Urteil vom 25. April 2007 - B 12 AL 2/06 R - juris Rn. 20). Auch besondere Erklärungen in der mündlichen Verhandlung stellen in der Regel keine Widerspruchsentscheidung dar (vgl. BSG, Urteil vom 14. April 2011 - B 8 SO 12/09 R - juris Rn. 15; vgl. auch Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl., § 78 Rn. 3c). Das Fehlen einer Widerspruchsentscheidung trotz Vorverfahrenspflicht nach § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG führt zur Vermeidung einer Prozessabweisung daher im allgemeinen dazu, den Beteiligten Gelegenheit zur Nachholung des Vorverfahrens zu geben. Die Nachholung ist jedoch ausnahmsweise dann entbehrlich, wenn von vornherein oder aufgrund der Stellungnahmen im Prozess ersichtlich ist, dass das noch mögliche Vorverfahren eine gerichtliche Auseinandersetzung nicht zu vermeiden vermag. Dann wäre es eine reine Förmelei, würde auf der Durchführung des Vorverfahrens bestanden werden (BSG, Urteil vom 12. Dezember 1985 – 7 RAr 23/84 – juris Rn. 16; Landessozialgericht [LSG] Hessen, Urteil vom 25. März 2014 – L 3 U 42/10 – juris Rn. 42). So liegt der Fall hier. Dem mit der Berufung weiterverfolgten Begehren der Klägerin ist die Beklagte im Klageverfahren und in der Berufung – auch in Kenntnis des erstmals vorgelegten Behandlungsvertrages – zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eindeutig entgegengetreten. Die gegenteiligen Rechtsauffassungen sind zwischen den Beteiligten mehr als fünf Jahre nach Erlass des Bescheides vom 13. Juni 2016 und zwischenzeitlicher Selbstbeschaffung erschöpfend ausgetauscht. Von der Beendigung des Widerspruchsverfahrens wäre keine andere Entscheidung der Beklagten zu erwarten. Insoweit war die Nachholung des Widerspruchverfahrens zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung entbehrlich.

 

2. In der Sache wären die Anfechtungs- und Leistungsklage, aber auch eine isolierte Leistungsklage unbegründet. Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Kostenerstattung aufgrund fingierter Genehmigung nach § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V sind vorliegend nicht erfüllt. Zwar hat die Beklagte über den Leistungsantrag nicht innerhalb der nach § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V vorgegebenen Frist entschieden. Die Klägerin war jedoch nach Überzeugung des Senats auf die in Anspruch genommene Behandlung bei der CG L GmbH vorfestgelegt. Diese Vorfestlegung steht einem Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3a SGB V entgegen.  

 

Nach § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Kann die Krankenkasse die Fristen nach Satz 1 nicht einhalten, teilt sie dies dem Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (Satz 5). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (Satz 6). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (Satz 7). § 13 Abs. 3a SGB V normiert mit diesen Regelungen einen eigenen Fall eines "Systemversagens" (vgl. zu dieser terminologischen Einordnung Kingreen in Becker/Kingreen, SGB V, 7. Aufl 2020, § 13 Rn. 16 ff), in welchem abweichend vom in der GKV geltenden Sachleistungsprinzip (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) ausnahmsweise Kostenerstattung verlangt werden kann (vgl. zur Rechtsnatur als reiner Kostenerstattungsanspruch, BSG, Urteil vom 26. Mai 2020 - B 1 KR 9/18 R - juris). Das Sachleistungsprinzip, an das auch § 13 Abs. 1 SGB V anknüpft, verlangt, dass Krankenkassen medizinische Sach- und Dienstleistungen grundsätzlich als Naturalleistungen zur Verfügung stellen. Der Gesetzgeber hat in § 13 Abs. 3 und auch in § 13 Abs. 3a SGB V demgegenüber Fälle definiert, in welchen er dieses System als gescheitert ansieht und sich der Versicherte daher ausnahmsweise Leistungen gegen Kostenerstattung selbst beschaffen kann. Fälle des Systemversagens liegen aber nicht vor, wenn sie für die Selbstbeschaffung des Versicherten gar nicht ursächlich werden (BSG, Urteil vom 27. Oktober 2020 – B 1 KR 3/20 R – juris Rn. 13).

 

Ausgehend von einem Eingang des Leistungsantrags der Klägerin bei der Beklagten am 9. Mai 2016 hat die Beklagte die durch die Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung ohne diesbezügliche Mitteilung an die Klägerin maßgebende dreiwöchige Entscheidungsfrist nach § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V nicht eingehalten. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der der Senat folgt, ist die fünfwöchige Entscheidungsfrist bei Einschaltung des MDK nur maßgebend, wenn die Krankenkasse den Versicherten fristgerecht von der Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme unterrichtet hat. Ohne eine solche Unterrichtung, die vorliegend unterblieben ist, darf der Versicherte bereits nach drei Wochen annehmen, dass der Antrag als genehmigt gilt (BSG, Urteil vom 6. November 2018 - B 1 KR 20/17 R - juris Rn. 20; Urteil vom 26. Februar 2019 - B 1 KR 21/17 R - juris Rn. 19). Die dreiwöchige Entscheidungsfrist der Beklagten begann hier gemäß § 26 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. § 187 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) am 10. Mai 2016 und endete gemäß § 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB am 30. Mai 2016. Maßgeblich für den Beginn der Entscheidungsfrist ist dabei die Bekanntgabe des Verwaltungsaktes nach § 37 Abs. 2 SGB X und nicht der Zeitpunkt der behördeninternen Entscheidung (BSG, Urteil vom 6. November 2018 - B 1 KR 20/17 R - juris Rn. 20). Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 13. Juni 2016 galt nach § 37 Abs. 2 SGB X erst drei Tage später, damit am 16. Juni 2016 und somit nach Ablauf der dreiwöchigen Frist als bekanntgegeben. Damit hatte die Beklagte den die beantragten Liposuktionen ablehnenden Bescheid vom 13. Juni 2016 nicht innerhalb der durch § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V vorgegebenen Entscheidungsfrist erlassen. Jedoch tritt die Genehmigungsfiktion auch bei der Überschreitung der Entscheidungsfrist durch die Krankenkasse nicht ein, wenn die Versicherte bzw. der Versicherte bereits vor Ablauf der Entscheidungsfristen auf die Selbstbeschaffung der beantragten Leistungen vorfestgelegt war (vgl. BSG, Urteil vom 27. Oktober 2020 - B 1 KR 3/20 R - juris). Dies war hier der Fall. Die Klägerin war auf die nicht in das GKV-System einbezogenen Leistungserbringer, die Praxis für operative Lymphologie, Dr. med. C, in K sowie die Privatpraxis für Schmerztherapie Dr. med. D in K, vorfestgelegt. Dies folgt eindeutig daraus, dass sie den Behandlungsvertrag mit der CG L GmbH über die Liposuktionen bereits am 26. April 2016 und damit noch vor der Antragstellung bei der Beklagten am 9. Mai 2016 unterzeichnet hat. Ein Fall des Systemversagens infolge Zeitablaufs, wie ihn ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3a SGB V voraussetzt, liegt in einem solchen Fall nicht vor.

Insoweit nimmt der Senat auf die überzeugende Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Bezug, das in einer Entscheidung zu einem vergleichbaren Fall, in dem die dortige Klägerin einen nahezu gleichlautenden Behandlungsvertrag über Liposuktionsbehandlungen 13 Tage nach der Stellung des Leistungsantrags bei der dortigen Krankenkasse geschlossen hatte, ausgeführt hat (BSG, Urteil vom 27. Oktober 2020 – B 1 KR 3/20 R – juris Rn. 14ff.), dass ein gesetzlicher Fall eines „Systemversagens“ nach § 13 Abs. 3a SGB V nicht vorliegt, wenn dieses für die Selbstbeschaffung durch den Versicherten gar nicht ursächlich wird, was dann der Fall ist, wenn der Versicherte sich von vorneherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung durch einen bestimmten Leistungserbringer festgelegt hat und fest entschlossen ist, sich die Leistung selbst dann zu beschaffen, falls die Krankenkasse den Antrag ablehnen sollte. Das mit einer Entscheidung der Krankenkasse abzuschließende Verwaltungsverfahren stellt keinen "Formalismus" dar, und zwar weder in dem Sinne, dass es ganz entbehrlich ist, noch in dem Sinne, dass es zwar durchlaufen werden muss, aber der Versicherte dennoch schon vorbereitende Schritte einleiten darf, die Ausdruck seiner Entschlossenheit sind, sich die Leistung in jedem Fall endgültig zu verschaffen. § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V eröffnet dem Versicherten einerseits die Möglichkeit, sich eine von der Krankenkasse geschuldete, aber als Sachleistung nicht erhältliche Behandlung selbst zu beschaffen. Andererseits sichert das Gesetz die Befolgung des Sachleistungsgrundsatzes dadurch ab, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke festgestellt wird. Diese Feststellung zu treffen, ist nicht Sache des Versicherten, sondern der Krankenkasse, da nur diese in der Regel einen vollständigen Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen und die vorhandenen Versorgungsstrukturen hat. Mit Hilfe dieser Informationen kann sie zuverlässig beurteilen, ob die begehrte Behandlung überhaupt zu den Leistungen der GKV gehört und wenn ja, wie sie in dem bestehenden Versorgungssystem realisiert werden kann. Eine vorherige Prüfung durch die Krankenkasse, verbunden mit der Möglichkeit einer Beratung des Versicherten, ist sachgerecht; sie liegt gerade auch im eigenen Interesse des Versicherten, weil sie ihn von dem Risiko entlastet, die Behandlungskosten gegebenenfalls selbst tragen zu müssen, wenn ein zur Erstattungspflicht führender Ausnahmetatbestand nicht vorliegt. Diese Zwecke der Vorbefassung der Krankenkasse mit dem Leistungsbegehren des Versicherten werden durch dessen Vorfestlegung vereitelt (BSG, Urteil vom 8. September 2015 - B 1 KR 14/14 R - juris Rn.10). Ein Kostenerstattungsanspruch wird im Falle einer solchen Vorfestlegung auch nicht dadurch "wiedereröffnet", dass die Krankenkasse die in § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V geregelte Entscheidungsfrist verstreichen lässt. Schon der Wortlaut der Norm spricht für einen Kausalzusammenhang zwischen Fristversäumnis und Kostenerstattung. Wenn keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes erfolgt, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (Satz 6). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (Satz 7). Diese Formulierung spricht - wie die des § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V - dafür, dass zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (Fristablauf) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) ein Ursachenzusammenhang bestehen muss. Dafür sprechen ferner die systematische Einordnung des § 13 Abs. 3a SGB V als Kostenerstattungsanspruch in das Regelungsregime des § 13 SGB V sowie Sinn und Zweck der Regelung. Mit § 13 Abs. 3a SGB V hat der Gesetzgeber einen zusätzlichen Fall des Systemversagens geschaffen, wenn eine Krankenkasse unzumutbar lange für eine Entscheidung braucht. Die gesetzlich vorgesehene Vorbefassung der Krankenkasse in Form eines Verwaltungsverfahrens wird – wie aufgeführt - dadurch nicht entbehrlich, vielmehr soll dieses Verfahren über die beantragte Leistung zugunsten des Versicherten beschleunigt werden. Das Sachleistungsprinzip (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) und der Zweck der Vorbefassung der Krankenkasse würden insgesamt infrage gestellt, räumte man dem Versicherten im Rahmen von § 13 Abs. 3a SGB V "das Recht" ein, sich schon vor dem Fristablauf auf die Selbstbeschaffung der - als Sachleistung - beantragten Leistung festzulegen. Solange die Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V noch nicht abgelaufen ist, hat die Krankenkasse die Pflicht und das Recht, über die begehrte Leistung eine Entscheidung zu treffen. Erst wenn sie davon ungebührlich lange Zeit keinen Gebrauch macht, wandelt sich der Sachleistungsanspruch in einen Kostenerstattungsanspruch um, soweit Leistungen dann tatsächlich in Anspruch genommen werden (vgl. BSG vom 26. Mai 2020 - B 1 KR 9/18 R - juris). Hat ein Versicherter dagegen schon zuvor eigenmächtig das Sachleistungsprinzip infolge Vorfestlegung "verlassen", ist auch der Anwendungsbereich des in § 13 Abs. 3a SGB V normierten Systemversagens nicht gegeben. Die Vorabentscheidung des Versicherten und nicht die verstrichene Frist ist dann ursächlich für die dem Versicherten entstandenen Kosten (BSG, Urteil vom 27. Oktober 2020 - B 1 KR 3/20 R - juris Rn. 14 ff.).

 

Die Klägerin war nach Überzeugung des Senats im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts unabhängig von der Entscheidung der Beklagten über ihren Sachleistungsantrag vom 9. Mai 2016 und damit ohne ursächlichen Zusammenhang zu der ablehnenden Entscheidung vom 13. Juni 2016 auf die von ihr selbst beschafften Liposuktionen vorfestgelegt. Sie hat den Behandlungsvertrag mit der CG L GmbH bereits am 26. April 2016 ohne Vorbehalt unterschrieben und damit dokumentiert, dass sie sich zur Durchführung der Liposuktionsbehandlung bei der CG L GmbH entschlossen hatte. Sie verpflichtete sich mit dem Behandlungsvertrag ausdrücklich zur eigenen Zahlung des Gesamtbetrages von 14.672,67 Euro (ohne die Kosten der Anästhesie). Die Unterschrift leistete sie in Kenntnis der ausdrücklichen Regelung des Vertragstexts, wonach weder gesetzliche noch private Krankenversicherungsträger verpflichtet sind, einen Anteil der Privatliquidation für die Eingriffe zu erstatten und die Klägerin dies nicht von der Bezahlung der Leistung in vollem Umfang entbindet. Der Vertragstext entsprach nach seinem Inhalt, wonach die operative Behandlung nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung ist und die Klägerin auch ohne eine Verpflichtung der gesetzlichen Krankenversicherungsträger zur Erstattung der Privatliquidation für die Eingriffe, nicht davon entbunden werde, die erbrachte Leistung in vollem Umfang zu bezahlen, exakt der Vertragsformulierung in dem von dem Bundessozialgericht zu entscheidenden Fall. Hier wie dort wurde mit dem Abschluss dieses gleichlautenden Behandlungsvertrages nach §§ 630a ff. BGB klar zu erkennen gegeben, dass die Liposuktionen unabhängig von der Krankenkasse durchgeführt werden sollten. Insoweit konnte auch vorliegend im Ergebnis offen bleiben, ob die Klägerin bereits durch ihre Vertragsunterschrift Leistungen im Sinne des § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V „selbst beschafft“ hat. Denn mit der Unterschrift unter diesen Vertrag hat die Klägerin – ohne dass es auf die zivilrechtliche Wirksamkeit dieses Vertrages als Behandlungsvertrag im Sinne von § 630a ff. BGB ankommt – klar zu erkennen gegeben, dass sie die Behandlung unabhängig von der Entscheidung der Beklagten in jedem Fall durchführen lassen wollte. Dafür, dass die Klägerin zur Durchführung der Liposuktionsbehandlungen bereits vor Ablauf der Entscheidungsfrist fest entschlossen war, spricht auch der Leistungsantrag vom 9. Mai 2016. Sie hatte hierin auf konkret vereinbarte Operationstermine mit der CG L GmbH und ihren Entschluss zur Durchführung der operativen Eingriffe in dieser Privatklinik hingewiesen. Dass der Behandlungsvertrag ggf. nach § 627 BGB außerordentlich kündbar gewesen wäre, spielt insoweit keine Rolle. Denn die Klägerin hat den Vertrag nicht gekündigt. Auch das Vorbringen in der Berufung, wonach die Unterschrift des für die CG L GmbH geschäftsführenden ärztlichen Leiters Dr. med. C erst unmittelbar vor den Eingriffen erfolgt und vereinbart gewesen sei, zunächst die Bescheidung des Leistungsantrags abzuwarten, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn selbst unterstellt, dass der ärztliche Leiter der CG L GmbH den Behandlungsvertrag unmittelbar vor dem ersten Eingriff am 26. Juli 2016 und damit erst nach Ablauf der dreiwöchigen Entscheidungsfrist unterschrieben hätte, wäre die Wirksamkeit des Vertrages nur noch von dessen Unterschrift abhängig gewesen, so dass sich die Klägerin von dem Vertrag nicht mehr einseitig hätte lösen können. Aber auch unabhängig von der zivilrechtlichen Wirksamkeit des Behandlungsvertrages und der Frage, ob die Klägerin den Vertrag zunächst nur für sich intern unterschrieben hatte, spricht für die Vorfestlegung entscheidend, dass die Klägerin mit ihrer Unterschrift unter den Vertrag klar zum Ausdruck gebracht hat, dass sie die Liposuktionen unabhängig von der Entscheidung der Beklagten vornehmen lassen wollte. Hiermit hat sie das Sachleistungssystem der Beklagten auf eigenen Entschluss verlassen, was die Umwandlung in einen Kostenerstattungsanspruch verhindert. Daran ändert auch der erstmalige Vortrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, wonach sie den Behandlungsvertrag nur pro forma unterschrieben, die Operationstermine sozusagen „auf Halde“, also vorsorglich vereinbart habe, keine Vorauszahlungen geleistet und zum Zeitpunkt ihrer eigenhändigen Unterschrift auch noch kein Geld zur Finanzierung der Liposuktionen zur Verfügung gehabt habe, sondern dieses erst durch ein Darlehen der Schwiegereltern zu einem späteren Zeitpunkt zur Verfügung gestanden habe, nichts. Denn hieraus ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin ihren Entschluss zur Durchführung der Liposuktionsbehandlungen von der Entscheidung der Beklagten über ihren Sachleistungsantrag abhängig machen wollte. Dass mit der Unterzeichnung des Vertrages durch die Klägerin am 26. April 2016 die Finanzierung der Behandlung noch nicht geklärt war, spricht nach Überzeugung des Senats vielmehr dafür, dass sie zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung den Entschluss zur Behandlung unabhängig von der konkreten Finanzierungsmöglichkeit getroffen hatte. Für die Vorfestlegung spricht - wie ausgeführt - auch der Leistungsantrag vom 9. Mai 2016 selbst, in dem die Klägerin angegeben hat, dass sie sich für die lymphologische Liposculptur entschieden habe und die operativen Eingriffe in der Lymphklinik CG L vornehmen lasse. Hieraus geht nach Überzeugung des Senats unmissverständlich hervor, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Antragstellung zur Durchführung der operativen Eingriffe bei der CG L unabhängig von der Entscheidung der Beklagten fest entschlossen war.

 

3. Der Klägerin stünde wegen ihrer Vorfestlegung auch kein Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V wegen rechtswidriger Ablehnung einer Leistung zu. Dafür, dass sich insoweit nach Abschluss des Behandlungsvertrags bis zur Entscheidung durch die Beklagte etwas geändert hat, bestehen keine Anhaltspunkte. Von einem etwaigen Kündigungsrecht hat die Klägerin - wie ausgeführt - keinen Gebrauch gemacht, sondern vielmehr die Operationen wie von ihr beabsichtigt durchführen lassen.

 

Ein Kostenerstattungsanspruch würde sich auch nicht aus § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 SGB V ergeben, weil die durchgeführte Behandlung nicht unaufschiebbar war. Dies ist dann der Fall, wenn eine Leistungserbringung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs bis zur Entscheidung der Krankenkasse mehr besteht (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 8/06 R - juris Rn. 23). Anhaltspunkte für eine besondere Dringlichkeit der Leistung zum Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung sind nicht erkennbar. Sie folgen insbesondere nicht aus den ärztlichen Stellungnahmen des Universitätsklinikums H-E vom 27. April 2016 und der CG L GmbH vom 18. April 2016. Dass aus beiden Stellungnahmen hervorgeht, dass die Klägerin bei fehlender entscheidender Befundbesserung durch konservative Maßnahmen wie Lymphdrainage und der Verwendung von Kompressionen von den Liposuktionen im Sinne einer Beschwerdelinderung bzw. einer Schmerzlosigkeit profitieren könne, genügt für eine Unaufschiebbarkeit einer Leistung allein nicht. Es ist bereits zweifelhaft, ob die Liposuktion im Vorfeld einer im MDK-Gutachten vom 4. Juni 2016 dringend empfohlenen Gewichtsreduktion bei festgestellter Adipositas der Klägerin mit einem BMI von 40,8 kg/m² überhaupt medizinisch indiziert sein konnte. Insoweit ist auf die inzwischen erlassene Richtinline des GBA auf Grundlage des § 136 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V über Maßnahmen zur Qualitätssicherung bei Verfahren der Liposuktion bei Lipödem im Stadium III in der Fassung vom 19. September 2019 (im Folgenden: Richtlinie) zu verweisen, wonach die Liposuktion im Stadium III - bei der Klägerin wurde „nur“ das Stadium II festgestellt - mittlerweile eine zunächst bis 31. Dezember 2024 befristete Leistung der GKV sein kann, deren Voraussetzungen die Klägerin vor der Liposuktionsbehandlung nicht erfüllt hätte. Danach darf die Liposuktion zur Behandlung des Lipödems zu Lasten der Krankenkassen nur eingesetzt werden, wenn das Vorliegen eines Lipödems im Stadium III diagnostiziert ist und die Indikation für eine Liposuktion gestellt wurde (§ 4 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie), wobei bei einem BMI ab 40kg/m², den die Klägerin vor den Behandlungen aufwies, keine Liposuktion durchgeführt werden soll (§ 4 Abs. 4 der Richtlinie). 

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.

Rechtskraft
Aus
Saved