L 1 BA 28/19

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
1.
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 81 BA 32/18
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 BA 28/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Ein Vorstandsmitglied einer Stiftung kann beschäftigt im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV sein, auch wenn es durch ein doppeltes Stimmrecht Vorstandsbeschlüsse blockieren kann und es auch kein den Vorstand kontrollierendes weiteres Organ der Stiftung gibt.

Die Berufungen werden zurückgewiesen.

Im Berufungsverfahren sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

 

Tatbestand

 

Im Streit steht ein Prüfbescheid mit Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen und Umlagen in Höhe von insgesamt 30.096,36 € für die Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2015.

 

Die seit 1999 bestehende Klägerin ist eine rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts. Sie ist gemeinnützig und wurde in Umsetzung des letzten Willens des Stifters gegründet.

 

Organe der Klägerin sind nach § 4 Nr. 1 der Satzung der Vorstand und das Kuratorium. Der Vorstand besteht nach § 5 Nr. 1 der Satzung aus mindestens zwei und höchstens vier Personen Zu ersten Vorstandsmitgliedern wurden die Ehefrau des Stifters I A, die 1943 geborene Beigeladene zu 1) sowie der mittlerweile verstorbene Rechtsanwalt und Notar K S bestellt. Jedes Vorstandsmitglied kann durch einfache schriftliche Erklärung gegenüber der Stiftung jederzeit eine andere Person als Nachfolger bestimmen und anordnen, unter welchen Voraussetzungen der Vorstandswechsel erfolgen soll (§ 5 Nr. 2 S. 1 der Satzung). Der von dem Vorsitzenden des Vorstands bestimmte Nachfolger wird mit Antritt der Nachfolge ohne weiteres neuer Vorsitzender des Vorstandes, ohne dass es hierfür einer gesonderten Wahl durch die Mitglieder des Vorstandes bedarf, wenn dies in der Nachfolgebestimmung durch den Vorstandsvorsitzenden ausdrücklich bestimmt wird (§ 5 Nr. 2 Abs. 2 der Satzung). Nach § 5 Nr. 4 der Satzung werden Vorstandsbeschlüsse mit einfacher Mehrheit der Stimmen der Anwesenden Vorstandsmitglieder gefasst, soweit in der Satzung nichts anderes bestimmt ist. Der Vorstand ist nur beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder anwesend sind. Nach § 5 Ziffer 5 der Satzung bedürfen nur Beschlüsse über den Erwerb, die Veräußerung oder die Belastung von Grundstücken eines einstimmig von allen Vorstandsmitgliedern gefassten Beschlusses. Gleiches gilt für die Beschlussfassung über die Bestellung und Abberufung von Kuratoriumsmitgliedern, die Aufnahme von Darlehen sowie über die Anlage des Stiftungsvermögens, soweit diese einen Betrag von 75.000,00 DM im Einzelfall und/oder einen Betrag von 150.00,00 DM im Kalenderjahr übersteigen. Dem Vorsitzenden stehen bei der Beschlussfassung des Vorstands zwei Stimmen zu.

 

Nach § 6 Nr. 1 der Satzung verwaltet der Vorstand die Stiftung nach Maßgabe der Satzung in eigener Verantwortung. Er hat dabei den Willen des Stifters so wirksam und nachhaltig wie möglich zu erfüllen. Jedes Vorstandsmitglied hat Anspruch auf angemessene Vergütung, deren Höhe vor der Auszahlung von der Aufsichtsbehörde zu genehmigen ist (§ 6 Nr. 2 der Satzung). Der Vorstand vertritt die Stiftung gerichtlich und außergerichtlich; er hat die Stellung eines gesetzlichen Vertreters. Jedes Vorstandsmitglied ist nur gemeinschaftlich mit einem anderen Vorstandsmitglied zur Vertretung der Stiftung berechtigt (§ 6 Nr. 4 der Satzung). Aufgabe des Kuratoriums ist es, gemeinsam mit dem Vorstand über die Vergabe der Fördermittel der Stiftung zu entscheiden (§§ 7, 8 der Satzung).

 

Kurz vor ihrem Tode bestimmte Frau A die Beigeladene zu 2) zu ihrer Nachfolgerin. Ab dem 27. August 2014 war die Beigeladene zu 2) Vorstandsvorsitzende der Klägerin.

 

Neben ihrer Tätigkeit als Vorsitzende bzw. Mitglied des Vorstandes waren die Beigeladenen zu 1) und 2) bei der Klägerin auch als Hausverwalterinnen angestellt, die Beigeladene zu 1) seit 1983 bis zum 30. November 2014 aufgrund mündlicher Vereinbarung und die Beigeladene zu 2) aufgrund eines Einstellungsvertrages seit dem 1. Mai 2013. Die Beigeladene zu 1) war im Umfang von 40 Stunden wöchentlich angestellt und erhielt hierfür ein monatliches Entgelt in Höhe von zunächst 2.210,-- € und später 2.300,-- €. Die Arbeitszeit der Beigeladenen zu 2) betrug nach dem Anstellungsvertrag wöchentlich 36 Stunden. Sie erhielt eine monatliche Vergütung in Höhe von 2.910,00 €. Für ihre Vorstandstätigkeit erhielt die Beigeladene zu 2) als Vorsitzende des Vorstands eine jährliche Vergütung in Höhe von 36.000,00 €, die Beigeladene zu 1) und der weitere Vorstand Sauter jeweils 24.000,00 €.

 

Die Klägerin meldete (nur) die Hausverwaltungstätigkeiten der Beigeladenen zu 1) und 2) bei den zuständigen Einzugsstellen an und entrichtete auf die dafür gezahlten Vergütungen Sozialversicherungsbeiträge und Umlagebeträge, nicht jedoch für die Vorstandsvergütungen.

 

In der Zeit vom 12. Dezember 2016 bis 27. Dezember 2016 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) für die Zeit vom 1. Januar 2012 bis 31. Dezember 2015 durch.

 

Im Rahmen der Anhörung gab die Klägerin dabei an, soweit neben dem jeweiligen Vorstandsamt Arbeitsverhältnisse bestanden hätten, seien diese unabhängig vom Vorstandsamt und umgekehrt. Die Stellung der Vorstandsmitglieder der Klägerin stelle sich als vollständig und uneingeschränkt selbständig und unabhängig dar und überschreite im Vergleich zu einem Vereinsvorstand oder dem Vorstand einer Aktiengesellschaft das Maß an Unabhängigkeit. Sie sei unabhängig und weisungsfrei ausgeübt worden und keinem stiftungseigenem Kontrollgremium unterstellt gewesen. Bei allen vorangegangenen Betriebsprüfungen seit dem Bestehen der Stiftung sei das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung für alle Vorstandsmitglieder verneint worden.

 

Mit Bescheid vom 15. Februar 2017 forderte die Beklagte 30.096,36 € Sozialversicherungsbeiträge sowie Umlagebeträge für die Beigeladenen zu 1) und 2) im Prüfzeitraum 1. Januar 2012 bis 31. Dezember 2015 nach.

 

Hiergegen erhob die Klägerin am 30. März 2017 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, die Beklagte gehe in unzutreffender Weise davon aus, dass die Vorstandsarbeit nur gelegentlich ausgeübt worden sei. Hingegen habe dem Vorstand die verantwortliche Geschäftsführung für die gesamte Stiftung ununterbrochen und dauerhaft oblegen. Die Vorstandsmitglieder seien gänzlich weisungsfrei und hinsichtlich Ort und Zeit ungebunden gewesen. Die Beklagte habe bei ihrer Entscheidung auch Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes unberücksichtigt gelassen. Die persönliche Unabhängigkeit der Vorstandsmitglieder werde auch durch den Umstand belegt, dass die Zahlung der Vorstandsvergütung als Jahresbetrag jeweils zum Ende eines Kalenderjahres erfolgt sei. Auch die Höhe der Vergütung rage weit über die Höhe der im Rahmen der Anstellungsverhältnisse für Hausverwaltungsangestellte gezahlten Arbeitsentgelte hinaus.

 

Die Beklagte befragte die Beigeladenen zu 1) und zu 2) zu ihren Tätigkeiten. Die Beigeladene zu 1) gab an, beide Tätigkeiten – Hausverwaltung und Vorstandstätigkeit – in den Büroräumen der Stiftung und der Hausverwaltung ausgeübt zu haben. Die Vorstandssitzungen hätten in der Kanzlei des Vorstandes Sauter stattgefunden. Vorbereitungen für die Vorstandssitzungen habe sie auch zu Hause vorgenommen, ebenso bei Bedarf Telefonate nach Dienstschluss. Die Beigeladene zu 2) gab im Rahmen von persönlichen Vorsprachen bei der Beklagten ausweislich der bei den Verwaltungsakten befindlichen Gesprächsvermerke an, es habe keine Trennung zwischen Stiftung und Hausverwaltung gegeben.

 

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2017 zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend zum Bescheid aus, bei mehreren Tätigkeiten für den selben Arbeitgeber sei einheitlich eine selbständige Tätigkeit oder abhängige Beschäftigung nach dem hierfür überwiegenden Gesamterscheinungsbild anzunehmen. Bei beiden Beigeladenen überwiege die Hausverwaltertätigkeit. Auf Vertrauensschutz aufgrund vorangegangener Betriebsprüfungen könne sich die Klägerin nicht berufen.

 

Hiergegen hat die Klägerin am 15. Januar 2018 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Zu deren Begründung hat sie ihr Vorbringen wiederholt. Ergänzend hat sie argumentiert, ausschlaggebend sei, dass die Beigeladene zu 2) aufgrund des mit dem Amt der Vorstandsvorsitzenden verbundenen Stimmgewichts jegliche Beschlussfassung des Vorstands und damit zugleich auch jede arbeitgeberseitige Weisung habe verhindern können. Mit der Übernahme des Vorstandsamtes habe schon rein begrifflich insgesamt kein Arbeitsverhältnis mehr vorgelegen. Die Stimmverhältnisse im Vorstand beträfen alleine die interne Willensbildung im Rahmen der insgesamt als selbständig anzusehenden Vorstandstätigkeit.

 

In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 25. Februar 2019 hat die Beigeladene zu 2) erklärt, vom Umfang her seien ¾ ihrer Arbeitszeit auf die Tätigkeit in der Hausverwaltung und ¼ auf die Vorstandarbeit entfallen. Auch im Rahmen der Hausverwaltung habe sie wesentliche Entscheidungen nicht selbst treffen können. Sie sei nicht Einzelkonten berechtigt gewesen. Lediglich Abrechnungen habe sie selbst vorgenommen und auch einige Mietverträge geschlossen.

 

Das SG hat die Klage mit Urteil vom selben Tag abgewiesen. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, die Beklagte habe die Sozialversicherungsbeiträge und Umlagebeträge zu Recht nachgefordert, weil es sich bei der Vorstandstätigkeit der Beigeladenen zu 1) und 2) jeweils um abhängige und damit dem Grunde nach versicherungs- und beitragspflichtige Beschäftigungen gegen Arbeitsentgelt handele. Für die statusrechtliche Beurteilung der Vorstandstätigkeit seien die von der Rechtsprechung für GmbH-Geschäftsführer geltenden Grundsätze entsprechend heranzuziehen. Es sei danach entscheidend, ob die in Rede stehende Person aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlich begründeten Rechtsmacht in der Lage sei, durch Einflussnahme auf das maßgebliche Entscheidungsorgan die Geschicke der Gesellschaft zu bestimmen oder zumindest nicht genehme Weisungen verhindern zu können. Die im wesentlichen alleinige Anknüpfung an die Rechtsmacht sei auch vorliegend sachgerecht. Sie diene vor allem dem besonders wichtigen Interesse der Vorhersehbarkeit sozialversicherungsrechtlicher Statusentscheidungen.

 

Nach diesen Maßstäben seien die Beigeladenen zu 1) und 2) als Vorstandsmitglieder abhängig beschäftigt gewesen. Denn alle drei Vorstandsmitglieder seien für die Ausübung der ihnen nach der Satzung zugewiesenen Verwaltungstätigkeit stets auf die Mitwirkung zumindest eines weiteren Vorstandsmitgliedes angewiesen gewesen. Dies gelte auch für die Beigeladene zu 2) als Vorstandsvorsitzende trotz ihres doppelten Stimmrechts. Es mache keinen Unterschied, ob die Vorstandmitglieder der Aufsicht und Kontrolle eines rechtlich selbständigen Gremiums wie Stiftungsrat, Gesellschafter- oder Mitgliederversammlung unterstünden oder ob sie – wie hier – (nur) intern durch die übrigen Vorstandsmitglieder kontrolliert würden. Soweit die Klägerin und die Beigeladene zu 1) darauf abgestellt hätten, dass jene im Prüfzeitraum bereits Altersrentnerin gewesen sei, habe die Beklagte dies zutreffend berücksichtigt, indem sie hinsichtlich der Beigeladenen zu 1) nur den jeweils ermäßigten Beitragssatz gefordert habe.

 

Gegen diese am 1. März 2019 zugestellte Entscheidung richten sich die Berufungen der Beigeladenen zu 2) vom 26. März 2019 und der Klägerin vom 1. April 2019. Zur Begründung führt die Beigeladene zu 2) unter anderem aus, es fehlten Feststellungen, wer sie angewiesen habe sollen, an welchem Ort, zu welcher Dauer, zu welcher Zeit und wie sie ihre Vorstandstätigkeit auszuüben gehabt habe. Sie habe auch ihr nicht genehme Weisungen verhindern können. Das SG habe hinreichend festgestellt, dass die anderen Vorstandsmitglieder gegen ihren Willen die Geschicke der Stiftung nicht hätten bestimmen können. Ihre Unabhängigkeit habe sich unter anderem darin gezeigt, dass es keine Möglichkeit gegeben habe, die Vorstandstätigkeit rechtlich zu beenden.

 

Die Beigeladene zu 2) beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Februar 2019 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 15. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2017 aufzuheben.

 

Auch die Klägerin führt zur Berufungsbegründung an, das angefochtene Urteil verkenne die persönliche Unabhängigkeit, Weisungsfreiheit und Selbständigkeit der Vorstandsmitglieder. Die Parallele zur GmbH trage nicht. Für die GmbH gelte der Grundsatz der sogenannten Allzuständigkeit der Gesellschafterversammlung. Diese könne auf Grundlage der gesetzlichen Regelungen nahezu jede Angelegenheit an sich ziehen und für andere Gesellschaftsorgane im Innenverhältnis bindend entscheiden. Hingegen sei die Stellung der Vorstandsmitglieder der Klägerin ausschließlich und abschließend in deren Satzung geregelt. Daneben bestünden weder konkretisierende Geschäftsordnungen noch Dienstverträge. Gesetzliche Grundlage der Vorstandstätigkeit sei ausschließlich das Auftragsrecht nach § 86 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i. V. m. § 27 Abs. 3 BGB. Der damit für jedes Vorstandsmitglied bestehende Rahmen völliger Weisungsfreiheit und Eigenverantwortlichkeit überschreite weit das Maß dessen, was einem GmbH-Geschäftsführer unabhängig von der Allzuständigkeit der Gesellschafterversammlung als Tätigkeitsbereich verbleiben möge. Die Satzung der Klägerin sehe auch kein Weisungsrecht des Vorstandes gegenüber einzelnen Vorstandsmitgliedern vor. Änderungen der Zahl der Vorstandsmitglieder innerhalb des durch die Satzung vorgegebenen Rahmens bedürften eines einstimmigen Vorstandsbeschlusses, so dass auch insoweit jedem einzelnen Vorstandsmitglied eine qualifizierte Sperrminorität zukomme.

 

 

Die Klägerin beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Februar 2019 und den Bescheid der Beklagten vom 15. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2017 aufzuheben.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufungen zurückzuweisen.

 

Die Beigeladene zu 1) hat mit Schriftsatz vom 8. März 2020 „Widerspruch“ erhoben und eine Neuberechnung beantragt. Bei den von ihr bezogenen Vorstandsbezügen in Höhe von 24.000,00 € habe es sich um eine Einmalzahlung gehandelt, die jeweils im November ausgezahlt worden sei. Eine Verteilung auf 12 Monate sei daher nicht vorzunehmen. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) lege das Entstehungsprinzip zu Grunde, keine Umrechnung auf monatlicher Basis. Überdies habe sie als Vollrentnerin weder Arbeitslosen- noch Rentenversicherungsbeiträge zu zahlen gehabt. Bei der Krankenversicherung sei ein ermäßigter Beitragssatz anzuwenden, da kein Anspruch auf Krankengeld bestanden habe.

 

Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen. Der Verwaltungsvorgang hat zur mündlichen Verhandlung vorgelegen und ist Gegenstand der Erörterungen gewesen.

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

Den Berufungen bleibt Erfolg versagt. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der streitgegenständliche Prüfbescheid vom 15. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin und die Beigeladene zu 2) nicht in ihren Rechten.

 

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV. Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen ihrer Prüftätigkeit (§ 28p Abs. 1 S. 1 SGB IV) Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern. Diese Vorschrift findet nach § 10 Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) und § 359 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) Anwendung auch auf die Erhebung von Umlagen nach dem AAG und die Insolvenzgeldumlage.

 

Mit Recht ist die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid von einer Versicherungs- und Umlagepflicht für die Beigeladenen zu 1) und 2) ausgegangen. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), § 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), § 20 Abs. 1 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) sowie § 25 Abs. 1 S. 1 Drittes Buch SGB III unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Für beschäftigte Arbeitnehmer sind auch Umlagebeträge nach § 7 AAG und § 358 Abs. 2 SGB III zu zahlen.

 

Die danach für den Eintritt von Versicherungspflicht in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung sowie für die Umlagepflicht erforderliche Beschäftigung wird in § 7 Abs. 1 SGB IV definiert. Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Abzugrenzen ist die eine Versicherungspflicht begründende abhängige Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit. Nach der Rechtsprechung des BSG liegt Beschäftigung vor, wenn die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit erbracht wird. Dieses Merkmal ist bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb gegeben, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und mit seiner Tätigkeit einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung erfassenden Weisungsrecht unterliegt. Dabei kann sich die Weisungsgebundenheit insbesondere bei Diensten höherer Art zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinern. Dagegen ist eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freie Gestaltung von Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob eine abhängige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit vorliegt, richtet sich danach, welche der genannten Merkmale bei Betrachtung des Gesamtbildes der Verhältnisse überwiegen (Urteile des BSG vom 25. April 2012 - B 12 KR 24/10 R - und Urteil vom 12. November 2015 - B 12 KR 10/14 R – jeweils juris).

 

Die Weisungsgebundenheit und Eingliederung in den Betrieb im vorgenannt skizzierten Umfang stehen dabei weder in einem Rangverhältnis zueinander noch müssen sie stets kumulativ vorliegen. Eine Eingliederung geht nicht zwingend mit einem umfassenden Weisungsrecht einher. Die in § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV genannten Merkmale sind schon nach dem Wortlaut der Vorschrift nur "Anhaltspunkte" für eine persönliche Abhängigkeit, also im Regelfall typische Merkmale einer Beschäftigung und keine abschließenden Bewertungskriterien Eine persönliche Abhängigkeit des Beschäftigten gegenüber einem Arbeitgeber kann daher auch allein durch die funktionsgerecht dienende Eingliederung in einen Betrieb gekennzeichnet sein (BSG, Urteil vom 23. Februar 2021 – B 12 R 15/19 R - juris Rdnr. 21).

 

Diese Abgrenzungsmaßstäbe gelten grundsätzlich auch für Tätigkeiten, die mit der Organstellung innerhalb einer juristischen Person verbunden sind; auch Vorstandsmitglieder können abhängig Beschäftigte sein (vgl. z. B. BSG, Urteile vom 22. August 1973 - 12 RK 27/72 - juris <Vorstandsmitglied einer eingetragenen Genossenschaft>; vom 15. Dezember 1983 - 12 RK 57/82 - sowie vom 19. Juni 2001 - B 12 KR 44/00 R - <Vorstandsmitglied eines Vereins>; vom 12. Januar 2011 - B 12 KR 17/09 R - BSGE 107, 185 <Vorstandsmitglied einer ausländischen Kapitalgesellschaft>). Eine versicherungspflichtige abhängige Beschäftigung ist nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil nach § 5 Abs. 1 S. 3 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) Personen, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung einer juristischen Person berufen sind, nicht als Arbeitnehmer gelten. Diese Regelung beschränkt sich auf das ArbGG und hat keine Bedeutung für das Sozialversicherungsrecht. Der Zugehörigkeit zu den Beschäftigten der juristischen Person steht auch nicht entgegen, dass Leitungsorgane im Verhältnis zu sonstigen Arbeitnehmern Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (BSG, Urteil vom 23. Februar 2021, Rdnr. 15 unter Bezugnahme auf Urteil vom 14. März 2018 - B 12 KR 13/17 R - BSGE 125, 183 Rdnr. 19).

 

Das Fehlen gesonderter schriftlicher Dienstverträge über die Wahrnehmung der Vorstandstätigkeit - wie hier für die Vorstandstätigkeit der Beigeladenen zu 1) und 2) - hat für die sozialversicherungsrechtliche Einordnung keine Bedeutung. Der Begriff der Beschäftigung setzt weder ein (faktisches) Arbeitsverhältnis noch einen zivilrechtlichen Vertrag voraus (vgl. BSG Urteil vom 27. März 1980 - 12 RK 56/78 – juris Rdnr. 15). Eine versicherungspflichtige Beschäftigung kann auch dann vorliegen, wenn die Verwaltungsgeschäfte einem Vorstandsmitglied allein durch Satzung übertragen worden sind. Die statusrechtliche Beurteilung richtet sich insbesondere am Inhalt der Satzung aus (BSG, Urteil vom 23. Februar 2021, Rdnr. 19). Ein Vorstand einer Stiftung kann in funktionsgerecht dienender Teilhabe in den Stiftungsbetrieb eingegliedert sein. Einer persönlichen Abhängigkeit steht nicht entgegen, dass ein Weisungsrecht nicht ausdrücklich geregelt ist und die Vorstandsmitglieder keinen anderen Organen unterworfen sind, soweit er dem Willen des Stifters sowie der weiteren Vorstandsmitglieder unterliegt und keine Rechtsmacht hat, ihm nicht genehme Beschlüsse des Vorstands zu verhindern (BSG, a. a. O. Rdnr. 20).

 

Denn zum einen kommt im besonderen organisatorischen Rahmen einer rechtsfähigen Stiftung dem (objektivierten) Stifterwillen absoluter Vorrang zu. Er ist die oberste Richtschnur für das Handeln des Vorstands (Primat des Stifterwillens; BSG, a. a. O., Rdnr. 24). Der Vorstand nimmt damit von vornherein lediglich eine treuhänderische Funktion wahr. Diese Pflicht als Stiftungsorgan zur Verwirklichung des Stiftungszwecks folgt unmittelbar aus §§ 86, 27 Abs. 3 S 1, 664 ff BGB, ohne dass es einer diese Pflicht wiederholenden Regelung im Landesstiftungsgesetz bedarf (Staudinger/Hüttemann/Rawert (2017) BGB § 86 Rdnr. 25).

Zum anderen unterliegt der Stiftungsvorstand, auch wenn es kein weiteres ihn beaufsichtigendes Organ gibt, jedenfalls dem Willen der weiteren Vorstandsmitglieder.

 

Nach § 86 S. 1 BGB i. V. m. § 27 Abs. 3 BGB finden im Innenverhältnis auf die Geschäftsführung des Stiftungsvorstands die für den Auftrag geltenden Vorschriften der §§ 664 bis 670 BGB entsprechend Anwendung. Aus § 665 BGB, wonach der Beauftragte nur unter bestimmten Umständen von den Weisungen des Auftraggebers abweichen darf, ergibt sich, dass ein Beauftragter grundsätzlich an die Weisungen des Auftraggebers gebunden ist. Zwar gibt es bei Stiftungen wie der Klägerin kein weiteres Organ als "Auftraggeber". Gleichwohl muss ein Vorstand bei seiner eigenen geschäftsführenden Tätigkeit die Beschlüsse des Vorstands beachten. Denn die Organbefugnisse stehen dem Stiftungsorgan selbst und nicht den einzelnen Organmitgliedern persönlich zu (BSG, a. a. O., Rdnr. 26). An die dadurch gesetzten Vorgaben ist der Vorstand bei der Ausführung der laufenden Geschäfte grundsätzlich gebunden. Dass es sich dabei um Bindungen innerhalb eines Organs handelt, ist der besonderen Organisation der Stiftung geschuldet und spricht nicht gegen eine persönliche Abhängigkeit. Gerade, weil weitere Kontrollorgane nicht bestanden, ist die Gesamtverantwortung des Kollegialorgans von besonderer Bedeutung. Anderenfalls würde der Wille des Stifters missachtet, die Verwaltung der Stiftung einem Vorstand aus mehreren Personen zu übertragen (BSG, a. a. O., Rdnr. 27).

 

Die Beigeladenen zu 1) und 2) sind bei Anwendung dieser Grundsätze als abhängig beschäftigt im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV anzusehen.

 

Diese waren zwar in ihrer Vorstandstätigkeit im weiten Umfang nicht durch das weitere Organ der Klägerin, das Kuratorium, in ihrer Entscheidungs- und Handlungsfreiheit eingeschränkt. Nach § 8 der Satzung der Klägerin beschränkt sich dessen Aufgabe auf die Mitwirkung bei der Fördermittelvergabe. Die Beigeladenen zu 1) und 2) vertraten die Klägerin auch nach außen und waren gleichzeitig für die laufenden Geschäfte zuständig (§ 6 Nr. 1 der Satzung). Dienstverträge mit Regelungen für die Ausübung hat es für diese Tätigkeit nicht gegeben.

 

Sie waren allerdings in ihrer Vorstandstätigkeit von vornherein auf die Beachtung des Stifterwillens beschränkt, der in den §§ 2 und 3 der Satzung zum Ausdruck kommt, welche die Ziele der Klägerin enthalten und Vorgaben für die Mittelvergabe treffen.

Entscheidend ist zudem, dass die Beigeladenen zu 1) und 2) im gesamten Spektrum der Vorstandstätigkeit Entscheidungen nicht alleine treffen konnten, sondern nur zusammen mit einem anderen Vorstandsmitglied. Dies hat bereits das SG im angefochtenen Urteil ausführlich hergeleitet. Nach § 6 Nr. 4 der Satzung der Klägerin war und ist jedes Vorstandsmitglied nur zusammen mit einem anderen Vorstandsmitglied zur Vertretung der Stiftung berechtigt. Im Außenverhältnis konnte also ein einzelnes Vorstandsmitglied nicht selbständig für die Klägerin tätig werden. Mangels anderweitiger Regelung in der Satzung gilt gleiches auch für die interne Willensbildung. Es gilt der Grundsatz des Gleichlaufs von Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis: Der Umfang der Geschäftsführungsbefugnis entspricht dem Umfang der Vertretungsmacht und umgekehrt. Denn in Ermangelung abweichender Bestimmungen kann einerseits nicht angenommen werden, dass die Satzung einem Vorstandsmitglied im Innenverhältnis untersagen will, was sie ihm im Außenverhältnis erlaubt. Erfolgt umgekehrt entsprechend dem Regelfall des § 26 Abs. 2 S. 1 BGB die Vertretung durch die Mehrheit der Vorstandsmitglieder, ist mangels abweichender Regelung in der Satzung davon auszugehen, dass auch für die Geschäftsführungsbefugnis das Mehrheitsprinzip gilt, also jede Geschäftsführungsmaßnahme grundsätzlich eines vorherigen Beschlusses des Vorstandes bedarf (vgl. Segna in: BGB online Großkommentar § 27 BGB Rdnr. 57; ebenso BSG, Urteil vom 23. Februar 2021, Rdnr. 26).

 

Bei der Klägerin waren und sind nach § 5 Nr. 4 der Satzung Vorstandsbeschlüsse grundsätzlich mit einfacher Mehrheit zu fassen. Der Vorstand war nur beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder anwesend waren. Gegen den Willen der beiden anderen Vorstandsmitglieder konnte damit ein einzelnes Vorstandsmitglied keine Entscheidungen im Vorstand herbeiführen.

 

Die Beigeladene zu 2) als Vorsitzende des Vorstandes verfügte angesichts ihres doppelten Stimmrecht zwar über die Möglichkeit, die Entscheidungen der anderen Vorstände zu blockieren. Ein Einfluss, der jeden missliebigen Beschluss des Vorstandes verhindern kann, ist insoweit auch ein wesentliches Indiz für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit (BSG, a. a. O., Rdnr. 28). Dies führte im Falle der Beigeladenen zu 2) aber - im Gegensatz zu einem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH mit einem Stimmrechtsanteil von exakt 50% der Anteile - nicht zur Möglichkeit weisungsfreien Agierens ohne Eingliederung in den laufenden Betrieb. Der GmbH-Geschäftsführer ist nämlich für den laufenden Geschäftsbetrieb einer Gesellschaft zuständig. Die Gesellschafter wirken nur nach Maßgabe der §§ 45ff GmbH-Gesetz mit (vgl. BSG, Urteil vom 23. Februar 2021 – B 12 R 18/18 R – juris Rdnr. 19). Im Gegensatz hierzu führt der dargestellte Umstand, dass für jegliche Entscheidung im Innen- wie im Außenverhältnis ein Vorstandsbeschluss getroffen werden muss, dazu, dass bei einer Blockade überhaupt keine Tätigkeiten ausgeübt werden können. Dass die Beigeladene zu 2) dementsprechend angegeben hat, für alle Tätigkeiten – auch für Entscheidungen im Rahmen der Hausverwaltertätigkeit - sei in der Praxis ein Beschluss notwendig gewesen, hat bereits das SG als Indiz für diese Konsequenz aus der rechtlichen Konstruktion der Stiftung angeführt.

 

Sie war bei ihrer Aufgabenerfüllung damit sowohl an den Stifterwillen als auch vor allem stets an einen Konsens mit zumindest einem weiteren Vorstandsmitglied gebunden und dadurch - fremdbestimmt - in funktionell dienender Teilhabe in den Betrieb eingegliedert.

 

Für eine Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) und 2) spricht abschließend auch die Zahlung einer festen jährlichen Vergütung (vgl. BSG, Urteil vom 23. Februar 2021 –B 12 R 15/19 R-, Rdnr. 29).

 

Auf die Ausführungen des SG zum fehlenden Vertrauensschutz wird ergänzend nach § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verwiesen.

 

Auch die Höhe der festgesetzten Nachforderungen ist nicht zu bemängeln:

Im angefochtenen Bescheid ist hinsichtlich der Krankenversicherungsbeiträge für die Beigeladene zu 1) der ermäßigte Beitrag angesetzt (vergleiche Anlage zum Bescheid, VV Bl. 95 ff). Wie bereits das SG ausgeführt hat, ist ferner auch nur der ermäßigte Beitragssatz gemäß § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI und § 346 Abs. 3 S. 1 SGB III nachgefordert worden.

 

Obwohl die Vorstandsbezüge einmal jährlich im November ausgezahlt wurden, sind sie für das gesamte Jahr zu berücksichtigen, § 23 a Abs. 1 S. 1, Abs. 3 SGB IV (damalige Fassung). Der Umstand, dass die Entgelte der Beigeladenen zu 1), Hausverwaltungs- und Vorstandsbezüge zusammengerechnet, die jeweilige Beitragsbemessungsgrenze, welche die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 7. April 2020 dargestellt hat, teilweise überschritten haben, ist bei den Nachforderungen berücksichtigt.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG, weil die Beigeladene zu 2) als Berufungsführerin zu dem privilegierten Personenkreis des § 183 SGG gehört. Sie entspricht dem Ergebnis in der Sache.

 

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.

 

 

Rechtskraft
Aus
Saved