L 1 KR 167/17

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1.
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 81 KR 1827/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 167/17
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. März 2017 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand:

 

 

Im Streit ist noch der versicherungsrechtliche Status des 1967 geborenen Beigeladenen zu 3) in seiner Tätigkeit als Interviewer an den einzelnen Einsatztagen in der Zeit vom 27. Juli 2009 bis zum 28. März 2013.

 

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen dessen unternehmerischer Zweck es ist, Befragungen zu Zwecken der wissenschaftlichen Markt- und Sozialforschung durchzuführen. Hierfür betreibt sie u. a. ein entsprechend ausgerüstetes Telefonstudio in B. Von dort oder im Home-Office führen für sie Telefoninterviewerinnen oder Interviewer telefonische Interviews durch. Die Interviewer und Interviewerinnen werden für die Klägerin in der Regel in Nebentätigkeit auf Honorarbasis tätig.

 

Zu diesen Interviewern gehörte auch der Beigeladene zu 3), der nach einer Weiterbildungsmaßnahme ab dem Wintersemester 2010/2011 an der t Universität ein Physikstudium aufnahm.

 

Am 25. Juli 2009 schlossen er und die Klägerin eine sogenannte Rahmenvereinbarung für die Zusammenarbeit mit Interviewern als freie Mitarbeiter. Danach verpflichtete sich der Beigeladene zu 3) für die Klägerin als Interviewer für Forschungsaufgaben tätig zu werden. Die Tätigkeit sollte sich nach den Bestimmungen des Vertrages und der jeweiligen Einzelaufträge richten. In der Vereinbarung heißt es, dass diese nach Grundsätzen formuliert und gestaltet sei, die eingehalten werden müssten, damit ein freies Mitarbeiterverhältnis bestehe, für das keine Sozialversicherungspflicht und keine Lohnsteuerpflicht bestehe. Abweichungen seien möglich, es müsse jedoch sichergestellt werden, dass es sich um ein freies Mitarbeiterverhältnis handele. Im Hinblick auf die Abgrenzungsprobleme zwischen freier Mitarbeit und einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis und um eine möglichst große Rechtssicherheit zu erzielen, gehe diese Vereinbarung, anders als sonst bei Vertragsgestaltungen üblich, im besonderen Maße auf die Kriterien ein, die für eine Abgrenzung der Selbstständigkeit von der abhängigen Beschäftigung rechtserheblich seien. Der Interviewer sei als freier Mitarbeiter, ohne auch nur scheinselbstständig zu sein, für die Klägerin im Rahmen dieser Vereinbarung tätig. Die Bestimmungen über den Werkvertrag fänden kraft Gesetzes Anwendung. Der Interviewer sei frei und ungebunden, soweit sich aus der Natur der Sache nichts anderes ergebe. Der Interviewer dürfe in jedem Einzelfall entscheiden, ob er wegen der Erteilung eines Auftrages von sich aus auf die Klägerin zugehen wolle, oder ob sich auch die Klägerin zu Einzelaufträgen an den Interviewer wenden solle. Der Interviewer könne Aufträge beliebig ablehnen. Es gebe keine Einsatzpläne, in denen im voraus Einsätze des Interviewers festgelegt würden. Dem Interviewer sei es auch sonst freigestellt, wann er tätig werden wolle. Bei Telefoninterviews könne der Interviewer während der Öffnungszeiten kommen und gehen, wann er wolle. Kernarbeitszeiten, zu denen ein Interviewer anwesend sein müsse, gäbe es nicht. Die Klägerin sei verpflichtet, darauf zu achten, dass sich keine Regelmäßigkeiten ergäben, von denen aus auf eine Unselbständigkeit des Interviewers geschlossen werden könne.

 

Der Interviewer könne den Ort, an dem er arbeite, frei wählen. Methoden und Techniken der empirischen Sozialforschung müssten bei der Auswahl der zu befragenden Personen eingehalten werden. Der Interviewer müsse den Auftrag nicht in eigener Person ausführen. Die Durchführung des Auftrages durch geeignete Dritte sei möglich. Eine Vergütung werde nur für mangelfreie, termingereicht abgeschlossene und den vereinbarten Studienerfordernissen entsprechende Interviews entrichtet. Deshalb trage der Interviewer das Risiko des Interview-Erfolges, insbesondere von Interview-Abbrüchen oder der Nichterreichbarkeit oder Nichtansprechbarkeit der zu interviewenden Person. Einzelheiten der Vergütung würden mit dem Inhalt des jeweiligen Einzelauftrages näher vereinbart. Der Interviewer stelle seine Tätigkeit dem Institut in Rechnung. Dem Interviewer sei bekannt, dass er das Risiko des Zeit- und Arbeitsaufwandes sowie des finanziellen Aufwandes trage, der jeweils notwendig sei, um mit der Klägerin Aufträge für die Durchführung von Interviews vereinbaren zu können und Interviews mangelfrei durchzuführen. Der Interviewer sei aufgrund seiner Tätigkeit für die Klägerin nicht sozialversichert. Urlaubsgeld oder andere Leistungen, die üblicherweise Arbeitnehmern oder arbeitnehmerähnlichen Personen zustünden, könnten bei einer freiberuflichen Nebentätigkeit nicht gewährt werden bzw. wiedersprächen den Grundsätzen des freien Mitarbeiterstatus. Der Interviewer sei verpflichtet, die angenommenen Aufträge methodengerecht durchzuführen. Er habe sich das dafür nötige Wissen anzueignen und sich fortzubilden. Die Klägerin sei berechtigt, stichprobenweise zu überprüfen, ob die erteilten Aufträge ordnungsgemäß ausgeführt würden. Ergäben sich Zweifel, müsse die Klägerin aus methodischen Gründen - insbesondere zur Sicherstellung der Repräsentativität - diesen Zweifel nachgehen und die Überprüfung ausdehnen.

 

Unter der Überschrift „Pflichten des Interviewers zur Einhaltung von Selbstständigkeitsvoraussetzungen“ heißt es weiter, dass der Interviewer dabei mitwirken müsse, dass die Voraussetzungen für seine Selbstständigkeit eingehalten werden. Der Interviewer müsse dabei insbesondere sicherstellen, dass er von der Klägerin nicht finanziell abhängig sei. Der Interviewer sei verpflichtet, alle zwei Monate die Vereinbarung daraufhin zu überprüfen, ob er die im Vertrag beschriebenen Selbständigkeitsvoraussetzungen noch erfülle. Am 20. Januar 2013 schlossen die Klägerin und der Beigeladene zu 3) einen entsprechenden Folgevertrag.

 

Die Telefoninterviewer und Interviewerinnen erhielten für ihre Tätigkeit von der Klägerin einen sogenannten Leitfaden. Dieser Leitfaden für „die Durchführung standardisierter Interviews“ von Peter Prüfer und Angelika Stiegler vom Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen in Mannheim enthielt u. a. Regeln und Tipps zur Durchführung des Interviews. In diesem Leitfaden heißt es u. a., dass sämtliche Aktivitäten bzw. Verhaltensweisen aller Interviewer während der Interviews dem „Prinzip der gleichen Bedingungen“ entsprechen müssten. Dies verlange, dass alle Interviews gleichermaßen standardisiert durchgeführt würden. Um unverfälschte Antworten zu erhalten, müssten sich sämtliche Aktivitäten bzw. Verhaltensweisen der Interviewer durch absolute Neutralität gegenüber den Befragten auszeichnen. Für die Durchführung eines standardisierten Interviews bedeute dies, dass es sich bei dieser Form des Interviews aufgrund seiner Besonderheiten nicht um ein „Gespräch“ im herkömmlichen Sinne handele, sondern eher um eine „Frage-Antwort-Situation“ mit genau festgelegten Regeln, die es auf diese Art in der alltäglichen Kommunikation nicht gibt. Deshalb dürfe auf keinen Fall aus einem standardisierten Interview ein „Gespräch“ gemacht werden. Um dies zu gewährleisten, müsse sich der Interviewer gründlich mit dem Fragebogen vor dem ersten Interview vertraut machen. Am besten geschehe dies durch „Probeinterviews“ mit einer oder besser mehreren –nicht zur eigentlichen Zielgruppe gehörenden- Personen. Dabei müsse der Fragetext und die Antwortalternativen unbedingt laut vorgelesen, die einzelnen Listen und/oder Kärtchen sich selbst vorgelegt und die eigenen Antworten im Fragebogen/am Monitor registriert werden. Die genaue Kenntnis des Fragebogens gebe dem Interviewer Sicherheit, die sich auch in der Tonlage/Tonfall ausdrücke. Bei Telefoninterviews würden diese Probeinterviews im Rahmen der Schulungen mit Kollegen gegenseitig durchgeführt. Die ersten realen Interviews würden dabei durch die Supervision vollständig begleitet. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Leitfadens wird auf Blatt 80 bis 100 der Gerichtsakte verwiesen.

 

Für die jeweiligen Einsätze konnten sich die Interviewer und Interviewerinnen über ein von der Klägerin zur Verfügung gestelltes Software-Tool für die noch vorhandenen freien Kapazitäten frei wählbar vorab für bestimmte Einsatzzeiten entweder im Telefonstudio der Klägerin oder im Home-Office eintragen. Ob und wie lange der Beigeladene zu 3) während der von ihm vorab gebuchten Einsatzzeiten tatsächlich für die Klägerin tätig war, stand ihm frei, wobei er die gebuchten Einsatzzeiten nicht voll ausschöpfte. Im Rahmen der frei wählbaren Einsatzzeiten konnte der Beigeladene zu 3) zudem unter den ihm von der Klägerin angebotenen Studien frei wählen, wobei die Klägerin ihm ausweislich der von ihr übersandten Tätigkeitsübersichten regelmäßig nur eine bis maximal drei Studien zur Auswahl anbot. Die Telefoninterviewer und Interviewerinnen hatten dann potentielle Studienteilnehmer über die von der Klägerin vorab zur Verfügung gestellten Telefonnummern anzurufen und sie für die Teilnahme an dem Interview anzuwerben und dann das Interview durch wörtliches Vorlesen der vorgegebenen Fragen durchzuführen.

Der tatsächliche zeitliche Umfang der Tätigkeit des Beigeladenen zu 3) schwankte in der Zeit vom 27. Juli 2009 bis zum 28. März 2013 zwischen nahezu 0 und mehr als 160 Stunden monatlich, wobei der Durchschnitt 2009 bei monatlich 59,86 Stunden lag, 2010 bei 65,43 Stunden, 2011 bei 103,40 Stunden, 2012 bei 70,53 Stunden und von Januar bis März 2013 bei 42,32 Stunden. Hinsichtlich der konkreten Einsatzzeiten des Beigeladenen zu 3) wird auf die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 7. März 2017 übersandten Listen Bezug genommen.

 

Hinsichtlich der Vergütung der Tätigkeit konnte der Beigeladene zu 3) zwischen einer Bezahlung ausschließlich nach der Anzahl der realisierten Interviews oder aber einer Kombination aus einem Sockelbetrag je Einlogstunde und einem zusätzlichen Betrag je Interview wählen. Der Beigeladene zu 3) wählte jeweils das letztgenannte Kombinationsmodell und stellte der Klägerin die vereinbarten Honorare monatlich in Rechnung, wobei die Rechnungen die den einzelnen Interviewprojekten zugeordneten Netto- und Bruttobeträge auswiesen und auf den von der Klägerin zur Verfügung gestellten Abrechnungsdaten basierten. Die jeweiligen Honorare schwankten zwischen monatlich 1,95 Euro und 1.475,25 Euro, der Durchschnitt lag bei ca. 87,- Euro pro Monat. Die von dem Beigeladenen zu 3) pro Stunde seiner Tätigkeit erzielten durchschnittlichen Honorare schwankten zwischen 6,45 Euro (im Dezember 2012) und 24,48 Euro im Oktober 2012, im Gesamtdurchschnitt über den gesamten Tätigkeitszeitraum lagen sie bei 9,48 Euro.

 

Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 3) bei der Klägerin endete aufgrund eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs vom 29. April 2013 (Arbeitsgericht Berlin - 59 Ca 4381/13-) mit Wirkung zum 30. April 2013. Unter „Aufrechterhaltung der gegenseitigen Rechtsstandpunkte“ verpflichtete sich die Klägerin nur Zahlung eines „Abschlusshonorars in Höhe von insgesamt 4.500,00 Euro gemäß der bisherigen Abrechnungspraxis.“

 

Am 26. September 2012 beantragte der Beigeladene zu 3) die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status seiner Tätigkeit bei der Klägerin. Er beantragte, festzustellen, dass eine Beschäftigung vorliege. Mit Schreiben vom 21. November 2012 beschrieb der Beigeladene zu 3) seine Tätigkeit wie folgt: Es handele sich um telefonische Marktforschung, die Wochentags zwischen 9.00 Uhr und 21.00 Uhr und am Wochenende von 12.00 Uhr bis 19.00 Uhr durchgeführt werde. Es werde ein Serverdienst des Arbeitgebers verwendet, der die Nummern der zu Befragenden anwählt und dann zu den Interviewern durchstellt. Sollte nach der Anmoderation ein Interview zustande kommen, würden vom Arbeitgeber auf dem Bildschirm des Computerarbeitsplatzes erscheinende Fragebögen möglichst wörtlich vorgelesen. Die Worttreue und Anmoderation (insbesondere eventuelle Einwandbehandlungen) würden durch Supervisoren stichprobenartig geprüft (meist ohne Einverständnis der Befragten), worauf der Interviewer dann zu einem Feedback mit dem Supervisor erscheinen müsse. Welcher Interviewer welche Fragebögen bearbeite, würde durch einen Supervisoren festgelegt, am Anfang jeder Schicht erhielten die Interviewer ihre Aufträge von den Supervisoren.

 

Die Klägerin trug vor, dass Telefoninterviewer nach eigener Auffassung der Beklagten als freie Mitarbeiter anzusehen seien. Sie verwies insoweit auf die Homepage der Beklagten. Im Übrigen stünden von Marktforschungsinstituten beauftragte Interviewer nach Auffassung des Bundessozialgerichts (Hinweis auf das Urteil vom 14. November 1974 - 8 RU 266/73 -) nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis, sofern sich die Vergütung für die Tätigkeit sich jeweils auf einen Einzelauftrag beziehe, nicht die Existenzgrundlage bilde und mit einem unternehmereigentümlichen finanziellen Risiko verbunden sei. Weiterhin dürfe dem Marktforschungsinstitut kein für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis kennzeichnendes weitgehendes Verfügungsrecht über die Arbeitskraft der Interviewer eingeräumt sein. Vielmehr müssten sie bei der Durchführung des jeweiligen Auftrages zeitlich im Wesentlichen frei sein und nur insoweit gebunden sein, als dies nach der Natur des Auftrages unerlässlich sei. Diese Voraussetzungen lägen im vorliegenden Fall vor.

 

Nach Anhörung der Klägerin und des Beigeladenen zu 3) mit Schreiben vom 7. Februar 2013 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 5. April 2013 fest, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 3) als Interviewer bei der Klägerin seit dem 1. Juli 2009 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Es bestehe Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die Versicherungspflicht beginne am 1. Juli 2009. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass nach der Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwögen. Es sei eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Klägerin gegeben. Weisungen, die Zeit, Dauer und Ort der zu beurteilenden Tätigkeit sowie Art und Weise von deren Durchführung beträfen, würden einseitig im Wege des Direktionsrechts eines Arbeitgebers erteilt. Bei der telefonischen Befragung würde der Beigeladene zu 3) sich nicht als selbständiger unabhängiger Interviewer vorstellen, sondern - sinngemäß - als Mitarbeiter der Klägerin. Da der Beigeladene zu 3) ausschließlich die eigene Arbeitskraft einsetze und er funktionsgerecht in einer fremden Arbeitsorganisation tätig sei, liege zudem kein eigenes unternehmerisches Risiko vor. Die erfolgsunabhängige Vergütung des Beigeladenen zu 3) lasse kein Gewinn- oder Verlustrisiko erkennen. Seine rhetorischen und kommunikativen Fähigkeiten könnten nicht als Einsatz eines eigenen Arbeitsmittels für die Interviewtätigkeit gewertet werden, denn sie seien vielmehr Voraussetzung für die Tätigkeit und würden von jedem Arbeitnehmer erwartet. Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2013 zurückgewiesen.

 

Hiergegen hat die Klägerin am 4. September 2013 bei dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass der getroffenen Feststellung bereits eine bestandskräftige Entscheidung der Beklagten entgegenstehe. Denn diese habe nach einer Betriebsprüfung, den Prüfzeitraum vom Januar 2010 bis Dezember 2013 betreffend, mit bestandskräftigen Bescheid vom 4. Dezember 2014 sowie gesonderter Mitteilung (per E-Mail) vom 10. Dezember 2015 die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Telefoninterviewer durch die Klägerin nicht beanstandet. Diese Beurteilung sei auch richtig. Der Beigeladene zu 3) sei nicht bei ihr abhängig beschäftigt gewesen, sondern selbständig tätig. Eine Weisungsgebundenheit habe weder in örtlicher noch in zeitlicher oder innerlicher Hinsicht vorgelegen. Der Beigeladene zu 3) sei auch nicht in ihrem Betrieb eingegliedert gewesen. Er habe insoweit vollkommen frei entscheiden können. Selbst die von ihm zu bearbeitenden Projekte habe er tatsächlich frei ausgewählt. Dass er sich an den ihm zur Verfügung gestellten Leitfaden zu richten gehabt habe, stünde dem nicht entgegen. Dem Beigeladenen seien auch lediglich völlig untergeordnete Hilfsmittel, wie ein Headset und die erforderliche Software, zur Verfügung gestellt worden. Im Vordergrund seiner Tätigkeit hätten ausschließlich hochqualifizierte rhetorische und kommunikative Fähigkeiten gestanden. Der Beigeladene zu 3) habe auch ein eigenes unternehmerisches Risiko getragen. Denn die Einkünfte seien sowohl pro Monat als auch hinsichtlich der durchschnittlichen Stundenhonorare extrem unterschiedlich und schwankend gewesen. Zudem sei es nicht im voraus kalkulierbar gewesen, in welchem Umfang ihm Aufträge erteilt würden und er habe zudem keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Anspruch auf Urlaubsgeld gehabt. Der Vergütungsanspruch sei zudem an die einwandfreie Abarbeitung der einzelnen Interviews gekoppelt gewesen. Schließlich liege auch nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsordnung auch im vorliegenden Fall Beachtung finden müsse, ein Arbeitsverhältnis nicht vor. Es habe sich vielmehr um ein Werkvertragsverhältnis gehandelt, dass eine abhängige Beschäftigung ausschließe.

 

Mit Urteil vom 13. März 2017 hat das Sozialgericht Berlin den Bescheid der Beklagten vom 5. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2013 dahingehend geändert, dass der Beigeladene zu 3) im Rahmen seiner Tätigkeit für die Klägerin der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung nur an den einzelnen Einsatztagen in der Zeit vom 21. Juli 2009 bis zum 28. März 2013, wie sie aus den von der Klägerin mit Schriftsatz vom 7. März 2017 übersandten Listen ersichtlich seien, unterlegen habe.

 

Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid zu Unrecht festgestellt habe, dass der Beigeladene zu 3) für die Klägerin seit dem 1. Juli 2009 durchgehend abhängig beschäftigt und versicherungspflichtig in allen Zweigen der Sozialversicherung gewesen sei. Bei Vertragsgestaltungen der vorliegenden Art sei für die Frage der Versicherungspflicht nämlich nicht auf den gesamten vom Rahmenvertrag erfassten Zeitraum abzustellen, sondern jeweils auf die Verhältnisse, die nach Annahme des einzelnen Auftragsangebots während dessen Durchführung bestanden hätten. Dies folge aus dem Umstand, dass in den Zeiträumen, in denen der Beigeladene zu 3) keinen Auftrag der Klägerin angenommen und durchzuführen gehabt habe, schon keine, die Versicherungspflicht begründende entgeltliche Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) bestanden habe. Der angefochtene Bescheid sei daher dahingehend abzuändern gewesen, dass Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung nur jeweils an den einzelnen Einsatztagen bestanden habe.

Im Übrigen hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid sei insoweit rechtmäßig. Der Beigeladene zu 3) habe im Rahmen seiner Tätigkeit als Telefoninterviewer für die Klägerin an den einzelnen Einsatztagen in der Zeit vom 27. Juli 2009 bis zum 28. März 2013 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- , Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen.

 

Dieser Feststellung stünde zunächst die Bestandskraft oder Tatbestandswirkung der im Rahmen der bei der Klägerin im November 2014 durchgeführten Betriebsprüfung ergangenen Bescheide hinsichtlich des Prüfzeitraums von 2010 bis 2013 nicht entgegen, weil Betriebsprüfungen regelmäßig nur stichprobenartig erfolgten und bei Erlass eines personenbezogenen Beitragsbescheides nicht zugleich eine Regelung darüber getroffen werde, dass im Übrigen, d. h. insbesondere hinsichtlich aller sonstigen Beschäftigten, die von der Beitragsfestsetzung nicht betroffen seien, im Prüfzeitraum „alles in Ordnung“ sei. Eine materielle Bindungswirkung könne sich lediglich dann und nur insoweit ergeben, als Versicherungs- und/oder Beitragspflicht (und Beitragshöhe) im Rahmen der Prüfung personenbezogen für bestimmte Zeiträume durch gesonderten Verwaltungsakt festgestellt worden sei. Dies sei hier nicht der Fall.

 

Der Beigeladene zu 3) habe seine Tätigkeit bei der Klägerin als Telefoninterviewer auch im Rahmen einer Beschäftigung ausgeübt. Zwar lasse sich den beiden zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 3) abgeschlossenen Rahmenverträgen vom 25. Juli 2009 und vom 20. Januar 2013 zweifelsfrei der Wille der Vertragsparteien entnehmen, kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis begründen zu wollen, sondern einen Vertrag über eine freie Mitarbeit. Diesem Willen komme aber indizielle Bedeutung nur zu, wenn und soweit er den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich wiederspreche und er durch weitere Aspekte gestützt werde bzw. die übrigen Umstände gleichermaßen für eine Selbständigkeit sprächen. Dies sei hier aber nicht der Fall. Denn während seiner Tätigkeit als Interviewer sei der Beigeladene zu 3) vollständig in den Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen, d. h. in die von der Klägerin vorgegebenen Ordnung, innerhalb derer mit Hilfe sächlicher und sonstiger Mittel ein von der Klägerin als Unternehmerin bestimmter arbeitstechnischer Zweck verfolgt werde. Diese Eingliederung habe damit begonnen, dass der Interviewer auf die durchzuführenden Befragungen „gebrieft“, d. h. geschult worden sei. Die Befragungen seien unter ständiger Kontrolle über das EDV-System der Klägerin erfolgt. Auch in innerlicher Hinsicht sei der Beigeladene zu 3) weitgehend weisungsgebunden gewesen. Zwar habe er unter den ihm von der Klägerin im Rahmen der einzelnen Einsätze jeweils angebotenen Studien frei auswählen und dadurch in gewissem Umfang auch seine Verdienstchancen steuern können, jedoch zeigten bereits die von der Klägerin übersandten Tätigkeitsübersichten, dass dem Beigeladenen zu 3) regelmäßig nur ein bis maximal drei verschiedene Projekte zur Auswahl angeboten worden seien. Wenn der Beigeladene zu 3) sich aber entschieden hatte, im Rahmen eines bestimmten Projekts für die Klägerin tätig zu sein, sei sein inhaltlicher Gestaltungsspielraum äußerst begrenzt gewesen. Die anzurufenden Telefonnummern und die wörtlich abzuarbeitenden Interviewfragebögen seien ihm von der Klägerin einseitig vorgegeben worden und die Durchführung der Interviews sei nach standardisierten Vorgaben erfolgt, die seitens der Klägerin in einem Leitfaden ebenfalls einseitig vorgegeben worden seien und deren Einhaltung die Klägerin durch Supervisoren, die in den Telefonstudios anwesend gewesen seien und die Gespräche stichprobenartig mitgehört hätten, kontrolliert worden. Vor der Mitarbeit im Rahmen einer Studie sei ein sogenanntes „Briefing“ erfolgt.

 

Es habe auch kein nennenswertes unternehmerisches Risiko bestanden. Der Beigeladene zu 3) habe für seine Tätigkeit keine eigenen Betriebsmittel eingesetzt, sondern ausschließlich seine eigene Arbeitskraft. Die für die Durchführung der Interviews maßgeblichen Investitionskosten, u. a. für die EDV, die Ausstattung der Telefonstudios und die Telefonnummern, hätten insofern ausschließlich bei der Klägerin gelegen. Da er die Interviewfragen wörtlich abzuarbeiten hatte, sei es dem Beigeladenen zu 3) während der Durchführung eines Interviews auch nicht möglich gewesen, die Vergütungshöhe durch einen geschickten Einsatz seiner Arbeitskraft bzw. besonderer Anstrengungen in nennenswertem Umfang zu steuern. Dass typische Arbeitgeberleistungen wie Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubsgeld nicht gewährt worden seien, begründe für sich genommen ebenfalls kein relevantes unternehmerisches Risiko, sondern lasse ausschließlich Rückschlüsse auf den Willen der Vertragsparteien zu, eine Beschäftigung auszuschließen.

 

Gegen das ihr am 22. März 2017 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 11. April 2017, mit der sie im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft. Zusammenfassend führt sie aus, dass der Beigeladene zu 3) völlig frei darin gewesen sei, ob er Aufträge annehmen oder ablehnen wollte. Die Möglichkeit, Aufträge abzusagen, weil sie z. B. nicht lukrativ genug waren oder die vorgeschlagene Zeit nicht passend, sei es aus familiären oder anderen Gründen, sei eine abhängige Tätigkeit völlig fremd und mache darüber hinaus eine wesentliche unternehmerische Freiheit eines Interviewers aus. Der Beigeladene zu 3) habe selbst entscheiden können, ob und wie lange er als Interviewer habe tätig sein wollen, selbst wenn dies von seinen eigenen Eintragungen abgewichen sei. Der Beigeladene zu 3) habe bestätigt, dass er zwischen Projekten und Studien frei wechseln und wählen konnte. Er habe von diesen Möglichkeiten auch ständig Gebrauch gemacht habe. Er sei im Home-Office tätig gewesen oder er habe in dem Studio gearbeitet. Dies habe er frei entscheiden können. Eine räumliche Einbindung in einen Betriebsablauf habe es daher nicht gegeben. Daraus ergäbe sich nicht nur eine fehlende Weisungsgebundenheit bezüglich Ort (und Zeit) der Tätigkeit, sondern auch die fehlende Einbindung in einen betrieblichen Ablauf. Wer in einem betrieblichen Ablauf fest eingebunden sei, könne nicht von Fall zu Fall selbst entscheiden, ob er überhaupt, wann und wo er tätig sein wolle. Er habe auch nicht nur ihm zur Verfügung gestellte Arbeitsmittel verwendet, sondern selbst bestätigt, dass er auch eigenes Equipment verwendet habe. Sie habe ihm noch nicht einmal das Honorarsystem vorgegeben. Er habe insoweit frei wählen können. Diese Wahlfreiheit bestätige auch das Vorliegen eines unternehmerischen Risikos. Der Beigeladene zu 3) habe auch erhebliche Spielräume zur innerlichen Ausgestaltung seiner Tätigkeit gehabt. Honorarzahlungen habe der Beigeladene zu 3) erst nach Rechnungsstellung erhalten. Dies sei typisch für Selbständige. Auch sei er wie ein Selbständiger nach außen in Erscheinung getreten. Er habe für sich selber Werbung gemacht und typische „unternehmerische Aktivitäten, etwa zur Akquirierung weiterer Aufträge entfaltet.“ Bei den stichprobenartigen Kontrollen habe es sich in nicht um Verhaltens- oder Ordnungskontrollen gehandelt. Vielmehr sei es stets ausschließlich darum gegangen, im Rahmen einer Qualitätskontrolle die methodisch korrekte Durchführung der Fragebögen einzuhalten. Schließlich habe der Beigeladene zu 3) selbst immer nur in einem freien Mitarbeiterverhältnis arbeiten wollen. Diesen Status habe er auch ausgenutzt und seine vertraglichen Vereinbarungen gelebt und umgesetzt. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der Beigeladene zu 3) beim Arbeitsgericht Berlin Klage eingereicht habe, um festzustellen, dass zwischen ihm und der Klägerin ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Nach der Bekundung entsprechender Bedenken und Hinweisen des Vorsitzenden Richters gegen ein Arbeitsverhältnis habe der Beigeladene zu 3) an diesem Antrag nicht mehr festgehalten und beim Arbeitsgericht Berlin vom 29. April 2013 vergleichsweise ausdrücklich der Zahlung eines Abschlusshonorars gemäß der bisherigen Abrechnungspraxis zugestimmt. Selbst zu diesem Zeitpunkt habe der Beigeladene zu 3) seine Stellung als Selbständiger weitergelebt. Nach arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung seien Telefoninterviewer, wie der Beigeladene zu 3), selbständig. Schließlich handele die Beklagte widersprüchlich. Denn sie habe Rahmen einer Betriebsprüfung und in einer gesonderten Mitteilung (Mail vom 10. Dezember 2015) entschieden, dass die Personengruppe der Telefoninterviewer nicht sozialversicherungspflichtig seien. Sie genieße deshalb auch Vertrauensschutz.

 

Die Klägerin beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. März 2017 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 5. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2013 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene zu 3) im Rahmen seiner Tätigkeiten für die Klägerin in der Zeit vom 27. Juli 2009 bis zum 28. März 2013 nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

 

Die Beklagte beantragt,

 

            die Berufung zurückzuweisen.

 

Das Urteil des Sozialgerichts Berlin sei in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Sie verweist im Wesentlichen auf die Begründung des angefochtenen Bescheides und ihr erstinstanzliches Vorbringen.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind. 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht festgestellt, dass der Beigeladene zu 3) in seiner Tätigkeit an den einzelnen Einsatztagen in der Zeit vom 21. Juli 2009 bis zum 28. März 2013 für die Klägerin der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

 

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 7a SGB IV. Nach dieser Vorschrift hat die Beklagte im Anfrageverfahren über das Vorliegen einer Versicherungspflicht auslösenden Beschäftigung zu entscheiden. Der Eintritt von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, der Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung wegen Aufnahme einer abhängigen Tätigkeit bestimmt sich nach bestimmt sich nach § 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch und § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch. Der Eintritt von Versicherungspflicht setzt danach das Vorliegen einer Beschäftigung voraus. Der Begriff der Beschäftigung wird in § 7 Abs. 1 SGB IV näher definiert wird. Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Bei Diensten höherer Art kann die Bedeutung des Weisungsrechts völlig zurücktreten, so dass es nicht darauf ankommt, ob es eine vertragliche Grundlage hat oder nicht. Gleichwohl bleibt eine Dienstleistung fremdbestimmt und somit als funktionsgerecht dienende Teilhabe Gegenstand einer Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne, wenn sie ihr Gepräge von der fremden Ordnung des Betriebs erhält, in dessen Dienst die Arbeit verrichtet wird (Urteil des BSG vom 4. Juni 2019 - B 12 R 11/18 R - juris RdNr. 29).

 

Abzugrenzen ist die eine Versicherungspflicht begründende abhängige Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit. Nach der Rechtsprechung des BSG liegt Beschäftigung vor, wenn eine Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit erbracht wird. Dieses Merkmal ist bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb gegeben, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und mit seiner Tätigkeit einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung erfassenden Weisungsrecht unterliegt. Dabei stehen Weisungsgebundenheit und Eingliederung in den Betrieb weder in einem Rangverhältnis zueinander noch müssen sie stets kumulativ vorliegen. Eine Eingliederung geht nicht zwingend mit einem umfassenden Weisungsrecht einher. Die in § 7 Abs. 1 S 2 SGB IV genannten Merkmale sind schon nach dem Wortlaut der Vorschrift nur "Anhaltspunkte" für eine persönliche Abhängigkeit, also im Regelfall typische Merkmale einer Beschäftigung und keine abschließenden Bewertungskriterien (Urteil des BSG vom 7. Juni 2019 - B 12 R 6/18 R -, zitiert nach juris). Die Weisungsgebundenheit kann sich dabei insbesondere bei Diensten höherer Art zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinern. Dagegen ist eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freie Gestaltung von Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob eine abhängige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit vorliegt, richtet sich danach, welche der genannten Merkmale bei Betrachtung des Gesamtbildes der Verhältnisse überwiegen (Urteile des BSG vom 25. April 2012 - B 12 KR 24/10 R - Urteil vom 12. November 2015 - B 12 KR 10/14 R -; Urteil vom 4. Juni 2019 - B 12 R 11/18 R - juris RdNr 14).

 

Für die Abgrenzung zwischen selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung ist zunächst von den zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 3) getroffenen vertraglichen Abreden, also den Rahmenvereinbarungen auszugehen. Nach diesen von der Klägerin vorgegebenen Vereinbarung sollte zwischen den Beteiligten ein „freies Mitarbeiterverhältnis“ auf Honorarbasis begründet werden. In den Vereinbarungen wird ein solches ausdrücklich benannt. Im weiteren enthalten die Vereinbarungen zahlreiche Regelungen die sicherstellen sollen, dass nicht im Ansatz der Eindruck entsteht, dass der Beigeladene zu 3) versicherungspflichtig beschäftigt sein könnte. So heißt es ausdrücklich, dass im „Hinblick auf die Abgrenzungsprobleme zwischen freier Mitarbeit und einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis und um eine möglichst große Rechtssicherheit zu erzielen, diese Vereinbarung, anders als sonst üblich, im besonderen Maße auf die Kriterien eingehe, die für eine Abgrenzung der Selbständigkeit von der Abhängigen Beschäftigung rechtserheblich“ seien. Dabei werden unter der Überschrift „Freiheiten des Interviewers“ zahlreiche Einzelheiten geregelt, die eine solche Freiheit belegen sollen. So heißt es u. a., dass der Interviewer „frei und ungebunden“ sei, insbesondere hinsichtlich der Zeit und des Ortes seiner Tätigkeit.

 

Dass sich daraus „zweifelsfrei der Wille der Vertragsparteien entnehmen“ lasse, „kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis“ zu wollen, sondern einen Vertrag über eine freie Mitarbeit, wie das Sozialgericht festgestellt hat, ist bereits zweifelhaft. Denn wie der Beigeladene zu 3) in dem Termin zur mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts vorgetragen hat, wurde ihm im Rahmen der Vorstellungsrunde bei der Klägerin mitgeteilt, dass es sich um eine selbständige Tätigkeit handele. Es habe „keine Möglichkeit bestanden, eigene Verträge zu schließen“. Der „Rahmenvertrag“ wurde ihm einseitig, von der Klägerin „vorgelegt“. Das Sozialgericht hat deshalb zutreffend ausgeführt, dass der Beigeladene zu 3) aufgrund des offenkundigen Ungleichgewichts der Verhandlungspositionen keinerlei Möglichkeit hatte, seine Wünsche hinsichtlich eines sozialversicherungsrechtlichen Status durchzusetzen. Dass er ein solches favorisiert hat, zeigt neben dem von ihm geführten arbeitsgerichtlichen Verfahren auch dieser Rechtsstreit. Sofern die Klägerin dem widerspricht und darauf verweist, dass der Beigeladene zu 3) durch den Abschluss des arbeitsgerichtlichen Vergleiches „akzeptiert“ habe, dass er kein „Arbeitnehmer“ sei, weil er mit der Zahlung eines Abschlusshonorars entsprechend der bisherigen Honorarabrechnungspraxis einverstanden gewesen sei, verkennt sie, dass der Vergleich ausdrücklich unter „unter Aufrechterhaltung des jeweiligen Rechtsstandpunktes“ geschlossen worden ist.

 

Jedenfalls ergibt sich das Entstehen von Versicherungspflicht aus dem Gesetz und kann deswegen nicht Gegenstand einer einzelvertraglichen Abrede sein. Weil die Träger der Sozialversicherung Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind und das Rechtsinstitut der Pflichtversicherung auch der Funktionsfähigkeit der Sozialversicherungssysteme dient, kommt einer privatautonomen Gestaltung im Sozialversicherungsrecht nicht die gleiche Bedeutung zu wie etwa im Arbeitsrecht. Insbesondere kann eine sozialversicherungsrechtlich erhebliche Beschäftigung auch dann vorliegen, wenn kein Arbeitsvertrag im arbeitsrechtlichen Sinne geschlossen worden ist (Urteil des BSG vom 4. Juni 2019 - B 12 R 11/18 R - juris RdNr. 19). Die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung ist auch nicht dadurch vorgeprägt, dass Telefoninterviewer, wie die Klägerin vorträgt, in der arbeitsgerichtlichen Praxis durchgängig und ausnahmslos als freie Mitarbeiter qualifiziert worden seien.  Denn es besteht kein vollständiger Gleichklang des arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs mit dem Beschäftigtenbegriff nach § 7 SGB IV. Nach § 7 Abs. 1 S 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, "insbesondere in einem Arbeitsverhältnis". Daraus folgt, dass grundsätzlich eine Beschäftigung vorliegt, wenn ein Arbeitsverhältnis besteht; allerdings auch, dass eine Beschäftigung auch dann vorliegen kann, wenn kein Arbeitsverhältnis vorliegt; Beschäftigung ist nicht gleichzusetzen mit dem Arbeitsverhältnis ( Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 30.8.2000 - 5 AZB 12/00 - AP Nr. 75 zu § 2 ArbGG 1979 = Juris RdNr 11). Die arbeitsgerichtliche Entscheidungspraxis beruht im Wesentlichen darauf, dass der privatautonomen Entscheidung der Vertragsparteien im Arbeitsrecht eine besondere Bedeutung beigemessen wird. Die Sozialversicherung dient hingegen neben der sozialen Absicherung des Einzelnen auch dem Schutz der Mitglieder der Pflichtversicherungssysteme, die in einer Solidargemeinschaft zusammengeschlossen sind. Die Träger der Sozialversicherung sind Einrichtungen des öffentlichen Rechts. Dies schließt es aus, dass über die rechtliche Einordnung einer Tätigkeit allein die von den Vertragschließenden getroffenen Vereinbarungen entscheiden (Urteil des BSG vom 4. Juni 2019 a.a.O.).

 

Der tatsächlichen Ausgestaltung der Verhältnisse kann danach gegebenenfalls sogar stärkeres Gewicht als abweichenden vertraglichen Regelungen zukommen (Urteil des BSG vom 28. Mai 2008 - B 12 KR 13/07 R - juris RdNr 17 und Urteil vom. 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R - juris RdNr 17).

 

An diesen Grundsätzen gemessen war der Beigeladene zu 3) an den jeweiligen Einsatztagen abhängig beschäftigt. Das Sozialgericht hat dies in den Entscheidungsgründen mit zutreffenden Erwägungen dargestellt. Der Senat verweist daher auf die dort dargelegten Gründe (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).

 

Die Berufungsbegründung der Klägerin vermag nicht zu überzeugen. Entscheidend ist insoweit nicht, ob der Beigeladene zu 3) frei darin war einzelne Aufträge anzunehmen oder abzulehnen. Auch jeder Arbeitnehmer ist frei darin, ein Arbeitsverhältnis zu begründen oder nicht. Entscheidend ist, wie sich die Tätigkeit im Einzelnen nach Annahme des Auftrages gestaltete. Das Sozialgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der Beigeladene zu 3) nach Annahme des Auftrages, während der Interviews, vollständig in den Betreib der Klägerin eingebunden war. Die Klägerin betreibt Unternehmen dessen unternehmerischer Zweck es ist, Befragungen zu Zwecken der wissenschaftlichen Markt- und Sozialforschung durchzuführen. Hierfür betreibt sie u. a. ein entsprechend ausgerüstetes Telefonstudio in Berlin. Von dort oder im Home-Office führen für sie Telefoninterviewerinnen oder Interviewer telefonische Interviews durch. Im Rahmen dieses unternehmerischen Zweckes der Klägerin war der Beigeladene zu 3) tätig. Er hat damit eine von der Klägerin gegenüber ihren Kunden geschuldete (Teil-)Leistung innerhalb der von dieser vorgegebenen Organisationabläufe erbracht (vgl. Urteil des BSG vom 7. Juni 2019 a. a. O., RdNr. 30).

 

Sofern die Klägerin insoweit vorträgt, dass sie nur untergeordnete Hilfsmittel (Headset oder Software) zur Verfügung gestellt habe, es bei der Arbeit des Beigeladenen zu 3) aber entscheidend auf die „hochqualifizierten rhetorischen und kommunikativen Fähigkeiten des Interviewers“ ankomme, vermag dies nicht zu überzeugen. Dass die von ihr gestellte Software für die Tätigkeit von Interviewern von untergeordneter Bedeutung war, ist schwerlich nachzuvollziehen. Ohne diese Software funktionierte das System der Klägerin nicht. Die Interviewer hatten sich über das Software-Tool für bestimmte Einsatzzeiten einzutragen. Über die von der Klägerin zur Verfügung gestellte Telefonnummern hatten die Interviewer potentielle Teilnehmer anzurufen und sie von der Teilnahme an der Befragung zu überzeugen. Hatten die Teilnehmer ihre Bereitschaft erklärt, hatten die Interviewer die wortwörtlich vorgegebenen Fragen, einschließlich der Antwortvorgaben, und die Reihenfolge der Fragen abzuarbeiten. Die Vorgehensweise war fest vorgeschrieben. Freiheiten welcher Art auch immer hatten sie hierbei nicht. Die Art und Weise wie ein Interview durchzuführen war, war fremdbestimmt. Es war standardisiert und im Einzelnen durch den, den Interviewern von der Klägerin an die Hand gegebenen Leitfaden, geregelt. Die dort vorgegebene Vorgehensweise war von den Interviewer unbedingt einzuhalten, „damit keine verfälschten oder ungenaue Daten erhoben werden“, wie es in dem Leitfaden heißt. Die Einhaltung dieser Vorgaben wurde durch Supervisoren, die die Interviews stichprobenartig mithören konnten, ohne dass dies erkennbar war, überprüft. Im Anschluss erfolgte ggf. ein Auswertungsgespräch zwischen dem Supervisor und den Telefoninterviewer. Die Vorgaben waren für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 3) prägend.

 

Der Beigeladene zu 3) hat auch kein unternehmerisches Risiko getragen. Er hat jedenfalls kein eigenes Kapital mit dem Risiko des Verlustes eingesetzt. Eigene Betriebsmittel hat er gerade im Hinblick auf die bei der Klägerin ausgeübte Tätigkeit nicht angeschafft. Durch die Vereinbarung eines bestimmten Vergütungsmodells konnte er sich darauf verlassen, dass er für seine Arbeit risikolos ein fest definiertes Honorar erhält. Da es auch lediglich auf eine Betrachtung der konkreten Tätigkeit ankommt, ist das einzig in Betracht kommende Risiko des Beigeladenen zu 3), von der Klägerin keine weiteren Folgeaufträge zu bekommen, für die Frage seines Status in der konkreten Tätigkeit irrelevant (vgl. Urteil des BSG vom 7. Juni 2019, a. a. O., RdNr. 31).

 

Die Klägerin kann sich schließlich nicht auf die beanstandungsfreie vorangegangene Betriebsprüfung berufen, da diese nicht durch entsprechende Verwaltungsakte abgeschlossen wurden. Eine materielle Bindungswirkung kann sich auch weiterhin nur insoweit ergeben, als Versicherungs- und/oder Beitragspflicht im Rahmen der Prüfung personenbezogen für bestimmte Zeiträume durch Verwaltungsakt festgestellt worden sind. Einer pauschal gehaltenen sog Prüfmitteilung, nach der die durchgeführte Betriebsprüfung "ohne Beanstandungen geblieben ist", kommt nach dem objektiven Empfängerhorizont kein Regelungsgehalt zu; sie ist daher kein Verwaltungsakt im Sinnen von § 31 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch. Neben der pauschalen Feststellung der Beanstandungsfreiheit werden nämlich keine konkreten Prüfergebnisse in Form des Prüfungsgegenstandes und daraus entstehender Schlussfolgerungen mitgeteilt. So heißt es in dem Bescheid der Beklagten vom 22. März 2011, den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2009 betreffend, dass „die stichprobenweise Überprüfung der vorgelegten Unterlagen und Aufzeichnungen der von Ihnen beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer keine Beanstandungen“ ergeben hätte. Eine entsprechende Formulierung findet sich in dem Bescheid vom 4. Dezember 2014, den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2013 betreffend. Mangels Regelungscharakter liegt damit kein Verwaltungsakt vor, der Anknüpfungspunkt für Bestands- und Vertrauensschutz hinsichtlich der Statusfrage des Beigeladenen zu 3) sein könnte (vgl. Urteil des BSG vom 19. September 2019 B 12 R 25/18 R -, RdNr. 12, zitiert nach juris). Entsprechendes gilt für die Mitteilung der Beklagten vom 10. Dezember 2015. Sie enthält keine personenbezogene Feststellungen und beschränkt sich auf eine pauschale Aussage. Ein Regelungsgehalt ist dieser Mitteilung nicht zu entnehmen. Soweit sich die Klägerin insoweit auf Vertrauensschutz beruft, vermag der Senat diesem Vorbringen nicht zu folgen. Denn die Beklagte hatte bereits mit dem in diesem Verfahren angefochtenen Bescheid vom 5. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 28. August 2013 entschieden, dass der Beigeladene zu 3) in seiner Tätigkeit als Telefoninterviewer versicherungspflichtig beschäftig ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG liegen nicht vor.

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                

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